Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Meine Damen und Herren von den LINKEN! Was denken Sie, wo diese Menschen sich dann am Montagabend befinden? Sicher nicht vor dem Fernseher, und das hat nichts, aber auch gar nichts mit politischer Bildung zu tun. Nein, das hat etwas mit Verunsicherung und mit Populismus zu tun. Dies geht aber nicht von sächsischen Schulen aus.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Nun direkt zu Ihrem Antrag. Ich unterstelle Ihnen – Sie werden mir das verzeihen –, dass Sie mit diesem Antrag auf das BLK-Programm von 2002 bis 2007 zurückgreifen. Übrigens stammt meine Aussage zur Demokratie ebenfalls aus diesem Programm. Das steht auf Seite 18, Sie können es nachlesen. Glauben Sie mir, wir sind da in Sachsens Schulen bezüglich demokratischer Prozesse schon viel, viel weiter. Aber dazu später noch Details.

Übrigens steht in der Auswertung des Programms aber auch, dass die Problemgruppen vor allen Dingen Hauptschüler und Berufsschüler sind und dass die Geburtenjahrgänge 1975 bis 1980 besonders anfällig gegenüber rechten Parolen und ausländerfeindlichen Tendenzen ausgeprägt sind. Diese Menschen haben das sächsische Schulsystem wenig bzw. gar nicht kennengelernt. Diese

Bürgerinnen und Bürger sind heute 40 bis 45 Jahre alt. Sind das etwa die Montagsdemonstranten? Oder sehen wir auf den Montagsdemos überwiegend junge Menschen im Alter von 20 bis 30 Jahren, Menschen, die durch sächsische Schulen gegangen sind? Die Antworten geben Sie sich bitte selbst.

Ich möchte nun zu Ihrem Antrag kommen und konstruktiv-ergänzende Vorschläge machen. Was halten Sie davon, zu Ihrem Antrag noch zwei Blöcke mit zusätzlichen Anstrichen zu machen? Ich mache Ihnen einen Vorschlag:

Wir machen einen neuen Anstrich und sagen in diesem Anstrich in Ihrem Antrag:

Schaffung flexibler Rahmen für individuelle Leistungsförderung, spezifische Interessen und Neigungsentwicklung der Schüler, die Entwicklung der Ausbildungsfähigkeit und die Schaffung von Grundlagen für lebenslanges Lernen erhöhen;

Vorschlag Wissensvermittlung, mit dem sich die wesentlichen Bereiche der Gesellschaft und Kultur erschließen, um den Anforderungen in der Schule und im künftigen Erwachsenenleben gerecht zu werden;

Auseinandersetzung mit Personen und Problemen, um Schüler ihre Sensibilität, Intelligenz und Kreativität ausprägen zu lassen;

Schüler sollten im sozialen Miteinander Regeln und Normen erkennen, deren Sinnhaftigkeit und deren Einhaltung anstreben. Sie sollten lernen, verlässlich zu handeln, Verantwortung zu übernehmen, Kritik zu üben und konstruktiv mit Kritik umzugehen.

Durch das Erleben von Werten im schulischen Alltag, das Erfahren von Wertschätzung und das Reflektieren verschiedener Weltanschauungen und Wertesysteme

sollen Schüler individuelle Wert- und Normvorstellungen auf der Grundlage der freiheitlich-demokratischen

Grundordnung entwickeln und anregen.

Schüler als handelnde und lernende Individuen zu aktivieren sowie in die Unterrichtsplanung und -gestaltung einzubeziehen;

Zusammenarbeit mit Unternehmen und Handwerksbetrieben in der Region;

Neue Impulse durch Kontakte zu anderen Schulen, Vereinen, Organisationen und Beratungsstellen geben;

Die Identifikation von Schule fördern durch Feste, Ausstellungen, Wettbewerbsteilnahmen, Schülerfirmen, Schuljugendarbeit und Schulklubs, die Schaffung neuer Lernräume sowie die Öffnung der Schule in die Region;

Toleranz, Transparenz, Verlässlichkeit als handlungsbegleitende Prinzipien, schulische Arbeit;

Regeln und Normen des Verhaltens in der Schule werden gemeinschaftlich erarbeitet.

Schulen entwickeln eigenverantwortliche Konzeptionen zur Lernkompetenzförderung und realisieren diese in Schulorganisationen und im Unterricht.

Für eine nachhaltige Wirksamkeit muss der Lernprozess selbst zum Unterrichtsgegenstand werden. Gebunden an Fachinhalte, sollte ein Teil der Unterrichtszeit dem Lernen des Lernens gewidmet sein.

Nun kann ich Sie beruhigen, das sind nicht meine Erfindungen. Diese Ergänzungen treffen mit Sicherheit die Intention Ihres Antrages. Das Problem ist nur, dass das Inhalte des Lehrplanes Mathematik, ein wissenschaftliches Fach von der Haupt- und Realschule aus dem Jahr 2004, sind. Lehrer, die den Lehrplan richtig lesen können – Sie sind ja meine Kollegin, Sie können den Lehrplan sicherlich auch richtig lesen –, setzen genau diesen Lehrplan – die Seiten 8 bis 10 – im Unterricht um. Da haben wir genau die Demokratieprozesse, die Sie anstreben, im sächsischen Lehrplan verankert. Wir müssen ihn nur umsetzen.

Dann lese ich Ihnen noch ergänzend etwas dazu, nämlich den Lehrplan aus der Gemeinschaftskunde, Rechtserziehung und Wirtschaft, erstellt in den Jahren 2004 bis 2013. Den kennen Sie sicherlich selbst. Ich zitiere den Bildungs- und Erziehungsauftrag: „Die Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit sowie die Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens in sozialer Verantwortung und die Befähigung zur Mitwirkung in der demokratischen Gesellschaft gehören zum Auftrag des Gymnasiums. Die Schüler entwickeln ihre individuellen Wert- und Normvorstellungen auf der Basis der freiheitlichdemokratischen Grundordnung in Achtung vor dem Leben, den Menschen und von zukünftigen Generationen.“

Sie entwickeln ihre persönliche Motivation für die Übernahme von Verantwortung in Schule und Gesellschaft.

Ich könnte das jetzt fortsetzen, meine Damen und Herren, aber das würde sicherlich zu weit führen, weil Frau Falken eine Frage hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Falken, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Danke auch Herr Bienst, dass Sie die Frage gestatten.

Herr Bienst, wenn Sie der Auffassung sind, dass alle Kriterien, die für politische Bildung notwendig sind, bereits in Lehrplänen verankert sind – da sind wir ja so weit gar nicht auseinander –, wie erklären Sie mir dann bitte, dass gerade von den Schülern – meine Kollegin hat es ja ziemlich deutlich dargestellt, Sie haben ja auch in Podiumsdiskussionen mit mir gemeinsam solche Fragen schon beantworten müssen – und übrigens auch von den Lehrern genau diese Forderung kommt, dass wir mehr politische Bildung in sächsischen Schulen brauchen? Wie erklären Sie sich das?

Das kann ich ganz leicht erklären. Wir haben hier im Hohen Haus schon oft über entsprechende Beispiele diskutiert, dass es sicherlich auch in Sachsens Schulen solche und solche gibt. Es gibt Schulen, zum Beispiel Schulen in freier Trägerschaft und staatliche Schulen, die den Lehrplan, den wir erstellt haben und natürlich auch lesen müssen und lesen können, effektiv und vernünftig auch im Sinne der Demokratie und des demokratischen Denkens umsetzen und genau diese Intention, also die politische Bildung, im Unterricht mit einwirken und einfließen lassen. Es gibt natürlich – da gebe ich Ihnen recht – auch andere Beispiele, wo das vielleicht momentan noch nicht so funktioniert. Aber ich komme gleich in meiner Rede noch darauf zu sprechen, wie man das verändern kann, wenn Sie gestatten, Frau Kollegin Falken.

Ich möchte es noch einmal zusammenfassen:

Erstens: Man sollte durch intensives Studium der Lehrpläne, der in Sachsen existierenden Verordnungen und des Schulgesetzes erkennen, dass Schülermitwirkung im System Schule durch den Lehrplan – ich hatte es gerade bewiesen –, durch die Hausordnung der einzelnen sächsischen Schulen und das Schulgesetz geboten ist. Ebenso möchte ich auf die Schülermitwirkungsmoderatoren hinweisen, die mit Unterstützung des SMK junge Menschen ab dem 13. Lebensjahr bis hin zum Berufsschüler zur Mitgestaltung in der Schule ausbilden. Ebenso möchte ich auf das in Vorbereitung befindliche Schulgesetz verweisen. Auch dort werden Veränderungen zur Verbesserung der Schülermitwirkung eingearbeitet. Also haben Sie noch ein wenig Geduld.

Zweitens: Dass die sogenannte Öffnung nach außen in den soeben genannten Schriften ebenfalls gegeben ist, habe ich, glaube ich jedenfalls, gerade belegt.

Drittens: Dass politische Projektwochen festgeschrieben sind und eigenverantwortlich durch die Schule unter Mitwirkung der Schüler organisiert werden, denke ich, ist sächsischer Alltag.

Viertens: Dass die sächsischen Pädagogen schon heute mehr als Wissensvermittler sind und ihrer Moderatorenrolle dort, wo es pädagogisch sinnvoll ist, gerecht werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Nur zu Ihrer Information: Für den Zeitraum vom 01.12.2015 bis 06.10.2016 werden circa 20 verschiedene Fortbildungsangebote zu den Themenbereichen „Demokratieerziehung" bzw. „Politik und Gesellschaft“ angeboten. Nicht zuletzt – das war auch ein Kritikpunkt in der gerade gehörten Rede – darf ich Ihnen mitteilen, dass wir uns über den aktuellen Erlass zur politischen Werbung in Schulen bereits Gedanken gemacht haben. Der Erlass ist seit 1999 in Kraft und bedarf sicherlich einer Überarbeitung.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen verraten, dass der zu Jahresbeginn 2016 in Kraft tretende neue Erlass Veränderungen mit sich bringen wird. Dort wird die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme von Politikern am Unterricht und an schulischen Veranstaltungen vor Wahlen neu geregelt. Aktuell sollte von einer Teilnahme politischer

Personen – Frau Junge hat es gerade gesagt – an schulischen Veranstaltungen zwölf Wochen vor Kommunal-, Landtags-, Bundestags- oder Europawahlen abgesehen werden. Diese Bestimmung wird auf sechs Wochen reduziert. Jetzt könnte der Aufschrei kommen. Aber selbst in diesen sechs Wochen wird bei einer paritätischen Besetzung aller politischen Parteien eine Teilnahme an schulischen Veranstaltungen oder dem Unterricht möglich sein. Voraussetzung ist die Einladung durch die entsprechenden Verantwortungsträger aus dem System Schule heraus.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, mir ist es gelungen, Sie davon zu überzeugen, dass es Ihres Antrags nicht bedarf. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Und die SPDFraktion, Frau Abg. Friedel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Schule demokratisieren und politische Bildung stärken“ ist die Überschrift des Antrages, und das ist ein Anliegen, das nicht nur wir mittragen, sondern auch viele Akteure in diesem Bereich, seien es der Landesschülerrat oder andere. Der Antrag der Linksfraktion macht unter dieser Überschrift konkrete Vorschläge, insgesamt fünf. Diese wurden bereits aufgezählt.

Wir haben eine Stellungnahme der Staatsregierung vorliegen, die im Wesentlichen sagt, dass alle Vorschläge, von denen die Rede ist, im Grunde schon umgesetzt werden, dass all das schon passiert. Damit ist der Antrag eigentlich erledigt, und man muss ihm nicht zustimmen. Das reicht uns nicht so richtig. Das reicht mir persönlich von beiden Seiten nicht. Wegen der knappen Redezeit will ich nur einen Punkt herausgreifen, den ersten: „Demokratie als Strukturprinzip des Unterrichts“. Sie haben geschrieben: Kooperatives und selbstständiges Lernen soll zum Strukturprinzip des Unterrichts an Schulen werden. Da kann man erst einmal stutzen und überlegen, was kooperatives Lernen mit Demokratie und politischer Bildung zu tun hat.

Hier gibt es einen wichtigen Zusammenhang. Herr Kollege Bienst hat das vorhin beschrieben, die Stichworte Zugehörigkeit, Mitwirkung, Anerkennung, Verantwortung. Das sind alles Punkte, die nicht so sehr als Wissen, sondern eher im Handeln vermittelt werden können. Kooperativer Unterricht ist eine Methode, die genau das vermittelt, weil Schüler gemeinsam in Gruppen an der Lösung von Aufgaben arbeiten. Dann ist Demokratie nicht das Prinzip, dass man darüber abstimmt, ob es richtig oder falsch ist, sondern dann geht es darum, Zugehörigkeit zu erfahren, gemeinsam an einem bestimmten Punkt mitzuwirken, gegenseitige Anerkennung und auch Verantwortung zu übernehmen. Solch kooperatives Lernen findet an sächsischen Schulen auch statt. Aber es gehört zur Ehrlichkeit dazu, zu sagen: eher selten

und eher nicht bewusst aus methodischen Gründen eingesetzt, sondern oftmals aus ganz praktischen Gründen.

Ein Beispiel: Der Unterricht Wirtschaft, Technik, Hauswirtschaft an der Mittelschule verläuft zwangsläufig ab und an als kooperativer Unterricht oder in Form des kooperativen Lernens, weil man in einer Schülergruppe 14 oder 13 Schüler hat, aber nur vier Herde im Klassenzimmer, sodass man vier Gruppen einrichten muss, die sich zusammen einer Aufgabe stellen. In diesen Gruppentätigkeiten – das machen WTH-Lehrer immer wieder deutlich – passiert viel mehr, als dass einfach nur das Lernziel „Wie backe ich, oder wie bereite ich etwas zu“ erreicht wird, sondern es kommt hier tatsächlich zu diesen Entwicklungen von sozialen Kompetenzen. Ich will es einmal so nennen.

Kooperativen Unterricht als Methode, als Strukturprinzip anzunehmen und ernst zu nehmen – da sind wir noch nicht. Aber es stimmt, es findet ab und an statt. Wir müssen dazu kommen, es nicht mehr dem Zufall zu überlassen, sondern zu einem Prinzip an unseren Schulen zu machen – zu einer unter vielen Methoden. Aber ich glaube, dass nicht nur an unseren Schulen hier noch ein Weg zu gehen ist. Ich glaube auch, dass der Antrag der LINKEN in dem Punkt nicht ausreicht. Ich finde, es reicht nicht aus, das SMK aufzufordern, etwas zu verankern, etwas zentralistisch zu steuern. Das schmeckt meinem Gefühl von verantwortlicher Schule, von dem, was Lehrerinnen und Lehrer tun sollen, nicht so richtig.

Was ist aus unserer Sicht der richtige Weg? Wir sind der Auffassung: Wenn es um die Frage geht, was Schulen leisten sollen, muss man ein wenig anders anfangen, als wir es jetzt tun. Wir haben in Lehrplänen allgemeine Dinge geschrieben. Die sind aber oft gar nicht leicht verständlich. Sie fußen auf unserem Schulgesetz und auf dem Erziehungs- und Bildungsauftrag, den wir dort haben. Ich muss sagen: Das Sächsische Schulgesetz hat einen sehr schönen, einen sehr klaren, einen fast lyrischen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Dort ist von der Ehrfurcht vor allem Lebendigen die Rede, von Nächstenliebe, Frieden und Erhaltung der Umwelt, Heimatliebe und auch von politischem Verantwortungsbewusstsein und einer freiheitlich-demokratischen Haltung, die es bei Schülerinnen und Schülern zu entwickeln gilt.