Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 6/3203. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Die Aussprache erfolgt wie gewohnt: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion CDU Herr Abg. Dierks. Herr Dierks, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die ökonomische Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft in unserem Land wird leider oftmals unterschätzt. Mit einem Beitrag von 66 Milliarden Euro zur deutschen Bruttowertschöpfung im Jahr 2013 liegt sie vor der chemischen Industrie mit 40 Milliarden Euro und sogar vor der Energieversorgungsindustrie mit 50 Milliarden Euro. Das ist zwar noch ein weiter Abstand zur Automobilindustrie, die einen Beitrag von 115 Milliarden Euro leistet, aber dennoch und gerade ein nicht wegzudenkender Beitrag zur Wertschöpfung in unserem Land.
Doch gehen wir einen Schritt zurück. Was ist eigentlich Kultur- und Kreativwirtschaft? Mir scheint, dass in dieser Frage in der Debatte doch das eine oder andere Missverständnis entsteht, welche Unternehmen sie repräsentieren und welche Menschen in dieser doch recht jungen Branche beschäftigt sind. Da heißt es, unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Unternehmen erfasst, die überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit Schaffung, Produktion, Verteilung und medialen Verbreitungen von kreativen und kulturellen Gütern und Dienstleistungen befassen. Dort sehen wir, dass das wesentliche Kriterium der erwerbswirtschaftliche Charakter dieser Unternehmen ist. Bewusst nicht dazu gezählt werden all jene Einrichtungen, die sich weitgehend nicht selbst tragen, sondern durch öffentliche Finan
Bei unserem vorliegenden Antrag von CDU und SPD handelt es sich daher nicht um die konsumtive Förderung von kulturellen Einrichtungen, sondern um investive Wirtschaftsförderung einer wachstumsstarken Zukunftsbranche, und zwar im allerbesten Sinne.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft umfasst zum Beispiel klassische Branchen wie den Kunst- und Architekturmarkt. Es gehören aber genauso noch sehr junge Branchen wie die Software- und Gameindustrie dazu, die im Jahr 2014 mit knapp 9 % die höchste Unternehmensgründungsrate in ganz Deutschland vorweisen konnte.
Einen Großteil der Kultur- und Kreativwirtschaft machen aktuell sich stark wandelnde Branchen wie der Buchmarkt, die Musik- und Filmwirtschaft und der Design-, Presse- und Werbemarkt aus. Sie tragen mit Innovationsquoten von bis zu 93 % dazu bei, dass die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft stabil und zukunftsfähig bleiben kann.
Die erste Halbzeit der Digitalisierung ging an amerikanische Unternehmen wie Google, Apple, Amazon, Facebook, Airbnb und u:book. Wir alle kennen sie, wir alle schätzen sie. Doch diese bieten vornehmlich Dienstleistungen für Privatkunden an. Die große Chance für Deutschland und Europa folgt nun in der Digitalisierung der klassischen Industrie, und, um im Bild zu bleiben, unsere Chance liegt darin, die zweite Halbzeit für uns zu entscheiden.
Europa ist führend bei der Software, die für Steuerung industrieller Maschinen eingesetzt wird. Bei den Lösungen für Geschäftskunden, die weitaus komplexer sind als diejenigen für Privatkunden, haben wir in Europa noch alle Chancen vor uns. Wie in der Begründung unseres Antrages zu lesen ist, stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft gerade klassischen Industrieunternehmen und Produzenten wertvolle Arbeitsgrundlagen insbesondere auf dem Gebiet der Wissensgenerierung, Prozessierung und Kommerzialisierung zur Verfügung. Sie gilt vor allem im Hinblick auf andere Branchen sowie für gesellschaftliche Entwicklungen als Innovationsmotor und Zukunftsträger.
Erfolgreiche Beispiele gibt es nicht zuletzt auch hier bei uns im Freistaat Sachsen. Eines ist das Unternehmen Green City Solutions. Aus der Gründungsschmiede der HTW heraus haben sie es mit ihrem Produkt im CityTree bis zur Nominierung für das Forbes Ranking der Top 30 unter 30-Jährigen Social Entrepreneurs in Europa geschafft. Der CityTree ist ein Produkt, das so einfach wie sinnvoll ist. Mit einer 4 Meter hohen und 3 Meter breiten, vertikal bepflanzten Stahlkonstruktion sorgt er dafür, dass die Feinstaubbelastung in Städten sinkt, dass die Einwohner an Lebens- und Aufenthaltsqualität gewinnen und leistet damit einen ganz aktiven Beitrag zum Umweltschutz und zur Ressourceneffizienz. Außerdem bieten die vertikalen Luftfilter aktuell die Möglichkeit, zusätzlich als WLAN-Hotspots oder E-Bike-Ladestationen zu dienen. Sie sind also äußerst vielfältig einsetzbar.
Diese Idee hat auch schon einige Kunden beeindruckt. Es gibt diese CityTrees in Jena, Reutlingen und auch international. Beispielsweise in Oslo und in Hongkong wird dieses Produkt eingesetzt, nur in Sachsen noch nicht. Ich denke, dass das auch ein Zeichen dafür ist, dass unser Antrag durchaus relevant und wichtig ist, für diese Branche hier im Freistaat zu werben, ihre Bedeutung zu unterstreichen und deutlich zu machen, dass es sehr, sehr gute Ideen Made in Saxony gibt, die es verdienen, auch hier im Freistaat Sachsen erfolgreich zu sein.
Es gibt weitere Beispiele, die ich hier nennen kann. Zum Beispiel stellt Nordwerk Möbel oder Messestände aus Wellpappe her, die eigentlich bereits für die Entsorgung vorgesehen ist, also Nachhaltigkeit im allerbesten Sinne, Nachnutzung von im Grunde für die Entsorgung vorgesehenen Materialien. Paulsberg hat einst damit angefangen, aus neuen Materialien Produkte zu entwickeln, um später als erstes Unternehmen weltweit aus karbonfasergestütztem Beton Möbel zu bauen. Mittlerweile haben sie ihr Geschäftsmodell weiterentwickelt und bieten als Agentur sowohl klassische Kommunikationsdienstleistungen als auch ganze Raum- und Veranstaltungskonzepte für ihre Kunden an.
Alle drei Unternehmen haben sich entweder ihren eigenen Markt geschaffen bzw. erschlossen oder bereits vorhandene Märkte revolutioniert oder sind im Begriff, diese zu revolutionieren. Die Akteure der Kultur- und Kreativwirt
schaft sind hoch qualifiziert, mobil und haben ein überaus großes Maß an intrinsischer Motivation. Sie arbeiten schon heute in zukunftsorientierten Arbeits- und Geschäftsmodellen und sind hoch innovative Spezialisten und Nischenanbieter.
Die Kleinteiligkeit der Branche bedingt dabei eine besonders flexible und vor allem auch innovative Arbeitsweise. Die gegebenen Potenziale werden aber noch nicht ausreichend genutzt. Nun ist es die Aufgabe der Politik, diese Potenziale zu verdeutlichen, zu erkennen und zweckdienlich zu fördern.
Der gemeinsame Antrag von CDU und SPD wurde nicht zuletzt auch im Gespräch mit Akteuren aus der Kultur- und Kreativwirtschaft erarbeitet; denn es ist unser Anspruch, mit ihnen gemeinsam im Dialog Lösungen zu finden. Es wäre vermessen, wenn wir behaupten würden zu wissen, was so eine wahnsinnig kleinteilige und vielfältige Branche braucht. Deshalb haben wir gemeinsam nach guten Wegen gesucht.
Insgesamt gibt es im Freistaat Sachsen über 11 000 Unternehmen in dieser Branche mit einem bundesweit einmaligen Grad an Selbstorganisation. Besonders wertvolle Pionierarbeit liefern hier die Verbände „Wir gestalten Dresden“, „Kreatives Chemnitz“ und „Kreatives Leipzig“, die ein sehr hohes Maß an Professionalität der Branchenorganisation hier im Freistaat Sachsen zeigen.
Einen wichtigen Schritt haben diese drei Verbände getan, indem sie im Juli 2015 den Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft Sachsen gegründet haben. Diese Professionalisierung sollten und werden wir weiter unterstützen. Die notwendigen Punkte hierfür sind in unserem Antrag enthalten: zum einen, die Einrichtung eines selbst organisierten sächsischen Zentrums der Kultur- und Kreativwirtschaft durch eine entsprechende Anschubfinanzierung zu unterstützen; zum anderen, einen neuen Innovationsbegriff in die dafür geeigneten Förderinstrumente des Freistaates umzusetzen und aktiv innerhalb der genannten Szene zu bewerben und die Grundkompetenzen der unternehmerischen Selbstständigkeit auch in künstlerischen und geisteswissenschaftlichen Studiengängen zu vermitteln. Denn auch aus diesen Bereichen kommt der eine oder andere erfolgreiche Unternehmer hier im Freistaat Sachsen.
Mit der konsequenten Umsetzung dieser im Antrag genannten Punkte und der harten Arbeit der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft werden wir die Zukunft der gesamten Branche aktiv mitgestalten, weiterhin begleiten und dafür sorgen, dass Sachsen und Deutschland bei der Entwicklung moderner Ideen und Technologien weiter an der Weltspitze stehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie können sich sicher vorstellen, dass es uns als Chemnitzer Abgeordnete eine ganz besondere Freude ist, heute diesen Antrag hier einzubringen. Sie sehen, in Chemnitz, lieber Kollege Dierks, kümmern wir uns intensiv um unsere Kreativwirtschaftspflege, und vielleicht wird sich gerade auch in Zukunft der eine oder andere neue Impuls aus Chemnitz auf den gesamten Freistaat auswirken. Für uns ist das eine Wachstumsbranche und deswegen ein sehr wichtiger Antrag, was die Wirtschaftspolitik anbelangt.
Mein Kollege Dierks ist eher auf das Thema Creative Industries eingegangen, die schon versuchen, große Umsätze zu erzielen. Ich möchte mich in meinem Beitrag auf das Thema Kreativwirtschaft beschränken, auf die vielen kleinen und Soloselbstständigen, die in dieser Branche unterwegs sind. Wir sprechen über hoch qualifizierte Freiberufler, über Soloselbstständige, über Künstler, über Architekten, über Journalisten, über Menschen, die in Büros, in Netzwerken unterwegs sind und die oft nur eine Handvoll Mitarbeiter beschäftigen.
Was tun diese Menschen? Sie schaffen mit ihrem Wissen, ihren Ideen und ihrer Kreativität neue Produkte und neue Lösungen. Damit sind sie, wie es mein Kollege Dierks angedeutet hat, wichtiger Innovationsmotor für viele Wirtschaftsbereiche hier bei uns im Freistaat. Sie haben auch eine Besonderheit: Es ist kein großes Unternehmen mit tausend Mitarbeitern, sondern es sind tausend Unternehmen mit eins, zwei, drei, also sehr wenigen Mitarbeitern. Das macht es bislang schwer im Freistaat Sachsen, diese Branche zu fassen und wirklich einzuschätzen und an der einen oder anderen Stelle zielgenau zu fördern. Hier passen oft unsere Angebote in der Wirtschaftsförderung, in der Beratung nicht hundertprozentig und zielgenau. Auch hier möchte unser Antrag ansetzen, in Zukunft ganz genaue und zielorientierte Angebote zu machen, um diese wichtige Branche weiter nach vorn zu bringen.
Die Branche funktioniert auch anders, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, als ein traditionelles Unternehmen. Hier gibt es andere Arbeitsabläufe, es gibt ein anderes Zeitmanagement, und auch das zeichnet diese Unternehmen aus.
Wie funktioniert die Wertschöpfungskette in der Kreativwirtschaft? Sie funktioniert anders als in einem traditionellen Unternehmen: Meist sind es Einzelpersonen, die in ihrer Person selbst eine gesamte Wertschöpfungskette abbilden, die auf der einen Seite eigene Dienstleister sind und auf der anderen Seite auch eigene Produzenten, wo also die Wertschöpfungskette etwas ungewöhnlich in der Person selbst begründet ist. Sie sind auch nicht an einen bestimmten Arbeitsort gebunden; sie sind flexibel. Sie arbeiten heute von Chemnitz, morgen von Leipzig, übermorgen von New York aus. Die Branche ist flexibel; sie kann an jedem Ort dieser Welt Wertschöpfung, Innovation und Kreativität produzieren.
Wir müssen versuchen, als Sachsen, als Freistaat auch in Zukunft ein wichtiger Standort zu sein. Aus diesem Grund ist es für uns besonders wichtig, diese Branche zu fördern.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns als Abgeordnete in den Koalitionsfraktionen in den letzten Monaten – ich will schon sagen, in den letzten Jahren, lieber Alexander Dierks – intensiv mit dieser Branche beschäftigt und die Entwicklung in den drei großen Städten aufmerksam verfolgt. In Dresden, Leipzig und Chemnitz gibt es mittlerweile eigene Netzwerke, und auch für den ländlichen Raum sei gesagt: Auch die großen Netzwerkpartner in Chemnitz, Dresden und Leipzig kümmern sich um den ländlichen Raum. Hier wächst auch viel gerade ins Erzgebirge, auch in den Landkreis Leipzig und ins Vogtland hinein. Es entsteht also aus unserer Sicht im Moment ein großes Netzwerk von Kreativen hier in Sachsen, die in Zukunft eine stärkere Förderung erfahren sollten.
Wir haben im Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zur Kreativwirtschaft abgegeben und wollen das auch mit dieser Antragsinitiative weiter dokumentieren.
Was sagt uns das, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen? Es gibt nicht den Kreativen; die Branche kann man nicht mit anderen Branchen vergleichen. Es gibt den Journalisten, den Architekten, den Webdesigner, den Freiberufler, den Schauspieler, den Filmschaffenden, den Musikverlag oder auch den Kunsthandwerker – kurzum: Die Branche ist breit aufgestellt. Kreativwirtschaft ist eine Branche mit vielen kleinen Bereichen. Hier gilt es in Zukunft, die Branche richtig einzuschätzen und genau hinzuschauen.
Aus diesem Grund ist für mich ein Punkt in diesem Antrag sehr wichtig: der Kultur- und Kreativitätsbericht, den wir in Zukunft hier in Sachsen auflegen wollen. Wir müssen dabei berücksichtigen: Die Branche denkt vermehrt in Netzwerken und die große Überschrift ist Vernetzung. Es geht in dieser Branche nicht um die klassische Wirtschaftsförderung, sondern es gilt in allererster Linie, die Beratungskompetenzen zu unterstützen, es gilt zu unterstützen, die Netzwerke selbst noch weiter voranzubringen und zu schauen, inwieweit die eine oder andere Förderung, die wir in Sachsen anbieten, nicht auf diesen wichtigen Wirtschaftsfaktor passt.
Hier knirscht aus meiner Sicht an vielen Stellen das Netzwerk, und hier müssen wir nachsteuern. Wir müssen versuchen, die Branche in Zukunft noch viel besser zu verstehen, wo die Fallstricke für Selbstständige sind und wo es an notwendigen Netzwerkkontakten fehlt.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, anders als in anderen Bundesländern haben sich die Kreativen hier bei uns in Sachsen zu einem großen Netzwerk versammelt. Im Laufe dieses Jahres hat sich ein großer Landesverband gebildet, also ein Kreativnetzwerk für Gesamtsachsen. Wir sind jetzt dabei, aus der Landespolitik zielgenau zu unterstützen, bei welchen Bedürfnissen wir hier in Zukunft helfen können. Insoweit freue ich mich auf die Ausführungen der beiden Staatsminister, der
Staatsministerin Eva-Maria Stange und von Martin Dulig, weil auch die Staatsregierung erkannt hat, dass das ein großes Querschnittsthema ist. Es ist nicht nur ein Thema für ein Ministerium. Darum müssen sich viele kümmern, dass es in Zukunft gut vorangeht.
Ich möchte zum Schluss kommen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen vor allem diesen Kreativitätsbericht. Wir brauchen verlässliche Zahlen: Wie hat sich die Zahl der Beschäftigten verändert? Wo gibt es Schwankungen in den Märkten? Gibt es Abwanderungen in andere Unternehmen? Wenn ja, warum ist das so? Wir brauchen eine qualifizierte Betrachtung, um in Zukunft zielgenau politische Angebote unterbreiten zu können.
In diesem Sinne, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Kreativitätswirtschaft ist die Wachstumsbranche der Zukunft. Damit es so bleibt, damit viele Soloselbstständige in Zukunft auch in Sachsen eine Chance haben, freue ich mich auf möglichst breite Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die große Relevanz der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Funktion für und in der Wirtschaft, haben wir ja nun einiges oder sehr viel gehört. Ich kann es heute auch relativ kurz machen.