Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die große Relevanz der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Funktion für und in der Wirtschaft, haben wir ja nun einiges oder sehr viel gehört. Ich kann es heute auch relativ kurz machen.
Wie bereits in meiner Pressemitteilung im November letzten Jahres erklärt, begrüßt DIE LINKE den Antrag von CDU und SPD zum Thema Kultur- und Kreativwirtschaft – Förderung einer wachstumsstarken Zukunftsbranche. Einen ganz ähnlich lautenden Antrag hatten wir schließlich einen Monat vorher selbst eingebracht. Schön, dass Sie diesen offensichtlich als Vorlage für Ihren parlamentarischen Vorstoß nutzen und wir Ihnen damit aus der Opposition heraus behilflich sein konnten. Bitte schön.
Denn die Antragspunkte 1, 2 und 4 finden sich auch in unserem Antrag. DIE LINKE fordert wie die Koalition die Errichtung eines sächsischen Kompetenzzentrums, die Erweiterung des bislang nur auf technologische Neuerungen begrenzten Innovationsverständnisses, die Vorlage eines zweiten Kulturwirtschaftsberichtes für den Freistaat Sachsen 2016.
Nein, wir gehen noch weiter, Herr Dulig. Es geht noch weiter. Die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für die Kultur- und Kreativwirtschaft halten wir für evident. Das Interesse der Staatsregierung daran war bisher gering. Das hat sich geändert. Das ist erfreulich und wahrscheinlich auch dem Zusammenschluss der drei Vereine „Kreatives Leipzig“, „Wir gestalten Dresden“ und „Kreatives Chemnitz“ zum Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft zu verdanken. Wir wünschen viel Erfolg bei der anstehenden Arbeit.
Drei wichtige Aufgaben hat das Kompetenzzentrum unserer Auffassung zu lösen: Erstens brauchen wir eine praxisnahe wirtschaftliche Professionalisierung der
Akteurinnen und Akteure. Zweitens müssen die bestehenden Förderstrukturen den tatsächlichen Bedürfnissen von Freiberuflern und Kleinstunternehmen entgegenkommen, und drittens muss die Vernetzung innerhalb der Branche sowie branchenübergreifend stärker als bisher gefördert und vor allem der Dialog der Politik mit den Netzwerkern der Kultur- und Kreativwirtschaft verbessert werden.
Für den zweiten Kulturwirtschaftsbericht haben wir der Staatsregierung in unserem Antrag einen Termin spätestens bis zum 30. September 2016 gesetzt. Aus der Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf den späteren Antrag der Koalitionäre geht hervor, dass in diesem Halbjahr erst die Leistungsbeschreibung für die Vergabe des Berichts fertiggestellt werden soll. Das erscheint uns zu spät. Allerdings, wenn Sie sich schon so viel Zeit nehmen, nutzen Sie sie doch, indem Sie unsere weitergehenden Überlegungen mit aufnehmen.
Unser Antrag enthält vier wesentliche Anregungen mehr. Außer den bereits angesprochenen Maßnahmen halten wir für erforderlich: die Schaffung einer Koordinierungsstelle beim Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, die Aufhebung der Begrenzung vorhandener Förderinstrumente auf kleine und mittelständige Unternehmen und die Aufnahme weiterer Branchen sowie der freien Kulturszene in die Mikrodarlehensförderung, die Erfassung der Umwegrentabilität der freischaffenden Kulturszene und der Kultur- und Kreativwirtschaft. Außerdem forderten wir auch die Betrachtung der Unternehmen und Kulturschaffenden, die weniger als 17 500 Euro im Jahr erwirtschaften. Das sind immerhin 35 % der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Lässt man diese außer Acht, verfälscht man doch bewusst das Ergebnis. Mit dem neuen Bericht haben wir und Sie jetzt die Chance, wahre Fakten als Grundlage für weiteres sinnvolles Handeln zu erfahren. Wenn Sachsen immer wieder als reiches Kulturland bezeichnet wird, ist nicht der wirtschaftliche Reichtum der Kultureinrichtungen und Akteure damit gemeint, sondern die Vielfalt der Angebote. Zu dieser reichen Vielfalt tragen viele bei, viele, die davon allerdings nicht leben können.
Bezieht man diese ein, wäre das wirtschaftliche Zahlenbild wahrscheinlich zwar nicht so rosig, aber realistisch. Parallel dazu haben diejenigen, die davon nicht leben
können und es trotz der Unwirtschaftlichkeit nun einmal nicht lassen können, insgesamt Anteil an der Umwegrentabilität vieler Einrichtungen und Angebote. Das ist der Wirtschaftsfaktor, den Sie auch mit ins Kalkül ziehen sollten.
Wenn das im Bericht berücksichtigt wird, ergibt sich am Ende womöglich trotz der Betrachtung „unwirtschaftlicher Institutionen und Akteure“ kein Minus, kein Verlust, dafür aber ein realistisches Bild, das sogar wahr ist. Das wäre doch eine Basis, aus der man vernünftige Schlüsse ziehen und diese umsetzen kann. Natürlich ist das ein erhöhter Aufwand; denn der letzte sächsische Bericht aus dem Jahr 2008 erwähnt noch, das große Potenzial an geringfügig Tätigen oder Mehrfachbeschäftigten könne derzeit auf Basis der amtlichen Statistik nicht angemessen ermittelt werden. Da frage ich mich doch, woher der Bund für seine Erhebungen im jährlichen Monitoring diese Zahlen hat. Zumindest kann ich dort nicht feststellen, dass Sachsen außen vor gelassen wurde.
Sie sehen, unser Antrag, den „Zweiten kulturwirtschaftlichen Bericht erstellen – Kultur- und Kreativwirtschaft im Freistaat Sachsen stärken“, ist also konsequenter als der von CDU und SPD. Jedoch habe ich aus relativ kurzer Erfahrung Folgendes gelernt: Die Koalitionäre haben nicht jede unserer Forderungen übernommen, weil sie den Antrag der LINKEN, wenn er zur Behandlung ansteht, ohnehin ablehnen. Das verdeutlicht wieder einmal mehr die Absurdität des ungeschriebenen Brauchs der Regierungsfraktionen in diesem Parlament, Anträge der Opposition abzulehnen – auch bei noch so großer inhaltlicher Übereinstimmung.
Eine letzte Bemerkung gestatten Sie mir noch. Ich hoffe, es als günstiges Omen für eine zukünftige Zusammenarbeit beider Ministerien deuten zu dürfen, dass es auf unseren Antrag eine Stellungnahme von Staatsminister Martin Dulig gab und auf den Antrag von CDU und SPD Frau Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange in Vertretung antwortete. Das heißt, es gibt viele Schnittmengen, und außerdem verstärkt es doch die Kräfte für das gemeinsame Vorgehen. Keiner möchte es am Ende Staatsminister Georg Unland zumuten, dass er alles richten muss.
Wie ich eingangs meiner Rede schon sagte: DIE LINKE begrüßt den Antrag, die Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachsen voranzubringen. Daher können wir auch zustimmen.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dierks, Herr Vieweg und Herr Sodann haben uns nun schon einiges Erhellende über die Kultur- und Kreativwirtschaft aufgezeigt. Dazu nun im Folgenden mein Beitrag.
Liest man die Anträge der Regierungsfraktionen und der LINKEN zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachsen, so ist man an alte Zeiten der Volkskammer erinnert.
Die staatsgläubigen Planer haben eine neue Nebelmaschine angeworfen. Kein Dampfwort fehlt, vom Dritte-WeltMikrokreditsystem bis zum staatlich organisierten Kompetenzzentrum. Mehr Einheitsjargon gab es damals auch nicht. Nichts in den Papieren ist analytisch, innovativ und wirklich zielführend. Man lockt mit vereinnahmendem allgemeinem Goodwill. Dabei ist es doch das Kennzeichen der so umschwärmten Branche, uns mit neuen Wegen, Worten und Zusammenhängen zu überraschen.
Zunächst ist also festzustellen, dass die Politik selbst den allergrößten Beratungsbedarf hat, denn die größten Potenziale dieses Clusters haben nichts mit den landläufigen Vorstellungen von Kultur und Kreativität zu tun. Ein erweitertes Bewusstsein lässt sich nie auf sich selbst beschränken, es wirkt, wie es wirkt. Das ist ganz einfach. Ich sage das nicht, weil ich etwas gegen die Kreativen habe. Das Gegenteil ist der Fall. Mein Partner und ich haben unser ganzes Leben in dieser sogenannten Zukunftsbranche verbracht, gearbeitet, Steuern gezahlt und unsere Kinder großgezogen. Unsere Kinder arbeiten, genauso wie wir, auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Ich weiß also, wovon ich hier rede.
Jeder, der dieses Abenteuer wagt, weiß, dass es ein Abenteuer ist, und sucht es, weil es zu ihm passt, sonst wäre er Kunsterzieher geworden oder anderweitig von Staatsknete abhängig. Wenn es wirklich darum geht, erfolgreiche Strategien für diesen Zweig unserer Kultur und Wirtschaft zu entwickeln, dann ist das ganze „Geschwurbel“ von Förderung und Handlungsstrategien kontraproduktiv. Eigentlich würde es ausreichen, Mut zur Zukunft zum gesellschaftlichen Leitbild zu machen. Davon ist in den Papieren aber weit und breit nichts zu hören oder zu lesen. Dafür werden wir mit wenig zukunftsträchtiger Politik und Rechtswillkür aller Art, mit mehr bürokratischen Kontrollen und Sprachregelungen bis hin zu ideologisierten Wetterberichten überflutet. Es ist keine Spur von Freiheit und Abenteuer.
Das ist kein Klima für Kreativität und wirtschaftlichen Erfolg. Hierzu möchte ich eine Anekdote aus unserer Praxis erzählen. Das Bundesministerium für Wirtschaft hatte das Team meines Partners vor Jahren beauftragt, eine Kampagne für Unternehmensgründer zu entwickeln. Nachdem das Briefing umgesetzt und vor der versammelten Mannschaft präsentiert war, ergab ein Wort das andere. Die Diskussion über das Für und Wider der einzelnen Maßnahmen gipfelte in der Aussage der Kreativen, dass es natürlich das Beste wäre, den Start-ups für einige Jahre Steuerfreiheit zu gewähren. Die Reaktion war ein vielstimmiges laut gestammeltes Schweigen. Der Charme dieses Schusses aus der Hüfte war einfach zu offensichtlich. Er war gerechter und effektiver als jedes neue Bankprodukt, das sich zum Beispiel Mikrodarle
Trotzdem möchte ich noch ein Beispiel aus Dresden anfügen, das dieses Kapitel dann abschließen soll. In Dresden gibt es tatsächlich Steuerfahnder, die Künstlern unbedingt gewerbliche Tätigkeiten nachweisen möchten, wenn diese im Internet etwas für ihre Bekanntheit tun möchten.
Ich komme zurück zum Ernst des kreativen Lebens. Wichtiger als Geld ist, wie schon gesagt, das gesellschaftliche Klima, in dem sich dieses Segment der Wirtschaft bewegt. Kreativität braucht neben Können und Talent vor allem Freiheit, Offenheit für gesellschaftliche Prozesse und eine unstillbare Neugier, Empathie für die Wünsche und Erwartungen der Adressaten aller kreativen Bemühungen sowieso. Vorurteile, und seien sie noch so mit Nachhaltigkeit geadelt, sind nicht nur kontraproduktiv sondern eine Zukunftsbremse, wie sie gefährlicher nicht sein kann.
Die geistige Freiheit ist Selbstbestimmung und braucht keinen noch so gut gemeinten Vormund, der sich Kompetenzzentrum nennt. Was diese Branchen aber ganz dringend brauchen ist eine dynamischere Wirtschaft in unserer Region. Nur echte Wertschöpfung schafft kreative Spielräume für alle auf allen Ebenen. Geld vom Staat ist nie die Lösung, sondern immer das Problem. Kreative Akteure brauchen keine sozialpartnerschaftlichen Mittler, die sich mit geliehener Kompetenz schmücken. Entsprechende Organisationen gibt es schon genug. Allerdings hält sich deren Einfluss bisher in Grenzen – glücklicherweise –, weil es so viele Geschäftsmodelle wie Akteure gibt.
Ein betreuter Abenteuerspielplatz ist kein Abenteuer mehr. Jeder, der sich einmal mit berufsständischen Honorarordnungen auseinandersetzen musste, weiß um die gnadenlose Realität der alltäglichen Preisbildung. Es würde schon helfen, wenn in die Kungelrunden öffentlicher Auftraggeber mehr Transparenz käme.
Damit sind wir bei der politischen Seite dieser urplötzlichen, beinahe gleichlautenden und gleichgeschalteten Liebe zur Kultur- und Kreativwirtschaft. Wenn wir einmal die traditionellen Kulturbetriebe – Orchester, Opernhäuser, Theater oder Verlage – ausklammern, so hat sich die Kreativwirtschaft auch ohne die besondere Fürsorge des Staates zu dem entwickelt, was sie heute ist. Warum also die plötzliche Zuneigung der Politik zu dieser Szene? Die Antwort liegt offensichtlich schon in dem Begriff der Szene selbst. Szene steht heute für ein modisch hoch attraktives Label eines zunehmend trivialisierten und
Die Nerds generieren Nerds, die gefüttert werden möchten. Da sie den Bedürfnissen auch den entsprechend öffentlichen Ausdruck verleihen können, sind sie politisch plötzlich relevant. Sie sind zu einem Massenphänomen geworden. Dazu passt, dass sich die Zahl der Studienanfänger an den entsprechenden Hochschulen in den letzten 20 Jahren verzehnfacht hat. Das geht mit der Zunahme prekärer – also unsicherer oder problematischer – Lebenskonzepte einher. Die Akteure in der Kreativwirtschaft sind oft mehr Lebenskünstler als Künstler. Schon seit den Siebzigerjahren ist eine stehende Redewendung in der Szene folgende: Der Staat hat mich ausgebildet, also hat er auch die Pflicht, für mich zu sorgen.
– Herr Viehweg, sofort, ich bin gleich fertig. – Warum sollte das heute ausgerechnet anders sein? Wir werden daher den Antrag ablehnen.
Jetzt kann ich die Zwischenfrage nicht mehr zulassen. Eine Zwischenfrage kann ich nur während der Rede zulassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz etwas zur Vorrednerin sagen: Frau Wilke, Sie haben offensichtlich noch nie mit Vertreterinnen und Vertretern oder mit dem Verband der Kultur- und Kreativwirtschaft gesprochen, sonst würden Sie hier nicht so etwas darlegen.
Alles, was in dem vorliegenden Antrag steht, ist zu unterstützen. Ich nehme es vorweg: Meine Fraktion wird diesem Antrag zustimmen, weil wir alle Punkte für dringend notwendig und richtig halten.