Protokoll der Sitzung vom 27.05.2016

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Schreiber, bitte.

Vielen Dank, Frau Junge, das kommt unerwartet. Ich habe nur eine kurze Rückfrage: Können Sie sich vorstellen, dass der Sinn und Zweck eines Modellprojektes ist, neue Ansätze in den Modellkitas auszuprobieren und, sofern sich dieser neue Ansatz als sinnhaft herausstellt und funktioniert, in die Regelkitas zu übernehmen? Das heißt aber nicht automatisch, dass man den Ansatz mit zusätzlichem Geld im Rahmen eines separaten Projektes auf jede Kita überträgt.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ich habe die Frage nicht verstanden!)

Ich kann mir vorstellen, dass die guten Erfahrungen aus den vorangegangenen Modellprojekten entsprechend angewendet werden und möglichst auf breiter Fläche in den Kitas übernommen werden.

Ich hatte Ihnen auch eine Frage gestellt. Sie haben mir aber keine Antwort darauf gegeben. Ich möchte gern Folgendes wissen: Welcher Unterschied besteht zwischen dem jetzigen Modellprojekt Eltern-Kind-Zentren zu dem Modellprojekt „Familienbildung in den Kindertageseinrichtungen“ vor 15 Jahren? Ich habe keinen wesentlichen

Erneuerungseffekt gefunden. Es ist relativ offen gestaltet. Das hatte Frau Pfeil bereits deutlich gesagt. Es wurden keine Kriterien vorgegeben. Es wird den Einrichtungen überlassen, wie sie es ausgestalten. Eine Einrichtung, die bereits vor 15 Jahren teilgenommen hat, setzt weiter an und eine andere Einrichtung fängt neu an. Ich kann keine Neuigkeiten oder neue Kreativitätsansätze im Rahmen des neuen Projektes erkennen. Dazu hätte ich gern von Ihnen eine Auskunft.

Herr Schreiber, des Weiteren hatten Sie gesagt, dass wir heute gern darüber reden möchten, was gut läuft. Ich habe andere Erfahrungen in den Kindertageseinrichtungen gemacht. Sicherlich erfolgt dort eine sehr gute Arbeit. Wir haben sehr gute Erzieherinnen und Erzieher. Die Kitas sind sehr gut ausgelastet. Wir haben aber auch große Probleme. Das wissen Sie ebenso. Genau das ist das Problem. Warum haben sich so wenige Einrichtungen für dieses Modellprojekt beworben? Das kann ich Ihnen sagen: Ihnen steht einfach das Personal nicht zur Verfügung, den Kindertageseinrichtungen fehlen die Ressourcen. Man verlangt von den Modellprojekteinrichtungen, zusätzliche Aufgaben zu lösen. Das ist in diesem System derzeit kaum möglich.

Herr Schreiber, ich fand Ihre Äußerung stark, dass alle sich bewerbenden Kindertageseinrichtungen Unterstützung erhalten. Sie sagten es bereits: 55 Kindertageseinrichtungen haben sich beworben. Wenn ich mit dem Anspruch herangegangen wäre, dies relativ offen zu gestalten, dann hätten Sie auch 55 Modelle unterstützen können.

Ich möchte noch ein paar Zahlen nennen. An Zahlen kann man festmachen, was die Kita für den zusätzlichen Aufwand an Leistungen bekommt und was sie mit diesen Leistungen machen kann. Eine Modelleinrichtung bekommt im Jahr im Projektzeitraum circa 11 000 Euro zusätzlich. Wenn die Kita also circa 100 Kinder hat, dann sind das etwa 1 000 Euro monatlich für die Einrichtung. Das sind 10 Euro pro Kind pro Monat. Nun haben die Kitas aber einen erhöhten Aufwand im Rahmen dieser Eltern-Kind-Zentren.

(Patrick Schreiber, CDU: Was sagt uns das aus?)

Die Frage ist folgende: Ist die Finanzierung ausreichend? Das möchte ich hier darstellen und infrage stellen.

Ich komme zum Schluss: Sachsen braucht keine Modellprojekte mehr. Wir haben gute und funktionierende Kindertageseinrichtungen. Wir benötigen einen flächendeckenden Ausbau der Kindertagesbetreuung zu ElternKind-Zentren. Das muss dauerhaft geschehen und mit einer ordentlichen Ausfinanzierung, sodass für alle Kitas die Möglichkeit besteht.

(Beifall bei den LINKEN)

Es folgt die AfDFraktion. Herr Abg. Wendt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schreiber, nicht nur die Linksfraktion hat sich verrechnet.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Sie haben sich ebenso verrechnet: 31 von 2 800 sind 1,1 %. Wir können Ihnen gern im Rechnen Nachhilfe geben, vielleicht im Rahmen der nächsten Haushaltsverhandlungen. Wir legen Ihnen aber auch gern das Schulbuch der 5. Jahrgangsstufe vor.

Nichtsdestotrotz sei noch einmal angemerkt, dass im Amtsblatt einiges in Bezug auf diese neue Projektierung veröffentlicht wurde. Das Amtsblatt lässt sich aber nicht detailliert über die zukünftige Planung aus. Sie können mir zwar dieses Amtsblatt vor Augen halten, es fehlen aber detaillierte Angaben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Zschocke, Sie möchten auch noch einmal das Wort ergreifen?

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Folgendes nur kurz wiederholen: Ich hatte gesagt, dass wir die Eltern-KindZentren gut finden und wir sie dabei unterstützen. Ich hatte auf zwei dringliche Probleme bei der Familienpolitik aufmerksam gemacht. Herr Schreiber hat mir daraufhin vorgeworfen, dass ich alles durch den Kakao ziehen würde. Herr Schreiber, wenn das Ihr Verständnis von der Oppositionsarbeit ist, dass wir regelmäßig die Arbeit der Staatsregierung und Koalition zu huldigen haben, dann sage ich Folgendes deutlich: Mein Verständnis ist das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Patrick Schreiber, CDU: Das ist völlig in Ordnung!)

Wird noch eine dritte Runde gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich die Ministerin, das Wort zu nehmen. Frau Ministerin Kurth, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder sind der Schlüssel für unsere Zukunft. Wir sind in Sachsen gut aufgestellt: Bei uns werden die meisten Kinder aller Bundesländer Deutschlands geboren. Man scheint sich in Sachsen wohlzufühlen. Das Fundament für die Zukunft ist gelegt.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Kinder brauchen eine gedeihliche Entwicklung und ein gelingendes Familienleben. Zu meiner großen Freude wurde die Familie schon mehrfach in den Mittelpunkt gestellt. Die Familie ist das Herzstück unserer Gesellschaft. Der Staat darf niemals über der Familie stehen. Darauf legen wir Wert.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Familie als Fundament unserer Gesellschaft steht auch im Mittelpunkt des Projektes Eltern-Kind-Zentren. Unser Debattenthema betrifft in erster Linie die Erziehungskompetenz im Elternhaus – das wurde bereits erwähnt. Die Notwendigkeit des Schutzes von Familie und Kindeswohl ist in unserem Grundgesetz in Artikel 6 festgehalten. Über ihre – der Eltern – Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Daraus lässt sich auch die Förderung und Begleitung von Familien ableiten, auf die wir in der Regierungskoalition großen Wert legen.

Meine Damen und Herren! Im Freistaat Sachsen werden fast 300 000 Kinder in unseren rund 2 900 Kindertageseinrichtungen betreut, sehr gut betreut, qualitativ gut betreut. Wir haben ein flächendeckendes Angebot, das gehört bei uns zum normalen Alltag für Kinder und Eltern. Schauen Sie in andere Bundesländer – da sind wir im Freistaat Sachsen richtig gut aufgestellt. Unsere jungen Familien können sich tagtäglich ihrem Dienst zuwenden und wissen ihre Kinder gut aufgehoben in einer Kindertageseinrichtung. Das ist ein Verdienst einer jahrelangen Entwicklung, die auch diese Regierungskoalition weiter tragen wird.

Voraussetzung und Verpflichtung für unsere Träger ist dabei die Qualität der pädagogischen Arbeit. Diese Qualität ist gesichert durch unser Kita-Gesetz und die daraus abgeleiteten Verordnungen und Empfehlungen. Unsere Kitas haben sich zu sehr viel mehr entwickelt als zu „Aufbewahrungsstätten“. Bildung, Erziehung, Betreuung werden sichergestellt, und unsere Kindertageseinrichtungen sind Stätten der Gemeinschaft, ein Ort, ein Treffpunkt, eine Stätte der Begegnung, eine Stätte des Austausches zwischen den Eltern. Der Koalitionsvertrag hat diese Tatsachen aufgegriffen. Er hat formuliert und den Auftrag an die Staatsregierung gegeben anzuregen, Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren weiterzuentwickeln. Daraus ist unser Programm entstanden, und für die Projektleitung hat sich erfolgreich das FelsenwegInstitut der Karl-Kübel-Stiftung beworben.

Es wurde bereits gesagt: 31 Kommunen beteiligen sich daran. Am 1. Mai war der Startschuss. Wir sind schon gespannt, wie wir uns mit den Kindereinrichtungen gemeinsam auf den Weg machen. Es gibt bereits einige gut ausgebaute Eltern-Kind-Zentren. Ich erwähne Chemnitz, Dresden und Leipzig. Das sind Vorreiter. Ich habe mir gemeinsam mit Herrn Gasse in Leipzig das ElternKind-Zentrum auf der Eisenbahnstraße angeschaut und war schier begeistert, welche Integrationsleistung dort zu sehen war und mit welcher Freude die Kinder dort spielten, sich beschäftigten und Familien miteinander ins Gespräch gekommen sind.

Das Muster für unsere Eltern-Kind-Zentren, für diese Entwicklung, sind die Early-Excellence-Centres aus Großbritannien. Meine Damen und Herren, Exzellenz – in diesem Begriff steckt etwas, was sich in jedem Kind abbildet. Zum Credo unseres Sächsischen Bildungsplans gehört: Jedes Kind ist einzigartig, und jedes Kind wird

deshalb bei uns im Freistaat Sachsen mit Wertschätzung behandelt. Der Blick richtet sich auf die Stärken der Kinder und prägt diese weiter aus. Hinzu kommt die Rolle der Eltern. Wir wollen mit diesem Projekt die Erziehungskompetenz der Eltern stärken, die diese Unterstützung brauchen.

Wir richten unseren besonderen Blick auf die Kinder, die es etwas schwerer haben als andere. Ihnen ist auch ein soeben angelaufenes ESF-gefördertes Landesprogramm gewidmet, bei dem wir rund 140 Kitas mit einer zusätzlichen Personalstelle ausstatten. Familien mit Migrationshintergrund werden durch dieses Programm in besonderem Maße gefördert. Auch das konnte ich mir in Leipzig anschauen.

Meine Damen und Herren! Das Programm ist am 1. Mai gestartet. Die Konzepte werden den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Wir legen dort kein Schema über das Projekt Eltern-Kind-Zentren. Diese werden vor Ort

individuell ausgestaltet. Im Jahr 2016 stehen

500 000 Euro dafür zur Verfügung. Der Plan sieht eine Fortsetzung für 2017 vor. Wir werden auch in der Regierungskoalition, meine Damen und Herren, über die Nachhaltigkeit dieses Projektes sprechen, damit es eine längerfristige Perspektive hat. Kinder – das wertvollste Gut, das wir besitzen – stehen bei uns im Mittelpunkt und sind Garant für eine gute Entwicklung des Freistaates Sachsen auch in den nächsten Jahren.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall bei der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Die 1. Aktuelle Debatte ist damit beendet.

Ich rufe auf die

2. Aktuelle Debatte

Keine Visafreiheit für die Türkei – erst die Armenier und jetzt die Kurden?

Antrag der Fraktion AfD

Es beginnt die einreichende Fraktion; danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE sowie die Staatsregierung, falls sie es wünscht. Frau Dr. Petry, Sie haben das Wort.

Guten Morgen, sehr geehrte Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine Damen und Herren! „Keine Visafreiheit für die Türkei – erst die Armenier und jetzt die Kurden?“, fragt die AfD-Fraktion und spricht damit ein Thema an, das für alle deutschen Bundesländer, selbstverständlich auch für Sachsen, ein relevantes Diskussionsthema ist, weil ein derart umfangreiches Abkommen wie das Abkommen über die Visafreiheit im Rahmen des sogenannten Türkei-Deals der Bundesregierung und der EU-Kommission weitreichende Auswirkungen auf Einreisen nach Deutschland und damit auch auf die Frage der Asylgesetzgebung, auf die Frage der Unterbringung von möglichen neuen Asylbewerbern hat. Diese Debatte ist bereits in vollem Gange, und ich glaube, es ist nötig, dass wir uns auch hier in diesem Hohen Hause darüber unterhalten. Es ist erkennbar, dass Kritik am sogenannten Türkei-Deal bereits jetzt aus diversen politischen Parteien kommt, nicht zuletzt auch aus den Reihen der CDU/CSU. Ich frage mich, warum die deutsche Bundesregierung, warum wir als Parlamentarier im Freistaat Sachsen uns von Frau Merkel und der Großen Koalition sowie einem Herrn Erdoğan diese Debatte überhaupt aufzwingen lassen.

Selbstverständlich ist Visafreiheit und Reisefreiheit immer ein Thema, das auch mit Vorteilen behaftet ist – das wollen wir nicht verschweigen –, egal, ob es für kurze Geschäftsreisen, Bildungsreisen oder privaten Urlaub gilt. Wir sollten bei diesem Abkommen und bei der Frage der