Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie zu einem Dialog einladen. Aber gleichzeitig beschränken Sie ihn – und das ist meine Kritik – auf die humanistisch denkenden Menschen. Das unterstellt einem Teil der Gesellschaft etwas anderes. Darüber hinaus ist es eine Formulierung, die den Diskurs einschränkt, weil die Diskussion nicht möglich ist.

Ich war am Montag in einer Veranstaltung in der Christuskirche in Dresden-Klotzsche. Die Kirche war voll. Die Diskussion lief respektvoll. Trotzdem war zu merken, dass ein Riss durch diese Kirche ging. Es gab gleich große Gruppen, die unterschiedlich diskutierten. Es gab die, die Bedenken hatten, und jene, die Unterstützung geben wollten. Das war eine sehr respektvolle Diskussion. Ich habe nicht alle Bedenken, die vorgetragen wurden, geteilt. Es war aber ein Diskurs, der deutlich gemacht hat, dass wir mit allen Menschen darüber reden müssen, um die Bewertung und die Themen voranzubringen.

Noch ein Satz zum Islam. Ja, der Islam ist gedeckt durch die Religionsfreiheit. Wer den Islam als seine Religion ausüben will, kann das in diesem Land tun. Die Religionsfreiheit ist gewährt. Aber neben der Diskussion um die Sorge über den Islam gibt es auch so etwas wie den Islamismus, und es gibt die Realität von Hasspredigern, von Leuten, die den Dschihad fordern und der Salafistenbewegung angehören. Mit denen muss man sich auseinandersetzen, weil sie unsere Regeln der Gesellschaft verletzen und weil sie einen Beitrag zu den Ängsten und Sorgen liefern und den Islam als solchen diskreditieren. Deswegen brauchen wir die Trennschärfe in den Diskussionen.

Ich lade Sie für die Sächsische Union, für die CDUFraktion ein: Führen Sie den Dialog, führen Sie ihn ernsthaft und differenziert. Versuchen Sie nicht, in Klischees und Bildern das Trennende nach vorn zu stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Mir liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schaue noch einmal in die Runde. – Dann erteile ich jetzt Staatsminister Ulbig das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die beiden Debatten im Sächsischen Landtag notwendig gewesen sind, haben wir wahrgenommen. Die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex am heutigen Morgen war intensiv. Es ist mit Sicherheit am Ende einer solchen Debatte nicht zu erwarten, dass alle einheitlicher Meinung sind. Aber wir sollten in der Lage sein, einander zuzuhören und zumindest am Ende einer solchen Debatte den Teil, den ich als Grundkonsens gehört habe, nicht von vornherein infrage zu stellen.

Deshalb gebe ich Ihnen, Herr Richter, einerseits zwar recht, dass wir, wenn wir heute diese Debatte beenden, noch nicht am Ende des Diskurses sind. Aber wenn Sie Ihren Beitrag mit den Worten „Asyl ist ein Menschenrecht und für uns nicht verhandelbar“ beginnen, dann muss ich sagen, dass ich in der Runde nicht einen Einzigen gehört habe, der sich dagegen ausgesprochen hat.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Zuruf von den LINKEN: Es sind die Menschen auf der Straße, die das machen!)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, bleibt mir als Innenminister die Aufgabe, am Ende einer solchen Debatte noch einmal auf ein paar Zahlen, Fakten und auch Unterschiede hinzuweisen.

Beim Ersten, worauf ich hinweisen möchte, schaue ich in Richtung Frau Petry, weil sie nicht müde wird, Folgendes zu behaupten: Wir hätten in Deutschland neben dem Asylweg keine Möglichkeit zuzuwandern. Ich möchte an dieser Stelle klar und deutlich sagen: Das ist falsch.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und der Staatsregierung)

Wir haben uns, gerade in Sachsen, mit einer Initiative unter dem Stichwort „Klugen Köpfen die Türen öffnen“ im Bundesrat dafür starkgemacht, dass es auch eine Arbeitsmigration gibt, dass also Menschen in die Bundesrepublik und auch nach Sachsen kommen können, die bei uns mitarbeiten. Wir haben ganz unterschiedliche Titel in die Gesetzgebung hineingebracht. Ausländische Studenten können nun viel leichter über Praktika und Nebenjobs einen Weg in den regulären Arbeitsmarkt finden. Wir haben sogar Titel zur Arbeitssuche geschaffen. Menschen können für ein Jahr in die Bundesrepublik kommen und nach Arbeit suchen. Selbst das ist uns gelungen. Wir haben solche Möglichkeiten.

Wir haben in Sachsen auch den Spitzenplatz im Vergleich der ostdeutschen Länder, wenn es um die Frage geht, wie

viele Bluecards als solche neue Möglichkeit in Anspruch genommen worden sind.

Es gibt also – und das ist mir wichtig – auch andere Möglichkeiten, hierherzukommen und sich in Deutschland eine Perspektive zu suchen, um hier zu arbeiten. Das wollte ich deutlich machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweitens wollte ich betonen, dass es nicht um Asylrecht versus Rechtsstaatlichkeit geht. Es gab in den letzten Tagen und Wochen immer wieder die Diskussion, dass diese Dinge gegeneinander ausgespielt werden. Ich halte das für zwei Seiten einer Medaille. Erstens ist es ganz selbstverständlich, dass die Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Ähnlichem auf der Flucht sind, bei uns Hilfe finden. Zum Asylrecht habe ich mich deutlich geäußert. Deshalb ist es geradezu absurd, da eine Bedrohung des Abendlandes zu sehen.

Es ist eher ein Gebot der Menschlichkeit.

Ganz klar muss auch ausgesprochen werden: Wer sich bei uns nicht an die Regeln hält, darf nicht auf die Solidarität der hier lebenden Menschen hoffen. Wenn einige wenige den Frieden aller gefährden, dann müssen diese die Härte von Recht und Gesetz ganz klar und deutlich spüren. Deshalb ist für mich wichtig, noch einmal deutlich zu machen, dass es um eine kleine Gruppe, um Mehrfach- und Intensivstraftäter geht. Deshalb ist es richtig, die polizeiliche Organisation zu verändern – weil wir auf der einen Seite Asyl- und Asylverfahrensrecht, auf der anderen Seite Straf- und Strafprozessrecht haben – und die Fachleute in einer entsprechenden Organisationseinheit zusammenzunehmen, um dafür zu sorgen, dass diese Straftaten auch schnell und konsequent verfolgt werden. Andererseits ist es notwendig, die Solidarität, die wir sowohl in unserer Gesellschaft als auch für die Verfolgten brauchen, dauerhaft zu sichern und zu gewährleisten.

Zum Thema Willkommenskultur und zu dem, was wir im Freistaat Sachsen aus der Perspektive der Staatsregierung machen, hat meine Kollegin Köpping schon das Notwendige angesprochen. Deshalb möchte ich noch einige Sätze zum Thema Asyl- bzw. Asylverfahrensrecht und zum derzeitigen Stand sagen und welche Anstrengungen tatsächlich noch notwendig sind, damit wir das erreichen, was wir erreichen müssen.

Ja, die Asylverfahren dauern zu lange. Ich will es noch einmal klar und deutlich sagen: Wenn wir im Durchschnitt für alle knapp acht Monate brauchen, bevor überhaupt die Erstentscheidung getroffen wird, dann kann das nicht hingenommen werden, und die Bemühungen beim Bund, beim BAMF müssen noch deutlich verstärkt werden.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Die Konsequenz daraus ist: Den Menschen, die hierherkommen und eine Entscheidung möchten, ist es einerseits nicht zuzumuten, dass sie so lange darauf warten müssen. Andererseits müssen für diese im Wartestadium befindlichen Menschen Kapazitäten geschaffen werden: Kapazi

täten sowohl in der Erstaufnahmeeinrichtung, vor allen Dingen aber auch in den Städten und Gemeinden, die teilweise zwar problematisch, aber zu beschaffen sind. Deshalb ist es notwendig, konsequenter zu sein.

Ich möchte noch einmal zu Frau Zais und dem Thema Anerkennungsquoten bzw. Schutzquoten kommen. Ich denke, auch dabei hilft es nicht, wenn wir wieder mit dem groben Stift über alles gehen und sagen, die Schutzquote wird generell höher.

Wir müssen uns schon genau die Nationalitäten und die Herkunftsländer anschauen. Wenn wir in dieser Debatte ein Stück weiterkommen wollen – das ist mir wichtig –, dann müssen wir klar und deutlich sagen, worum es geht. Ja, die größte Gruppe, die nach Deutschland kommt, sind die Syrer. Das hat Christian Hartmann angesprochen. Bei ihnen haben wir eine Schutzquote von fast 90 %. Ich gehe davon aus, dass es bald 100 % werden. Deshalb ist die Entscheidung von Thomas de Maizière richtig, zu sagen: Diese Gruppe wird in Zukunft in der Antragstellung sofort bearbeitet. Er hat herausgegeben, bis Ende dieses Jahres sollen diese Anträge in 14 Tagen entschieden sein. Das ist für diese Gruppe wichtig, damit für sie Klarheit besteht. Wenn ich fast 100 % Anerkennungsquote habe, ist es logischerweise sinnvoll, das auch schnell zuzusprechen, weil dann bei uns die Integration bzw. der Ansatz dazu beginnen kann.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Aber wir haben auch eine andere, die zweithöchste Gruppe, das sind die Serben. Das sind über 20 000, und in diesen Fällen haben wir eine Anerkennungsquote von 0,2 %, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch dort muss es deutlich schneller gehen, was die Entscheidung betrifft, nämlich die Ablehnung des Antrages, und dann kommen die Rechtsfolgen, die sich daraus ergeben. Das bedeutet: Diejenigen, die abgelehnt sind, sind ausreisepflichtig. Wir in Sachsen verfolgen konsequent die Linie – das möchte ich deutlich sagen –, dass bei denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkom

men, diese Ausreisepflicht auch mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Auch das gehört zur Ehrlichkeit und Klarheit dazu.

An dieser Stelle muss ebenfalls ausgesprochen werden, dass in Sachsen das Thema Winterabschiebestopp nicht zur Disposition steht. Wir müssen mit diesem Thema zu jeder Jahreszeit gleichermaßen konsequent umgehen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich zum Ende kommen und sagen: Wenn wir in unserer Gesellschaft Willkommenskultur ansprechen, wenn wir bei den Menschen dafür werben, Internationalität, Weltoffenheit, Toleranz auch anderen Menschen gegenüber aufzubringen, dann müssen wir mit den Worten und der Definition sauber und im Umgang klar sein. Deshalb hilft es nicht zu verteufeln. Hier geht es nicht nur um ein Entweder-oder, sondern auch um ein Sowohl-alsauch. Wir müssen bei diesen Themen bei der Bevölkerung werben. In der Demokratie – das gehört auch noch einmal aus meiner Sicht deutlich und klar gesagt – können wir eine solche Sache nicht anordnen.

Selbstverständlich gehört Haltung in der Diskussion dazu; Herr Homann, da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber in dieser Sache müssen wir die Bürgerinnen und Bürger überzeugen. Anweisen können wir ein solches nicht. Deswegen steht uns noch ein schwieriger, aber interessanter Prozess bevor, bei dem wir alle gemeinsam dieses Thema entsprechend vernünftig begleiten müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Einzelbeifall bei der SPD)

Damit ist die 2. Aktuelle Debatte abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zu dem Staatsvertrag über die gemeinsame Errichtung

einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bei

der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Drucksache 6/250, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 6/461, Beschlussempfehlung des Ausschusses für

Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration

Es ist eine allgemeine Aussprache vorgesehen. Es beginnt die CDU-Fraktion, danach folgen DIE LINKE, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Ich erteile Herrn Abg. Wehner das Wort.