Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein Zitat: „Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.“ So steht es in der Bibel, Neues Testament, Buch Lukas.
Genau daran sollte sich Ihr Handeln ausrichten, wenn Sie, werte Staatsregierung, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele ernst nehmen. Denn für den Gesunden spielt es wahrscheinlich wirklich keine Rolle, ob er den Arzt in einer halben Stunde oder in zehn Minuten erreichen kann. Für den Notfallpatienten hingegen ist jede Minute entscheidend. Hier liegt auch das eigentliche Problem: Sie betrachten die medizinische Versorgung aus einer rein betriebswirtschaftlichen Perspektive und vernachlässigen den demografischen Wandel, der gerade im ländlichen Raum noch stärker zuschlägt. Sie glauben, dass Marktgesetze, wie sie beispielsweise für Discounter gelten, eins zu eins auf den medizinischen Bereich übertragen werden können.
Ähnlich sieht es die Sächsische Landesärztekammer, was sie in einer Stellungnahme zu unserem Antrag, für die wir uns sehr bedanken, zum Ausdruck gebracht hat. Zitat: „Dem Antragsbegehren der Fraktion DIE LINKE ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn es um die Sicherung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung geht.“
Zwar kommt die Landesärztekammer zu dem Schluss, dass wir die abnehmende Bevölkerungsdichte in den ländlichen Regionen angeblich außer Betracht lassen – das ist aber nicht der Fall. Ja, wir nehmen nicht nur die rein ökonomische Perspektive ein. Und ja, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass im ländlichen Raum ein Bevölkerungsrückgang zu erwarten ist. Aber durch den demografischen Wandel bleibt die Zahl der älteren Menschen in etwa die gleiche. Das heißt wiederum, dass insbesondere eine immobilere und vom Gesundheitszustand her multimorbidere Bevölkerung übrig bleibt. Diese hat offensichtlich höheren Bedarf an medizinischer Versorgung als jüngere Bevölkerungsschichten.
Dem Staat obliegt die Aufgabe der medizinischen Daseinsvorsorge für alle Bevölkerungsgruppen. Diese delegiert er zwar auf die Ärzteschaft, es erlaubt ihm aber nicht, seine Pflicht zu vernachlässigen. Er muss helfen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Zwar merkt die Landesärztekammer an, dass die Ärzteschaft in Sachsen die zweitjüngste in ganz Deutschland ist. Doch laut Gutachten sind durchschnittlich 50 % der praktizierenden Hausärzte bereits 50 Jahre alt oder älter. Sie werden im Jahr 2030 das Renteneintrittsalter erreichen. Wenn es nach Schäuble geht, wird es erst gegen 2040 so weit sein. Schon heute schließen Praxen, ohne dass ein Nachfolger gefunden werden kann. Dabei stellte der Erlös aus dem Verkauf derselben früher nicht selten einen Teil der Altersvorsorge für die Ärzte dar.
Die Sächsische Landesärztekammer schließt mit den Worten: „Wenn der Landtag auch im Haushalt den durch das SMS eingebrachten Maßnahmenkatalog unterstützt, kann eine Entspannung erreicht werden.“ Genau hier setzt unser Antrag an.
Wir fordern erstens, dass Sie, ausgehend vom vorgelegten Gutachten, eine Verzahnung mit der Krankenhausplanung vornehmen, um eine qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung für alle Bevölkerungsschichten zu sichern – eine Forderung, die im Übrigen auch von der Sächsischen Landesärztekammer in ihrer Stellungnahme unterstützt wird.
Wir fordern zweitens, dass Sie umgehend, also ab sofort, mit der weiteren Öffnung für Krankenhäuser im ländlichen Bereich beginnen, um die Angliederung von medizinischen Versorgungszentren zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, nicht zuletzt, um der bereits heute bestehenden Unterversorgung zu begegnen.
Wir fordern drittens, dass Sie endlich die Aufgaben umsetzen, die Sie sich selbst, zum Beispiel im „Maßnahmenkatalog für eine bedarfsgerechte hausärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten im Freistaat Sachsen“, aufgeschrieben haben.
Handeln statt reden wäre jetzt angesagt. Beantworten Sie sich doch dafür einfach einmal folgende Fragen: Wo und wann erfolgte eine Erhöhung von Studienplätzen für Medizin an den sächsischen Hochschulen? Wo gibt es mobile Arztpraxen in ländlichen Gebieten? Wo werden flächendeckend nicht ärztliche Praxisassistenten als moderne Gemeindeschwestern eingesetzt? Welche Maßnahmen haben ganz konkret zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte geführt? Welche Zu- und Rückläufe gibt es mit den Kommunen und der KV, um sie dabei zu unterstützen, Ärzte anzuziehen? Wie oft ist „ambulant vor stationär“ nur eine Phrase?
Im Sozialministerium laufen die Fäden zusammen. Es ist nicht weitsichtig, wenn in Ihrem Haus ein Personalabbau stattfindet. Wir brauchen auch im Ministerium einen Personalaufbau. Sorgen Sie für das notwendige Personal, das sich mit den Themen auseinandersetzen und gemeinsam mit uns gegensteuernde Strategien entwickeln kann! So können Informationen besser eingeholt und ausgegeben werden. Ziehen Sie bitte die richtigen Schlüsse aus dem von Ihnen in Auftrag gegebenen Gutachten! Nehmen Sie sich bitte selbst mit den Ihnen gestellten Aufgaben ernst und stimmen Sie unserem Antrag zu!
Meine Damen und Herren! Nun Herr Abg. Wehner für die CDU-Fraktion. Herr Namensvetter, das hatten wir lange nicht. Sie haben das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident, vielen Dank dafür! – Frau Kollegin Schaper, dass Sie jetzt die Bibel anführen, um Ihre Anträge zu begründen, nötigt uns zumindest Respekt ab. Trotzdem werden wir uns inhaltlich und ganz pragmatisch, außerhalb der Bibel, mit dem Antrag auseinandersetzen.
Ich will noch eine Brücke zu Ihnen bauen: Auch ich bin der Auffassung, dass dieses Thema ein besonders wichtiges ist. Die Menschen erwarten von uns, dass die ärztliche Versorgung auf dem Land und in der Stadt gesichert ist, dass das Krankenhaus erreichbar ist. Das alles gehört zur Daseinsvorsorge. Entsprechende Maßnahmen werden wir, die CDU-Fraktion, und die Staatsregierung weiterhin unterstützen.
Der vorliegende Antrag allerdings löst dieses Problem nicht. Auch wenn die Überschrift gut ist und etwas anderes suggeriert, so greift der Antrag doch zu kurz.
Wenn man die ärztliche Versorgung sichern will, muss man sich zwei Dinge vor Augen führen. Zum Ersten ist es der Maßnahmenkatalog zur ärztlichen Versorgung, der seit Jahren hier im Freistaat Sachsen Anwendung findet. Zum Zweiten will ich darauf eingehen, wie überhaupt die Wirklichkeit aussieht, also das, was die Bürger, und das, was die Ärzte draußen im Land empfinden.
Zum Ersten, dem Maßnahmenkatalog: Es gibt bereits das Netzwerk „Ärzte für Sachsen“. Sie haben schon darauf hingewiesen, Frau Schaper, dass die Landesärztekammer seit 2009 federführend mit den Ministerien und anderen Partnern mitwirkt. Das Anliegen besteht darin, gezielt Fördermaßnahmen für Medizinstudenten und Ärzte zu etablieren. Wenn Sie sehen, dass ein Medizinstudent heute 1 000 Euro im Monat bekommt, wenn er sich für den Einsatz in einer unterversorgten Region verpflichtet, dann wird auch für Sie deutlich, dass hier eine Berufsgruppe bereits besonders gefördert wird. Das ist auch gut so, um Ärztenachwuchs zu gewinnen. Ich will diese Berufsgruppe nicht gegen andere Berufsgruppen ausspielen. Aber die Feststellung, dass es bereits eine besondere Förderung einer speziellen Klientel gibt, muss erlaubt sein.
Denken Sie, wenn es um Fördermaßnahmen geht, bitte auch an die Satellitenpraxen. Dort hat man eine Praxis, wo verschiedene Ärzte unter einem Dach zusammen praktizieren können. Sie haben bereits gesagt – insoweit stimme ich Ihnen zu –, dass im Ergebnis ein Anstieg der Zahl junger Ärzte im Land zu verzeichnen ist.
Denken Sie bitte auch an andere Fördermaßnahmen. Wenn Sie heute eine Arztpraxis in unserem Land etablieren, dann bekommen Sie einen Zuschuss. Sie können also auch neue Arztpraxen gründen. Auch daran ist der Staat beteiligt.
Zum Zweiten, zu den Bedürfnissen der Bürger: Es müsste Ihnen auch bekannt sein, dass sich der Bürger für den besten Arzt und nicht immer für den Arzt um die Ecke entscheidet. Der Bürger entscheidet sich für das beste
Krankenhaus und nicht für das Krankenhaus, das direkt in unmittelbarer Nähe ist. Das kann zwar miteinander übereinstimmen, das ist schon so; aber die Qualität ist viel höher anzusetzen als der Weg zum Krankenhaus mit vielleicht noch einmal 20 oder 30 Kilometern mehr. Wenn Sie sich zum Beispiel Spezialisierungen anschauen, wie Hüftgelenkoperationen, dann ist es für den Patienten viel wichtiger, eine erstklassige und hochwertige Leistung zu empfangen, als ein kurzer Fahrtweg. Diese Qualität kann man inzwischen messen und das ist eine große Errungenschaft. Das können Sie sich noch einmal ganz genau ansehen. Von daher halte ich es für richtig, die Qualität an die erste Stelle zu setzen.
Wenn Sie sich bei den Bedürfnissen die Ärzte anschauen, dann sehen Sie, dass die Ärzte vorrangig in den Ballungszentren praktizieren wollen. Sie sehen, dass die Ärzte bevorzugt Angestelltenverhältnisse eingehen wollen, gerade die Frauen, denn die Ärzte wünschen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Ärzte wünschen auch eine Minimierung des wirtschaftlichen Risikos, das man trägt, wenn man eine Praxis im Land aufbaut.
Jetzt fragen Sie in Ihrem Redebeitrag, wo die Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind. Wenn Sie sich die medizinischen Versorgungszentren anschauen, dann haben Sie dort im Angestelltenverhältnis eines Arztes gerade diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist eine ganz konkrete Maßnahme, um auf Ihre Frage entsprechend einzugehen. Die Etablierung der medizinischen Versorgungszentren halten wir für den richtigen Weg. Sie sind für die Ärzte gut und vor allem patientenfreundlich, das ist das Wichtigste, denn es gibt verschiedene Ärzte unter einem Dach.
Wenn man zusammenfasst und es in Vergleich zu anderen Ländern in Europa setzt – aber Deutschland muss auch den internationalen Vergleich nicht scheuen –, dann sehen Sie, dass das organisierte Gesundheitswesen eine große Errungenschaft in Deutschland ist. Es ist eine große Errungenschaft, die Selbstverwaltung hier zu haben; es ist gut, dass wir eine freie Ärzteschaft haben und dass der Patient Wahlfreiheit bei der Auswahl seines Arztes oder seines Krankenhauses hat.
Wir sind der festen Überzeugung, dass wir als Staat dort unterstützen und Leitplanken errichten müssen, wo es notwendig ist, aber dass sich der Staat dort zurückhält, wo der Markt und das System sich selbst regeln und verwalten.
Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich mich auf den Antrag vorbereitet habe, wollte ich anders beginnen. Mich hat die Einbringung des Antrags etwas irritiert und von meinem Konzept abgebracht. Mich hat überrascht, dass nicht das Gutachten als Grundlage für einen Ausblick genommen wurde, sondern ein ziemlicher Rundumschlag in Schlechtreden am Beginn stand und so ziemlich alles und jeder dafür verantwortlich gemacht wurde, dass wir bei der medizinischen Versorgung Probleme haben. Das war ziemlich beeindruckend, und ich muss sagen, Frau Schaper, so einfach ist die Welt nicht. So einfach ist die Realität nicht.
Die Welt ist kompliziert, und für diese Probleme, die zugegebenermaßen bestehen – darüber haben wir schon im letzten Plenum gesprochen –, ist Ihr Antrag, Frau Schaper, auch keine Lösung.
Hintergrund sind sich verändernde Versorgungsbedarfe bei einer zurückgehenden und älter werdenden Bevölkerung. Auch darüber haben wir im letzten Plenum schon ausführlich gesprochen. Ich kann Ungeduld an dieser Stelle durchaus nachvollziehen, dass man der Meinung ist, es wird nicht genug getan, es geht nicht schnell genug. All das kann ich verstehen, weil es auch mich jeden Tag bewegt.
Im letzten Plenum wies ich auch schon darauf hin, dass die Stärke des deutschen Gesundheitssystems, nämlich die Verteilung von Verantwortung, das Miteinander von verschiedenen Akteuren, manchmal als Schwäche des Gesundheitswesens ausgelegt werden kann, weil es für bestimmte Entscheidungen und deren Umsetzung Zeit braucht und unsere Geduld deshalb manchmal arg auf die Probe gestellt wird. Aber alle anderen zentral oder staatlich gelenkten Gesundheitsmodelle stehen europaweit – Sie müssen schauen – vor genau den gleichen Herausforderungen. Keines dieser Systeme, ob es in England, Frankreich oder Italien ist, steht nicht vor dem Problem des Fachkräftemangels oder der Qualität bei sinkenden Fallzahlen in ländlichen Regionen, wo die Bevölkerung zurückgeht. Das ist ein Problem für jedes Gesundheitssystem. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das deutsche Gesundheitssystem mit der Einbeziehung von verschiedenen Akteuren in die Verantwortung zielführend ist. Das hat das deutsche Gesundheitswesen bisher zu einem Erfolgsmodell gemacht.
Dieser Rahmen wird vom Sozialgesetzbuch V vorgegeben und ständig an neue Entwicklungen und Bedarfe angepasst. Alle stöhnen über die nächste Gesundheitsreform aller zwei Jahre. Ich sage, und da werde ich auch nicht müde, jede Gesundheitsreform ist wichtig und hilft dabei, dass unser Gesundheitssystem weiter funktioniert.
Diese Reformen, so lästig sie manchmal sind, sind Ausdruck eines Systems, das in der Lage ist, mit den Herausforderungen verantwortungsvoll umzugehen und höchstes medizinisches Niveau überall in Deutschland umzusetzen. Das gelingt nur, weil wir die Akteure in die Versorgung einbinden.
Die Probleme liegen manchmal auch in langwierigen Umsetzungsverfahren. Ich kann nur noch einmal betonten, dass ich Ungeduld an dieser Stelle nachvollziehen kann. Diese Ungeduld müssen wir aber produktiv zu nutzen versuchen. Das heißt in manchem Fall, länger als vier Wochen zwischen den Plenarsitzungen in der Lage zu sein, bestimmte Maßnahmen, die eingeleitet worden sind, abzuwarten und zu analysieren und dann wiederum in neue zu lenken.