Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Wünscht die SPDFraktion noch einmal das Wort? – Die AfD-Fraktion? – Herr Abg. Spangenberg, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Zschocke, wird sind uns komischerweise wieder einmal einig: Für Behinderte

muss alles Geld ausgegeben werden. Nur im Unterschied zu Ihnen können wir es nur einmal ausgeben. Verstehen Sie? Wenn das Leute bekommen, denen es nicht zusteht, haben wir es nicht für die Leute, die es brauchen. Das haben Sie immer noch nicht verstanden. So sieht es aus.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das Gesetz braucht eine Anlaufphase. Wir sind froh, dass es dieses Gesetz gibt, besser jetzt als später. Das ist ganz toll. Es hat immerhin 400 Seiten, also können wir es hier gar nicht richtig behandeln. Das ist gewaltig.

Eines möchte ich noch einmal erwähnen: Wir behandeln hier ein Bundesthema.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: In einer Tour! In einer Tour!)

Das gibt mir den Anlass, dafür zu plädieren, dass wir uns in Zukunft nicht mehr gegenseitig etwas vorwerfen, wenn wir ein Bundesthema einbringen. Wenn es für uns, für den Landtag, für das Land interessant ist, sollten wir es behandeln und mit den Vorwürfen aufhören. Das wäre heute das Angebot, falls wir wieder einmal mit einem Bundesthema kommen, dass Sie das respektieren, wenn Sie das können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Die Fraktion GRÜNE: Wird das Wort noch einmal gewünscht? Herr Zschocke? – Das ist nicht der Fall. Gibt es noch weiteren Redebedarf? – Dann bitte ich noch einmal Herrn Abg. Wehner von der Linksfraktion, das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von wegen Bundesthema. Wenn wir uns allein auf das Bundesteilhabegesetz reduzieren, dann ist wohl der Bundesgesetzgeber zuständig. Wenn es aber um die Ausübung des Menschenrechtes geht, um die Sicherung der Teilhabe und der selbstbestimmten Lebensführung, dann ist das unser aller Sache und nicht nur die Sache des Bundes, meine Damen und Herren.

Herr Krasselt, das ist eben das Problem, wenn man sich immer nur allein auf die Norm bezieht. Aber von einem wirklichen Paradigmenwechsel könnte man beispielsweise reden, wenn man gar nicht mehr von Eingliederungshilfe spricht, wenn es einfach nur die unterstützende Leistung oder überhaupt die Leistung Teilhabe gibt und man nicht eingliedern muss, wo man schon längst in die Gesellschaft eingegliedert ist. Das halte ich für das Problem; auch was die Situation der Werkstätten für Menschen mit Behinderung betrifft. Sie wissen genau, dass sowohl in den Behindertenverbänden als auch in den Menschenrechtsorganisationen die Systematik von Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderung als sehr zweifelhaft und sehr umstritten angesehen wird.

Natürlich ist das momentan eine ganz wichtige Einrichtung. Nur viel besser wäre es doch eigentlich, wenn wir es schafften, dass Kinder mit körperlichen, geistigen, seelischen und/oder Sinnesbeeinträchtigungen von der Vorschuleinrichtung in die inklusive Schule, also in die Regelschule, gehen und nach der Regelschule auch selbstverständlich an der dualen Ausbildung teilhaben, bevor sie überhaupt in eine Werkstatt kommen. Es ist doch gar nicht richtig sinnvoll, wenn man in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen eigentlich nur Leute aufnimmt, die erwerbsgemindert oder vollerwerbsgemindert sind, und dann als Aufgabe stellt, diese sollen hinübergeführt werden in den ersten Arbeitsmarkt. Ja, was denn nun? Voll erwerbsgemindert oder eben doch noch mit einem solchen Leistungsvermögen, das oberhalb von mindestens drei Stunden liegt, sodass man regelhaft am Arbeitsleben teilhaben kann? Also da haben wir hier schon unterschiedliche Auffassungen.

Frau Kliese hat es angesprochen, dass der Leistungszugang in die Eingliederungshilfe grundsätzlich überarbeitet werden soll. Er soll zum 01.01.2023 in Kraft treten und vorher wissenschaftlich untersucht und modellhaft erprobt werden. Dabei soll auch die Streichung der 5-aus-9Regelung neu gefasst werden. Die Regelungen zur Leistungsabgrenzung im Überschneidungsbereich von Eingliederungshilfe und Pflege werden ebenfalls überarbeitet. Es wird bei dem nach dem geltenden Recht bestehenden Gleichrang der Leistungssysteme im häuslichen Umfeld bleiben.

Die Streichung der Vorrangleistung Pflege vor der Eingliederungshilfe wird also kommen. Nur, wie es genau gehandhabt werden soll, darüber besteht noch keine Klarheit. Bezüglich der Durchführung wird durch die Einfügung von § 94 Abs. 1 in dem Bundesteilhabegesetz geregelt, dass die Träger der Eingliederungshilfe bereits zum 1. Januar 2018 von den Ländern bestimmt werden sollen. Das ist auch erforderlich, weil für die Umsetzung der Regelung des Teils II im Kapitel 8 dieses Buches, der ebenfalls zum 1. Januar 2018 in Kraft tritt, bereits Träger der Eingliederungshilfe bestimmt sein müssen. Das heißt also, wir haben im nächsten Jahr im Freistaat Sachsen – hier im Sächsischen Landtag und zuvor die Staatsregierung – enorm viel zu tun.

Es bleibt dann schon noch die Frage zu stellen, ob das überhaupt innerhalb dieses Jahres zu schaffen ist, weshalb man vielleicht am 16.12. doch überlegen kann, ob man dem Entwurf jetzt schon seine Zustimmung gibt, Herr Ministerpräsident und Frau Staatsministerin.

(Beifall bei den LINKEN)

Gibt es noch weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung. Frau Ministerin Klepsch.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich war

letzte Woche zur Arbeits- und Sozialministerkonferenz. Dort war unsere Bundesministerin Andrea Nahles und hat über das Bundesteilhabegesetz gesprochen, hat dazu geworben und sie hat gesagt, dass das Bundesteilhabegesetz die sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode der derzeitigen Regierung ist.

Ich glaube, das Gesetz soll, das Gesetz will in der Tat – und da ist für mich das Glas auch wirklich halb voll – mehr Selbstbestimmung, mehr Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung zum Inhalt haben und wir verlassen so ein Stück das Fürsorgesystem mit dem Ziel, dass die Menschen mit Behinderung, dass der einzelne Mensch mit Behinderung im Mittelpunkt steht, dass die Teilhabe an allen Bereichen des Lebens möglich wird. Das ist das große Ziel, das wir verfolgen, wenngleich – da gebe ich Ihnen recht – dieses Gesetz durchaus mit viel Kritik verbunden ist.

Ich möchte auf ein paar positive Beispiele kurz eingehen. Es wird eine Möglichkeit sein, dass der Mensch mit Behinderung nur einen Antrag für alle Leistungen stellt, auch wenn es unterschiedliche Reha-Träger sind. Es soll eben die Leistung aus einer Hand sein. Es werden die Freibeträge erhöht. Auch das wurde schon angesprochen. Es entfällt die Anrechnung des Einkommens und des Vermögens des Partners. Auch das ist ein positives Beispiel aus dem Gesetz heraus.

Das Thema der Elternassistenz wird erstmals gesetzlich verankert sein. Frau Kliese ist schon darauf eingegangen: Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse werden ebenfalls möglich.

Die Kritik in der Gesetzgebung war groß, über alle Länder hinweg. Es waren über 100 Änderungsanträge, die letztlich eingebracht worden sind. Das Ergebnis, das jetzt vorliegt, hat weitere Verbesserungen mit sich gebracht. Ich glaube, auch dafür tragen die Interessenvertretungen einen maßgeblichen Anteil.

Es ist jetzt möglich, dass die gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen bei persönlicher Assistenz bei den sogenannten Poolen nur noch mit Zustimmung der Leistungsberechtigten stattfinden darf, dass das Arbeitsfördergeld zusätzlich zum Werkstattgeld gezahlt wird und dort eine Verdopplung von 26 auf 52 Euro monatlich erfahren hat. Ferner wurde angesprochen, dass die neuen Kriterien der Eingliederungshilfe wissenschaftlich untersucht,

evaluiert, modellhaft erprobt werden und der Bund dafür – daran zeigt sich aus meiner Sicht noch einmal die Wichtigkeit – 20 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Erst wenn die Erprobung abgeschlossen ist, also bis zum Jahr 2022, wird der Zugang zur Eingliederungshilfe umgestellt.

Aber die Frage ist – darin hat Herr Wehner recht –: Wie geht es weiter? Das ist jetzt das Bundesgesetz. Wir haben letzten Freitag das erste Auftaktgespräch hier im Land gemeinsam mit den Vertretern der Liga, der Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfe e. V., VdK, dem kommunalen Sozialverband, den Kommunalen Spitzenverbänden und dem Beauftragten der Staatsregierung für

Menschen mit Behinderung durchgeführt. Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, das, was im Bundesgesetz am Freitag vermutlich beschlossen wird, in Landesrecht und ins Ausführungsgesetz des Landes herunterzubrechen.

Wir haben vor, eine Arbeitsgruppe zu bilden. Wir bekommen bis Mitte Januar von den einzelnen Interessenvertretern die Namen genannt. Die Arbeitsgruppe wird gemeinsam mit uns die landesgesetzlichen Regelungen begleiten, vorbereiten und hoffentlich auch so inhaltlich ausfertigen, sodass wir Folgendes sagen können: Es ist gutes Landesgesetz, welches wir auf den Weg bringen.

Es muss ein neues Bedarfsermittlungsinstrument erarbeitet werden. Das wird eine ganz große Herausforderung. Dazu wird es eine Studie geben, die wir beauftragen möchten. Die Studie muss aber bereits im ersten Quartal vorliegen. Es muss der Träger der Eingliederungshilfe bestimmt werden. Das sind wesentliche Punkte.

Wir werden voraussichtlich Gesetzlichkeiten anpacken müssen. Das ist das Sächsische Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches, das ist das Gesetz über den Kommunalen Sozialverband und das ist die Änderung der Verordnung über die Schiedsstelle. Aus heutiger Sicht sind das die drei wesentlichen Schwerpunkte. Ich gebe Herrn Wehner recht, das alles muss bis zum 1. Januar 2018 geschehen sein.

Es ist nicht nur ambitioniert oder sportlich, um bei der vorhergehenden Debatte zu bleiben, es ist wirklich eine große Herausforderung. Ziel ist es, bis zur Sommerpause

die Kabinettsbefassung abgeschlossen zu haben, sodass wir in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 das parlamentarische Verfahren durchführen und abschließen können. Es wird in der Tat eine große Herausforderung für uns alle sein.

Wie sagt man aber so schön: Jedes Gesetz ist nur die Hälfte wert, wenn wir es nicht schaffen, die Barrieren in den Köpfen abzubauen. Lassen Sie uns bis dahin gemeinsam weiter an den Barrieren in den Köpfen arbeiten. Unsere Kampagne ist angelegt: Behindern verhindern. In diesem Sinne freue ich mich auf ein gemeinsames Miteinander im nächsten Jahr, wenn die gesetzlichen Regelungen auf Landesebene umgesetzt werden müssen. Es war schön, dass die heutige Debatte durch Gebärdensprachdolmetscher übersetzt wurde.

Danke.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Damit ist die zweite Aktuelle Debatte abgeschlossen. Ich möchte mich noch einmal im Namen der Mitglieder des Sächsischen Landtags sehr herzlich bei den Gebärdensprachdolmetschern bedanken. Ich denke, dass dies eine sehr große Bereicherung für uns ist.

(Beifall der CDU, der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Damit ist der Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 2

Mir liegt inzwischen das Ergebnis der geheimen Wahl der vom Sächsischen Landtag zu bestimmenden Mitglieder der 16. Bundesversammlung vor. Abgegeben wurden 125 Stimmscheine. Davon waren drei Stimmscheine ungültig. Es wurde wie folgt abgestimmt: Der Wahlvorschlag der CDU-Fraktion mit der Drucksache 6/7238 erhielt 55 Stimmen. Der Wahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksache 6/7389 erhielt 27 Stimmen. Der Wahlvorschlag der SPD-Fraktion mit der Drucksache 6/7318 erhielt 17 Stimmen. Der Wahlvorschlag der AfD-Fraktion mit der Drucksache 6/7371 erhielt 15 Stimmen. Der Wahlvorschlag der Fraktion GRÜNE mit der Drucksache 6/7268 erhielt acht Stimmen. Nach dem Höchstzahlverfahren entfallen somit von den insgesamt 34 Sitzen auf den Listenvorschlag der CDU-Fraktion 16 Sitze, auf den Listenvorschlag der Fraktion DIE LINKE sieben Sitze, auf den Listenvorschlag der SPD-Fraktion fünf Sitze, auf den Listenvorschlag der AfD-Fraktion vier Sitze und auf den Listenvorschlag der Fraktion GRÜNE zwei Sitze.

Entsprechend der Reihenfolge auf den Listen sind alle Mitglieder für die 16. Bundesversammlung gewählt. Von

der Liste der CDU-Fraktion sind die Bewerber eins bis 16 gewählt. Von der Liste der Fraktion DIE LINKE sind die Bewerber eins bis sieben gewählt. Von der Liste der SPDFraktion sind es die Bewerber eins bis fünf, von der Liste der AfD-Fraktion die Bewerber eins bis vier und von der Liste der Fraktion GRÜNE die Bewerber eins bis zwei. Die restlichen Bewerber sind jeweils in der Reihenfolge auf dem Listenvorschlag Ersatzbewerber.

Ich beglückwünsche die gewählten Mitglieder der 16. Bundesversammlung zu ihrer Wahl recht herzlich. Meine Damen und Herren! Die gewählten Mitglieder der Bundesversammlung und die Ersatzbewerber werden schriftlich über die Annahme der Wahl befragt. Anwesende Mitglieder des Landtags erhalten ein entsprechendes Schreiben in Kürze durch die Hauspost. Die Annahmeerklärungen können dann unmittelbar im Tagungsbüro abgegeben werden. Alle anderen Bewerber erhalten die Unterlagen durch die Postzustellung. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Weiterentwicklung der

sachunmittelbaren Demokratie im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/5391, Gesetzentwurf der AfD