Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Wir haben einfach die Situation: Höhere Kosten beim Produktionsfaktor Energie müssen an irgendeiner Stelle kompensiert werden. Wenn man dann unterstellt, dass auf dem Markt keine höheren Preise durchsetzbar sind und Rohstoffkosten auf dem Weltmarkt determiniert sind, dann bleiben wir unterm Strich wieder bei den Löhnen, und dann ist es wieder eine Gerechtigkeitsfrage, auch im Osten. Nicht dass die höheren Kosten eins zu eins an die Mitarbeiter weitergegeben werden, aber relevant ist es doch, und die Privathaushalte sind dann das letzte Glied in der Kette, denn sie werden mehrfach zur Kasse gebeten: einmal über die Übernahme der Kosten der Wirtschaft und andererseits über die höheren Netzentgelte für die Privaten. Für einen Vier-Personen-Haushalt mit 4 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch ist es eben in Sachsen tatsächlich so, dass die Kosten mit rund 150 Euro mehr zu Buche schlagen als zum Beispiel in Bremen.

Was bleibt als Fazit? Eine bundesweite Angleichung und solidarische Finanzierung der Netzentgelte würde sich für einen Großteil der Bundesrepublik unterm Strich nur marginal bemerkbar machen. Für die bisher besonders belasteten Gebiete im Osten, aber natürlich auch im Nordwesten unseres Landes würde dies zu spürbaren Entlastungen sowohl für Gewerbetreibende als auch für Privathaushalte führen, und dann ist es tatsächlich auch eine Gerechtigkeitsdebatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Abg. Heidan für die CDU-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Böhme, ich habe in Ihren Ausführungen ein energiepolitisches Tohuwabohu vorgefunden.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Es wurden dem Hohen Haus keine Lösungen vorgestellt.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ich frage Sie deshalb hier noch einmal an besonderer Stelle: Wo haben Sie denn Ihre Lösungen für geringere Energiekosten?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Da haben Sie gerade nicht richtig zugehört!)

Wer sich an Schienenanlagen eines Kohlekraftwerkes ankettet – –

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Jetzt ist es aber wieder einmal gut!)

Haben Sie Probleme?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Nee, aber Sie offensichtlich! – Weitere Zurufe von den LINKEN)

Wer die Grundversorgung mit Strom, die Grundversorgung mit Energie gefährdet, der hat mit seinem ganzen energiepolitischen Konzept kein wirkliches Konzept, sondern kann Forderungen aufmachen, die sich letztendlich nicht umsetzen lassen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie haben überhaupt kein Konzept! Sie reden die ganze Zeit über Herrn Böhme!)

Wo liegen dann die Hauptkostentreiber? Die Hauptkostentreiber liegen im Osten; das haben Sie zwar gesagt. Sie liegen in den ehemaligen, maroden Versorgungsnetzen – in den Dingen, die 1990 hier vorlagen – und im Bereich der Offshore-Anbindungen und der Erdverkabelung. Dort sind die Hauptlasten der Netzentgelte, die zu Buche schlagen.

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Heidan?

Ja, gern.

Danke. – Kollege Heidan, ist Ihnen bekannt, dass die Offshore-Anbindung, die Offshorenetze bereits heute bundesweit gewälzt werden? Sie sind aus der Übertragungsnetzsystematik herausgenommen worden. Sie werden bereits heute bundesweit gewälzt.

Das ist richtig, aber deswegen haben wir trotzdem die Kabeltrassen zu führen. Sie wissen auch, wie viele Bürgerinitiativen es gibt, die sich gegen die Trassen für die Offshore-Anlagen bundesweit auflehnen.

Natürlich gibt es in der Wirtschaft das Bestreben, bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte zu schaffen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie sind ja wirtschaftsfreundlich, Herr Heidan; das müssen wir feststellen!)

Das sagt ja der Brief deutlich, worin die Kanzlerin durch namhafte Firmen zur Ermächtigungsgrundlage aufgefordert wird. Das ist richtig, und ich denke, das sollte auch beachtet werden. Vielleicht wird Bundeswirtschaftsministerin Zypries das im Bundeskabinett noch vorlegen.

Aber wir brauchen auch eine Reform der vermiedenen Netznutzentgelte. Herr Brünler, Sie hatten hier ja schon dargestellt, wo der Hase im Pfeffer liegt. Eine angenommene Vermeidung von Netzausbaumaßnahmen funktioniert aber nur mit steuerbaren Anlagen – das wissen Sie – und nicht mit volatilen Erzeugungsanlagen, wie Fotovoltaik- oder Windanlagen. Das sind die Kraftwärmekopplungsanlagen, wie Pumpspeicherwerke, oder die Biomasseanlagen.

Mit dem zunehmenden Ausbau von Wind- und PVAnlagen ist ein zusätzlicher Netzausbau erforderlich gewesen und wird es wahrscheinlich auch zukünftig sein. Nun haben Sie sich hier hingestellt und gesagt, dass Sie das noch deutlich verstärken wollen. Das wird die Kostenspirale dann noch weiter nach oben treiben.

Ich bin der Meinung, dass es wirtschaftspolitisch sinnvoll ist, diese Anlagen als Instrument der vermiedenen Netznutzungsentgelte abzuschaffen. Dafür müssen wir uns starkmachen und die richtige Antwort darauf finden; denn die Ausdehnung der Abschmelzung der vermiedenen Netznutzungsentgelte darf nicht auf die steuerbaren Anlagen umgerechnet werden, sondern sie bringen eine gewisse Stabilität in unser Energieversorgungsnetz und können auch gesteuert werden. Das ist genau der Punkt. Solange es keine andere Technologie gibt, brauchen wir die entsprechende Grundlast. Das habe ich in diesem Hohen Haus schon mehrfach gesagt, und es bleibt auch dabei.

Deshalb bitte ich, nicht so sehr nach Thüringen zu schielen; denn das, was das thüringische Kabinett jetzt im Bundesrat vorschlagen will, ist nur ein Halbsatz. Wir brauchen eine Diskussion, und wir brauchen eine Reform der vermiedenen Netznutzentgelte, um auf das Thema der geringeren oder zumindest stabileren Stromkosten hinzuwirken.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Martin Dulig – Dr. Gerd Lippold, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Eine Kurzintervention, bitte sehr.

Danke, Frau Präsidentin! Herr Kollege Heidan, ich bitte Sie und die Koalition: Wenn Sie das Thema vermiedene Netznutzungsentgelte und das Netzentgeltmodernisierungsgesetz ansprechen, dann schauen Sie sich das auch wirklich genau an und versuchen Sie zu verhindern, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Genau die Anlagen, die Sie angesprochen haben – die KWK-Anlagen und die Speicher –, stehen jetzt mit drin, und sie sollen keine Zahlungen mehr bekommen, obwohl sie steuerbar sind. Sie werden also wie Windkraft oder Fotovoltaik behandelt. Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Schauen Sie sich das genau an und versuchen Sie in der Koalition, dort Unsinn zu vermeiden.

Die SPD-Fraktion; Herr Vieweg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in der zweiten Runde noch einmal auf die Gründe für die offensichtliche Verzerrung am Strommarkt und auf die eine oder andere Struktur in den bundesdeutschen Netzen eingehen und Ideen dafür liefern, wie wir nachhaltig für niedrigere Strompreise sorgen können.

Der Grund ist für mich zunächst keine Schuldfrage, sondern eine erfreuliche Feststellung: der weitere Ausbau und Zubau erneuerbarer Energien. Wir haben das Zieldreieck: saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung. Vor diesem Hintergrund ist es eine erfreuliche Feststellung, dass wir auch in Sachsen einen zunehmenden Neu- und Zubau erneuerbarer Energien erleben.

Die logische Folge sind höhere Anschlusskosten, Netzaufbaukosten und höhere Kosten beim Einspeisemanagement. Die logische Folge ist auch: Wenn wir Strom von Osten nach Westen und von Norden nach Süden in die industriestarken Regionen transportieren, dann haben wir selbstverständlich höhere Leitungs- und Durchleitungskosten.

Ich möchte auf drei Beispiele eingehen, die plastisch darstellen, worin unser Problem besteht, wenn wir uns die Industriestrompreise von Großverbrauchern, zum Beispiel von Gießereien, anschauen – es ist heute schon angesprochen worden –: Bei einer halben Million Kilowattstunden im Jahr reden wir über Netzentgelte von circa 10 Millionen Euro in Thüringen, über etwas weniger in Sachsen und über nur 5 Millionen Euro in Rheinland-Pfalz. Im Handwerk, bei Kfz-Betrieben oder Bäckereien – kleinen Mittelständlern – reden wir bei 80 000 Kilowattstunden über Netzentgelte von 3 000 Euro in Bremen und von 8 000 Euro in der Uckermark. Beim privaten Haushaltsstrom – das ist auch schon angeklungen – sind es bei 3 500 Kilowattstunden Netzentgelte von 416 Euro in Brandenburg und unter 200 Euro in Bremen.

Vor dem Zieldreieck sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung – deshalb diese Beispiele – sollten wir aus meiner Sicht das Thema Akzeptanz in den Blick nehmen. Für mich gehört zur sicheren, sauberen und bezahlbaren Energieversorgung als vierte Säule das Thema Akzeptanz. Mit dieser Initiative zu bundeseinheitlichen Netzentgelten würden wir dem Ziel der Akzeptanz sehr guttun. Wir würden dem wichtigen Zukunftsthema Energiewende mit dem Thema Akzeptanz helfen und dieses unterstützen. Das wäre für mich ein sehr wichtiger Beitrag.

Schauen wir zu den Offshore-Anlagen und zur Erdverkabelung. Dort klappt es mit der bundeseinheitlichen Wälzung bereits jetzt. Dieser logische Ansatz sollte auch für die Anlagen an Land gelten. Wenn wir hier nicht gegensteuern – auch das wurde angesprochen –, wird dieses System immer weiter auseinanderklaffen, und wir werden auch in den nächsten Jahren immer höhere Strompreise in

den Netzentgeltgebieten von 50Hertz und im Norden erleben.

Ein weiterer Ansatz, der aus meiner Sicht in den Blick genommen werden sollte, um nachhaltig Stromkosten zu senken, sind die Anfangsinvestitionen in den 1990erJahren bis etwa 2000.

Ich erinnere hier an Klaus Töpfer und Herrmann Scheer – der eine konservativ, der andere Sozialdemokrat –, die Anfang der Neunziger vor dem Hintergrund der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, vom Waldsterben bis hin zum Ozonloch, gesagt haben: So kann es nicht weitergehen. So wurde am 1. September 1990 das Strommarkteinspeisegesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet. Seitdem befindet sich unser Land, befindet sich Deutschland im Transformationsprozess des Umbaus der Energieversorgung von den fossilen hin zu erneuerbaren Energien. Es sind neue Technologien entwickelt worden, es sind neue Dienstleistungen entwickelt worden, es musste Neues erforscht und eingeführt werden.

Mittlerweile können wir diese Anfangsinvestitionskosten ziemlich genau beziffern: Es sind etwa 24 Milliarden Euro. Ich finde, mit einer mutigen und klugen Entscheidung könnten wir diese Anfangsinvestitionen über eine Fondslösung in einem Einmaleffekt – die sind nämlich immer noch im EEG, in den Alt-EEG-Umlagen enthalten – sofort aus dem Stromsystem herausnehmen und hätten auch sofort einen wirklich spürbaren Effekt, der die Strompreise nach unten bringt.

Eine weitere Möglichkeit wäre, sich mit der Stromsteuer auseinanderzusetzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Ausnahmeregelungen.

Bitte zum Ende kommen.

Es kann nicht sein, dass sich jede Kegelbahn aus der solidarischen EEG-Finanzierung zu verabschieden versucht.

Also, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben Möglichkeiten, nachhaltig an dem Strompreis etwas zu tun. Die sichere, saubere, bezahlbare und akzeptierte Energieversorgung wird weiter Aufgabe bleiben.