Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Baden-Württembergs eingebracht. Verfolgt man die Diskussionen der letzten 30 Jahre, muss man durchaus feststellen, dass diese Problematik in allen Parteien und Wählervereinigungen kontrovers diskutiert wird. Es gibt einige Bundesländer – das hat Kollege Voigt schon erwähnt –, die Bürgermeister in den Kreistagen nicht zulassen. Aber acht von 13 Flächenländern, darunter auch Sachsen, lassen die Mitgliedschaft ausdrücklich zu. Warum? Weil es sich in der Vergangenheit bewährt hat.

Genau deshalb lehnt meine Fraktion diesen Gesetzentwurf entschieden ab. Wir sehen keine generellen Unvereinbarkeiten zwischen Bürgermeisteramt und Kreistagsmandat. Für den Einzelfall existieren in der Landkreisordnung – das wurde von Kollegen Schollbach eben ausführlich dargelegt – Befangenheitsvorschriften. Eine solche Einschränkung ist deshalb weder erforderlich noch verhältnismäßig.

Warum die AfD – das möchte ich noch einmal wiederholen, obwohl es schon zwei Vorredner gesagt haben – einerseits der Ansicht ist, dass ein Bürgermeister nicht zugleich Kreisrat sein sollte, andererseits es aber für wünschenswert erachtet, Doppel-Bürgermeisterschaften zu ermöglichen, wo es viel eher zu Interessenkonflikten kommen kann, erschließt sich mir in der Logik nicht. Vielmehr ist in der Mitgliedschaft der Bürgermeister im Kreistag eine Chance für alle zu sehen, allen voran für die Bürgerinnen und Bürger. Die sich ergebenden Synergien – und die sind zweifelsohne vorhanden – zwischen Kreis und Stadt und Gemeinden können so allen nützen.

Der Bürger wählt den Bürgermeister als Persönlichkeit deshalb in den Kreistag, weil er sich durch ihn am besten vertreten sieht. Die in den Kreistag gewählten Bürgermeister besitzen also ein hohes Vertrauen seitens ihrer Wähler. Es stellt sich uns die Frage, inwieweit dieses Vertrauen, dieser eindeutige Wählerwillen und diese hohe Zustimmung negiert werden sollen. Schließlich haben die Bürgermeister durch ihr Amt nicht nur umfangreiche Fachkenntnisse, sondern ein hohes Interesse am Kreis und an der Kreispolitik, wovon letztlich der kreisangehörige Bürger profitiert.

Bürgermeister im Kreistag gehören in aller Regel unterschiedlichen Fraktionen an, nicht der Fraktion der Bürgermeister, sondern unterschiedlichen Parteien und Wählervereinigungen.

Was aber alle verbindet, ist die Pflicht, das Mandat nach freier, dem Gemeinwohl verpflichteter Überzeugung auszuüben. Auch sollte der Wählerwille durch einen Ausschluss des Bürgermeisters nicht beeinflusst werden, da dies auf keinen Fall im Sinne unserer Demokratie ist.

Gerade durch die schon genannte Verflechtung profitieren der Kreis und die Gemeinden von der Mitgliedschaft von Bürgermeistern in diesem Gremium. So wird eine mittelbare Vertretung der Städte und Gemeinden auf Kreisebene geschaffen. Die in den Kreistagen getroffenen Entscheidungen werden dadurch von den Gemeinden und dem Kreis gemeinsam getragen.

Außerdem – das ist nicht von der Hand zu weisen – kommt man schneller zu Entscheidungen, wenn die Bürgermeister durch den Kreistag direkt an der Entscheidung beteiligt sind. Von den gemeinsamen Informationen können beide Seiten profitieren; die Verflechtungen können effizienter genutzt werden. Das ist nicht zuletzt auf den Sachverstand der Bürgermeister zurückzuführen.

Durch die Verwaltungsprofis als solche kann auch die Kontrolle des Landrats – ein wichtiger Punkt – und der Kreisverwaltung sichergestellt werden. Auch wissen die Bürgermeister in vielen Fällen genau, worauf es ankommt, um den Kreis und die Gemeinden voranzubringen. So weit überwiegen die positiven Argumente.

Somit profitieren die Bürger vordergründig von der Mitgliedschaft des Bürgermeisters, wohingegen sich die negativen Argumente, die gegen den Bürgermeister im Kreistag sprechen, eher auf die interne Arbeit im Kreistag auswirken. Aber ist es nicht der Sinn einer Bürgervertretung, meine Damen und Herren, schließlich positive Ergebnisse für den Bürger zu erzielen?

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal an die Anhörung vom 14. Juni zu dieser Gesetzesinitiative erinnern, speziell an die Ausführungen von Herrn Gruber vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag. Herr Gruber stellte unter anderem die entscheidende Frage, wo man bei der Schaffung einer Unvereinbarkeitsregelung aufhören wolle. Auch Landtagsabgeordnete, Bundes- und Landesbedienstete, Gemeinde- und Stadträte – das ist schon genannt worden – sowie Vertreter von Vereinen und Verbänden, die teilweise sogar in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Landkreis stehen, bringen ja nicht nur ehrenamtliches Engagement, sondern auch ihre beruflichen Hintergründe und letztendlich auch ihre regionale Herkunft mit ein.

Mit dem Verweis auf die eben erwähnte Anhörung und speziell auf die Ausführungen der Sachverständigen des Landkreistags und des Sächsischen Städte- und Gemeindetags möchte ich meine Ausführungen beenden und nochmals unsere ablehnende Haltung zum Ausdruck bringen. Mit dem pauschalen Ausschluss von Bürgermeistern aus dem Kreistag würde ein großes Stück Demokratie verloren gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall des Staatsministers Markus Ulbig)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Herr Abg. Lippmann. Bitte sehr, Herr Lippmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der AfD behandelt aus unserer Sicht ein durchaus sensibles Thema, welches immer wieder starke politische Auseinandersetzungen hervorruft. Herr Winkler hat es gerade schon angesprochen. Die Frage, ob Bürger

meister in Kreistagen sitzen dürfen, ist vor allem eine politische Glaubensfrage, die die Bundesländer auch sehr unterschiedlich regeln.

Um es zu Beginn deutlich zu sagen: Auch uns GRÜNEN bereitet die verhältnismäßig hohe Zahl an Bürgermeistern in Kreistagen mitunter durchaus Sorge, wobei das vom konkreten Einzelfall abhängt und in den Kreistagen sehr unterschiedlich sein kann. Unabweisbare Interessenkonflikte sind in dieser Konstellation durchaus vorprogrammiert, selbst wenn es sich nicht um jene Fälle handelt, in denen die Befangenheitsregelungen greifen.

In der Problemanalyse kann man somit noch ähnlicher Auffassung wie die Einbringerin des Gesetzentwurfes sein, in der Umsetzung, in der Lösung sind wir es aber nicht. Wir werden den Gesetzentwurf der AfD daher ablehnen.

Zum einen – das wurde mehrfach angesprochen – ist die AfD ziemlich inkonsequent: Bei dem Problem der Doppelbürgermeister haben Sie noch die Freiheit der Wahlentscheidung hochgehalten, bei den Kreistagsmitgliedern soll diese nun eingeschränkt werden. Vielleicht müssen Sie einmal einen Dogmatismuskurs belegen. Das wäre hilfreich und würde uns hier so manchen sinnlosen Antrag oder Gesetzentwurf ersparen. Bei dieser inkonsequenten Heuchelei können Sie nicht erwarten, dass wir die Hand heben.

(Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Zum anderen lässt sich das Problem nicht durch ein Gesetz lösen. Das haben auch die Debatten in einer Vielzahl anderer Bundesländer gezeigt. Das ist auch die Schlussfolgerung, zu der meine Fraktion in den letzten Jahren zunehmend gekommen ist.

Mit Ihrem Gesetzentwurf, der bloße Hinderungsgründe für die Mandatsannahme regelt, laden Sie – das ist mehrfach angesprochen worden – die Unklarheit schlussendlich bei den Wählerinnen und Wählern im Lande ab. Denn wählen können Sie den Bürgermeister bei der Kreistagswahl immer noch. Ob er sein Mandat dann antritt oder nicht oder ob er gar vom Amt des Bürgermeisters zurücktritt, muss er Ihnen vorher schlicht nicht sagen. Am Ende fühlen sich die Wählerinnen und Wähler verschaukelt, die einen Bürgermeister in den Kreistag gewählt haben, der das Mandat dann nicht annimmt.

Sie lösen auch nicht das existierende Problem, dass viele Kreistagslisten von der Bekanntheit und Beliebtheit der Bürgermeister profitieren, obwohl sie am Ende möglicherweise nur pro forma in einer dadurch quasi forcierten Scheinkandidatur auf der Liste stehen. Dies können Sie gesetzgeberisch gar nicht lösen, weil alles andere ein schwerer Eingriff in das passive Wahlrecht wäre, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auch verfassungswidrig ist.

Nach Auffassung meiner Fraktion lässt sich das Problem somit gesetzgeberisch nicht lösen. Für uns ist daher klar: Die Frage, ob zu viele Bürgermeister in den Kreistagen sitzen, muss vorrangig politisch bearbeitet werden: durch die Wählerinnen und Wähler, durch Aufzeigen eventueller

Probleme, wenn die tatsächlich existieren, und in der alltäglichen Auseinandersetzung, aber nicht über solche untauglichen Gesetzentwürfe. Folglich werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Volkmar Winkler, SPD)

Meine Damen und Herren, das war in der allgemeinen Aussprache die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abg. Wippel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Auf ein paar Argumente muss ich natürlich eingehen. Herr Voigt, offensichtlich haben Sie unseren anderen Gesetzentwurf nicht verstanden. Der eine behandelt ja einen Sachverhalt quasi in der horizontalen Ebene. Hier sehen wir aber einen Widerspruch in der vertikalen Ebene. Das ist ja ein Unterschied.

Die Bürger wissen ja, dass der Bürgermeister der einen Gemeinde bereits Bürgermeister ist, wenn er in einer anderen Gemeinde antritt. Dann wissen die Bürger auch, ob sie ihn in dieser Konstellation nun wollen oder ob sie sich lieber für jemand anderen entscheiden.

Wenn die Bürger jetzt seinen Namen auf einen Zettel schreiben, einen leeren Zettel, und dieser Kandidat dann noch mit Mehrheit gewählt wird, wie wir das erlebt haben, dann ist das ja Demokratie par excellence. Das wollen Sie ausschließen? Das ist schizophren. Das ist am Wählerwillen vorbei. Kommen Sie mir hier nicht mit solchen Sachen.

(Beifall bei der AfD)

Herr Winkler, natürlich kann man schon einmal die Frage stellen: Wie sieht das denn mit einer Beamtentätigkeit und gleichzeitig einem Landtagsmandat aus? Natürlich. Aber diese Frage können Sie auch Ihrer Ministerriege stellen – da sind auch alle Beamte.

(Beifall bei der AfD)

Und da geht es um die Chefs, die Obersten des Landes. Das alles sind Diskussionen, die man durchaus führen kann, auch kritisch. Das haben wir heute auch schon mit einer Besuchergruppe gemacht. Das finde ich auch gut.

Zu dem Stichwort Wählertäuschung muss jetzt einmal gesagt werden: Wenn Sie tatsächlich die Chuzpe besitzen und Bürgermeister auf Ihre Listen schreiben, hauptamtliche Bürgermeister, damit Sie in der Kreistagswahl möglichst viele Stimmen ziehen und damit Ihre Fraktion nach oben bringen, und wenn diese Bürgermeister ihr Mandat dann nicht antreten, glauben Sie denn, dass die Wähler ihre Hosen alle mit dem Kran anziehen?

(Heiterkeit bei der AfD)

Das machen Sie höchstens ein einziges Mal, und dann ist Schluss. Das machen die Wähler dann nicht mehr mit.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Oder Sie werden dann nicht ohne Grund nicht mehr gewählt. Im Übrigen kann ich mich der Meinung auch anschließen, dass „die hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamten der Gemeinden“ künftig kein Kreistagsmandat wahrnehmen können sollen. Damit wird die Intention der Ehrenamtlichkeit in den Vertretungskörperschaften gestärkt bzw. erst ermöglicht – zitiert aus Drucksache 4/11018, Antrag der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag. Ich denke, an dieser Stelle können Sie uns durchaus zustimmen. Jetzt muss ich zu meiner Ehrenrettung gestehen, dass ich diesen Antrag bis zu meiner Rede nicht kannte.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das sei Ihnen gegönnt!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, gibt es aus den Reihen der Fraktionen weitere Wortmeldungen für eine zweite Rederunde? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich jetzt die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Jawohl. Herr Staatsminister Ulbig, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde versuchen, es kurz zu machen. Trotzdem zwei Vorbemerkungen.

Erstens, Herr Schollbach, zu Ihnen und Ihrer Interpretation der Sächsischen Gemeindeordnung. Weder als Kommunalminister noch als jemand, der schon einmal auf beiden Seiten gesessen hat, nämlich sowohl als Mitglied eines Stadt- oder Gemeinderats oder Kreistags als auch als Oberbürgermeister kann ich diese Interpretation so stehen lassen.

Dass der Stadtrat Hauptverwaltungsorgan ist, ist jedem bekannt. Wie Sie aber die Position des Bürgermeisters beschreiben, ist nach meiner Interpretation völlig fehlgeleitet.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das tut ihm jetzt weh!)

Wir haben uns in Sachsen auf die süddeutsche Ratsverfassung verständigt. Die süddeutsche Ratsverfassung besagt, der Bürgermeister wird vom Volk gewählt und hat deswegen eine starke und auch eigenständige Position.

(André Schollbach, DIE LINKE: Ja eben, ja eben!)