Gibt es jetzt noch weiteren Redebedarf in dieser dritten Runde aus den Fraktionen heraus? – Das kann ich nicht erkennen. Jetzt erhält die Staatsregierung das Wort. Die Staatsministerin
hat sich mit dem Staatsminister darauf geeinigt, dass sie zuerst das Wort ergreift. Bitte, Frau Köpping.
(Sebastian Wippel, AfD: Nein! Ich wollte eine vierte Runde! – Valentin Lippmann, GRÜNE: Vierte Rederunde!)
Ich hatte gefragt, gibt es noch Redebedarf aus den Fraktionen. Sie wollen eine vierte Rederunde eröffnen? – Gut. Okay.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Ich möchte einfach die Zeit nutzen, die wir noch haben, um auch in Richtung GRÜNE und LINKE noch ein paar Worte zu verlieren,
Wir wissen, dass die Sächsische Begegnungsstätte quasi angegliedert ist an die Islamische Gemeinschaft in Deutschland. Diese wiederum hängt an den Muslimbrüdern. Wer ist das? – Das ist kein Spaßverein. Wenn Sie hier davon reden, sie müssten sich ausbreiten können, um hier Demokratie zu leben und der Integration irgendwie das Wort zu reden – nein, das machen sie nicht. Das möchten sie auch gar nicht. Sie haben ganz andere Ziele.
Die Muslimbrüder sind eine islamistisch-fundamentalistische Organisation. In Ägypten sind sie nicht ohne Grund verboten. Sie haben sich in den 1920er-Jahren gegründet, weil man damals gesagt hat, der arabische Raum ist benachteiligt. Er war einmal am stärksten gewesen, als man sich besonders eng an der Auslegung des Koran und der Hadithen orientiert hat. Darauf ist man bei den Muslimbrüdern, bei den Fundamentalisten zurückgegangen. Das ist das, was sie auch hierzulande wollen.
Der Weg, den sie einschlagen, ist ein legalistischer. Das heißt nicht, wir nutzen legale Mittel und wollen Deutschland irgendwie noch demokratischer machen und als Muslime unseren Platz in der Gesellschaft finden, sondern es geht darum, dass man sich demokratischer Mittel bedient, um das System zu überwinden. Das ist das eigentliche Ziel und das macht diese Menschen so gefährlich.
Wenn sie sagen, wir betreiben Nachhilfe, wir bilden Menschen aus und wir engagieren uns an Hochschulen, dann ist das einzige Ziel, das man dahinter immer sehen muss, den Islam auszubreiten und den Durchbruch für die Scharia zu schaffen. Das ist das Ziel der Muslimbrüder. Das wollte ich an dieser Stelle noch einmal klarstellen, damit hier keine Missverständnisse aufkommen.
Das war Herr Kollege Wippel für die AfD-Fraktion. Damit ist eine vierte Rederunde eröffnet worden. Herr Kollege Hartmann ergreift die Gelegenheit für die CDU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So einfach kann man das nicht stehen lassen. Der Islam ist nicht so einfach zu differenzieren und einfache Thesen über die Struktur der Muslimbruderschaft sind nicht so einfach zu setzen.
Das Problem mit dem Islam ist doch, dass wir ihn in einem riesengroßen Spannungsbogen allein in unserem Land erleben. Ich will das einmal an Prof. Khorchide festmachen, einem Islamwissenschaftler, islamischen Theologen an der Uni Münster, der für einen sehr gemäßigten Islam in unserer Gesellschaft steht, dann den Spannungsbogen über die Muslimbruderschaft bis zum IS zieht. Dann wird das ein breites Spektrum und ist eine Frage der Perspektive, an welcher Stelle es unter Anerkennung unserer zivilisatorischen Rahmenbedingungen um Islamausübung geht, wo es um Grenzen geht, wo es um die Frage geht, wie man die Scharia auslegt.
Im Übrigen kann ich die Scharia in einen islamtheologischen Kontext setzen. Dann ist sie eigentlich nur die Definition eines Regelwerkes bis hin zur Frage, wie ich aktuelle Veränderungen für mich definiere. Ich kann sie aber – und das ist die Gefährlichkeit – als politischweltliches Steuerungs- und Rechtsinstrument verstehen. Dann komme ich dahin, was wir auch hier als Scharia definieren.
Dieser Spannungsbogen findet nicht nur in unserer Gesellschaft im Umgang mit dem Islam statt. Er findet in der gesamten islamischen Welt statt. Übrigens: Die Muslimbruderschaft hat ihre Steigerungsform vor allen Dingen durch die Destabilisierung der Strukturen vor Ort erfahren – bis hin zu der Destabilisierung über ISStrukturen. Wir haben auch in der islamischen Welt einen riesigen Spannungsbogen.
Kurzum: Ich bitte wirklich darum, dass wir, wenn wir diese Debatte führen, sie ernster führen, dass wir die Grenzen dort ziehen, wo die Werte unserer Gesellschaft, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht sind. Das ist in der Tat als Zielsetzung der Muslimbruderschaft zu erkennen. Wir haben die Probleme auch in den muslimischen Gemeinden. Deshalb müssen wir genau dort ansetzen. Wir haben keine Muslimbruderschaften als Gemeinden in Sachsen.
Insoweit bitte ich, das Handeln Einzelner und die Instrumentalisierung einer Gruppe als das Problem herauszuarbeiten, die Grenze zu ziehen, sich mit denen auseinanderzusetzen und gleichzeitig zu diskutieren, wie es auch unser Ausländerbeauftragter tut, nämlich zu fragen: Wie kann ich vor Ort diesen muslimischen Gemeinden den Spielraum dafür geben, sich neben diesen Strukturen zu entwickeln? Hierbei ist beispielsweise die Frage Imamausbildung in Deutschland ein möglicher, aber nicht der
Ich sehe jetzt wirklich keinen weiteren Redebedarf aus den Fraktionen. Damit hat endlich die Staatsministerin die Gelegenheit, hier den Standpunkt der Staatsregierung vorzutragen. Bitte, Sie haben das Wort, Frau Köpping.
Herzlichen Dank. Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Abgeordnete! Da ich sehr wenig Redezeit habe und wir vereinbart haben, dass der Innenminister und ich uns die Redezeit teilen, würde ich gern auf das Thema der Prävention und der Information eingehen. Ich glaube, dass das die Voraussetzung ist, um dann zum zweiten Teil, nämlich der Bedrohungs- und Erkenntnislage, zu kommen.
Es wurde heute angesprochen, was der Islam ist. Ich möchte auf eine Veranstaltung hinweisen, bei der ich am Sonntag war, und zwar in Leipzig. Das war das MaulidFest der Takva Gemeinde. Dort war es genau so, lieber Kollege Hartmann, wie Sie es gerade angesprochen haben, nämlich dass man dort zum Beispiel eine Predigt in Deutsch, in Türkisch und in Kurdisch gehalten hat. Die Texte wurden übersetzt. Selbst Kinderlieder wurden in Deutsch, in Türkisch und in Kurdisch vorgetragen. Es wächst an Verständnis, was wir vielleicht manchmal, ohne die Sprache zu verstehen, nicht wissen oder kennen.
Trotzdem sind gegenseitige Information und gegenseitiges Verständnis für eine wirklich ausgewogene Debatte notwendig. Hier glaube ich, dass es keine Panikmache zu machen gilt, dass wir keinen Alarmismus haben dürfen, sondern dass wir vor Ort rechtzeitig aufklären und informieren möchten. Das müssen wir nicht nur mit Bürgerinnen und Bürgern machen – das ist ganz wichtig –, sondern auch mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, mit Landräten, haupt- und ehrenamtlichen Asyl- und Integrationshelfern, Vereinen, Initiativen, Behörden, eben auch mit der Polizei und den Feuerwehren. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns in dieser Richtung verstärken.
Nun haben Sie, sehr geehrter Herr Hütter, gemahnt, dass wir nur 200 000 Euro für die sogenannte KORA – ich möchte es noch einmal aussprechen: KORA heißt Koordinierungs- und Beratungsstelle Radikalisierungsprävention – im Jahr ausgeben. Dass es dafür nur eine Person geben soll, wäre nicht ausreichend. Das ist bei Weitem nicht so, sondern wir haben 200 000 Euro für Personalstellen, aber auch 450 000 Euro für Projekte, für Aufklärungs- und Schulungsmaßnahmen, was die Aufgabe der KORA sein soll. Diese KORA-Stelle gibt es, um Fragen zum Thema Islamismus und Salafismus zu klären, dass
wir unterscheiden lernen, was die freiheitliche Religion ist und was Islamismus und Salafismus sind.
Wir können bei der KORA über eine Hotline, über E-Mail-Adressen Fragen von Bürgern beantworten. Seit wir sie gemeinsam mit dem SMI und dem SMJus öffentlich miteinander beraten und bekannt gegeben haben, hatten wir bisher drei Fälle, wo Menschen dieses Beratungsangebot angenommen haben. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man dort zum Beispiel bei salafistischen Weltverschwörungstheorien oder bei gewaltverherrlichenden Filmen oder wenn man merkt, dass sich in der Nachbarschaft, in Schulen, in Einrichtungen Menschen verändern, Kontakte aufnehmen und sich beraten lassen kann.
Gleichzeitig haben wir Partner, die fachlich sehr fundamentiert und deutschlandweit unterwegs sind, wie zum Beispiel Violence Prevention Network, die das Gespräch mit Betroffenen suchen, um Beratungsangebote zu liefern. Gleichzeitig haben wir im Innenministerium das Aussteigerprogramm, das ebenfalls Fachleute hat, die dort tätig werden können.
In unserer KORA selbst haben wir übrigens auch Fachleute. Wir haben einen Friedens- und Konfliktforscher. Das ist ein Berufszweig, den man nicht alltäglich findet. Wir haben auch einen Menschen, der Arabistik studiert hat. Ich glaube, dass wir damit für den Beginn in Sachsen gut aufgestellt sind. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass wir gerade in den Gemeinschaftsunterkünften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisieren, damit man erkennt, wann es eine Radikalisierung gibt, wie man dort vorgehen und mit wem man die Gespräche finden kann.
Es ist meine Aufforderung hier in die Runde, dass sich diese Menschen melden können, wenn es Fragen gibt. Erste aus dem Parlament haben bei der KORA schon nachgefragt, um sich zu informieren, welche Informationsmöglichkeiten es dort gibt. Dennoch ist es mir wichtig, dass wir keine Stigmatisierung einer Religionsgemeinschaft vornehmen, dass es uns um Einzelfälle und um Prävention geht und dass es nicht geht, die Religionsgemeinschaften unter Generalverdacht zu stellen.
Das ist mir an dieser Stelle noch einmal wichtig. Kollege Lippmann hat die Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden kritisiert. Wir sind dort am Aufbau. Wir haben in Sachsen circa 15 muslimische Gemeinden. Wir sind im engen Kontakt. Ich nehme Veranstaltungen wahr, wenn ich eingeladen bin. Wir laden sie in unseren Geschäftsbereich ein, damit wir mit ihnen ins Gespräch kommen. Sie haben jetzt und auch im vergangenen Jahr sehr viel an Integrationsarbeit in Sachsen geleistet. An solch einer Stelle darf man auch einmal sagen: Herzlichen Dank für die positive Arbeit unserer muslimischen Gemeinden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Kollegin Köpping und ich uns die Redezeit teilen, macht deutlich, dass wir Prävention und Repression, die Arbeit von Leuten im präventiven Bereich und die Sicherheitsbehörden als zwei Seiten ein und derselben Medaille sehen und die Staatsregierung ganz klar und konsequent jeder Form von Extremismus entgegentritt. Wir werden uns dort wehren, wo unsere Demokratie und unser Rechtsstaat bekämpft werden – entschlossen, konzentriert, aber vor allem sachlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dazu gehört auch, dass wir uns sehr viel intensiver, als das in der vergangenen Zeit notwendig war, mit dem Thema und den Entwicklungen im Bereich des islamistischen Terrorismus beschäftigen.
Ich werde in Kürze den Verfassungsschutzbericht des Jahres 2016 vorstellen. Ich will aber die Fakten und die Zahlen zu diesem Punkt kurz ansprechen. Insgesamt bewegt sich das islamistische Personenpotenzial bei uns im Bundesvergleich weiterhin auf niedrigem Niveau, aber mit 350 Islamisten verzeichnete es 2016 gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg von 17 %. Das bedeutet, 2015 waren es 300 Islamisten. Darunter befanden sich circa 190 Salafisten.
Was nun die hier thematisierte Muslimbruderschaft betrifft, will ich eines deutlich sagen: Klar hat Herr Meyer-Plath vor einiger Zeit vor deren wachsendem Einfluss gewarnt. Denn es ist seine verfassungsmäßige Aufgabe,
meine sehr verehrten Damen und Herren, und die Pflicht, die Bestrebungen gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beobachten und darüber zu informieren. Diesen Auftrag nimmt der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz entsprechend ernst.