Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

Das kostet; dazu wird Geld benötigt. Dieses Geld muss bereitgehalten werden – von den Betreibern der Braunkohletagebaue.

Herr Minister Dulig, der heute leider nicht anwesend sein kann – ich entschuldige mich dafür, dass wir diesen Antrag trotzdem auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben –, muss dafür sorgen, dass das tatsächlich geschieht.

Die Braunkohleunternehmen und Minister Dulig sagen, dass dieses Geld bereitgehalten werde. DIE LINKE kommt zu einer anderen Einschätzung. Ich werde Ihnen erläutern, warum.

Bislang sind die Betreiber der Braunkohletagebaue lediglich dazu angehalten, sogenannte Rückstellungen zu bilden, mit denen später unter anderem die Rekultivierungen in Anspruch genommener Flächen bezahlt werden sollen. Das Problem dabei ist, dass diese rein bilanziellen Rückstellungen nicht insolvenzsicher sind. Im Gegensatz dazu können sogenannte Sicherheitsleistungen insolvenzsicher gestaltet werden, beispielsweise durch Bürgschaften oder Treuhandkonten.

Bei diesem Thema schwingt sicherlich immer der geheime Rechnungshofbericht mit; mehr darf ich dazu wohl nicht sagen.

Zurück zur aktuellen Situation. Im Gegensatz zu dem Staatsunternehmen Vattenfall als Gesellschafter Vattenfall Mining AG haben wir es nach dem Verkauf der Gesellschaftsanteile und der Umfirmierung in die LEAG mit einem Unternehmensgeflecht zu tun, dessen Bonität und wirtschaftliche Potenz zunächst unbekannt sind. Das birgt verschiedene Risiken im Hinblick auf die Einlösung der von mir angesprochenen Verpflichtungen des Bergbautreibenden.

(Alexander Krauß, CDU: Von der MIBRAG kennen wir sie aber schon!)

Greenpeace hat beispielsweise in seinem „Schwarzbuch EPH“ dubiose Geschäftspraktiken geschildert und außerdem die Vermutung angestellt, dass die 1,7 Milliarden Euro an Barmitteln für die Rekultivierung, die von Vattenfall bei der Geschäftsübergabe mit übergeben wurden, im vergangenen Jahr bereits an ehemalige Gesellschafter ausgezahlt waren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, hat dazu auch kritische Ausführungen gemacht. Wenn nur die Hälfte dessen stimmt, was ich hier in den Raum stelle, dann könnten wir ein ernsthaftes Problem bekommen.

(Alexander Krauß, CDU: Es stimmt nicht!)

Vor diesem Hintergrund ist es absolut nicht nachvollziehbar, dass mir der Staatsminister auf eine Kleine Anfrage antwortete, dass er keine Ahnung habe, wo die 1,7 Milliarden Euro verblieben seien, und er auch keinen Bedarf sehe, danach zu forschen oder bei der LEAG nachzufragen. Meines Wissens waren die übergebenen 1,7 Milliarden Euro nämlich gerade dazu gedacht, die bereits durch den Bergbau durch Vattenfall realisierten Folgelasten monetär auszugleichen, weil die Verpflichtung nämlich erst zum Ende des Tagebaus insgesamt entsteht.

Da mir Minister Dulig eben nicht antwortete, habe ich gerade eben ein Schreiben an Herrn Oberberghauptmann Prof. Cramer fertiggestellt, in dem ich Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz beantrage, um in das Konzept zu den Ewigkeitslasten bzw. zu den Rückstellungen einsehen zu können.

Letztlich dienen die Sicherheitsleistungen im Bergrecht dazu, die Überwälzung von Kosten, die allein aus der Verantwortung des Bergbautreibers folgen, auf die Allgemeinheit zu verhindern. In diesem Kontext hat die zuständige Behörde zu entscheiden, wie rechtssicher das notwendige Kapital zur Erfüllung dieser Pflichten vorgehalten werden kann.

Es ist damit die Aufgabe der Staatsregierung, vermeidbare Risiken für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und im Ergebnis auch einer zusätzlichen Belastung des Staatshaushaltes auszuschließen. Die Staatsregierung kommt dieser Verantwortung nicht ausreichend nach. Oft wird gesagt, wir können im Moment gar keine Sicherheitsleistungen erheben. Da sage ich: doch, Sie können! Denn im Rahmenbetriebsplan beispielsweise für den Tagebau Nochten ist diese gesonderte Entscheidung über Sicherheiten vorbehalten. Probleme haben wir bereits beim Eigentumsübergang von Vattenfall an die LEAG gesehen. Da muss ich gar nicht im Gutachten des Rechnungshofes nachlesen, das kann ich auch selbst erkennen.

Möglicherweise ist die LEAG gar nicht mehr an das gebunden, was im Hauptbetriebsplan 2016/2017 als Pflicht für den Bergbautreibenden steht. Problematisch sind auch die nacheilenden Berichtspflichten, egal ob die LEAG betroffen ist oder nicht. Der Bergbautreibende wird im Hauptbetriebsplan aufgefordert, bis Ende Mai eines Jahres die Bilanzen des Vorjahres zu übersenden und zu kommentieren. Bekommen Sie eigentlich dann noch die Bilanzen der Vattenfall Mining AG?. Was wollen Sie tun, wenn Sie daraufhin erkennen, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten steckte? Ein halbes Jahr prüfen, anhören und dann bei einem unter Umständen schon insolventen weiteren Unternehmen Sicherheiten einfordern? Das wird wohl so nicht gehen, und je länger Sie warten, desto tiefer stecken Sie im Sumpf, werden immer erpressbarer und entfernen sich von der eigentlichen Verantwortung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will hier nicht den Teufel an die Wand malen oder die Kriminalisierung der Branche, wie sich Staatsminister Dulig ausdrückte,

heraufbeschwören. Mir geht es darum, dass mögliche Risiken für die öffentliche Hand, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und insbesondere für die Bevölkerung in den Tagebaugebieten vermieden werden. Deshalb darf es hier keine Sprech- und schon gar keine Denkverbote geben.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich weiß nicht, wie die Staatsregierung zum Beispiel erklären kann, dass regelmäßig bei Windenergieanlagen, Biogasanlagen und zunehmend auch Kiesgruben oder sonstigen Bergbaubetrieben Sicherheitsleistungen erhoben werden, bei der Braunkohle aber grundsätzlich nicht. Sicherheitsleistungen sind kein Instrument, um Bergbauunternehmen in die Knie zu zwingen. Sicherheitsleistungen müssen erhoben werden, um die öffentliche Hand und die Allgemeinheit zu schützen,

(Alexander Krauß, CDU: Sie können erhoben werden, sie müssen nicht!)

und das, solange es den Unternehmen gut geht.

Der ehemalige Oberberghauptmann hat einmal in einer Anhörung gesagt, dass Bergbaue nichts für arme Leute sind. Wenn das Unternehmen die Kosten für die Wiedernutzbarmachung nicht auf den Tisch legen oder solvent absichern kann, sollte es die Sache besser bleiben lassen. Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Wenn Sie so sicher sind, dass die 1,7 Milliarden Euro noch da sind, dann wäre das jetzt die Gelegenheit zuzugreifen. Andersherum, wenn Sie fürchten, dass dadurch das Unternehmen sofort pleite geht und wenn Sie mit den gefährdeten Arbeitsplätzen argumentieren, dann sind Sie schon erpresst, und Sie nehmen alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Sachsen mit in die Haftung für das Geschäftsgebaren einzelner privater Geschäftsleute.

(Alexander Krauß, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Alexander Krauß?

Bitte.

Frau Kollegin Pinka, das Unternehmen ist ja nicht nur in Sachsen tätig, sondern auch in Brandenburg, wo DIE LINKE mitregiert. Wie erklären Sie sich, dass DIE LINKE in Brandenburg offensichtlich dem Gedanken, den Sie äußern, nicht folgen kann, sondern die Landesregierung in Brandenburg genauso reagiert wie die Landesregierung in Sachsen?

Diese Frage hatten Sie mir in einer der vielen, vielen Landtagssitzungen schon einmal gestellt. Ich habe Ihnen schon einmal geantwortet, dass Rohstoffwirtschaft immer Länderhoheit ist. Was die

Brandenburger in ihrem Land tun, ist ihre Sache, was wir hier in Sachsen tun, ist unsere Sache.

(Alexander Krauß, CDU: Das gleiche Unternehmen, die gleiche Braunkohle!)

Das ist mir vollkommen egal. Wir können uns auch mit den Landtagsabgeordneten Brandenburgs einmal treffen und uns über das Problem unterhalten. Dann hoffe ich, dass Ihre Kollegen von der CDU dabei sind und auch die Brandenburger Kollegen meiner Fraktion dabei sind.

Ich möchte gern weitermachen.

Bitte, bitte.

Ich hoffe, dass wir dieses Problem nicht einfach wegwarten, wegdiskutieren oder weglächeln. Wir sollten jetzt dringend handeln. Was wir in dieser Zwickmühle tun würden, steht in unserem Antrag.

Und noch etwas zur Demokratietheorie. Die Rolle des Rechnungshofes ist es, als unabhängige und nur dem Gesetz unterworfene Kontrollstelle die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Staatsregierung zu prüfen. Die Kontrolle des Rechnungshofes ermöglicht es dem Landtag, auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, über die Entlastung der Regierung zu entscheiden. Der Rechnungshof trägt auf diese Weise dazu bei, dass die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung bezogen auf die Haushaltswirtschaft funktionsfähig bleibt. Was uns als Parlament stark macht, ist die Unabhängigkeit. Dazu gehört auch ein Rechnungshof, der kritisch und ebenfalls unabhängig prüft.

Mit dem Problem fehlender Sicherheitsleistung einher geht auch, dass ein Strukturwandel in den Bergbaufolgelandschaften im Ganzen nur dann gelingen kann, wenn der, der für die Folgelasten verantwortlich ist, dafür einsteht und diese auch bezahlt. Dass die Staatsregierung nach der Entscheidung der LEAG zur laufenden Strategie aufgewacht ist, glaube ich allerdings nicht. Schon in der letzten Aktuellen Debatte zu diesem Thema im Plenum habe ich Sie gefragt, was denn passiert, wenn das Braunkohleunternehmen LEAG uns mitteilt, dass es den Braunkohlenbergbau oder die -verstromung eher abbrechen will, also beispielsweise in Nochten nicht bis 2052 durchbaggern will.

Nun ist es eingetreten und Sie können mir glauben: Häme empfinde ich nicht. Auch ich mache mir Sorgen um die Bergleute und die Zukunft der Lausitz. Im Gegensatz zur Staatsregierung sehe ich in dem vorgestellten Revierkonzept keine Planungssicherheit für die betroffene Einwohnerschaft und die Bergleute über das Jahr 2020 hinaus. Erwartet hätte ich von der LEAG ein treppenförmiges Szenario, bei dem dargestellt wird, welcher Kraftwerksblock noch wie lange laufen wird. Das hätte echte Planungssicherheit geboten und ernsthaftes Nachdenken seitens der LEAG gezeigt. Was bleibt denn effektiv von der gerühmten neuen Planungssicherheit für die kommen

den Dekaden in Sachen Braunkohle, und das nicht nur für Sachsen?

Zum Ersten. Der Plan für Jänschwalde-Nord war unter Experten sowieso abgeschrieben und wurde schon seitens Vattenfall nur als extreme Erweiterungsoption aufrechterhalten.

Zum Zweiten. Die Fortführung von Welzow-Süd ist nicht entschieden und bleibt bis 2020 nach wie vor offen.

Zum Dritten. Nochten II kommt nun erst einmal nur zur Hälfte, und der Plan dafür ist frühestens in den zeitigen 2020er-Jahren genehmigungsreif.

Anders als die CDU-Fraktion meine ich, dass wir nicht erst den Strukturwandel und dann irgendwann den Braunkohleausstieg brauchen, sondern es braucht immer Zug um Zug, und das gleichzeitig. Eine Analyse der Kohleverbräuche und Kraftwerksbedarfe zeigt, dass Neuaufschlüsse bereits von der Kohlebedarfsseite her nicht erforderlich sind. Über Klimaschutzaspekte und den Klimaschutzplatz der Bundesregierung muss ich noch gar nicht sprechen. Durch das Geschenk von Mulkwitz, Rohne und Schleife-Süd schlägt das Unternehmen meines Erachtens auch gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Es spart sich Umsiedlungskosten und kann theoretisch dennoch weit mehr Kohle gewinnen, als es für den Betrieb der Kraftwerke braucht. Und es gewinnt Zeit, denn durch die Planänderung bei Nochten II wird ein komplett neues Planverfahren erforderlich.

Dies wird bei aller Anstrengung länger als bis 2020 dauern. Ich bin daher überzeugt davon, dass dem halben Rückzug der LEAG ein ganzer folgen wird. Es könnte sogar bereits 2020 Schluss sein. Bis dahin gelten lediglich die laufenden Tarifverträge. Denn nach wie vor wird die Kohle nicht mehr auf lange Sicht gebraucht. Das haben wir auch schon x-mal hier im Plenum besprochen. Jetzt spekuliert die LEAG nach meiner Ansicht auf die vergütete Sicherheitsbereitschaft, die für die Kraftwerksbetreiber eine sichere Einkommensquelle für ihre Kraftwerke darstellt.

Egal, ob Sie an dieses Szenario glauben oder nicht: Die LEAG pokert hoch und der Freistaat muss seine Bürger schützen. Deshalb muss jetzt das Ministerium das Oberbergamt sofort anweisen, Sicherheitsleistungen einzufordern, damit im Falle des Falles der Freistaat nicht allein dasteht.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Strukturwandel in der Region muss dringend unterstützt und angekurbelt werden. Den Lippenbekenntnissen des Ministers müssen nun endlich Taten folgen. Die fleißigen Bürgermeister vor Ort und die Bevölkerung dürfen nicht enttäuscht werden, weder von der LEAG noch von der Staatsregierung.

Es ist lobenswert, dass die Staatsregierung bei Defiziten in den Bereichen Wasser, Abwasser, Schulen etc. relativ schnell Maßnahmen planen und umsetzen möchte.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Dr. Pinka?

Bitte, Kollege Heidan.

Frau Kollegin Pinka, meine Frage an Sie: Wie lange brauchen wir die Braunkohle denn noch, nach Ihren Ausführungen? Die Sicherheitsleistungen sind ja in die Zukunft gerichtet, um das Land dann zu rekultivieren und dort Kulturen anzusetzen. Da müssen Sie sich ja einen Zeitpunkt vorstellen – wie viele Sicherheitsleistungen wir dazu brauchen.

Auch darüber, Herr Heidan, haben wir schon x-mal gesprochen. Sie kennen wahrscheinlich das Grundsatzprogramm meiner Partei. Zumindest in Sachsen haben wir immer gesagt: Der Braunkohleausstieg muss 2040 abgeschlossen sein. Ich befürchte nur, die Zeit wird uns überholen und der Ausstieg kommt eher.