Protokoll der Sitzung vom 17.05.2017

Auf einen Punkt erlaube ich mir noch hinzuweisen: Die Personenbewachung ist nach Wachpolizeigesetz eine Aufgabe der Wachpolizei. Aber darüber können wir an anderer Stelle reden.

Sind Sie jetzt mit Ihrer Rede fertig?

Dann kann ich die Zwischenfrage zulassen. Bitte, Frau Zais.

Herr Kollege Hartmann, Sie sagen: „nicht schludrig“. Trotzdem verweisen Sie im letzten Satz des Teils A der Begründung darauf, dass das künftige Gesetz, was dann alles ordentlich beachtet werden soll usw., ohne Generalverweise auf die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes auskommen soll. Ich interpretiere das so, dass man jetzt eilig handeln musste und später exakt handeln wird. Wie bezeichnen Sie das anders als schludrig?

Ich bezeichne das als gesetzesökonomisch, Frau Zais.

(Gelächter bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Noch einmal: Wir haben nicht gesagt, dass wir handeln müssen, sondern wir haben gesagt, dass wir handeln wollen. Wir haben des Weiteren gesagt, dass wir in der Folge ein Vollgesetz, das Ausreisegewahrsam und Ausreisehaft regelt, erarbeiten und vorlegen werden. Das ist ja gesagt worden. Dort werden wir alle Regelungen vollumfänglich übernehmen. Dass wir jetzt für diese gesetzliche Regelung eine Verweisungsregelung getroffen haben, macht es nicht schludrig. Sie können beklagen, dass Sie im Entwurf nicht alles mundgerecht lesen. Das ist eine Frage der Anwenderfreundlichkeit, aber es ist in sich klar geregelt.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Frau Nagel, ja, ich habe in Palermo einen sehr beeindruckenden Bürgermeister kennengelernt,

(Zurufe von den LINKEN)

einen Überzeugungstäter mit viel Engagement – „Täter“ im positiven Sinne –, einen Mann, der mit innerer Überzeugung gestanden und sehr deutlich sowohl über die Fragen von Mafia als auch über die Fragen von Menschenrechten und Migration gesprochen hat. Der Bezug steht Ihnen aber nicht zu, denn Sie waren bei der Veranstaltung gar nicht dabei. Das ist das Bedauerliche an dieser Stelle.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Beziehen Sie sich auf die Ausführungen zu Terminen, an denen Sie auch teilgenommen haben.

(Zurufe von den LINKEN)

Wir reden hier nicht über die Inhaftierung von Menschen. Wir reden auch nicht über Freiheitsentzug, sondern wir reden über die Umsetzung eines Ausreisegewahrsams. Noch einmal: Wer sich nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes widerrechtlich in diesem Land aufhält, macht sich strafbar. Punkt.

Unabhängig davon geht es darum, dass wir eine Ausreise vollziehen, nachdem alle anderen Möglichkeiten nicht gegriffen haben, und das in einem engen, klar definierten Rahmen, als Ultima Ratio. Wenn Sie als LINKE sagen, es ist nicht Ihre Position, dann sage ich: Es ist alles eine Frage der Perspektive. Ich wehre mich aber dagegen, dass der Eindruck vermittelt wird, als würden wir hier rechtswidrige Entscheidungen treffen. Diese Entscheidungen sind auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Bestimmungen und Ermächtigungen getroffen worden.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Zumindest für meine Fraktion möchte ich deutlich zum Ausdruck bringen: Falls der Vorwurf der LINKEN lautet, dass wir das in Sachsen konsequent umsetzen wollen – ja, dann ist das so.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Wir haben eine andere Position!)

Wir wollen, dass der Ausreisegewahrsam als Ultima Ratio möglich ist, auch wenn er uns nicht zwingend vorgeschrieben ist, Frau Zais.

Abschließend sei gesagt: Die rechtliche Argumentation, die Sie hier vorgetragen haben, kann ich nicht teilen. Wir vertreten eine rechtlich klare Position, die mit den bundesrechtlichen und europarechtlichen Vorschriften möglich ist. Wenn Sie dies anders sehen, dann bedarf es nicht dieser Debatte, sondern Ihres Tätigwerdens vor den deutschen Gerichten. Dann können Sie Ihre Meinung entsprechend durchklagen. Vielleicht haben Sie recht, und wir haben uns geirrt.

Dass wir unterschiedliche Sichtweisen auf dieses Thema haben, ist der Natur der Sache immanent. Wir stehen klar dafür: Menschen, die aus Asyl- oder Flüchtlingsgründen zu uns kommen und einen Anspruch darauf haben, sollen hier unterstützt werden und eine Perspektive haben. Für Menschen, die diesen Anspruch nicht haben und sich einer freiwilligen Ausreise entziehen, die der entsprechenden Aufforderung und milderen Mitteln nicht nachkommen, bedarf es für das staatliche Handeln einer Ultima Ratio.

Dafür stehen wir, weil wir sowohl die Verantwortung für dieses Land und auch für die Menschen in unserer Welt tragen. Dies ist ein Baustein zur Entscheidung für dieses Gesetz. Wir bitten nochmals um Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Für die Linksfraktion Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir sind im 25. Jahr der Annahme der Sächsischen Verfassung. Vor wenigen Tagen haben wir das in einem Festakt gewürdigt.

Das Gesetz hat zwei Paragrafen: einen Paragraf „Ausreisegewahrsamseinrichtungen“ und einen Paragraf, der sich „Einschränkung von Grundrechten“ nennt. Dabei geht es um vier Grundrechte. Es beginnt bei dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, dem Grundrecht auf Freiheit etc. pp.

Auch als Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses sage ich: Ich halte es für außerordentlich bedauerlich, dass dieser Gesetzentwurf, der in vier Grundrechte eingreift und eine hochsensible Materie berührt, ohne Not nicht in den Verfassungs- und Rechtsausschuss zur Mitbehandlung überwiesen worden ist, damit dort eine Normenkontrolle vorgenommen werden kann, inwieweit das, was im Gesetz steht, überhaupt verfassungskonform ist. Dieses Gesetz ohne Not so durchzuprügeln ist für mich im Umgang mit der Verfassung ignorant.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Die Verfassung gilt für jeden.

Dann basteln Sie in § 1 Abs. 2 die Verweisung hinein. Sie verweisen auf insgesamt 74 Paragrafen des Bundesstrafvollzugsgesetzes. Das gilt, nebenbei bemerkt, bis auf die letzten Bestimmungen, die den Rechtsweg regeln, für dieses Territorium überhaupt nicht mehr; denn wir haben inzwischen ein Sächsisches Strafvollzugsgesetz, das im Jahr 2013 durch den Landtag beschlossen wurde. Für diesen Normenadressatenkreis gilt jetzt in Sachsen wieder das Bundesstrafvollzugsgesetz. Dann nehmen wir

74 Paragrafen heraus und schreiben in § 2 Abs. 2 hinein: Ergänzend dazu gelten für den Vollzug die §§ 3 bis 36, 53 und dergleichen mehr.

(Albrecht Pallas, SPD: Entsprechend, Herr Bartl, entsprechend!)

Nein, hier steht nicht „entsprechend“.

(Albrecht Pallas, SPD: „Entsprechend“ ist das entscheidende Wort, Herr Bartl!)

Hier steht „ergänzend gelten“.

(Albrecht Pallas, SPD: Lesen können Sie auch nicht; lesen Sie mal nach!)

Kollege Pallas, das Verfassungsprinzip heißt Bestimmtheitsgebot. Normen müssen bestimmt sein, denn sonst kann sich der Anstaltsleiter, der Vollzugsabteilungsleiter oder der Ausreisegewahrsamsbetroffene heraussuchen, welche Normen gelten und welche nicht. Bei dem Normenkatalog, den Sie heranziehen, ist der Vollzugsplan dabei. Dabei ist die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt und ebenso die ganze Frage des offenen oder geschlossenen Vollzugs. Das alles steht in den Normen, auf die Sie Bezug nehmen und auf die Sie verweisen.

(Albrecht Pallas, SPD: Sie gelten entsprechend für den Regelungsgehalt …!)

Da ist das ganze Kompendium Sicherheit und Ordnung drin, bis hin zum BGS, den besonders gesicherten Haftraum.

(Albrecht Pallas, SPD: Sie biegen es, wie Sie es brauchen!)

Wollen Sie mich nicht fragen, Herr Kollege Pallas? Ich habe noch nie eine Frage von Ihnen abgelehnt. – Es ist im Grunde nach dem Bestimmtheitsgebot schlicht und ergreifend nicht möglich, dass ich einfach mal sage: Ich werfe 74 Normen hin, und dann schaut mal, welche entsprechend gelten. Das ist, von der Sache her gesehen, kein achtsamer Umgang mit einem Gesetz, das Grundrechtseingriffe vornimmt.

Dem Gesetz ist deshalb, abgesehen von unserem prinzipiellen Ansatz als LINKE, normalerweise von niemandem in diesem Haus zuzustimmen, der auf die Wahrung der Verfassungskonformität von Gesetzen noch Wert legt.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Wird noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. Herr Minister Ulbig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meines Beitrages danke ich all jenen herzlich, die an dem vorliegenden Gesetzentwurf mitgearbeitet haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben kontrovers, aber zielgerichtet und nach meinem Empfinden überwiegend konstruktiv diskutiert. Ich denke, wir haben ein gutes Ergebnis erreicht, das die Zustimmung verdient, das uns handlungsfähig macht und uns als Übergangslösung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über den Vollzug der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams in die Lage versetzt, dessen Vollzug zu gewährleisten.