Das Grundgesetz, Artikel 87 f Abs. 1, verpflichtet den Bund, die flächendeckende Telekommunikation zu gewährleisten. Wenn wir diese Aufgabe als Land freiwillig übernommen haben, dann ist es unverschämt, den Kommunen die Kosten für unsere Freigiebigkeit aufzubürden. Lieber Herr Staatsminister, hören Sie auf Ihre Generalsekretärin – und liebe SPD, tun Sie das auch! Die Frau weiß beim Thema Breitband, wovon sie spricht.
Dem Landespressedienst war am 11. April dieses Jahres folgende Position von Frau Kolbe zu entnehmen: „Wir freuen uns, dass die Botschaft jetzt auch schon bei der sächsischen CDU angekommen ist. Nur mit einem flächendeckenden Breitbandausbau kommt die sächsische Industrie auch im digitalen Zeitalter an. Die Kommunen müssen bisher viel Geld investieren, wenn schnelles Internet an jede Haustür kommen soll, und manche können das nicht schultern. Die SPD hat sich auch in der Koalition in Sachsen schon lange dafür eingesetzt, dass Kommunen, die dafür nicht genug Geld haben, für den Breitbandausbau bis zu 100 % Fördermittel bekommen können.“
„Dafür sollten die Herren von der CDU-Fraktion im Landtag und im Bundestag ein gutes Wort bei ihrem sächsischen Finanzminister einlegen. An der SPD ist das bisher nicht gescheitert.“
Liebe LINKE, liebe GRÜNE, liebe SPD, liebe CDU! Sie alle haben sich in der jüngsten Vergangenheit positiv zu diesem Thema positioniert. Mit unserem Antrag bieten wir Ihnen hierzu unsere Zusammenarbeit an. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!
Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung. Wer der Drucksache 6/9302 zustimmen möchte, möge jetzt die Hand heben. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthal
tungen? – Bei keinen Enthaltungen und einigen Stimmen dafür ist die Drucksache dennoch nicht beschlossen.
Wir beginnen mit der Aussprache: zunächst mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach folgen die CDU, DIE LINKE, SPD, AfD sowie die Staatsregierung, falls das Wort gewünscht wird.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede mit etwas Statistik beginnen: Statistisch sitzen in diesem Hohen Hause, wenn alle anwesend wären, mindestens drei Personen, auf die ein personengebundener Hinweis im polizeilichen Datenerfassungssystem PASS eingetragen ist. Eine höhere Zahl dürfte im sogenannten EFAS gespeichert sein, einer Art Metadatenbank der Polizei. Über jeden einzelnen Abgeordneten dürften statistisch mindestens vier IVO-Einträge vorliegen. Nun könnte ich die Preisfrage stellen, wer von Ihnen von dem Glück weiß, welche Daten die Polizei über Sie speichert, aber das wäre wahrscheinlich eine relativ untaugliche Frage; denn in der Regel geht man ja davon aus, dass über einen unbescholtenen Bürger nicht so viel gespeichert wird.
Das alles scheint jedoch ein frommer Wunsch zu sein. Die Realität sieht schlicht anders aus. Es ist feststellbar, dass die Daten bei den Sächsischen Sicherheitsbehörden von Jahr zu Jahr mehr wurden. Nun ist uns ja allen bekannt, dass das CDU-geführte Innenministerium den Datenschutz eher als einen lästigen Klotz am Bein betrachtet.
Aber die Dimension bei der polizeilichen Datenspeicherung in Sachsen hat selbst uns überrascht. Hier gilt offenbar der Grundsatz: Es wird gespeichert, bis die Festplatten glühen. Von daher ist es höchste Zeit, dass wir in diesem Hohen Hause über das Recht auf Datenschutz sprechen. In Artikel 33 unserer Sächsischen Verfassung heißt es: „Jeder Mensch hat das Recht, über die Erhebung, Verwendung und Weitergabe seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen.“
Wie sieht diese Selbstbestimmung über die persönlichen Daten bei Polizei und Verfassungsschutz aus? Ich bin geneigt zu sagen: Sie ist nicht vorhanden. Allein in der polizeilichen Datei IVO, in der alle polizeilich relevanten Daten im Freistaat Sachsen erfasst, gespeichert und weiterverarbeitet sowie ausgewertet werden, sind 8,9 Millionen Personendatensätze erfasst – 1,1 Millionen mehr als noch im Jahr 2012. Im System PASS, der kriminalpolizeilichen Datenbank, sind 1,7 Millionen Datensätze zu jedem zehnten Sachsen gespeichert. Wenn Sie Beschuldigter, Opfer oder auch nur Zeuge einer Straftat geworden sind, dann sind Sie in der Regel in der Datenbank gespeichert – und das über Jahre.
Zwar sieht das Polizeigesetz vor, dass die Daten nur so lange gespeichert werden dürfen, wie sie zur Aufgabenerfüllung tatsächlich erforderlich sind. Die meisten Datensätze bekommen allerdings einen Zehn-Jahres-Prüftermin nach § 43 Abs. 4 Polizeigesetz, der eigentlich eine maximale und keine Standard-Speicherfrist regelt. Wenn Sie dann auch noch Pech haben, hat einer der über 10 000 zugriffsberechtigten Polizeibediensteten im Freistaat
Sachsen noch ein Häkchen an einer ganz besonderen Stelle gemacht: Über 75 000 Personen sind mit sogenannten personengebundenen Hinweisen in den Datenbanken gespeichert, zum Beispiel sind sie als gewalttätig, ansteckend, Landstreicher, psychisch gestört, drogenabhängig oder bewaffnet kategorisiert. Diese Merkmale entziehen sich vollkommen der Kenntnis des Betroffenen, da er oder sie in der Regel von dieser Datenbank gar nichts weiß. Sie sind aber handlungsleitend für die Polizeiarbeit, wie diese Personen dann spätestens bei der nächsten Identitätsfeststellung merken werden. Es handelt sich kurzum um eine polizeiliche Geheimdatei, deren Eintragung bei dieser hohen Zahl über den Verdacht der Willkür eben nicht erhaben ist.
Insgesamt verfügt Sachsens Polizei allein oder zusammen mit anderen Behörden über 64 verschiedene Datenbanken mit unterschiedlichen Speicherzielen bzw. kann diese Datenbanken in einem Abrufverfahren nutzen. Hinzu kommen fünf weitere Dateien beim Verfassungsschutz. Alle sächsischen Bürgerinnen und Bürger dürften statis
Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der nun vom Innenminister geplanten Ausweitung der Überwachung sächsischer Bürgerinnen und Bürger – sei es durch die Verschärfung des Polizeigesetzes, etwa im Bereich der präventiven Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung, oder die aus unserer Sicht rechtswidrige, da ohne Rechtsgrundlage erfolgende Überwachung mit Bodycams wird die Anzahl der gespeicherten Daten mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter zunehmen.
Statt eine Ausweitung der Schnüffelei von Polizei und Verfassungsschutz zu propagieren, braucht es aus unserer Sicht eine Revision des Status quo. Deshalb fordern wir GRÜNEN hier und heute eine unabhängige Überprüfung der Erhebung, Speicherung und sonstigen Verarbeitung personenbezogener Daten bei den sächsischen Sicherheitsbehörden. Die Datenbanken und die in ihnen gespeicherten Daten sind auf ihre Rechtmäßigkeit und vor allem auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen und zu bewerten. Wir schlagen vor, dass diese Überprüfung durch ein unabhängiges Gremium, eine Taskforce, vorgenommen wird, die sich aus Expertinnen und Experten aus Polizei, Justiz und Wissenschaft zusammensetzt. Das Gremium soll der Staatsregierung, aber auch dem Landtag Handlungsempfehlungen zur Gewährleistung des Grundrechts auf Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden unterbreiten. Ein solcher Vorschlag ist nicht neu. So wurde bereits 2013 eine Taskforce zur Überprüfung der personenbezogenen Daten des Verfassungsschutzes in Niedersachsen eingesetzt, übrigens mit einem interessanten Ergebnis: Dort waren in allen Phänomenbereichen 20 bis 24 % der Daten rechtswidrig gespeichert.
An dieser Stelle ist es notwendig, ein paar Worte zum Sächsischen Datenschutzbeauftragten und seiner Prüfkompetenz zu verlieren. Selbstverständlich hat er die Aufgabe, die Einhaltung der Regelungen des Datenschutzes zu überprüfen. Dieser Aufgabe kommt er auch im Rahmen seiner Möglichkeiten nach. Allerdings sind diese aufgrund der miserablen Stellenausstattung, für die die Koalition in Sachsen maßgeblich mitverantwortlich ist, begrenzt. Schauen Sie sich die Tätigkeitsberichte des Sächsischen Datenschutzbeauftragten an: In fast jedem finden Sie die Mahnung, dass er seinen Aufgaben nur in begrenztem Umfang nachkommen kann. In einigen Bereichen sind nicht einmal anlasslose Kontrollen möglich. In dem Referat, das den gesamten Bereich Justiz, Sicherheit und Grundsatzfragen abgedeckt, arbeiten gerade einmal drei Mitarbeiter. Eine systematische und umfassende Prüfung der Datenbanken ist so schlicht nicht leistbar. Wer etwas anderes behauptet, will keine intensive Prüfung.
Werte Koalition, stellen Sie sich also bitte nicht wieder hin und verweisen zur Begründung der Ablehnung unseres Antrags auf die Aufgaben des Sächsischen Datenschutzbeauftragen. Sie haben diesen über all die Jahre kurzgehalten, weil Sie kein Interesse an einer unabhängi
Werte Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen heißt es bei den Debatten um die Verschärfung der Sicherheitsgesetzgebung insbesondere vonseiten der CDU immer wieder gern: „Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten.“ Sie können, werte Koalition, zusammen mit dem Innenminister mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn Sie bei der Speicherung in den Datenbanken der sächsischen Sicherheitsbehörden tatsächlich nichts zu verbergen haben, können Sie ja ohne Probleme zustimmen, dass eine Taskforce dies überprüft und es am Ende auch bescheinigt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lippmann! Wir werden es nicht aussparen, wir werden auch, weil es im Kontext erforderlich ist, auf den Sächsischen Datenschutzbeauftragten eingehen. Im Übrigen auch keine Sorge: Bei der aktuellen technischen Entwicklung schafft es der Freistaat Sachsen nicht, bei der Datenerhebung die Festplatten zum Glühen zu bekommen. So weit geht es nicht.
Aber zurück zum Thema. Schon der Antragstitel lässt doch stutzen: „Unabhängige Überprüfung der Erhebung, Speicherung und sonstigen Verarbeitung personenbezogener Daten durch die sächsische Polizei und den Verfassungsschutz – Taskforce einrichten“. Da stellt sich also gleich am Anfang die Frage – damit steige ich ein, Herr Lippmann –: Gibt es nicht schon eine unabhängige Kontrollinstanz, nämlich die des Sächsischen Datenschutzbeauftragten? Auf der Internetpräsenz des Datenschutzbeauftragten heißt es – ich zitiere –: „Der Sächsische Datenschutzbeauftragte wird vom Parlament auf sechs Jahre in sein Amt gewählt. Er hat die öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen im Freistaat Sachsen zu beraten und zu kontrollieren, also dafür zu sorgen, dass sie nur auf gesetzlicher Grundlage Informationen über Menschen sammeln, nutzen und übermitteln. Er nimmt diese Aufgabe unabhängig wahr.“
Warum also dieser Antrag zu einer Taskforce? Warum diese Forderung? Für mich liest sich das Ganze nicht nur wie ein grundsätzliches Misstrauensvotum gegenüber der Arbeit des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, sondern auch gegenüber der Polizei und dem Verfassungsschutz. Selbst wenn wir auf die Prüfaufgaben oder Prüfberichte des Datenschutzbeauftragten eingehen, gibt es einen klaren Unterschied zwischen den staatlichen Prüfinstanzen und den nicht öffentlichen Stellen. Der Datenschutzbeauftragte hat darauf hingewiesen, dass für den Bereich
der nicht öffentlichen Stellen seine Personalausstattung eher schwierig bewertet wird; das gilt aber nicht für den Bereich der öffentlichen Stellen.
Zu einem späteren Zeitpunkt, Herr Lippmann, wenn es tatsächlich um die Kontrollfrage geht, wäre der Antrag – das werde ich Ihnen nachher noch einmal sagen –, auf bessere Personalausstattung des Datenschutzbeauftragten der richtigere Weg gewesen als das, was Sie hier vorlegen, und es wäre zumindest aus Ihrer Sicht der ehrlichere Weg gewesen.
Nun regen Sie sich doch nicht gleich auf. Ich habe genug Redezeit – insoweit können wir auch nebenbei ein wenig plaudern.
Verstehen Sie mich an dieser Stelle jedoch auch nicht falsch. Ich halte die Überprüfung und den sorgsamen Umgang mit personenbezogenen Daten für richtig und wichtig. Die Forderung nach einer Taskforce muss in diesem Zusammenhang trotzdem überraschen, da derjenige, der diese Forderung gerade stellt, offensichtlich ein gravierendes oder zumindest dringendes Problem in diesem Bereich sieht und deshalb auch – dieses Eindrucks kann ich mich nicht erwehren – ein gewisses Misstrauen hat. Schon vorab: Ich kann an dieser Stelle ein solches dringendes oder gravierendes Problem nicht erkennen.
Vielen Dank, Herr Kollege Hartmann. Diese Steilvorlage hinsichtlich der Handlungsempfehlung nehme ich gern auf und frage Sie: Wenn Sie der Überzeugung sind, dass das Richtige wäre, einen Antrag zur Ausstattung des Datenschutzbeauftragten vorzulegen, warum haben Sie als Koalition dann einen entsprechenden Antrag unserer Fraktion im Haushaltsverfahren abgelehnt?
Herr Lippmann, noch einmal, aus Ihrer Sicht heraus: Wenn es Ihnen um die Kontrolle geht, wäre es richtiger, mehr Personal zu fordern, weil das die richtige Stelle, die Stelle der unabhängigen Kontrollinstanz des Freistaates Sachsen, wäre. Ich greife meiner Rede an dieser Stelle vor. Auch wir sehen mit Blick auf die Aufgabenwahrnehmung des Datenschutzbeauftragten einen Handlungsbedarf. Das hatten wir im Übrigen auch schon in den Haushaltsverhandlungen deutlich gemacht, nämlich: Mit der Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung, mit der Neusortierung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten geht es neben der Frage der Unabhängigkeit auch um die