Sie reden, aber nicht wirklich miteinander, oder? Das alles könnten Sie doch wissen, oder Sie wollen das nicht wissen.
Der Prüfauftrag umfasst vier Punkte, deren Aufzählung ich mir ebenso erspare wie die Erwähnung des Teils des Antrages, der mit „Sicherstellen“ überschrieben ist. Darin steht die sinnige Frage, wie das Land die Träger von Industriedenkmalen beim Erhalt des Kulturgutes unterstützen kann.
An dieser Stelle könnte ich meine Rede eigentlich abschließen und sagen: Gut, DIE LINKE stimmt der Aufforderung an das SMWK zu, Bericht zu erstatten und Maßnahmen zu prüfen, um das industriekulturelle Erbe in Sachsen zu stärken. Beides bildet hoffentlich dann eine Grundlage für eine echte Diskussion im Parlament und ist nicht nur Platzhalterei. Sobald der Bericht und die Ergebnisse der Prüfung den Abgeordneten des Landtages vorliegen, können wir uns wirklich ernsthaft mit dem Thema befassen – im Ausschuss, im Plenum, wo immer Sie mögen.
Nur wollen das die Koalitionäre gar nicht. Sie wollen gar keine ernsthafte Auswertung der vom SMWK vorgelegten Berichte und Prüfungsergebnisse. Christ- und Sozialdemokraten wollen der zuständigen Ministerin nur die Gelegenheit bieten, zum Thema zu reden, der Regierung ein Tableau zur Verfügung stellen, auf dem sie, sich selbst lobhudelnd, tanzen kann. Illegitim ist das nicht. Es zeugt jedoch von einem Parlamentarismus, der nicht die Debatte über das Handeln der Regierung, sondern lediglich die bloße Information durch die Regierung will. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt: Eine Fragestunde haben wir aber schon.
Eigene Vorschläge zum Thema zu erarbeiten und zur Diskussion zu stellen ist eine Mühe, die sich die Koalitionsfraktionen gar nicht erst machen. Da vermisse ich eindeutig – und ich unterstelle Ihnen einfach einmal deren Besitz – Ihre Kreativität. Ich vermisse vor allen Dingen den Willen, mit diesem Thema umzugehen und es endlich wirklich ernsthaft anzupacken und die Auseinandersetzung nicht immer weiter in die Zukunft zu verschieben.
Man erinnere sich nur an die 4. Sächsische Landesausstellung Industriekultur, geplant für 2018, jetzt vermutlich 2020 stattfindend.
Wirklich interessant sind auch weitergehende Gedanken. Warum fragen Sie nicht einmal, lassen prüfen oder kommen selbst mit dem Vorschlag, ob es nicht sinnreich wäre, einen Atelierbeauftragten nach Berliner Vorbild einzusetzen. Auch Thüringen denkt darüber nach. In Großstädten wie Leipzig drängen sich die Künstler, Kultur- und Kreativwirtschaftler. Viele müssen ihr Atelier, ihre Proben- und Arbeitsräume aufgrund steigender Mieten und Objektspekulationen, siehe Westwerk, siehe Baumwollspinnerei, aufgeben und suchen händeringend
Da liegt doch ein derartiges Potenzial, auch und gerade zur Stärkung der ländlichen Regionen, ein derartiges Potenzial für die Umnutzung und den Erhalt technischer Denkmale. Man muss es nur anfassen und anbieten, eine alte Fabrik ausschreiben und an die Interessenten für einen symbolischen Euro überschreiben. In treuhänderischen Zeiten war dies doch auch möglich, und da reden wir von ganz anderen Liegenschaften. Graswurzelinitiativen besser unterstützen, alternative, vereinfachte Fördermöglichkeiten einrichten. Kreativeres Denken und politische Willensbildung wären hier einfach vonnöten.
Als Kernland der frühen Industrialisierung mit Chemnitz als Manchester von Sachsen kann der Freistaat auf eine reiche, mehr als 200-jährige Industrietradition zurückblicken. Laut einer Anfrage des Kollegen Wolfgang Günther von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fielen seit dem Jahr 2000 fast 5 000 Kulturdenkmäler in diesem Lande dem Abriss zum Opfer. Überdurchschnittlich betroffen waren davon technische Denkmale. Was einmal abgerissen ist, ist weg.
Trotz noch umfangreicherer Abbrüche seit 1990 besitzt Sachsen einen beachtlichen Bestand, die einen sagen, nahezu 7 000, Prof. Albrecht spricht von rund 20 000, in einer anderen Studie redet man über 2 000 im ländlichen Raum – alles Zeugnisse der Technik- und Industriegeschichte. Hier offenbart sich doch ein weiteres Problem: dass es Ihnen nämlich bis heute nicht gelungen ist, diese systematisch zu erfassen, oder dass Sie je damit begonnen hätten.
Dass viele dieser Denkmale des industriekulturellen Erbes überhaupt noch stehen, verdanken wir doch in erster Linie dem ehrenamtlichen Engagement von Vereinen, Verbänden, Initiativen, einzelnen Persönlichkeiten.
Bei ihnen möchte ich mich an dieser Stelle im Namen der Fraktion DIE LINKE von Herzen bedanken. Danke schön!
Wir verstehen Industriekultur als gesamte Kulturgeschichte des bis heute andauernden Industriezeitalters. Der Begriff verbindet somit Technik-, Kultur- und Sozialgeschichte und umfasst auch den Alltag der Menschen, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Insofern ist die sächsische Industriekultur nicht nur aus historischer Perspektive zu betrachten, sondern in die lokalen und überregionalen Transformationsprozesse der Gegenwart und näheren Zukunft einzubinden. Sie ist eben nicht nur Angelegenheit eines Ministeriums, sondern vieler: Aufgabe von Kommunen, Landkreisen, Verwaltungen, Bau- und Denkmalschutz, Wirtschaft, Unternehmen, Tourismus, Wissenschaft, Öffentlichkeit, ja, und sie alle gehören an einen Tisch.
In diesem Sinne verstehen wir Industriekultur auch als zukunftsfähiges Landesthema und hatten ausdrücklich die Gründung einer Stiftung „Sächsische Industriekultur“ befürwortet, wie sie der Wissenschaftliche Beirat zur Industriekultur in Sachsen schon 2010 empfohlen hat und die bei Ihnen schon längst unter das Pult gefallen ist.
Bereits zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode hatte unsere Fraktion DIE LINKE die Staatsregierung aufgefordert, dem Landtag eine Konzeption zur Förderung und Entwicklung der Industriekultur im Freistaat Sachsen mit ganz konkreten Vorschlägen für den Erhalt der sächsischen Industriedenkmale vorzulegen, für einen langfristig gesicherten und soliden Finanzierungsmodus des Zweckverbands Sächsisches Industriemuseum, zur Einrichtung einer Stiftung Sächsische Industriekultur und zur Planung und Vorbereitung der nächsten Landesausstellung Thema Industriekultur.
Kolleginnen und Kollegen, genauso sah es aus: Seit 2009 ist dieses Thema in diesem Haus en vogue. Der Wissenschaftliche Beirat hat bereits 2010 Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der Industriekultur abgegeben. 2011 stellte die damalige Koalition von CDU und FDP einen Antrag ganz ähnlichen Inhalts dem heutigen, mit wahrscheinlich dann ähnlichen Ergebnissen denen des heutigen. Sie haben die halbe Regierungszeit Ihrer Koalition zu diesem Thema ungenutzt verstreichen lassen.
Der heute von Ihnen eingebrachte Berichtsantrag ist der beste Beweis für den weiteren stiefmütterlichen Umgang mit einem Thema, welches immenses Potenzial für Sachsen birgt. Viele Dinge wurden leider nicht weitergedacht. Doch auch wir wollen uns dem Spektakel der Regierung des „Das haben wir alles schon geschafft, das haben wir alles richtig gemacht, wir sind auf dem allerbesten Wege“ nicht entziehen und werden infolge trotz aller angebrachter berechtigter Kritik und in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Themas Ihrem Antrag zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stimmen den LINKEN nicht sehr häufig zu, aber der Antrag, den wir heute hier beraten, ist auch für uns eine Steilvorlage an die Staatsregierung, um die Fortschritte bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages dramatisieren zu können. Neue Impulse sind nicht zu erwarten, dafür ist die Materie zu komplex. Die guten Absichten reichen nicht. Unsere nationalen und besonders auch internationalen Verpflichtungen in der Regional- und Strukturpolitik reichen bis zum letzten Schacht des Erzgebirges. Das Baurecht mit all seinen Facetten tut ein Übriges.
Der gute Wille der einzelnen Akteure, der Gebietskörperschaften und der engagierten Bürger rettet noch kein
Industriedenkmal. Zu oft sind es sich widersprechende Ziele und Interessen, die pragmatische Lösungen behindern. Auch das beginnt in der Politik. Wir reden von der Förderung des ländlichen Raumes, obwohl die Politik der Agenda 21, die auch Sachsen umsetzt, erklärtermaßen das Ziel verfolgt, die Menschen in den Ballungsräumen zu konzentrieren.
Wir reden viel von Kultur, wollen aber gleichzeitig die Identität der hier Lebenden – vorsichtig gesagt – einebnen. Das liest man auch aus den vielen Gutachten und Konzeptpapieren heraus. Es wimmelt nur so von touristischen Zielen, thematischen Routen und Argumenten. Als sei unsere Identität lediglich eine touristische Attraktion. Auch die Zahlen verdeutlichen das. Man spricht von mindestens 2 000 schützenswerten Objekten, die der Nachwelt möglichst erhalten bleiben sollen, im Optimum mit einer rentablen Nachnutzung der mitunter großartigen und großzügigen Räumlichkeiten. Von den Menschen, die hinter diesen Objekten stehen, den Pionieren der sächsischen Industrieentwicklung, ist in den vielen Strategiepapieren eher nicht die Rede. Diese Untergewichtung der individuellen und auch gesellschaftlichen Dimension unserer Geschichte führt jedoch zu einem Wissensverlust im öffentlichen Bewusstsein. Der wiegt schwerer als der Verlust dieses oder jenes Zweckbaus.
Da all das auch etwas mit Kosten zu tun hat, sollten wir keine Angst vor der einen oder anderen Ruine haben. Der Philosoph und Soziologe Georg Simmel schrieb schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts: „Die Ruine schafft die gegenwärtige Form eines vergangenen Lebens, nicht nach seinen Inhalten oder Resten, sondern nach seiner Vergangenheit als solcher.“ Solche Symbole der Vergangenheit sind manchmal eindrücklicher als eine schmucke Hülle mit entfremdeter Nutzung.
Die Leipziger Baumwollspinnerei und das Dresdner Kulturkraftwerk, die hier schon erwähnt wurden, sind Beispiele gelungener Rettung. Der Erfolg derartiger Leuchttürme verdeckt jedoch nur die Probleme, die wir in der Breite haben. Nicht jedes gefährdete Industriedenkmal kann schließlich als Filiale der Kultur- und Kreativwirtschaft gerettet werden.
Wenn wir die Kultur im Übrigen so schätzen würden, wie wir sie subventionieren, bräuchte sie gar keine Subventionen.
Kurz und gar nicht gut: Die besten Absichten und Wünsche müssen bezahlt werden können. Es geht hier nicht nur um einmalige Investitionen, sondern um den Rattenschwanz der Folge- und Betriebskosten.
In diesem Zusammenhang sei das Dresdner Trauerspiel um den Leipziger Bahnhof erwähnt. Finden sich für solche Objekte schon einmal solvente Investoren, werden sie, wie in Dresden, aus ideologischen Gründen entweder verjagt oder demotiviert. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Papiermühle Golzern in Grimma. Sie würden sich wundern, wofür man Mittel aus dem EU-Strukturförderprogramm so alles verwenden kann.
Zusammenfassend stellen wir fest, dass Denkmalschutz im Allgemeinen und Industriekultur im Besonderen identitätsstiftend wirken soll und wirken muss. Das setzt voraus, dass wir ein aktives Bewusstsein für unsere Geschichte entwickeln und pflegen.
Alle Vermittlung lebt von dem damit verbundenen menschlichen Drama der damals handelnden Personen. Gerade die sächsische Wirtschaftsgeschichte – das erwähnte schon Frau Kliese – ist voll von solchen Pionieren des Strukturwandels. Also sollten wir den Fokus auf die Menschen und ihre Arbeitswelten legen.
Die vielfältigen Vorschriften und Regularien müssen mehr fördernd und weniger restriktiv angewendet werden. Die Umwegförderung der EU sollten wir im Sinne der Subsidiarität umkehren. Es hat keinen Sinn, unsere Steuergelder erst nach Brüssel zu schicken, um dann einen Bruchteil über EFRE-Mittel wieder zurückzuholen.
Uns liegt hier ein Berichtsantrag vor. Diesen können wir schlecht ablehnen, ihm aber auch nicht vorbehaltlos zustimmen. Wir werden uns daher enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon einiges zur Wichtigkeit dieses Themas und auch zu den Defiziten gehört, die nach wie vor bestehen. Das ist auch die Feststellung vonseiten der GRÜNEN. Es ist ein immens wichtiges Thema. Aber es passiert in vielerlei Hinsicht bei Weitem nicht genug. Deswegen kann man sich natürlich erst einmal nur freuen, dass es diesen Antrag gibt. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. So haben wir die Hoffnung, dass diese Dinge beim Innenminister, der leider nun heute gerade nicht mehr hier sitzt, irgendwann ankommen. Dass im Kunstministerium einiges schon anders angefasst wird, bekommt man auch als Außenstehender mit. Da sind noch einige Hausaufgaben zu machen.
Wir haben schon ein paar Zahlen aus einer von mir gestellten Kleinen Anfrage gehört. Seit 1990 wurden 4 967 Kulturdenkmale in Sachsen abgebrochen. Davon waren 492 Industriedenkmale. Das ist überproportional, denn es sind nicht 10 % unserer Denkmale Industriedenkmale, sondern wesentlich weniger. Diese sind also überproportional gefährdet. Während wir hier debattieren, gibt es noch laufende 265 Genehmigungen für Abrisse oder Teilabrisse, mindestens 18 davon für technische Denkmale. Mindestens 109 Anträge befinden sich gerade in der Abwägung. Davon sind wieder neun Industriedenkmale. Man kann also sagen, dass Industriedenkmale zu den gefährdetsten Denkmalen gehören, die wir haben.
Baudenkmale – um einmal daran zu erinnern – sind nur die Objekte, an deren Erhalt ein besonderes öffentliches
Interesse festgestellt worden ist, und zwar aus ganz verschiedenen Gründen, die das Denkmalrecht alle nennt. Nicht jedes alte Gebäude, nicht jedes Industriegebäude, nicht alles, was Technikgeschichte ist, ist geschützt, sondern nur die, bei denen ein besonderes Erhaltungsinteresse besteht. Die Zahlen sprechen für sich. Wir haben knapp 500 verloren. Das ist immens.
Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Im letzten Jahr gab es eine große Aktion, bei der es um den Erhalt einer Spinnmühle in Lugau im Erzgebirge ging. Diese wurde 1812/13 gebaut. Sie merken an den Jahreszahlen, dass das eine Zeit war, in der es noch keine Industriekultur, keine Industriegeschichte gab. Das ist nämlich das Besondere. Wir in Sachsen sind schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts in einem Maße industrialisiert worden, das man sonst nur in Südengland fand. Wir haben damit weltweit Industriegeschichte geschrieben. Vieles kommt ganz maßgeblich aus Sachsen. Hier sind Dinge erfunden worden.
In diesem Jahr 1812/13 hat Johann Traugott Lohse, Baumeister im Chemnitzer Raum, den Auftrag bekommen, ein Industriegebäude zu errichten. Dafür gab es noch keine Bautradition. Das war ein Schlossbaumeister. Er hat sich dann mit einem Kirchenbaumeister, einem Zimmermann zusammengetan und einen Typus entwickelt, um ein achtstöckiges Gebäude so in die Landschaft zu stellen, dass es nicht hässlich aussieht. Er hat hier in Sachsen den Palasttyp entwickelt. Es gab dann noch einige nachfolgende Gebäude, die wirklich Schlösser waren. Es gibt zeitgenössische Aufzeichnungen, die besagen, dass das teilweise die schönsten Gebäude in ganzen Landstrichen waren. Dieses Objekt gehörte zeitweilig dem Staat, der Treuhand, dem Freistaat. Es wurde verkauft, privatisiert. Dann gab es Probleme. Dann wurde gefragt: Was machen wir jetzt damit? Es steht so lange leer, es ist langsam kaputt, es kommt weg.
Dann hat sich eine Gruppe von mehreren Akteuren gefunden, die alle Rang und Namen haben, was Industriekultur in Sachsen betrifft, und Behörden sowie den Landkreis eingebunden, der gesagt hat: Wir haben jetzt einen Posten im Haushalt, der nur noch für einen Notabbruch reicht, und wenden uns mit einem Notsignal an den Freistaat Sachsen. Es geht um einen Betrag im unteren fünfstelligen Bereich, zwischen 20 000 und 50 000 Euro. Wenn wir diese dazubekommen, dann können wir dieses Objekt halten. In dieser Runde gab es Leute, die gesagt haben: Wir können euch sofort Touristen dorthin organisieren – Hochschulvertreter –, wir können euch Forschung organisieren und Konzepte erstellen, wie dieses Objekt genutzt wird, und euch diese in ein Gesamtkonzept für Spinnmühlen im Erzgebirge einbauen.