Protokoll der Sitzung vom 30.08.2017

Wir müssen es hinbekommen, dass die Seiteneinsteiger auch während ihrer beruflichen Qualifizierung bezahlt werden und nicht umsonst an die Uni gehen; denn das Wissen, das sie dort erwerben, nutzt ja dem Arbeitgeber. Wir müssen es schaffen, die Lehramtsausbildung klüger zu organisieren und Schulstufen zu orientieren, damit wir einen flexibleren Einsatz der Lehrkräfte erreichen. Wir müssen mehr Wege zum Lehrerberuf eröffnen. Ich rede dabei beispielsweise über Masterstudiengänge für Leute, die in einem Fachstudium einen Bachelor-Abschluss absolviert haben und sich dem Lehramt zuwenden wollen.

Wir müssen es auch schaffen, die jetzt schon erhöhten Stellenzahlen mittelfristig weiter zu erhöhen. In unserer Planung muss künftig Platz sein für so wichtige Themen wie die Anrechnungsstunden bei Klassenleitertätigkeit, die Möglichkeit, in besonderen Fällen den Klassenteiler zu reduzieren, die Angleichung des Regelstundenmaßes insbesondere bei den Grundschullehrkräften oder auch für die Wiedereröffnung von Schulstandorten im ländlichen Raum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Debattentitel besagt, dass der CDU die Verantwortung für die Bildungspolitik entzogen werden soll. Aber Verantwortung übergeben und Verantwortung entziehen kann nur einer: Das ist der Wähler, und das macht er aller fünf Jahre zum einen mit dem Blick zurück: „Was ist passiert?“ und zum anderen mit dem Blick nach vorn: „Was soll werden?“.

Ich glaube und ich hoffe, weil es wirklich ein wichtiges Thema ist, dass die Bildungspolitik auch bei der nächsten Landtagswahl eine wichtige Rolle spielen wird. Wir sind dafür gerüstet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das war Frau Kollegin Friedel für die SPD-Fraktion. Jetzt spricht zu uns Frau Kollegin Kersten, AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Alle Jahre wieder bespielt also die Fraktion der LINKEN das Thema Schulchaos. Heute soll nun der CDU die Verantwortung für die Bildungspolitik entzogen werden.

Wir haben uns erst einmal gefragt, wie ernst denn diese Forderung der LINKEN gemeint ist. Wie ernsthaft wollen denn die LINKEN etwas ändern? Dabei lohnt wieder einmal ein Blick auf das Abstimmungsverhalten Ihrer Fraktion. Die AfD-Fraktion hat allein vier Anträge zum Thema eingebracht: Moratorium zur Klassenzusammenlegung, Sofortmaßnahmen zur Lehrergewinnung, Erweiterung des Sachsenstipendiums und Erhöhung der Stellenkapazität des FSJ Pädagogik. Alle Anträge wurden von Ihnen abgelehnt.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Wir haben genug eigene Anträge!)

Sie haben sich davon inhaltlich distanziert, und das aus ideologischen Gründen.

Von daher kann ich mich nur aus meiner Rede vom letzten Jahr wiederholen. Wenn Sie der CDU was auch immer entziehen wollen, dann braucht es dazu alle Fraktionen in diesem Hohen Haus. Solange Sie nicht bereit sind, mit unserer Fraktion abzustimmen, ist doch diese Debatte obsolet, dann ist es doch nichts als Theater.

(Andreas Nowak, CDU: Scheinheilig! – Zuruf des Abg. Lothar Bienst, CDU)

Ja, Theater, das können Sie, das haben wir eben gesehen. Damit kann ich auch gleich den Bogen spannen zu dem Grund, warum auch wir grundsätzlich die Bildungspolitik in andere Hände geben würden; denn, nicht nur Sie können Theater, sondern auch die Staatsregierung kann Theater, auch die Abgeordneten der CDU können Theater und allen voran das CDU-geführte Kultusministerium.

Ich möchte Ihnen von einer kürzlich stattgefunden peinlichen Theaterposse erzählen und diese Ihnen nicht vorenthalten. Im Februar 2016 hat das Kultusministerium den Erlass zur Durchführung von Veranstaltungen mit Politikern an öffentlichen Schulen veröffentlicht. Ich darf daraus kurz zitieren: „Zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule gehört es, den Schülern politisches Verantwortungsbewusstsein, Achtung vor der Überzeugung des anderen und eine freiheitliche demokratische Haltung zu vermitteln. Dazu kann beitragen, wenn bei geeigneten Anlässen Abgeordnete mit einbezogen werden und dass die jeweiligen demokratischen Parteien ausgewogen vertreten sind.“

Wie sieht aber nun die Realität an unseren Schulen aus? Letzte Woche fanden drei europapolitische Schülerforen an sächsischen Gymnasien statt, organisiert unter anderem vom Kultusministerium. Die Ausgewogenheit der Parteien, wie sie hier im Erlass beschrieben ist, sah konkret so aus: Es gab mindestens zehn Vertreter der CDU, drei Vertreter der SPD. LINKE, GRÜNE und FDP

waren mit je einem Vertreter vor Ort, die AfD mit null Vertretern.

(Patrick Schreiber, CDU: Wenn Sie nicht hingehen!)

Da frage ich mich jetzt: Wie soll denn gemäß Erlass die Achtung vor der Überzeugung des anderen entwickelt werden? Wie soll denn die Pluralität in einer Demokratie gefördert werden, wenn unseren Schülern nur eine einzige Meinung serviert wird?

(Patrick Schreiber, CDU: Dann müssen Sie mal Ihren Kalender freimachen! – Zurufe der Abg. Susanne Schaper und Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Das allein war wohl offenkundiges Anliegen dieser Veranstaltung. Ich habe nach Veröffentlichung dieser Veranstaltung sofort an das SMK die Frage gestellt, warum denn AfD-Vertreter bei diesen Veranstaltungen nicht dabei sind. Mir wurde folgendermaßen geantwortet – ich darf zitieren –:

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Reden Sie eigentlich noch zum Thema? – Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

„Zu Ihrer Nachfrage bezüglich der europapolitischen Schülerforen ist in der Tat anzumerken, dass an den drei Veranstaltungen Mandatsträger teilnehmen werden, die sich zur Idee eines geeinten und demokratischen Europas als Wertegemeinschaft und zur Europäischen Union explizit bekennen.“

(Zurufe der Abg. Patrick Schreiber, CDU, und Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Mit dieser Antwort wird ganz klar gesagt: Die AfD wollen wir nicht dabei haben. Die Veranstaltungen sind als Jubelveranstaltung zur EU konzipiert,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Können Sie mal zur Schule reden und mit Ihrer Jammerei aufhören?)

und Kritiker am Konstrukt der Europäischen Kommission sind nicht erwünscht.

(Beifall bei der AfD)

Das ist DDR 2.0. Wollen wir das wirklich? Mit Blick auf unsere Vergangenheit auch hier in Sachsen sollten Sie sich für diese Bevormundung schämen.

(Zurufe von den LINKEN)

Weiter in Runde zwei.

(Beifall bei der AfD)

Das war Frau Kersten für die AfD-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe festgestellt, dass die Situation bei der Lehrerversorgung zu Beginn des aktuellen Schuljahres noch angespannter war, als sie es zu Beginn des Schuljahres 2016/2017 bereits gewesen ist. Trotzdem – das wurde hier schon gesagt – bleibt es in Sachsens Schulen und in der Elternschaft relativ ruhig.

Das Chaos, die Störungen oder die fehlende Ordnung – um das Wort mal ein wenig zu übersetzen – hat sich zum Dauerzustand an Sachsens Schulen entwickelt. Kraft und Energie werden tatsächlich gebraucht, um den Schulalltag einigermaßen zu meistern, der an vielen Schulen so aussieht: Stundenpläne auf Abruf, längere Unterrichtsunterbrechungen bereits in der 1. Klasse, wachsende Defizite bei der Absicherung des Grundbereiches und nun auch noch Zoff um die Regionalstellen der SBA, die Rebellion in der eigenen Partei, in der eigenen Fraktion eingeschlossen.

(Zuruf des Abg. Lothar Bienst, CDU)

Längst steht nicht mehr vor jeder Klasse ein Lehrer, in den letzten Jahren das selbst gewählte Qualitätssiegel der sächsischen CDU-Politik. Die Zahl der Seiteneinsteiger ist so hoch wie noch nie. Ein Ende, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist leider nicht absehbar. Was als Einzelfall und Ergänzung im System gedacht war, entwickelt sich mittlerweile zur gängigen Praxis an Sachsens Schulen, die Ungleichbehandlung der ständig im Fluss befindlichen Vergütung für die Lehrerinnen und Lehrer eingeschlossen. Gleichzeitig haben wir es mit einer massiven Abwertung des grundständigen Lehramtsstudiums zu tun.

Woher sollen im Übrigen all die zusätzlichen Ressourcen für die Nachqualifizierung der Seiteneinsteiger kommen und wer soll in dieser Zeit den Unterricht führen? Die Antwort auf diese Frage bleiben Sie, sehr verehrte Damen und Herren von der CDU, bis heute schuldig.

Bereits im letzten Schuljahr nahmen der Unterrichtsausfall und die fachfremde Vertretung Dimensionen an, die insbesondere den sächsischen Oberschulen zu schaffen machten. Stärkung des Rückgrats des sächsischen Schulsystems? Ich finde, das kann man so nicht bezeichnen. Bis heute ist außer schönen Worten wenig davon zu spüren.

Fragen nach Bildungsinhalten, Bildungsgerechtigkeit, individueller Förderung und modernen Schulausstattungen geraten angesichts der Fülle der Probleme immer mehr ins Hintertreffen. Und wenn sich ein Hoffnungsschimmer zeigt – das haben wir im Moment tatsächlich mit dem Angebot des Bundes, sehr viel Geld in die Bildungssysteme der Länder zu stecken –, dann wehren sie weiter reflexhaft ab, diskreditieren jedes Bemühen um die Zukunftsfestigkeit des Bildungsstandortes Deutschland als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesländer.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir fordern: Das Kooperationsverbot ist ein Relikt. Es gilt abgeschafft!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das sächsische Bildungssystem sei nachweislich ein erfolgreiches, leistungsfähiges und anerkanntes Bildungssystem, sagten Sie, Frau Ministerin Kurth, anlässlich der Beschlussfassung zum neuen Schulgesetz.

(Unruhe bei den LINKEN)

Ich sage Ihnen: Der Lack ist ab. Die vielen Roststellen stehen für die Dringlichkeit einer Generalüberholung. Auch wenn Sie – damit meine ich die CDU – sich jedes Jahr aufs Neue feiern, wenn in den Leistungstest sächsische Schülerinnen und Schüler vorn liegen, so ist das, sehr verehrter Kollege Bienst, keine Leistung, die aus Ihrer Bildungspolitik erwächst. Es ist eine Leistung der vielen Tausend engagierten Lehrerinnen und Lehrer, die trotz weiterhin ausbleibender Wertschätzung ihre Leistungen an ihrem Berufsethos ausrichten.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Abschließend sage ich noch etwas zum Titel der Debatte: Nun ja, jahrelang politisch geduldetes Missmanagement und Sparwut haben zu diesem kritischen Zustand beigetragen. An dem Chaos – und das geht an die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN – werden wir, egal, wer politische Verantwortung in diesem Land tragen wird, noch lange zu knaupeln haben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Mit Frau Kollegin Zais haben wir die erste Runde beendet. Die einbringende Fraktion DIE LINKE eröffnet eine zweite Runde, und – wie erwartet – spricht Frau Falken. Sie haben das Wort.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wie erwartet – gewünscht aus der CDU-Fraktion!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, ich weiß, Herr Dr. Rößler, Sie erwarten schon, dass ich dazu einige Worte sage, und ich denke, das ist auch notwendig und aus unserer Sicht zwingend gegeben.