Die Frage ist einfach: Halten Sie es für die Integration förderlich, so wie Sie es gerade behauptet haben, wenn dieser Fall eintritt? Würde es für die Frau positiv ausgehen?
Ich deute Ihre Frage einmal wie folgt: Sie möchten wissen, wie es mit der Integration von muslimischen Frauen funktioniert.
Ich bin gern bereit, Ihnen eine Antwort darauf zu geben. Das Problem ist, dass man mit Verboten niemanden zu einer tief greifenden Veränderung von Handlungsweisen und Überzeugungen bringen kann. Die Anhörung hat dies sehr gut auf den Punkt gebracht. Wenn auch in Teilen des Islam eine Pflicht zur Verschleierung abgeleitet wird, dann ist dies dennoch eine individuelle Entscheidung einer gläubigen Frau. Sie nimmt dabei ihr individuelles Grundrecht auf Ausübung der Religionsfreiheit wahr. Ein Nikab, eine Burka oder etwas Ähnliches zu tragen oder eben nicht, fällt darunter.
Was würde passieren, wenn wir diese Frau und über die von mir beschriebene Stigmatisierung hinaus dazu zwingen würden, von der eigenen Entscheidung abzurücken? Es würde wahrscheinlich bei vielen dazu führen, dass sie nicht mehr, wie eigentlich gewünscht, die eigenen vier Wände verlassen und keine Integrationsangebote mehr wahrnehmen würden. Sie würden nicht mehr die Sprache erlernen und nicht die verschiedenen Ausprägungen unserer Gesellschaft und des freien Lebens in unserer Gesellschaft kennenlernen. Sie würden nicht von dem scheinbaren Zwang abrücken.
Die Sachverständige Frau Khasbullah hat es in der Anhörung auf den Punkt gebracht. Sie hat ein Beispiel aus ihrem Bekanntenkreis angeführt, meines Erachtens kam die Familie aus dem Jemen. Sie kam nach Deutschland. Die Frau war vorher vollverschleiert. Sie hat sich hier in Deutschland, ohne den Einfluss von irgendjemandem, dafür entschieden, nur noch ein Kopftuch zu tragen. Manchmal ist Offenheit besser als Verbote, um Umdenkprozesse auszulösen.
Herr Pallas, glauben Sie den Unsinn, den Sie uns hier erzählen? Alle bisherigen Integrationsergebnisse sprechen dagegen, dass der Schleier oder das Kopftuch bei der Integration helfen. Stattdessen wirken sie kontraproduktiv.
Sie implizieren mit Ihrer Frage eine Behauptung, für die es keinerlei wissenschaftliche Belege gibt.
Frau Dr. Petry, ich glaube sehr wohl, dass Integration ein langer und schwieriger Prozess ist, bei dem sich sowohl die Aufnahmegesellschaft als auch die Menschen, die integriert werden und die sich integrieren wollen, aufeinander zugehen müssen. Es dreht sich viel um das Verständnis untereinander. Es geht darum, Situationen zu verstehen. Es geht ebenfalls darum, auf sozialer Ebene, auf der Ebene von Mensch zu Mensch, unsere allgemein verbindlichen Werte im Alltag oder die Offenheit zu vermitteln.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Pallas, stimmen Sie mir bei folgender Aussage zu: Wenn nur 10 % der Frauen, die eine Burka tragen, in die Burka gezwungen werden, dann sind das 10 % zu viel?
Die Frage ist suggestiv. Herr Wendt, ich möchte Sie bitten, dass wir uns über Fakten unterhalten. Wir sollten uns darüber über Fakten unterhalten, wie Integrationsprozesse laufen, wie es sich um das Grundrecht auf freie Religionsausübung verhält, was mit Frauen passiert, denen man das Tragen der Kopfbedeckung verbietet und die sich dann nicht mehr aus den eigenen vier Wänden hinaus begeben.
Wenn Sie einen Beitrag für eine sachliche Debatte leisten möchten, dann können Sie gern an das Pult herantreten. Herr Wendt, solche Suggestivfragen bringen niemanden weiter.
Danke, dass Sie meine Zwischenfrage noch zulassen, Herr Pallas. Eines möchte ich vorwegstellen: Seit über zehn Jahren bereise ich regelmäßig islamische Länder. Nun kommt meine Frage: Haben Sie das, was dort in Bezug auf die Verschleierung vor sich geht, selbst schon erlebt? Wie oft waren Sie schon in einem islamischen Land und haben live erlebt, was nun bei uns eingeführt wird?
Herr Wild, ich werde auf diese persönliche Frage indirekt antworten, weil es überhaupt nichts zur Debatte beiträgt.
Es trägt nichts zur Debatte bei, welche Abgeordnete oder welcher Abgeordneter aus diesem Haus in welchem Land, in welchem der Islam ausgeübt wird, war oder nicht war. Darum geht es überhaupt nicht. Wir reden über Deutschland. Das machen Sie auch gern, Herr Wild und die anderen Kolleginnen und Kollegen der sogenannten Alternative für Deutschland.
Wir reden über einen Gesetzentwurf der Fraktion AfD, den Frau Muster vorhin in einem ähnlichen Duktus wie auch schon im Ausschuss eingebracht hat, in dem es mitnichten darum geht, welche individuellen Erfahrungen wir Abgeordnete mit dem Islam haben. Sie hat sich auf eine Sachverständigenanhörung bezogen. Ich beziehe mich ebenso auf eine Sachverständigenanhörung. Ich wünsche mir einen gesunden Blick für eine gesunde Gesellschaft mit Offenheit und Vielfalt, der gelegentlich bei Ihnen vermisst wird.
Es bringt überhaupt nichts, eine solche Frage zu stellen. Jetzt freuen Sie sich, dass ich einen solchen Umweg gegangen bin. Es spielt keine Rolle.
Die Debatte darüber und ein solches Verbot würden noch viel mehr das gesellschaftliche Klima in unserem Land negativ beeinflussen, weil eine Stigmatisierung aller hier lebender Muslime und derer, die noch kommen würden, bereits jetzt eintritt. Es tritt sogar eine Stigmatisierung der Menschen ein, denen unterstellt wird, sie seien Muslime, die aber irgendeine Religion oder keine haben. Das ist gelebter Alltag in sächsischen und deutschen Städten und Gemeinden. Ich finde es erstaunlich, dass Sie einen Vorschlag machen, der in der Lage ist, dieses negative Klima, welches auf Ausgrenzung und gegenseitigen Angriff basiert, weiter zu verstärken.
Es widerspricht eklatant den Integrationsbemühungen des Freistaates Sachsen. Integration ist ein Prozess, ich hatte es angedeutet, der eine Annäherung von Kulturen zum Ziel hat. Dieser Prozess wird durch Austausch und Diskurs, manchmal auch durch Konfrontation zwischen Personen befördert. Ein Verschleierungsverbot würde aber die Integration für muslimische Frauen stark einschränken, weil sie zu der Isolation, die ich beschrieben hatte, führen und somit keine Annäherung an die Aufnahmegesellschaft stattfinden kann. Die Sachverständige Frau Khasbullah sagte dazu auch in der Anhörung: „Durch den Beschluss des Gesetzes werden die Frauen aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Frauen werden zu Hause bleiben und sich nur mit ihrem Mann unterhalten. Es wird schwer, mit den Frauen Kontakt zu haben und sie auszubilden.“ Meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion und Herr Patt!
Integration erfordert einen viel differenzierteren Blick, als es der Gesetzentwurf oder die einbringende Fraktion jemals vermag. Wir müssen sehr genau unterscheiden zwischen integrationswilligen Menschen und jenen, die auf Basis ihres Glaubens oder ihrer Weltsicht extremistische Haltungen entwickeln und sich radikalisieren. Letztere müssen wir als Gesellschaft, muss aber auch der Staat genau im Blick behalten und natürlich gegensteuern. Mit Blick auf die Aktivitäten der Staatsregierung passiert da schon einiges.