Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich würde gern noch ein paar Worte zum ländlichen Raum verlieren, weil dieser unmittelbar mit der Landwirtschaft verbunden ist.
Ihr Koalitionsvertrag verspricht, dass sich die Regierungsparteien für eine stabile und verlässliche Finanzierung der Kommunen im ländlichen Raum einsetzen werden. Die völlig unzureichende Finanzausstattung der Kommunen ist tatsächlich eine wesentliche Ursache für die Strukturprobleme. Die gesetzlich proklamierte Selbstverwaltung wird zur Farce, wenn Kommunen und Gemeinden keine finanziellen Spielräume mehr haben, um eigene Akzente zu setzen, wenn ihnen durch Bundes- und
Wir sind gespannt, welche Verbesserungen Ihre Regierung an diesem grundlegenden Problem herbeiführen wird.
Leider hält der Koalitionsvertrag auch an dem überlebten System der sogenannten zentralen Orte fest und will über eine Stärkung der Mittel- und Unterzentren weiterhin den ländlichen Raum stärken.
Die AfD hält dieses planerische Konzept für überholt. Es wurde in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts entwickelt und kann trotz wiederholter Anpassungen den aktuellen Problemen nicht gerecht werden. Unflexibel werden Orte unterstützt, die die Landesplanung für richtig hält. Wir sind der Meinung, dass im Unterschied dazu jede wirtschaftliche und soziale Initiative in unseren strukturschwachen Regionen unterstützt werden muss – unabhängig davon, ob das ein Planer vor zehn Jahren schon für sinnvoll gehalten hat.
Sehr geehrte Abgeordnete der Regierungskoalition! Unsere Legislaturperiode beginnt fast zeitgleich mit der neuen Förderperiode der EU. Ich wünsche Ihnen mehr Mut zu einer neuen Politik für die ländlichen Räume in Sachsen. Die AfD wird gern mithelfen, nach sinnvollen Strategien und Maßnahmen zu suchen, die zu mehr Vielfalt, mehr Lebensqualität und mehr wirtschaftlicher Prosperität in unseren ländlichen Räumen führen.
Möchte jemand von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die zweite Runde beendet und ich rufe zur dritten Runde auf. Wer möchte von der CDU-Fraktion sprechen? – Herr Abg. Fischer, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Landwirtschaft ist Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum, wie wir schon mehrfach gehört haben. Es ist ein Wirtschaftsfaktor mit Zukunft. 80 % der landwirtschaftlichen Fläche werden in Sachsen als Ackerland genutzt. Wir produzieren auf diesen Flächen 56 % Getreide, haben 19 % Ölfruchtanbau – zum größten Teil Winterraps – und zu 18,5 % Ackerfruchtanbau. Hack- und Hülsenfrüchte, Spezialkultur und Gemüse lasse ich jetzt einmal außen vor; das ist relativ wenig.
Die Landwirtschaft steht hauptsächlich vor kommunikativen Herausforderungen. Ich hatte in einer meiner letzten Reden in der letzten Periode schon einmal die Berliner Kampagnenagentur Campact angesprochen; der eine oder andere kann sich vielleicht noch daran erinnern.
Damals liefen ganz aktiv Kampagnen zum Thema Gentechnik. Damals lief es ganz aktiv gegen Antibiotika und
natürlich war das immer wieder verbreitete Mantra der sogenannten Massentierhaltung zu hören, das man als Wortschöpfung durchaus einmal hinterfragen müsste. Klickt man heute auf die Seite der Campact-Agentur, so stellt man fest, diese Themen spielen keine Rolle mehr; sie sind völlig aus der Welt. Jetzt befasst sich diese Agentur mit dem Thema Pegida, mit dem Kohleausstieg, mit anderen Themen, die mit Landwirtschaft nichts zu tun haben.
Das Problem ist aber – was man vielleicht als Kommunikationswissenschaftler in Berlin geflissentlich übersieht –, dass man eine kommunikationspolitische Kraterlandschaft hinterlässt, die die Verbraucher und vor allem auch die Landwirtschaft bei uns in Sachsen ausbaden müssen. Das kann so nicht gehen.
Deswegen bin ich der Meinung: Diese Herausforderung für die Landwirtschaft ist anzunehmen. Die Koalitionsfraktionen unterstützen jede Anstrengung, die nicht nur der Bauernverband, sondern auch andere Akteure unternehmen, um besser und vor allem nach vorn zu kommunizieren.
Es gibt weitere Herausforderungen: Fünf Einzelhändler vereinen 75 % der Marktumsätze. Das ist ein schwieriger Marktzugang gerade für kleinere Anbieter von Lebensmitteln – Sie kennen das Problem der Auslistungsrabatte. Es gibt einen Ausgrenzungswettbewerb der Supermarktketten. Das alles ist nicht ganz glücklich und sollte vielleicht auch einmal vom Verbraucher hinterfragt werden. Es gibt schon erste Signale, das Kaufverhalten ändert sich und nicht nur der Edeka-Konzern geht auf regionale Produkte und vermarktet sie auch regional. Das finde ich eine unterstützenswerte Initiative.
Wir haben besonders im Bereich Fleisch und Milch in Sachsen leider einen starken Umsatzrückgang zu verzeichnen. Vielleicht sollten wir auch da positiv über das sogenannte TTIP-Abkommen diskutieren,
denn in meinen Augen sind 7,6 % Exportquote für die sächsische Nahrungsmittelwirtschaft viel zu wenig. Wer diese Zahl nachlesen möchte, der möge das tun. Auf der Seite des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft erhält man dazu ausreichend Informationsmaterial. Ich möchte das Ministerium ausdrücklich für die Aktivitäten loben, die hier im Bereich Regionalmarketing, im Bereich Agrarmarketing, entfaltet werden, und ich würde mir wünschen, dass der eine oder andere Produzent – Genussproduzent – diese Möglichkeiten etwas stärker als in der Vergangenheit nutzt; denn nur durch Vernetzung geht es voran. Hier könnten wir vielleicht auch von Bayern etwas lernen.
Noch ein kurzer Blick auf das Ministerium, was dort aktiv passiert. Ich möchte Ihnen allen die Aktion „Ran an den
(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Frauen an den Herd! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Überlegen Sie sich diese Wortschöpfung!)
Das Selbstkochen wird wieder befördert – das kann nicht schaden, ganz besonders, wenn man den Weg weg vom Fertigprodukt hin zum selbst zubereiteten Gericht einschlagen möchte.
70 konkret erfasste Spezialitäten listet das Ministerium auf. Diese reichen von den vogtländischen „Bambes“ – das ist eine Kartoffelzubereitung – bis hin zu dem hervorragenden Oberlausitzer Bier. Deshalb kann ich die sächsischen Verbraucherinnen und Verbraucher nur auffordern: Kaufen Sie sächsisch! Kaufen Sie regional! Kaufen Sie saisonal! Haben Sie Vertrauen in unsere heimischen Produzenten!
Ich schließe mit einem Zitat von Cicero, das hier vielleicht Beachtung finden sollte: „Unter den Erwerbsquellen ist keine so edel, so ergiebig, so lieblich und so ehrenvoll für den freien Mann als die Landwirtschaft.“
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, wie vielfältig und bunt über das Thema Landwirtschaft diskutiert werden kann. Voranstellen will ich mein Leitbild der Landwirtschaft in Sachsen: modern, tierartengerecht, den Boden schützend, Wertschöpfung in die Regionen bringend. Angesichts dessen kann ich feststellen: So weit liegen wir – die AfD ausgenommen – dabei gar nicht auseinander.
Dieses Leitbild ist allerdings nicht geprägt von der Diskussion über die Frage: Ist ausschließlich „klein“ gut oder ausschließlich „groß“ schlecht, oder ist es umgedreht? Wir richten unseren Blick darauf, wie der Acker bewirtschaftet und wie das Tier gehalten wird, nicht aber darauf, ob um das Tier herum noch fünf oder 500 weitere Tiere leben. Deshalb würde mich interessieren, wie der Begriff „Massentierhaltung“ eigentlich definiert wird. Vielleicht sind wir auch in dieser Frage, wenn wir sie herunterbrechen, gar nicht so weit auseinander.
Wir unterscheiden uns möglicherweise in der Einschätzung, wie Landwirtschaft zurzeit in Sachsen betrieben
wird. Ich denke, dass wir insoweit den Vergleich mit anderen Regionen keineswegs zu scheuen brauchen. So werden 93 % unserer Rinder in modernen Laufställen gehalten; der Bundesdurchschnitt liegt deutlich darunter. Auch darüber sollte man diskutieren: Ist die Anbindehaltung, auch wenn sie in einem kleinen Stall erfolgt, überhaupt noch tiergerecht? Eine Diskussion über dieses und ähnliche Themen würde mich durchaus interessieren, nicht aber Pauschalurteile wie „Massentierhaltung ist generell schlecht.“ In vielen Diskussionsbeiträgen ist schon deutlich geworden, dass der Blick nicht auf Größe bzw. Zahl gerichtet werden muss, sondern auf das Tier an sich.
Auch hinsichtlich des viel diskutierten Einsatzes von Antibiotika braucht Sachsen den Vergleich nicht zu scheuen. Wir setzen im Schweinebereich – dort spielt das die größte Rolle – weniger als halb so viel Antibiotika ein wie im Bundesdurchschnitt. Der Indexwert erreicht nur 3,8, das heißt, nur an 3,8 Tagen im Jahr werden Antibiotika eingesetzt, nicht etwa im ganzen Jahr. Dass man kranke Tiere behandeln muss, ist wohl eine Selbstverständlichkeit. Das sollten wir nicht infrage stellen.
Wie können wir aber in der Landwirtschaft noch besser werden? Mein Ansatz ist nicht etwa, das Rad zurückzudrehen, sondern moderne Technik und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die Landwirtschaft zu integrieren. Auch diesbezüglich ist Sachsen schon sehr, sehr weit.
Wir können mit moderner Sensorik und Schnelltests den Medikamenteneinsatz in den Ställen sicherlich noch deutlich reduzieren. Wir können auf den Feldern die Düngemittel unter Nutzung von Sensoren, die es schon seit vielen Jahren gibt, bedarfsgerecht zur Pflanze bringen. Insoweit gibt es ein riesiges Potenzial. Dort liegt für mich ein Schwerpunkt, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, wie wir in Sachsen Landwirtschaft weiterhin umweltgerecht und nachhaltig betreiben können.
Wir müssen uns aber auch Themen wie Bodenerosion stellen. Mit der konservierenden Bodenbearbeitung machen wir in Sachsen seit vielen Jahren sehr gute Erfahrungen. Wir sind insofern eher beispielgebend, als dass Kritik am Platz wäre.
Auch wir müssen uns klimatischen Veränderungen stellen. Um damit umgehen zu können, sind entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse sehr wichtig. Das Zurückgehen der Biodiversität sollte man nicht allein auf die Art der Bewirtschaftung, sondern auch auf die Veränderung des Klimas zurückführen. Es bedarf auch hier der Versachlichung der Debatte.
Wir müssen allerdings auch über den Tellerrand – über Sachsen, über Europa – hinausblicken. Die Zahl der Menschen, die auf der Welt leben, steigt. Diese Menschen müssen ernährt werden. Es reicht nicht aus, wenn wir uns der super Ernährungssituation bei uns in Sachsen bzw. in Deutschland erfreuen. Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie wir die Weltbevölkerung satt bekommen. Deshalb ist unsere Exportorientierung – dazu waren kritische Worte zu hören – positiv zu bewerten. Es liegt
eine Chance darin, wenn wir Lebensmittel exportieren: Wir tragen dazu bei, dass die Menschen auch in anderen Teilen der Welt satt werden. Von mir aus kann man mit dem Lebensmittelexport auch Geld verdienen – warum denn nicht?
Allerdings sind wir in Sachsen gerade im tierischen Bereich, wenn man die Milch ausblendet, weit davon entfernt. Nehmen wir die viel diskutierte Schweinehaltung als Beispiel: Unser Selbstversorgungsgrad beträgt nicht einmal 50 %. Wir wollen regionale Produktion und regionale Kreisläufe fördern. Aber selbst wenn wir der Auffassung wären, dass wir zu viel Schweinefleisch essen, und deshalb den Konsum reduzieren würden, wären wir längst nicht in der Lage, den Bedarf der Bevölkerung an diesen Produkten zu decken.
Die Debatte hat gezeigt, dass sich viele Beteiligte der Diskussion über die Frage, wie wir unsere Landwirtschaft bzw. unsere ländlichen Räume weiterentwickeln können, sehr offen und mit positiver Grundhaltung stellen. Diesen Faden möchte ich aufnehmen, nicht aber den der Kontroverse. Ich lade alle ein, weiterhin darüber zu diskutieren, wie wir noch besser werden können. Aber ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir in Sachsen schon auf einem sehr guten Weg sind. Der Freistaat unterstützt auf vielfältige Weise die Landwirtschaft. Ich verweise gerade auf die Fördermöglichkeiten für Junglandwirte; insoweit möchte ich den Vorrednern der Opposition widersprechen. Ein Junglandwirt, der in der vergangenen Förderperiode einen neuen Stall gebaut hat, womöglich noch in einem benachteiligten Gebiet, weil es dort besonders schwierig ist, hat in Sachsen bis 60 % Fördermittel bekommen. Wir sind von anderen Bundesländern sogar dafür kritisiert worden, dass wir Investitionen in moderne, tierartengerechte Ställe so hoch fördern. Da müssen wir uns von Ihnen nicht sagen lassen, dass wir auf diesem Gebiet Nachholbedarf hätten. Das Gegenteil ist der Fall.
Ein letztes Wort. Auch wenn es nicht unmittelbar in diese Debatte gehört, will ich doch festhalten, dass es ganz starker Tobak ist, wenn die Förderung der ländlichen Entwicklung in Sachsen kritisiert wird. Auf der Grundlage des Ansatzes der neuen Förderperiode setzen wir 40 % der zur Verfügung stehenden Gesamtmittel von
1,1 Milliarden Euro für die Integrierte Ländliche Entwicklung – Stichwort: LEADER – ein. Die Leute vor Ort können selbst entscheiden, was sie in welcher Höhe fördern. Das gibt es in ganz Europa kein zweites Mal. Ganz Europa schaut auf uns und ist gespannt, wie wir diesen Ansatz umsetzen. Es ist uns sehr wichtig, dass es in Sachsen so läuft. Dem haben wir uns in der Vergangenheit gestellt, und dem werden wir uns auch in Zukunft stellen.