Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Mit dieser Gesetzesänderung realisieren Sie nur die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern vom 16. Juli des vergangenen Jahres zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, und es werden vier neue Möglichkeiten für ausschreibungsfreie Berufungen geschaffen. Das Gesetzesvorhaben an sich ist richtig, aber leider ist die Umsetzung in Landesrecht nicht gelungen.

Der Sachverständige Dr. Brüggen empfahl drei konkrete Ergänzungen des Gesetzestextes. Der Deutsche Hochschulverband wurde noch klarer. Zitat: „Der Deutsche Hochschulverband begrüßt grundsätzlich, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Möglichkeiten von TenureTrack-Professuren ausbaut.“

Neben dieser grundsätzlichen Zustimmung finden sich jedoch noch einige Ungereimtheiten im vorliegenden Entwurf, die im Folgenden näher ausgeführt werden. Auch Widersprüche zu Normen der aktuellen Rechtslage werden angesprochen. An zwei wesentlichen Punkten ergeben sich sogar große verfassungsrechtliche Bedenken bei der Umsetzung des Bundesprogramms.

Verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen: Erstens. Die Voraussetzungen für ein Qualitätssicherungskonzept

werden nicht ausreichend geregelt. Hier liegt ein Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz vor.

Zweitens. Familienfreundlichkeit kann es nicht nur für Juniorprofessoren geben. Das führt zu einer Ungleichbehandlung und folglich zu einem Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz.

Ungereimtheiten sehe ich in Folgendem: Erstens. Der Gesetzentwurf vergisst die akademischen Assistenten. Die wissenschaftliche Arbeit von akademischen Assistenten und Juniorprofessoren ist gleichwertig. Das Gesetz behandelt sie aber ungleich.

Zweitens. Berufungen erfolgen seit dem Jahr 2008 grundsätzlich ohne Zustimmung des Ministeriums. Jetzt aber muss das SMWK auf der Grundlage des Qualitätssicherungskonzeptes der Berufung zustimmen. Das ist ein Rückschritt. Die Hochschulautonomie wird aufgeweicht und schnelle Entscheidungen werden behindert, was auch Herr Jalaß schon anmerkte.

Drittens. Der Gesetzentwurf will die Regelungen zur Tenure-Track-Professur in das Hochschulfreiheitsgesetz aufnehmen und vergisst dabei eine Definition des Begriffes Tenure-Track.

Viertens. Der Justiziar des Deutschen Hochschulverbandes kritisierte darüber hinaus, dass Rufabwehr und Entfristungsentscheidungen im vorliegenden Gesetzentwurf gemeinsam statt getrennt geregelt werden. Diese Vermischung ist eher unüblich. Dadurch wird auch die Reichweite des Geltungsbereiches unklar.

Der Gesetzentwurf der Staatsregierung zeigt grobe handwerkliche und rechtliche Mängel. Daher werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Frau Dr. Maicher von der Fraktion GRÜNE, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren mahnen wir an, das Hochschulgesetz dringend zu überarbeiten; denn nicht nur Urteile zum Mitbestimmungsrecht der gewählten Gremien müssen endlich umgesetzt werden.

Seit drei Jahren lässt die Staatsregierung diesen See äußerst still ruhen. Dann kommt ein Bundesprogramm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – das

Tenure-Track-Programm – und plötzlich geht alles ganz schnell. Heute legt die Staatsregierung tatsächlich ein Änderungsgesetz für das Hochschulgesetz vor.

Der große Wurf ist es aber nicht. Mit dieser Mininovelle sollen nur die rechtlichen Voraussetzungen für die Teilnahme der sächsischen Hochschulen am Bundesprogramm geschaffen werden – das wurde schon ausgeführt – und den Hochschulen soll ermöglicht werden, exzellente Professorinnen und Professoren leichter an ihrer Hochschule zu halten, wenn diese einen Ruf an eine andere Hochschule erhalten.

Beides – das will ich klar sagen – sind sehr, sehr wichtige Punkte, die wir unterstützen, wenn sie auch nur ein ganz kleiner Teilbereich dieser Riesenbaustelle, genannt Hochschulfreiheitsgesetz, sind. Ihnen ist bekannt, dass meine Fraktion äußerst dringenden Änderungsbedarf in vielen anderen Punkten sieht und diesen als Eckpunkte längst vorgelegt hat.

Aber auch bei einer kleinen Änderung des Hochschulgesetzes darf Schnelligkeit eben nicht vor Gründlichkeit gehen. Haben Sie die Größe, liebe Koalition, und korrigieren Sie die Fehler, die Ihnen in der Anhörung fachkundig aufgezeigt wurden, anstatt einen mangelhaften Gesetzentwurf heute durch das Parlament zu prügeln.

Ich will das gern verdeutlichen: Sie und die Staatsregierung wollen, dass besondere Juniorprofessoren ohne erneute Ausschreibung auf eine Professur berufen werden können oder dass hervorstechende Professoren auf eine höherwertige Stelle berufen werden können, wenn jemand einen Ruf an eine andere Hochschule erhält und der eigenen Hochschule verlustig zu gehen droht. Diese Regelung fehlte bisher und bedeutete tatsächlich für die sächsischen Hochschulen einen enormen Wettbewerbsnachteil. Deshalb begrüßen wir, wenn die Hochschulen diese Freiheit erhalten.

Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass der Staatsregierung und vornweg der Wissenschaftsministerin so viel Freiheit dann doch unheimlich war, denn sie fangen diese sofort wieder ein. Sie verlangen, dass das Ministerium dem Verzicht auf die Ausschreibung zustimmen muss. Welchem Zweck soll das aber dienen? Ist das Ihr Verständnis, Frau Dr. Stange, von Hochschulautonomie? Ich finde, Hochschulen sollten selbst entscheiden, wann sie von der gesetzlichen Neuregelung Gebrauch machen wollen.

Weitaus gravierender ist die sogenannte Familienkomponente; sie wurde bereits angesprochen. Sie ermöglicht, bei befristeten Professuren die Befristung bei Geburt oder Adoption eines Kindes zu verlängern. Sie wollen sie nur den neuen Tenure-Track-Professuren zugutekommen lassen. Die anderen Qualifizierungsprofessuren ohne Tenure-Track bleiben außen vor. Möglicherweise – und das vermute ich – hat es etwas damit zu tun, dass die Mittel für die Tenure-Track-Professuren aus dem Bundesprogramm kommen, wenn sie die Familienkomponente in Anspruch nehmen.

Aber in diesem Punkt war die Sachverständigenanhörung eben sehr, sehr klar, und das haben Sie von der Koalition in der öffentlichen Anhörung erkannt. Die Juristen haben es Ihnen mehr als deutlich ins Stammbuch geschrieben: Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich

bedenklich und hätte dringend überarbeitet werden müssen. Trotzdem haben Sie es nicht für nötig erachtet, einmal über Ihren Schatten zu springen und diesen Fehler mit einem Änderungsantrag zu korrigieren. Das spricht Bände, und ich frage mich, wieso wir eigentlich diese Sachverständigenanhörungen durchführen. Verantwortungsvolle Gesetzgebung sieht meiner Meinung nach anders aus.

Ich will noch auf einen weiteren wichtigen Punkt hinweisen: Das Tenure-Track-Programm des Bundes stellt die Bedingung, dass wir nach dessen Auslaufen mehr unbefristete Professuren und mehr Tenure-Track-Professuren in Sachsen haben als vorher. Der Normenkontrollrat hat bereits darauf hingewiesen, dass in Sachsen aber gar kein Stellenaufwuchs geplant ist. Ich frage mich schon: Wollen Sie Mitarbeiterstellen zu Professuren umwidmen, um den Vorgaben des Bundesprogramms zu entsprechen? Damit würden Sie das Ziel des Programms, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, geradezu ad absurdum führen. Es darf am Ende nicht so weit kommen, dass unsere Hochschulen zu reinen Stellenverschiebebahnhöfen werden.

Wenn Sie schon darauf bestehen, den Gesetzentwurf mit genau diesen Punkten, diesen Problemen, heute zu verabschieden, dann sorgen Sie, liebe Koalition, in den nächsten Haushaltsverfahren doch mit Ihrer Mehrheit dafür, dass wir zu ausreichend Stellen an unseren Hochschulen kommen.

Der jetzt vorliegende Entwurf ist nicht ausgereift. Sie schaffen die Illusion von mehr Hochschulfreiheit, ohne sie wirklich zu gewähren. Sie präsentieren einen Gesetzentwurf, der regelrecht darum bettelt, am Ende von einem Gericht geprüft zu werden. Dem können wir nicht zustimmen und deshalb werden wir uns enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Frau Fiedler, CDU-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht alles unkommentiert im Raum stehen lassen, wie es gesagt worden ist.

Es hat niemand ein Interesse daran, einen Gesetzentwurf „durchzuprügeln“. Wir können, denke ich, alle miteinander sehr froh sein, dass dieses Gesetzesvorhaben – einen Dank an das Wissenschaftsministerium – so zügig vonstattengegangen ist. Ich hatte es erwähnt: Morgen stehen die ersten Entscheidungen im Rahmen der Exzellenzstrategie an. Dafür ist dies eine wesentliche Grundlage.

Deshalb ist es dringend geboten, dass wir so schnell darüber entscheiden.

Wir reden über einen Zeithorizont bis zum Jahr 2032. Jetzt haben wir den Haushaltsplan 2017/2018. Die Wissenschaftsministerin und alle anderen haben an den entsprechenden Stellen gesagt, dass uns natürlich klar ist, was das für die Stellen an den Hochschulen bedeutet. Entscheidungen konnten wir darüber noch gar nicht fällen. Deshalb ist der Vorwurf, wir würden das nicht beachten oder keine Aussagen dazu treffen, völlig ungerechtfertigt.

Ich möchte noch einmal auf die Ausführungen der AfD eingehen. Erstens verschaffen Sie mit Ihrer Ablehnung des Gesetzentwurfes unseren sächsischen Hochschulen einen Wettbewerbsnachteil; denn das würde bedeuten, dass wir das Tenure-Track-Verfahren nicht in W2 ermöglichen. Es wäre nur eine W1-Eingruppierung realisierbar. Wir würden nicht ermöglichen, dass die familienpolitische Komponente angewandt werden kann.

(Karin Wilke, AfD, steht am Mikrofon.)

Zweitens bringen Sie mit Ihrer Ablehnung zum Ausdruck, dass in Sachsen keine Rufabwehr möglich ist. Auch das impliziert Ihre Ablehnung. Das wollen wir nicht, und in Abwägung dieser Argumente werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin bereits am Schluss meines Beitrages.

(Beifall bei der CDU)

Das tut mir leid, Frau Wilke. Wünschen Sie eine Kurzintervention? – Bitte.

Ich möchte anmerken, dass wir dieses Gesetz keineswegs ablehnen. Frau Fiedler, ich habe deutlich gesagt, dass ich das für richtig und wichtig halte, nur werden wir diesem sehr schnell erstellten Gesetz nicht zustimmen können, da es wesentliche Dinge nicht enthält und vieles nicht ausreichend sorgfältig regelt, zum Beispiel den Gleichheitsgrundsatz.

(Beifall bei der AfD – Aline Fiedler, CDU: Also lehnen Sie ihn ab!)

Frau Fiedler, wollen Sie darauf noch einmal antworten? – Das ist nicht der Fall. Gibt es weiteren Redebedarf? – Bitte, Herr Mann.

In der zweiten Runde sollte man immer zur Kritik der Opposition Stellung nehmen, und das will ich auch tun. Zunächst zum parlamentarischen Verständnis, wie es Sozialdemokraten im Regelfall bei Entscheidungen an den Tag legen: Es ist eine Entscheidung, ob man den Fortschritt will oder nicht. Selbst wenn ein Gesetz unvollkommen ist, aber einen Fortschritt

bedeutet, denken wir als SPD, dass man es beschließen sollte. Deshalb empfehlen wir die Zustimmung zu diesem Änderungsgesetz.

Ja, es gibt Bedenken, die in der Anhörung durch die Juristen massiv geäußert worden sind. Darüber haben wir uns bereits im Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien ausgetauscht. Ich verweise ausdrücklich auf die entsprechende Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wir hätten uns auch gewünscht, dass man beim Thema Familienkomponente und Höherstufung auf die verfassungsmäßigen Bedenken eingeht und diese Lücken schließt. Ich denke, wir alle hier im Hohen Haus können kein Interesse daran haben, dass der Freistaat Sachsen mit einem eigenen Gesetz vor dem Verfassungsgericht zum dritten Mal unterliegt.

Das war leider nicht möglich. In der Kürze der Zeit und in der Bewertung waren wir unterschiedlicher Auffassung. Nichtsdestotrotz denke ich, dass es ein Fortschritt ist, und wenn es doch so sein sollte, dass dieses Gesetz vor Gericht nicht standhält, dann werden wir uns wieder hinsetzen und heilen müssen, was wir jetzt nicht richten konnten.

Danke schön.

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann Frau Ministerin Dr. Stange, bitte.