Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Vielen Dank. Das war Herr Mann. Es gibt eine weitere Wortmeldung. Am Mikrofon 2 steht Frau Dr. Pinka.

Vielen Dank, Herr Präsident! Unsere Fraktion wird dem Änderungsantrag der GRÜNEN schon deshalb zustimmen, weil die Koalitionäre eigentlich schon in den Haushaltsverhandlungen, die dazu geführt haben, dass die 7 Millionen Euro im Doppelhaushalt stehen, im Blick gehabt haben müssen, –

(Aloysius Mikwauschk, CDU, führt ein Gespräch.)

Herr Mikwauschk, wären Sie bitte so freundlich.

– dass es eine Richtlinie geben muss, damit das eingestellte Geld abfließen kann. Wir sind auf der Zielgeraden des Jahres 2017. Es liegt keine Richtlinie vor. Das Geld für 2017 kann nicht abfließen. Dann ist es schon legitim, wenn man eine Forderung wie diese aufmacht, nämlich dem Landtag bis zum 31. Januar 2018 eine Richtlinie vorzulegen, damit das für 2017 vorgesehene Geld endlich abfließen kann.

Die weitere Forderung in dem Änderungsantrag zielt auf die Übertragung der für 2017 vorgesehenen, aber nicht abgerufenen Mittel in das Jahr 2018. Wir hatten schon Richtlinien, wonach die für ein Haushaltsjahr eingestellten Mittel nicht mehr in das andere Haushaltsjahr übertragen werden konnten. Deshalb ist auch diese Forderung genau richtig.

Mit dem Änderungsantrag würden in einen inhaltsleeren Antrag zumindest zwei konkrete Forderungen eingebracht.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Am Mikrofon 7 steht Herr Beger.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beantragen punktweise Abstimmung über den Änderungsantrag der GRÜNEN, weil für uns Punkt IV sinnvoll ist. Zu Punkt V würden wir uns enthalten.

(Holger Mann, SPD: Dann lehnen Sie den ganzen Antrag ab? – Zuruf von der AfD: Nein, punktweise! – André Barth, AfD: Das dürfen Sie schon uns überlassen!)

Meine Damen und Herren! Es ist gewünscht worden, über die Punkte IV und

V des Änderungsantrags getrennt abzustimmen. Wer in der Drucksache 6/10870 dem Punkt IV seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat Punkt IV dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Wer möchte Punkt V zustimmen? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen hat auch Punkt V nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Damit erübrigt sich eine Schlussabstimmung über den Änderungsantrag.

Ich lasse nun über den Antrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 6/10754 abstimmen. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt an. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Gegenstimmen, zahlreiche Stimmenthaltungen. Der Antrag ist beschlossen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

Mobilität in Sachsen

Drucksache 6/8865, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Es spricht zunächst DIE LINKE als einbringende Fraktion, danach die CDU, die SPD, die AfD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird.

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Böhme. Bitte sehr, Herr Böhme, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Redezeit wird nicht ausreichen, um die knapp 200 Fragen der Großen Anfrage zur Mobilität, die meine Fraktion gestellt hat, auszuwerten. Ich gehe davon aus, dass Sie sie gelesen haben und damit kennen.

Es freut mich auch, dass einzelne CDU-Abgeordnete in verschiedenen Interviews nach der Bundestagswahl angekündigt haben, hier im Haus das Thema Infrastruktur und öffentlicher Nahverkehr, vor allem im ländlichen Raum, jetzt stärker zu beachten. Ich bin insoweit auf Selbstkritik gespannt und hoffe, dass sie kommt.

Zu der Großen Anfrage selbst! Diese unterteilt sich in zehn Bereiche, auf die ich zunächst kurz eingehen werde. Anschließend möchte ich unseren Entschließungsantrag, der die zehn Kapitel der Großen Anfrage spiegelt, und unsere darin enthaltenen Forderungen vorstellen. Diese stehen dann zur Abstimmung.

Ich komme zum ersten Kapitel – Allgemeines – der Großen Anfrage. Minister Dulig formuliert eine gute Definition von Mobilität und Verkehr. Er führt viele Indikatoren an, mit denen festgestellt werden kann, wie gut oder schlecht es um die Mobilität in Sachsen bestellt ist. Das Problem ist nur, dass die genannten Indikatoren nicht überprüft, abgebildet, überwacht, gemessen oder erfragt werden. Ich nenne als Beispiele die tägliche Schulweglänge, die Bezahlbarkeit des ÖPNV, die Bedarfsorientierung und Erreichbarkeit von Grundversorgungseinrichtungen. So genau interessiert es die Staatsre

gierung anscheinend nicht; zumindest liefert sie dazu keine Angaben.

Ich komme zum zweiten Kapitel: Mobilitätskosten für die Menschen im Freistaat Sachsen. Die wichtigen Regierungsprojekte Bildungsticket und Sachsen-Tarif sind nach drei Jahren Regierungszeit noch nicht vorangekommen, zumindest noch nicht öffentlich. Es gibt zwar die Strategiekommission, die gegründet wurde und in der auch ich Mitglied bin. Doch genau von dieser kommt die größte Skepsis, was zum Beispiel das Thema Bildungsticket angeht, wie ich bei einer Vorstellung der AG Tarif in meiner AG Finanzen erfahren durfte. Der Grund ist nicht, dass die Finanzer das abgelehnt hätten, sondern dass die für das Bildungsticket zuständige AG das als sehr schwierig und letztlich unrealistisch dargestellt hat.

So hat es auch SPD-Kollege Baum der Presse gegenüber vor Kurzem erklärt, ohne dass die gesamte ÖPNVStrategiekommission zu einem entsprechenden Ergebnis gekommen wäre.

Herr Dulig hat dann eilig in der Presse verkündet, dass das Bildungsticket nicht gescheitert sei. Ich hoffe, dass es nicht scheitern wird. Ich hoffe vor allem, dass, selbst wenn es scheitert, wenigstens bei dem Thema Ausbildungsverkehr in den Haushaltsverhandlungen hier im Landtag etwas passiert. Meine Fraktion fordert seit Ewigkeiten, im Haushalt den Zuschuss an die Kreise für die Kosten der Schülerbeförderung zu erhöhen. Die Kreise werden bisher mit billigen Ausreden hingehalten. Einmal wurde behauptet, dass sie das nicht brauchten. Zuletzt wurde sogar gesagt, das Bildungsticket solle kommen.

Um es zu verdeutlichen: In Nordsachsen bezahlen die Eltern als Eigenanteil für die Schülerbeförderung 87 Euro pro Schuljahr. In Dresden sind es schon 223 Euro, in Meißen sogar 251 Euro – wie gesagt, nur für die Schülerbeförderung.

Auch das Gutachten für die ÖPNV-Strategiekommission kommt zu dem Schluss: Die Höhe der Erstattungen variiert erheblich zwischen den einzelnen Kreisen. Und: Die Beiträge der Eltern sind in den vergangenen Jahren oftmals erhöht worden, zum Beispiel für die Grundschulen um bis zu 62 %.

Wenn Sie schon eine wohnortnahe Schulbildung nicht ermöglichen können, Herr Dulig, dann sorgen Sie wenigstens dafür, dass es Kostensenkungen und einheitliche Beförderungsbedingungen für die Eltern in ganz Sachsen gibt.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Bei den allgemeinen Mobilitätskosten geht die Staatsregierung davon aus, dass diese sich im Rahmen der allgemeinen Inflationsrate bewegen werden. Ich finde das schlichtweg falsch. In der Antwort auf Frage II.3 verweisen Sie selbst auf Prognosen im Landesverkehrsplan, die zu einem anderen Schluss kommen. Auch das Statistische Bundesamt kommt zu einer viel konkreteren Einschätzung, nämlich: Die Preise für den Betrieb eines Kraftfahrzeugs und den ÖPNV sind seit der Jahrtausendwende stärker gestiegen als die Verbrauchspreise insgesamt. 2012 war die Personenbeförderung im Schienenverkehr 41 % teurer als noch 2000. Die Preise der Nahverkehrsverbünde stiegen sogar um 53 %. Damit verteuerten sich Fahrkarten für diese öffentlichen Verkehrsmittel stärker als Autofahrten.

Wenn man fragt, was das konkret für Sachsen bedeutet bzw. ob es für Sachsen konkrete Zahlen gibt, kommt die Antwort, dass eine Statistik im Sinne der Fragestellung nicht vorliege. Na, schönen Dank!

In Leipzig fahre ich mittlerweile billiger in einem Mietwagen abends zu dritt ins Kino mit Freunden als mit der Straßenbahn. Deswegen finde ich, dass sich die Sächsische Staatsregierung ruhig einmal anschauen könnte, wie sich die Fahrpreise in Sachsen, gerade in den Großstädten, entwickelt haben. Allein in Leipzig stiegen die Preise für Einzelfahrkarten seit 2007 um 40 %! Das ist nicht mehr hinnehmbar, meine Damen und Herren. Mindestens genauso schlimm ist es, dass Sie das nicht wissen bzw. dass Sie nicht wissen, was Sie dagegen machen wollen.

(Beifall bei den LINKEN – Staatsminister Martin Dulig: Schauen Sie sich einmal die Zuständigkeiten an!)

Doch abgesehen von den hohen Fahrpreisen – was nutzt das alles, wenn am Ende gar kein Bus kommt? Damit komme ich zum dritten Kapitel: Zugang zu Mobilitätsdienstleistungen. In ihrem Koalitionsvertrag postuliert die Staatsregierung: „Die Erschließung einer Region ist Aufgabe der Daseinsvorsorge und darf nicht allein aus wirtschaftlicher Perspektive bewertet werden.“ Das stimmt! Doch fragt man, wie das dann konkret aussieht, erfährt man, dass die Staatsregierung gar nicht so genau wisse, was im ländlichen Raum geht, da das Sache der

Kommunen sei. Das ist eine Antwort, die fast immer kommt.

Fragt man nach der Vertaktung im ÖPNV, kommt die Antwort, dass sich damit die ÖPNV-Strategiekommission beschäftige. Das stimmt. Sie hat schon im letzten Jahr in einem Basisgutachten festgestellt, dass nicht einmal die Vertaktung zwischen den Zugverbindungen an den Bahnhöfen klappt. Dann brauche ich von Bus- und Bahnverbindungen gar nicht erst zu reden.

Viertens: Zugang zu Verkehrsinfrastruktur. Wir wollten wissen, wie viele Haltestellen in Sachsen barrierefrei ausgebaut sind und wo es noch Handlungsbedarf gibt. Genau diese Frage wurde schon am Anfang in der Strategiekommission gestellt. Damals durfte ich feststellen, dass man nicht einmal weiß, wie viele Haltestellen es in Sachsen überhaupt gibt. Das weiß man mittlerweile: rund 13 000 sind es.

Auf meine Ursprungsfrage aber, wo überhaupt noch Handlungsbedarf zum barrierefreien Ausbau bestehe, unabhängig von der Form des Bedarfs, bekam ich die Antwort: „Die Umsetzung einer vollständigen Barrierefreiheit im ÖPNV stellt einen kontinuierlichen Prozess dar. Es besteht weiter Handlungsbedarf.“ Das ist wirklich sehr konkret, Herr Dulig! Wo ist der konkrete Handlungsbedarf? Das war die Frage, die Sie uns nicht beantwortet haben. Hinzu kommt, dass es nicht einmal das geplante Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit in Sachsen geben wird.

Zu dem Thema Erschließungsgrad des ÖPNV generell brauche ich auch nicht weiter zu berichten, da das alles, wie Sie schreiben, kommunale Aufgabe sei. Das mag rechtlich richtig sein; darauf haben Sie mich gerade schon wieder hingewiesen. Doch frage ich mich, wofür ein Verkehrsminister überhaupt da ist, wenn er keine konkrete Ziele hat bzw. diese nicht überprüft und wenn er keine Qualitätsaufsicht macht oder zumindest deren Leitung übernimmt.

(Staatsminister Martin Dulig: Das unterstellen Sie!)

Für mich sieht das anders aus.