Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Herr Piwarz hatte zu Recht angeführt, dass die AfDFraktion immerhin über 5 000 Drucksachennummern benötigte, bevor sie aktiv geworden ist. Es kommt aber noch eines hinzu: Der Gesetzentwurf stammt aus dem Mai des Jahres 2016. Der AfD war also dieser Gesetzentwurf derart wichtig, dass es über anderthalb Jahre gedauert hat, bis er hier im Plenum zur Behandlung gekommen ist. Ich glaube, das spricht für sich hinsichtlich der Bedeutung dieses Gesetzentwurfes.

(André Barth, AfD: Das spricht für das Chaos, das seit Jahren in diesem Land herrscht! – Lachen bei der CDU)

Ja, regen Sie sich nicht auf, das ist ganz schlecht fürs Herz, Herr Kollege.

Meine Damen und Herren, es handelt sich um überhaupt keine große Sache, aber die Damen und Herren der AfDFraktion verkaufen das ja als großen Wurf zum Demokratieabbau. Da fragt man sich schon: Geht es nicht vielleicht auch eine Nummer kleiner?

(André Barth, AfD: Demokratieabbau?)

Jeder und jede in diesem Hause, die schon einmal ein Listen- bzw. Kandidatenaufstellungsverfahren der jeweiligen Partei entweder erlebt oder durchlitten hat – je nachdem –, der weiß, dass das nicht unbedingt immer vergnügungssteuerpflichtig ist – vom organisatorischen Aufwand für die Parteien, entsprechende Versammlungen ihrer Mitgliedschaft zu organisieren, ganz zu schweigen.

Insofern ist es doch tatsächlich angemessen, wenn man verlangt, dass in jenen Fällen, in denen eben keine Partei hinter einem Wahlvorschlag steht, die nicht bereits im Landtag oder in der Kommunalvertretung verankert ist, ein Mindestmaß an Unterstützung gewährleistet ist für einen Wahlvorschlag.

Ich will einmal die Zahlen nennen, denn sie sind tatsächlich eher gering. Bei Gemeinden bis zu 2 000 Einwohnern muss man gerade einmal 20 Unterschriften leisten, bei 3 000 – –

(Sebastian Wippel, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin ohnehin gleich fertig; Sie können dann eine Kurzintervention halten.

Bei Gemeinden bis 3 000 Einwohnern benötigen Sie 40 Unterschriften und bei Gemeinden bis zu 10 000 Einwohnern gerade einmal 60 Unterstützungsunterschriften. Ich finde, das ist doch zumutbar und wir können von den Bürgern ein kleines Mindestmaß erwarten, wenn es einem wichtig ist, dass eine bestimmte Partei oder Wählervereinigung entsprechend antreten darf.

Aus den genannten Gründen schließe ich mich dem Kollegen Anton an; wir werden dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Schollbach. Jetzt kommt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Wippel, die sich auf diesen Redebeitrag bezieht.

Genau. Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Schollbach, Ihr Argument mit der Aufstellung von Listen geht ja doch ein Stück weit fehl; denn die Bewerberlisten – sprich: die Wahlvorschläge – müssen ja alle Parteien machen, ob sie nun im Landtag sind, ob sie das erste Mal antreten, ob sie im Gemeinderat sind oder wie auch immer. Wer als Partei oder mitgliedschaftlich organisierte Wählervereinigung bei einer Wahl antreten möchte, der muss das immer machen. Insofern sind Sie als LINKE nicht sonderlich benachteiligt, da ist niemand bessergestellt. Das geht tatsächlich am Thema vorbei und ist eine völlig andere Argumentation.

(Beifall bei der AfD – André Barth, AfD: Genau!)

Das war Herr Wippel. Soll reagiert werden? – Das kann ich nicht erkennen. Damit geht es weiter in der Redereihe und Herr Kollege Winkler spricht für die SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich noch kürzerfassen als Herr Schollbach. Kollege Anton hat

die wesentlichen Argumente schon vorgebracht, die zur Ablehnung dieses Antrags durch unsere Fraktion führen. Wir haben das Sächsische Kommunalwahlgesetz auch im Zusammenhang mit dem Verfahren zum Gesetz zur Änderung des Kommunalrechts diskutiert und festgestellt, dass wir hier keinen Änderungsbedarf haben.

Die für uns wichtigen Änderungsbedarfe sind im Sächsischen Kommunalwahlgesetz umgesetzt. Die derzeitige Praxis hat sich bewährt – das ist schon ausgeführt worden –, deshalb lehnen wir es ab. Ich weiß nur nicht, ob ich jetzt noch auf den Änderungsantrag eingehen soll – ist er zurückgezogen oder ist er trotzdem Bestandteil der Beschlussvorlage? Er hat sich letztendlich mit dem Beschluss vor einer Stunde erledigt.

Wir lehnen den Gesetzesvorschlag ab.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)

Vielen Dank, Kollege Winkler; Sie sprachen für die SPD-Fraktion. Jetzt spricht für die GRÜNEN Herr Kollege Lippmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Straßensammlung von Unterstützungsunterschriften ist ein wichtiges und richtiges Anliegen, werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion; und auch wir GRÜNEN fordern das seit Jahren.

Für das Kommunalwahlrecht ist es eine vollkommen unzulässige und aus unserer Sicht unlogische Benachteiligung der Kommunalwahlen gegenüber Landtags- und Bundestagswahlen. Das Sperrklauselargument von Herrn Anton vermag ich zwar zu hören und es hat etwas für sich, ich halte allerdings nicht viel davon zu sagen, man reglementiert es dann über diese Ebene. Gleichwohl wissen wir, dass Sperrklauseln auf kommunaler Ebene, egal in welcher Höhe, mutmaßlich verfassungswidrig sein werden.

Gleichwohl kann man am Ende zu dem Schluss kommen, dass man für Wahlen zu kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften bei der Zulassung jetzt nicht übermäßig hohe und höhere Hürden stellen sollte als für die Wahlen zu staatlichen Parlamenten wie Landags- oder Bundestagswahlen. Übrigens gilt das dann zukünftig auch für die Wahl von Orts- und Stadtbezirksbeiräten; da dürfen Sie dann auch zur Gemeindeverwaltung traben. Von daher ist das ein wichtiges Thema und meine Fraktion steht einer entsprechenden Öffnung sehr positiv gegenüber.

Allerdings zum konkreten Gesetzentwurf: Das, was Sie hier machen, ist aus unserer Sicht – wir hatten dazu schon eine lange Debatte im Innenausschuss – systematischer Unsinn. Sie streichen insbesondere den Verweis im Bereich der Landkreisordnung. Das ist nicht unbedingt schädlich – das gebe ich auch zu, weil Sie die Auffangregelung haben –, es ist aber auch nicht unbedingt rechtsanwenderfreundlich. Gerade wenn Sie sich dafür einsetzen, dass Menschen, die nicht so furchtbar viel Ahnung

von den Tiefen des Kommunalrechts haben, es am Ende verstehen, ist es nach unserem Dafürhalten dann doch schon ein größeres Problem; zumal Sie in Teilen des Kommunalwahlrechts irgendwann in der Verweisung dritten Grades sind und dann bei der Gemeindeordnung herauskommen.

Das ist nicht rechtsanwenderfreundlich und systematischer Blödsinn, den man unterlassen sollte. Wenn, dann sollte man es richtig machen. Dann sollte man sich übrigens auch einmal die Frage nach der Anzahl der Unterstützungsunterschriften stellen. Wir verweisen

momentan bei den Ortschaftskreiswahlen, den Kreistagswahlen, den Gemeinderatswahlen und zukünftig bei den Wahlen zu den Stadtbezirksbeiräten auf dieselbe Zahl und Kette von Unterstützungsunterschriften – das sollte man dann auch gleich überdenken.

Von daher sehen wir das hier einfach aus systematischen Gründen als nicht zustimmungsfähig an.

Ich möchte noch ein Argument von Ihnen, Herr Barth, aufnehmen, das ich für absurd halte und das mich in meiner Ablehnung bestärkt: Ihre Angst, dass, wenn Sie zur Gemeindeverwaltung gehen, Ihnen quasi jemand Übles will, weil Sie eine Unterstützungsunterschrift abgeben. Also erstens: Ich habe Vertrauen in kommunale Gemeindebedienstete, dass sie nicht beginnen, Ihnen Konsequenzen daraus erwachsen zu lassen.

(André Barth, AfD: Die Hemmschwelle ist da!)

Zum anderen halte ich die Hemmschwelle bei der Straßensammlung – einem Wildfremden quasi meine Meldeanschrift zu hinterlegen – für weit, weit größer, als es einem Kommunalbediensteten zu geben. Was Sie hier machen, hinkt nach meinem Dafürhalten dann doch in großer Art und Weise.

Somit bleibt die Feststellung: gut gemeint, schlecht gemacht – und damit abgelehnt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN – Carsten Hütter, AfD: Die Meldeadresse können Sie überall ablesen!)

Die Rederunde beschloss Kollege Lippmann für die Fraktion GRÜNE. Möchte die einbringende Fraktion eine zweite Rederunde eröffnen, Herr Kollege Barth? – Das ist nicht der Fall. Gibt es überhaupt noch Redebedarf aus den Fraktionen? – Kann ich auch nicht erkennen. Damit ergreift jetzt die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Ulbig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD will die Straßensammlung für Unterstützungsunterschriften einführen. Vorgesehen ist: Ein Wahlvorschlagsträger soll dem Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses anzeigen, dass er einen Wahlvorschlag aufgestellt hat. Der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses soll dann die mit dem Namen des Wahlvorschlages versehenen,

unterschriebenen und gesiegelten Formblätter für jeweils eine Unterstützungsunterschrift zur Verfügung stellen, und zwar in der erforderlichen Anzahl. Die Gemeinde hat anschließend jeweils die Wahlberechtigung des Unterschriftsleistenden zu bescheinigen. Das hört sich nicht nur kompliziert an, Herr Barth, das ist es auch.

Wenn man sich die zugelassenen Wahlvorschläge der jüngsten Wahlen ansieht, kann wohl kaum behauptet werden, dass sich unser bisheriges Verfahren nicht bewährt habe. Sie können natürlich die anderen Parteien als „Alt- und Konsensparteien“ beschimpfen;

(André Barth, AfD: Bezeichnen!)

aber dass sie sich angeblich Konkurrenz vom Halse halten würden, ist falsch. Das Gegenteil ist korrekt! Die Zahl der zugelassenen Wahlvorschlagsträger zeigt: Gerade im kommunalen Bereich gibt es eine breit gestreute Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich jenseits parteipolitischer Bindungen lokal zu engagieren. Trotzdem – oder gerade deshalb – gibt es das berechtigte Interesse, dass nur solche Wahlvorschläge zur Wahl zugelassen werden, die eine gewisse Ernsthaftigkeit und Kompetenz erkennen lassen. Diese Ernsthaftigkeit wird seit vielen Jahrzehnten durch die Leistung von Unterstützungsunterschriften nachgewiesen.

Deswegen will ich noch einmal auf das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes – übrigens schon aus dem Jahr 1994 – zu dieser Sache verweisen. Er hat festgestellt, dass dieses Verfahren sachgerecht sowie durchaus geeignet und erforderlich ist, um Manipulationen oder Täuschungen zu unterbinden.

Aus diesem Grund empfiehlt die Staatsregierung, den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Staatsminister Ulbig war das gerade für die Staatsregierung.

Meine Damen und Herren! Da auch hierzu der Ausschuss Ablehnung empfohlen hat, ist die Grundlage für unsere Abstimmung der Gesetzentwurf. Entsprechend § 46 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise zu beraten und abzustimmen. Wenn es keinen Widerspruch gibt, dann verfahren wir so.