Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Einer Wirtschaftlichkeitsstudie zufolge werden durch den Länderzusammenschluss in diesem Zeitraum Einsparungen in Höhe von fast 11 Millionen Euro erzielt. Für Sachsen wären das etwa 2,9 Millionen Euro aufgrund der

Einsparungen bei Investitionen, Betriebs- und Personalkosten. Ich verweise an dieser Stelle auf die Frage der Verfügbarkeit von entsprechenden IT-Spezialisten.

Ich möchte abschließend zusammenfassen. Wir reden über ein Instrument, das länderübergreifend die Telekommunikationsüberwachung begleiten soll, und zwar ohne Kompetenzabgabe und ohne Zugriffe auf andere Länderdaten. Es handelt sich um eine ausschließliche Steuerungs- und Servicestelle, die entsprechend den datenschutzrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden soll. Wir halten das Vorhaben für sinnvoll und zielorientiert. Wichtig ist die Feinplanung. Ich würde darauf in unserem Entschließungsantrag in der zweiten Runde eingehen. Ich bitte Sie um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Markus Ulbig)

Die erste Runde begann mit der CDU-Fraktion. Kollege Hartmann hat gesprochen. Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Kollege Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten das Zustimmungsgesetz zum GKDZ-Staatsvertrag – um es kurz zu machen –, mit dem der Rechtsrahmen für die logistische und technische Zusammenführung der Datenverarbeitung der fünf beteiligten Länder aus TKÜMaßnahmen gewonnener Daten geschaffen werden soll.

Dabei reiht sich dieser Sachverhalt in den Gesamtprozess der voranschreitenden Digitalisierung weiter Lebensbereiche ein. Nur schlaglichtartig seien an dieser Stelle neben Internet 4.0 und Wirtschaft 4.0, was man so allenthalben hört, die Digitalisierung bei der Datenverarbeitung und -erhebung im Bereich polizeilicher Gefahrenabwehr sowie die Bestrebungen der weitergehenden Vereinheitlichung und Interoperabilität polizeilicher Datensysteme genannt, jüngst wie die 207. Sitzung der Innenministerkonferenz dies offenbar vereinbart hat. Hierzu sei nur die Harmonisierung der IT-Vorgangsbearbeitungssysteme und das einheitliche Datenhaus genannt.

Mit diesen Bestrebungen wird Entwicklungen im Bereich von E-Government, E-Codex, E-Justice, E-Court und EEvidence entsprochen, wie sie wesentlich durch Initiativen auf EU-Ebene zur Harmonisierung von technischen Standards zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und zur Herstellung von Interoperabilität der ITK-Großsysteme im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wie auch für den nahtlosen operativen Datenaustausch in der grenzüberschreitenden Strafverfolgung zukünftig, zum Beispiel gestützt auf die elektronische Strafakte und ECodex und in rechtlicher Hinsicht die europäische Ermittlungsanordnung, vorangetrieben werden.

Mit anderen Worten – wir sprechen hier eben nicht schlechthin über ein technisches Projekt zwischen fünf deutschen Bundesländern, nein, es geht um einen weite

ren Baustein in einem komplexen europaweiten Gesamtsystem der Digitalisierung im Bereich der inneren Sicherheit und der Justiz.

Der Entschließungsantrag der Koalition spricht diesen Hintergrund unverhohlen an. Wir haben uns bereits im Europaausschuss mit entsprechenden Entwicklungen auf EU-Ebene befasst, so zum Verordnungsentwurf der EUKommission über die Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Zur Überraschung sowohl der Koalition als auch der Staatsregierung wies der Vertreter des Sächsischen Datenschutzbeauftragten ausdrücklich darauf hin, dass es bei den sich abzeichnenden und in Entwicklung begriffenen Veränderungen hinsichtlich solcher Großdatensysteme und der Übermittlung von Daten aus den integrierten Vorgangsbearbeitungssystemen über Inpol zu Europol dem Freistaat Sachsen sehr wohl zu Gesicht stünde, Subsidiaritätsbedenken anzumelden, und dies ausdrücklich zum Schutz der Datenschutzrechte aus Artikel 33 der Sächsischen Verfassung. Bitte bedenken Sie diesen Rahmen mit, wenn Sie über GKDZ und andere Teilaspekte der Digitalisierung sprechen.

Die analoge Welt der Ermittlungsarbeit in diesem Bereich ist weitgehend Vergangenheit. Damit einher geht eine völlig neue Dimension im Verhältnis von Ermittlungsbehörden und Datenverarbeitung einerseits und Beteiligten im Strafverfahren andererseits. Die strikte Trennung von Erhebung und Verarbeitung der Daten sowie des hoheitlichen Umgangs und der Analyse gerät in Gefahr und wird in der Trias aus Datenerhebung und -verarbeitung, Informationsgenerierung und Wissensgewinnung in Richtung der Datenerhebung und -verarbeitung verschoben, was mit einer deutlichen Kompetenzverschiebung verbunden ist. Zugleich gerät die Subjektfunktion der Entscheidungsträger deutlich in Gefahr.

Die uneingeschränkte Nachweisführung der Authentizität und Integrität der erhobenen Daten ist nicht mehr ohne Weiteres transparent möglich und erfordert eine umfassende Befähigung der Beteiligten sowie entsprechende technische und solche rechtlichen Vorkehrungen, die allen zum Beispiel am Strafverfahren Beteiligten die Authentizitäts- und Integritätsprüfung ermöglicht.

Dieser tiefgreifende Wandel erfordert einen transparenten und demokratisch legitimierten Gestaltungsprozess, durch den an allererster Stelle die Grundrechte gesichert und gestärkt werden müssen, durch den die Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger, der staatlichen Behörden, der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden für diese gravierenden Wandlungen im Zuge der Digitalisierung entwickelt werden können und der für die öffentliche Kontrolle und die privaten Kontrollinteressen nicht nur die parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte stärkt, sondern auch die Datenschutzstellen, den Landesdatenschutzbeauftragten mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und die nach Datenschutzgrundverordnung zuständigen Stellen nicht nur rechtlich, sondern finanziell,

personell und von der Befähigung her in die Lage versetzt, die datenschutzrechtlichen Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen und der gegebenenfalls von solchen TKÜ-Maßnahmen Betroffenen umfassend und sachgerecht ohne erforderliche Vorbereitung und Zuarbeiten der Behörden zu wahren und Missbrauch und Fehlhandlungen aufdecken zu können.

Das Gesetz fordert allerdings von uns den Persilschein für die zur tatsächlichen Ausgestaltung des GKDZ noch zu erarbeitenden Konzepte und Verordnungen ein, so zu Feinkonzept, Satzung, Geschäftsordnung und Benutzerordnung.

Allein der Umstand – das sei auch gesagt –, dass die zur Anhörung geladenen Vertreterinnen und Vertreter aus den Fachabteilungen der Innenministerien der am Staatsvertrag beteiligten Nachbarländer erhebliche Zweifel von Abgeordneten dieses Hohen Hauses an einzelnen ihrer Aussagen in der öffentlichen Anhörung bzw. im geheimen Teil der Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, bestätigen mussten, zeigt, dass einerseits hinsichtlich der Verfahrensabläufe im GKDZ selbst der Öffentlichkeit und den Mitgliedern des Hohen Hauses bei Weitem nicht alles offengelegt wird und andererseits wohl deutlich mehr Fähigkeiten mit dem GKDZ verbunden sein werden, als uns die Staatsregierung mit ihrer Darstellung glauben machen will.

Außerdem sehen wir den Bestimmtheitsgrundsatz hinsichtlich der Aufgabenzuweisung für die Verarbeitung gemäß § 100 a ff. StPO erhobener Daten nicht als gewahrt an. Schließlich reicht es weit über die reine TKÜ bis zur Online-Durchsuchung, gegebenenfalls bis zur OnlineBeschlagnahme.

Fazit: Es geht um nichts weniger als darum, als Gesetzgeber darüber zu entscheiden, ob die künftige digitale Gesellschaft im Bereich der sogenannten inneren Sicherheit und der Justiz demokratie- und rechtsstaatsfähig ist. Das heißt, wir müssen einen Prozess nicht von analog nach digital denken, sondern von den tief greifenden Veränderungen her und dafür die entsprechenden Rechtsrahmen schaffen. Aus diesem Grunde werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Kollege Bartl wird weiter vertiefen.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir führen die zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Staatsvertrag über die Errichtung eines gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums der Polizeien der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf dem Gebiet der polizeilichen TKÜ durch.

Wir sprechen über dieses kompliziert klingende Konstrukt schon eine ganze Weile im Rahmen der Ausschussbefas

sung. Ich denke, es ist wichtig zu klären, was dort eigentlich passiert.

Wenn man einigen Äußerungen in der Öffentlichkeit Glauben schenkt, dann wird aus dem Nichts plötzlich der Überwachungsstaat geschaffen. In ähnlicher Richtung hat gerade auch der Kollege Stange argumentiert. Aber ist es wirklich so? Das ist die Frage.

Meine Damen und Herren, im deutschen Strafrecht und zunehmend auch im Polizeirecht des Bundes und der Länder ist Telekommunikationsüberwachung seit Längerem Realität. Ich denke, es bezweifelt auch niemand mehr, dass grundsätzlich zur Bekämpfung mittlerer und schwerer Kriminalität TKÜ notwendig ist, insbesondere wenn es um die Aufdeckung krimineller Strukturen geht.

Realität ist auch seit 60 Jahren, in Ostdeutschland seit 27 Jahren, dass Polizei Ländersache ist. Das bedeutet, jedes Bundesland ist selbst verantwortlich für die Durchführung der Telekommunikationsüberwachung. Das reicht von den Strukturen bis zu konkreten Regelungen in der Justiz und bei der Polizei.

Bei der Polizei gehören ebenso ausreichend befähigte Sachbearbeiter in der Kripo dazu wie die notwendige technische Sicherstellung, in Sachsen die TKÜ-Stelle. Sie wird in jedem Bundesland vorgehalten.

Was soll nun im gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrum passieren? – Die Länder der Sicherheitskooperation Ost wollen künftig diese technischen Dienstleistungen für die Telekommunikationsüberwachung gemeinsam in einer Einrichtung durchführen lassen, um insgesamt effizienter zu arbeiten und um Kosten einzusparen. Ich kann das gut nachvollziehen. Schließlich stehen angesichts der zunehmend digitalisierten Welt alle Länder vor sehr großen notwendigen Investitionen im Bereich der polizeilichen IT.

Ich halte gerade in diesem Bereich eine Kooperation zwischen den Bundesländern nicht nur für sinnvoll, sondern fast schon für zwingend; denn sonst werden uns auf absehbare Zeit die Kosten aus dem Ruder laufen – Geld, welches wir dringend in anderen Bereichen polizeilicher Ausrüstung oder für Personal benötigen.

Vielleicht eine kurze Anmerkung zu dem Beitrag von Herrn Stange gerade. Die Globalisierung und auch die Digitalisierung der Welt sind ein Fakt. Das trifft auf die Gesellschaft genauso wie auf Behörden zu, ebenso auf die Ermittlungsbehörden. Unabhängig davon, ob es zu dieser Kooperation kommt oder nicht, muss sich Sachsen dieser Problematik stellen und dafür sorgen, dass auch die Polizei und die Justiz mit den Entwicklungen in der Gesellschaft Schritt halten kann, ob wir das sozusagen von den Kosten her wollen oder nicht.

Wenn wir wollen, dass die Polizei in diesem Bereich effektiv arbeitet, dann müssen wir diese Entwicklungen nachvollziehen, und dann doch lieber so, dass wir es gemeinsam mit anderen Ländern machen, um etwas kostensparender zu arbeiten.

So richtig verstehe ich die Aufregung rund um das GKDZ auch nicht. Es ist längst nicht das erste Kooperationsprojekt dieser Art. Ich erinnere an das Überwachungszentrum Nord, eine Kooperation der norddeutschen Bundesländer, die vor einem Jahr geschlossen wurde, mit dem Unterschied, dass es in diesem Fall keine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist, sondern eine Organisationseinheit beim LKA Niedersachsen.

Die Anstalt öffentlichen Rechts wurde hier im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss als großer Pluspunkt der Regelung hervorgehoben, weil wir mit der Anstalt öffentlichen Rechts natürlich viel besser eine Kontrolle bewerkstelligen können.

Nun wird unterstellt, dass durch das Überwachungszentrum Unmengen zusätzlicher Grundrechtseingriffe im Bereich der TKÜ entstehen würden. Ich frage mich, ob die Kritiker überhaupt wissen, wie die TKÜ auch jetzt schon konkret abläuft.

Die Grundrechtseingriffe entstehen noch nicht bei der technischen Umsetzung. Die Grundrechtseingriffe werden begründet durch einen polizeilichen Sachbearbeiter, der einen entsprechenden Antrag an die Staatsanwaltschaft richtet, durch die Staatsanwaltschaft, die diesen Antrag gegebenenfalls ändert und an den Ermittlungsrichter weitergibt,

(Staatsminister Markus Ulbig: Richtig!)

und schließlich durch den Ermittlungsrichter, der die entsprechenden Anordnungen trifft.

Diese Entscheidungen in den Ländern begründen jetzt schon die Grundrechtseingriffe und werden es weiter tun. Die technische Umsetzung erfolgt jetzt in den TKÜStellen der Länder, bald im Kompetenz- und Dienstleistungszentrum. Es setzt die Beschlüsse lediglich technisch um. Das Zentrum wird keine eigenständige Befugnis bekommen und keine hoheitlichen Aufgaben.

Länderpolizeien und Staatsanwaltschaften bleiben weiterhin für die Fallbearbeitung zur Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung zuständig. Grundlegende polizeifachliche Entscheidungen zur Telekommunikationsüberwachung verbleiben in den Polizeien der Länder.

Woher die gegensätzliche Sichtweise der Kritiker kommt, kann ich vor diesem Hintergrund überhaupt nicht nachvollziehen.

Es wird weiter kritisiert, dass in dem Staatsvertrag zwischen den beteiligten Ländern, welchen wir heute ratifizieren wollen, nicht alle notwendigen Fragen geregelt seien. Diese Feststellung ist zunächst einmal richtig. Ich sage aber, es sind zum jetzigen Zeitpunkt alle notwendigen Fragen geregelt. Schließlich muss erst einmal zwischen den beteiligten Ländern die Grundfrage des Ob im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Struktur geregelt werden, bevor jedes Detail ausgearbeitet wird.

Noch einmal, liebe Kollegen Stange und Lippmann: Polizei ist Ländersache.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE – Klaus Bartl, DIE LINKE: Auch grundrechtsrelevant!)

Man kann nicht einfach so eine solche Anstalt feinplanen und erst dann die jeweiligen Landesparlamente beteiligen.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Es ist völlig richtig, in der jetzigen Reihenfolge: die Grundsatzentscheidung mit den Grundzügen

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Es ist keine Grundsatzentscheidung! Der Staatsvertrag regelt es genau! Sie haben von Gesetzgebung keine Ahnung!)

der Struktur dieser Anstalt und auf Basis der Beschlüsse in den Landesparlamenten, Herr Lippmann, dann die Feinplanung.

Was würden Sie schimpfen, wenn die Planungen, die Vorplanungen, in den Ländern schon viel tiefer gehend gewesen wären.