Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Was würden Sie schimpfen, wenn die Planungen, die Vorplanungen, in den Ländern schon viel tiefer gehend gewesen wären.

Sachsen ist übrigens das letzte Bundesland, in dem das Parlament noch zustimmen muss.

(Staatsminister Markus Ulbig: Richtig!)

Alle anderen Länder, die von unterschiedlichen politischen Parteien unter abwechselnder Beteiligung von CDU, LINKEN, GRÜNEN und SPD regiert werden, haben bereits zugestimmt. Wir sollten es heute auch tun.

Trotzdem ist doch spätestens seit der Anhörung im Innenausschuss klar, dass nach dem Grundsatzbeschluss im Rahmen der Feinplanung noch viele wichtige Fragen zu klären sind – natürlich! Erst dort können zum Beispiel die wesentlichen Vorgaben zu wichtigen Aspekten wie beispielsweise dem Sicherheitskonzept oder auch dem Zugriffsberechtigungskonzept erarbeitet werden.

Ich werde später noch auf einige Punkte eingehen, wenn wir über den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen sprechen.

Einen Punkt möchte ich jetzt aber schon hervorheben. Natürlich gibt es bei solch einem Vorhaben gerade den Datenschutz betreffend einiges zu klären.

Das war bereits bei der Erarbeitung der Grundlagen für den Staatsvertrag so, und wir alle haben im Innenausschuss gehört, dass bereits in dieser Phase alle Datenschützer der beteiligten Länder involviert waren. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat auf Anfrage im Innenausschuss erklärt, dass sämtliche seiner Forderungen für den Staatsvertrag erfüllt wurden. Natürlich müssen die Datenschützer gerade bei der nun folgenden Feinplanung weiter intensiv beteiligt werden. Dass es so kommt, daran habe ich persönlich keine Zweifel, und trotzdem werden wir es heute im Entschließungsantrag der Koalition schwarz auf weiß beschließen.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag steht zu dem Vorhaben eines Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums. Wir

werden dem Staatsvertrag zustimmen; wir machen aber auch deutlich, dass in Bezug auf Datenschutzstandards in der weiteren Umsetzung, insbesondere in der Feinplanung, noch viel zu beachten ist – doch dazu näher in der Debatte zum Entschließungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Markus Ulbig)

Nun für die AfD Herr Hütter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion unterstützt selbstverständlich eine effiziente und bedarfsgerechte Telekommunikationsüberwachungspraxis. Dementsprechend stehen wir auch einer Kooperation von mehreren Ländern im Bereich der TKÜ grundsätzlich offen gegenüber. Meine Fraktion teilt in dieser Hinsicht das Grundanliegen des Staatsvertrages.

Wenn man aber wirklich effizient und effektiver arbeiten will, müsste es tatsächlich eine einzige TKÜ-Stelle geben – vorgesehen sind aber vielmehr fünf Stellen unter einem Dach –; denn auch nach Einrichtung des GKDZ verbleibt ein Großteil der Aufgaben bei den einzelnen TKÜ-Stellen der Länder. Ich gehe also davon aus, dass es kaum Einsparungen geben wird. Die Personaleinsparungen sind ohnehin auf nur sechs Personen vorgesehen. Hier ist es sehr wahrscheinlich, dass die Einsparung auf der Leitungsebene stattfinden soll. Aus der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ergibt sich jedoch, dass die Verfahren komplexer werden, sodass neues Personal höher qualifiziert sein muss als das bereits vorhandene. Wirklich sparen wird man also nicht können.

Überhaupt kam bei meiner Fraktion der Eindruck auf, dass es sich bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung bzw. bei dem Wirtschaftlichkeitsgutachten zum GKDZ um ein Gefälligkeitswerk handelte: Es ist in sich teils widersprüchlich, teils unklar; es kommt aber dennoch das gewünschte Ergebnis heraus. Das kennen wir von Gutachten in anderen Bereichen zu Genüge: Kosten werden kleingerechnet, Zeithorizonte werden zu kurz gefasst, und die Risiken werden außer Acht gelassen. Am Ende heißt es dann häufig, dass man es nicht besser wissen konnte, da die Prognosen lediglich auf Schätzungen basierten.

Werte Damen und Herren, das Gutachten zum vorliegenden Projekt atmet genau diesen Geist. Ich gehe von erheblichen Mehrausgaben für die Anstalt aus. Dies hat zur Folge, dass die Länder in Zukunft zusätzliche Mittel bereitstellen müssen, auch in Sachsen. Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit sähen hier anders aus.

Auch inhaltlich bleiben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf viele Fragen offen. Zum Teil wichtige Aspekte werden nicht geregelt, sondern bleiben der sogenannten Feinplanung überlassen. Eine Zustimmung zum Gesetz zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Zustimmung ins Blaue hinein.

Wesentliche Kritikpunkte der Sachverständigen konnten nicht ausgeräumt werden. Der Staatsvertrag ist und bleibt nebulös, was das Verhältnis zwischen Polizeianstalt und TKÜ-Betreiber angeht. Der Hauptstandort des GKDZ wird in Sachsen sein. Ein Informationsfreiheitsgesetz fehlt hier aber. In dem Gesetz wiederum fehlen klare Regelungen, wie tief greifend die TKÜ betrieben werden darf. Wie verhält es sich beispielsweise mit der QuellenTKÜ? Ein juristischer Streit darüber, was das GKDZ in Zukunft alles darf, ist schon jetzt absehbar.

Es ist weiterhin unklar, ob es Probleme bei der Löschung und bei der Speicherung von Daten geben wird. Ebenfalls ist unklar, wie die Trennung von Daten im Einzelnen bewerkstelligt werden wird. Es kann einfach nicht sein, dass grundsätzliche Fragen auf die Zukunft verlagert werden, und es kann auch nicht angehen, dass wir Abgeordneten hier nach dem Motto „Friss oder stirb“ vor die Wahl gestellt werden. In der Sachverständigenanhörung wurde an einer Stelle sinngemäß aufgeführt, dass man jetzt ohnehin nur zwei Möglichkeiten habe, nämlich den Staatsvertrag gänzlich mitzutragen oder ihn abzulehnen, denn einwirken könne man nicht mehr wirklich. Für eine Ablehnung sei es denn zu spät, da die Anstalt nun einmal politisch schon abgenickt sei. Die anderen vier Länder – Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen – hätten ja schließlich auch schon zugestimmt.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Abgeordneten hier quasi vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Meine Fraktion kann dem vorliegenden Gesetzentwurf nach der Gesamtbetrachtung deshalb nicht zustimmen. Wegen der an sich richtigen Stoßrichtung des Projektes allerdings werden wir ihn aber auch nicht ablehnen, sondern uns enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion die GRÜNE Herr Lippmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein Innenminister vor laufenden Kameras einen Staatsvertrag unterzeichnet, der noch nicht fertig ausgehandelt ist, und den Akt dann wenige Monate später noch einmal klammheimlich nachholen muss, dann kann man das bestenfalls als hochnotpeinlich abtun. Wenn es dabei um mittelbare Eingriffe in unsere Bürgerrechte geht und es ein Innenminister offensichtlich kaum noch erwarten konnte, der Erste zu sein, der den Startschuss in eine neue Ägide der Überwachung gibt, ist das nicht weniger als der Beweis, dass Unionsinnenminister selbst für banale Medientermine bereit sind, unsere Grundrechte zur Disposition zu stellen. Aber das ist ja auch nicht verwunderlich. Von Anfang an hat das Innenministerium alles dafür getan, um selbst den gutgläubigsten Oppositionspolitiker in diesem Hause davon abzubringen, der Zusammenlegung der TKÜ-Strukturen von fünf Bundesländern auch nur ein Positivum abgewinnen zu können.

Die gesamte Planung und Umsetzung dieses Vorhabens war an Intransparenz nicht zu überbieten. Obwohl Sie dem Hohen Hause bereits im Frühjahr 2015 und dann noch einmal Ende des letzten Jahres die Kosten, für Sachsen immerhin 4,2 Millionen Euro für die Planung und Errichtung dieses Überwachungszentrums in Rechnung gestellt haben, haben Sie, Herr geschäftsführender Innenminister, selbst dann noch gemauert und geschwiegen, als in anderen Landtagen der Staatsvertragsentwurf bereits coram publico verhandelt wurde.

Seit Februar 2015, seit das Projekt im Haushaltsplan als Rechen- und Dienstleistungszentrum auftauchte, haben wir GRÜNE für Transparenz in diesem Verfahren gestritten. Wir haben mit vielen Kleinen Anfragen, mit Änderungsanträgen zum Haushalt und sogar einem Antrag hier im Plenum dafür gekämpft. Zweieinhalb Jahre lang haben Sie, Herr Innenminister, uns nur diejenigen Informationen gegeben, die bereits an die Öffentlichkeit gelangt waren. Schon allein diese bodenlose Frechheit im Umgang mit dem Hohen Hause macht den Staatsvertrag für uns nicht zustimmungsfähig.

Bei dem jetzt auf dem Tisch liegenden Ergebnis wird aber auch jedem klar, warum Sie den Staatsvertrag möglichst lange verheimlichen wollten. Das gesamte gemeinsame Telekommunikationsüberwachungszentrum ist das wohl größte Projekt der Sicherheitskooperation der vier OstLänder und Berlins. Es ist aber wahrscheinlich auch die größte Wundertüte, die dieser Landtag je verabschiedet hat. In einem der sensibelsten Grundrechtseingriffe werden wesentliche Entscheidungen in eine Satzung, eine Geschäftsordnung, ein Verwaltungsabkommen, eine

Benutzungsordnung und in weitere Feinplanung delegiert, die wir heute allesamt nicht vorliegen haben. Der Staatsvertrag widerspricht damit in eklatanter Weise dem Bestimmtheitsgrundsatz, wonach der parlamentarische Gesetzgeber Eingriffsregelungen und wesentliche Entscheidungen selbst treffen oder doch zumindest inhaltlich vorformen muss. So etwas ist nach unserer Auffassung schlicht verfassungswidrig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Eine Koalition, die bei der Umsetzung von Telekommunikationsüberwachung, einem der schwersten Grundrechtseingriffe, die Katze im Sack kaufen will und sich in blinder Vasallentreue zur Staatsregierung ergibt, stellt nichts weiter als eine massive Gefahr für die Bürgerrechte im Freistaat Sachsen dar. Dazu passt dann auch, dass es innerhalb des Staatsvertrages gleich mehrere Regelungen gibt, bei denen man sich nicht ganz sicher ist, ob es schlichter Murks oder dann doch üble Dreistigkeit ist.

In § 4 Abs. 1 wird pauschal auf die §§ 100 a ff. StPO verwiesen, wenn es heißt, dass die Länder die Anstalt im Wege der Auftragsdatenverarbeitung zur Telekommunikationsüberwachung nach der StPO nutzen – eine Formulierung, die viel zu weit geht und somit auch die OnlineDurchsuchung umfasst. Klar, man kann das verfassungs

konform auslegen; das muss man aber am Ende auch wollen.

Gleiches gilt für die in § 4 Abs. 2 gewählte Formulierung, wonach das Überwachungszentrum die Polizeien und Länder unterstützt und berät, wobei darunter die Entwicklung des Staatstrojaners genauso fällt wie die KryptoForschung, der Ankauf sogenannter Sicherheitslücken oder möglicherweise dann auch der Export sogenannter Best-Practice-Beispiele in Sachen Ermittlungsexzesse aus Sachsen, etwa gegen die linke Szene.

Der Staatsvertrag bietet nach Auffassung der GRÜNEN zudem keine ausreichende Gewähr der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 GG, für das Grundrecht auf internationale Selbstbestimmung und auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Ob die versprochene Trennung der Daten in den jeweiligen Ländern technisch umgesetzt wird, wissen wir mangels vorhandener Feinplanung nicht. Wie der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung gewährleistet wird, etwa durch Unterbrechung der Überwachung, wissen wir nicht. Wie der Protokollierungspflicht der JL-Richtlinie der EU nachgekommen wird, wissen wir nicht, und wer die Fachaufsicht über die zu errichtende Anstalt hat, ist bestenfalls ungeklärt.

Mit Verlaub, das ist hier nicht die Befragung des Orakels von Delphi, sondern sensibelste Gesetzgebung. Wir sind es als Grundrechtsträger den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen schuldig, derartige Unterfangen zu unterlassen, wenn sich mit jeder vermeintlichen Antwort drei neue Fragen auftun.

Am Ende muss zumindest die Kostenfrage auch den härtesten Ignoranten von Grundrechten beschäftigen. Die Errichtung dieses Überwachungszentrums soll aus einer Wirtschaftlichkeitsüberprüfung aus dem Jahr 2013, teilweise basierend auf Kostenansätzen aus dem Jahr 2012, 15,8 Millionen Euro Investitionskosten betragen. Ich prognostiziere schon heute, dass diese Summe nicht ausreichen wird. Die Einsparung von Personal und weiterer Investitionskosten wird zudem auf absehbare Zeit die Investition in das gesamte Zentrum nicht amortisieren. Ich nehme überdies gern Wetten an, ob am Ende der Berliner Flughafen oder dieses Rechenzentrum eher eröffnet werden wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen, was ich vorhin als Wundertüte bezeichnet habe, ist ein Staatsvertrag, mit dem Sie die Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern bündeln. Hier geht es um nichts anderes als um die technische Umsetzung schwerer Eingriffe in Grundrechte. Mit der Zustimmung zu diesem Staatsvertrag delegieren Sie jegliche Verantwortlichkeit in eine Anstalt, die Sie parlamentarisch nicht einmal mehr hinreichend kontrollieren können. Für derartiges Bürgerrechtsharakiri stehen wir als GRÜNE nicht zur Verfügung und lehnen den Staatsvertrag daher ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Hartmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lippmann, ich werde jetzt versuchen, nicht zu missionieren. Das wäre wahrscheinlich auch ein untauglicher Versuch.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ja! – Carsten Hütter, AfD: Das dauert auch zu lange!)

Es sei Ihnen Ihre Sichtweise gestattet, und es ist wichtig, dass es unterschiedliche Positionen gibt. Aber eines sei dann doch angemerkt: Erstens. Wir halten Ihre Kritik am Staatsminister des Innern in der vorgetragenen Form weder für richtig noch für angemessen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ich glaube, dass dieser Prozess zwischen fünf Bundesländern sehr verantwortungsvoll begleitet wurde. Die Frage von Informationen ist auch immer eine Frage von Sachständen und Abstimmungen. Das Zweite: Ich kann zumindest für uns nicht erkennen – es sei Ihnen Ihre eigene subjektive Sichtweise gerne gegeben –, dass wir einer Staatsgläubigkeit hinterherlaufen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Doch! Doch!)

Wir sind Teil der die Staatsregierung tragenden Fraktionen, und im Kern teilen wir das Anliegen durchaus, effizientere Strukturen für den technischen Umsetzungsbereich zu schaffen. Natürlich können wir die Diskussionen jetzt in Richtung einer Bedrohung des Datenschutzrechtes und einer Generalüberwachung führen, wir können jede Fantasie eines James-Bond- oder Agentenfilmes bedienen oder uns auf das konzentrieren, was Kern des Themas ist: eine technische Umsetzungskomponente.

Möglicherweise ist es in der Tat so, dass wir die Kostenentwicklung, Kostenfragen, Netzwerkentwicklung, ITEntwicklung, Personalkostenentwicklung im laufenden Prozess an der einen oder anderen Stelle konkretisieren könnten. Das will ich nicht ausschließen. Was ich aber sicher weiß, ist, dass allein bei einer rein sächsischen Landeslösung ähnliche Entwicklungen und Fragestellungen zweifelsohne ebenso auftreten würden. Wir reden nicht über die Erweiterung von Kompetenzen, Zugriffsbereichen, neuen Rechtsinhalten, Überwachungsoptionen und -möglichkeiten. Wir reden im Rahmen des bestehenden Rechtsrahmens über die banale Fragestellung: Möchten alle fünf Länder für sich eine solche Lösung organisieren, ein solches Zentrum schaffen, oder gibt es einen Ansatz, dass wir an einer Stelle zentral diese Steuerungsfunktion, den Dienstleister zusammenfassen? Neben Kostenfragen ist es eindeutig auch die Fragestellung, wie viele IT-Spezialisten wir in der nächsten Zeit generieren werden.

Wir als CDU-Fraktion meinen – und wir teilen die Auffassung der Staatsregierung –, dass es mehr als sinnfällig ist, die technische Komponente gemeinsam zu lösen.

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)