Meine Damen und Herren, jetzt kann die Staatsregierung natürlich ankündigen – und das tut sie auch –, möglichst großen politischen Druck auf Siemens aufzubauen, um die Arbeitsplätze hier zu erhalten und zumindest irgendwie sozial verträglich abzufedern. Dieser Druck ist nicht mehr als ein lauwarmes Lüftchen. Da kann man nur sagen: willkommen im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts! Es gibt keine Druckmittel. Oder wollen Sie an das gute Gewissen großer Konzerne appellieren? – Erfolgswahrscheinlichkeit verschwindend gering.
Evaluieren Sie stattdessen die Sanktionskollateralschäden der Bundesrepublik für Sachsen und gehen Sie auf Augenhöhe in Verhandlungen mit dem Bund, wenn weitere sächsische Interessen zur Disposition stehen. Verweisen Sie auf die ermittelten Schäden und holen Sie neue Investitionen und Investoren nach Sachsen!
Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache 6/8922 und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zwei Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Die Fraktionen können hierzu Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, Herr Abg. Günther von der Fraktion GRÜNE; danach folgen die CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, Herr Wild und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es geht in diesem Antrag um das seit 1996 bestehende Bergelager für historische Baustoffe und die seit 2002 bestehende Sammlung des Sächsischen Bauteilarchivs, die in Trebsen lagern, im Landkreis Leipzig, in einer alten Papierfabrik an der Mulde. Dieses Objekt ist bis zum Jahresende zu räumen und es gibt bis heute keine Perspektiven, wo diese Stoffe, die dort liegen, hingelangen sollen. Das heißt, es wird aufgelöst und die Bestände werden, wenn nichts passiert, in alle Winde zerstreut.
Ich bin eigentlich sehr erstaunt, warum wir heute hier über so einen Antrag debattieren müssen, weil das Thema wirklich nicht neu ist. Ich selbst bin mindestens seit dem Frühjahr an dem Thema dran und hatte es für eine Selbstverständlichkeit erachtet, dass sich der Freistaat hier einbringt.
Worüber reden wir überhaupt? Im gesamten Archiv lagerten ursprünglich – wie viele es heute sind, wissen wir nicht – über 25 000 Bauteile verschiedenster Bauepochen: Fenster, Türen, Dachziegel, Mauerziegel, Treppengeländer, Treppenteile, Bleiglasfenster, Portale, Werksteine, Parkett, Dielen, Säulen, Stuckelemente, Öfen – alles, was aus Gebäuden herausgebrochen werden kann; ich will gar nicht weiter aufzählen.
Im Bauteilarchiv lagern so prominente Dinge wie Bleiglasfenster des alten Reichsgerichts in Leipzig, Natursandsteine vom Sockel der Frauenkirche in Dresden, eine Renaissancebalkendecke aus Freiberg, Kristallleuchter und Fenster der Kapelle im Rathaus zu Zwickau, eine Wendeltreppe, gusseiserne Säulen vom alten Bahnhof Dresden-Neustadt, also wirklich nicht Allerweltsdinge. Eine Inventarliste finden Sie übrigens in der Antwort der Staatsregierung auf meine Kleine Anfrage, Drucksache 6/9244.
Der Träger dieses Archivs ist ein Verein, der Förderverein Rittergut Trebsen. Dieser Verein weiß bis heute nichts von irgendwelchen Bemühungen, wie es mit den Beständen dort weitergehen könnte.
Was dort gelagert ist, ist wirklich das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Man hat den Bestand katalogisiert. Vor allem hat
man versucht, ihn für die Nachwelt zu erhalten, zu retten. Das Ganze ist übrigens ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Privaten, Bürgerschaft und Staat. Ein privater Verein hat sich gegründet und hat gemeinsam mit den Denkmalbehörden, dem Landkreis und dem Freistaat zusammengearbeitet. Über Jahre hinweg hat man das Ganze dort aufgebaut. Viele Bestände, die dort lagern, sind das Ergebnis behördlicher Verfügungen, genauer: von Verwaltungsakten, die der Freistaat Sachsen über seine Denkmalbehörden einmal erlassen hat.
Ich zitiere aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage, die ich schon benannt habe. Darin heißt es, „dass die Denkmalschutzbehörden bei denkmalschutzrechtlichen Genehmigungen regelmäßig Auflagen in die Bescheide aufnehmen, die die Denkmaleigentümer verpflichten, im Einzelnen benannte Bauteile vor der Zerstörung oder Beseitigung des Kulturdenkmals zu bergen.“ Und weiter: „Im Laufe der letzten Jahre wurde daher eine Vielzahl an Bauteilen, die zu bergen waren, von den Eigentümern dem Bergelager Trebsen bzw. dem Sächsischen Bauteilarchiv zur Verfügung gestellt.“ Es ist also nicht allein Ergebnis privaten Zufalls, was dort alles hingekommen ist.
In dieses Objekt sind auch eine Reihe kaum bezifferbarer öffentlicher Gelder geflossen. Ab den Neunzigerjahren wurde es vor allem mit ABM-Mitteln, also über das Jobcenter, aufgebaut. Schon damals ist viel öffentliches Geld geflossen.
Auch Kulturraummittel sind zur Verfügung gestellt worden. Nach dem Hochwasser 2002 hat der Freistaat eine knappe Million Euro Fördermittel für die Hochwasserschadensbeseitigung dort hineingesteckt.
Vor allem hat über die Jahre eine Vielzahl behördlich angestellter Denkmalpfleger ihre Arbeitskraft dort hineinversenkt. Auch sie wurden die gesamte Zeit über bezahlt.
Im Übrigen möchte ich die Staatsregierung an ihre Antwort auf meine Kleine Anfrage erinnern. Aus dieser Antwort möchte ich jetzt zitieren. Die Staatsregierung hat damals noch festgestellt:
„Die Bestände sind als Zeugnisse vergangener Lebensweisen von kulturhistorischem Interesse. Darüber hinaus dokumentieren sie in besonderer Weise historische Handwerkstechniken und die Entwicklungsstufen von regionaltypischen Bauteilformen (Fenster und Türen). Vor
diesem Hintergrund entwickelte sich das Lager, unterstützt durch den Förderverein, auch zu einem Archiv verschiedener Bauteilformen, das zu Anschauungs- und Forschungszwecken Architekten, Ingenieuren, Restauratoren, Denkmalpflegern, Kunsthistorikern und Handwerkern sowie in zunehmendem Maße auch Schülern und Studenten zur Verfügung steht. Die wertvollen Einzelstücke werden in Übersichten erfasst, die das Landesamt für Denkmalpflege (LfD) in Zusammenarbeit mit dem Förderverein für Handwerk und Denkmalpflege e. V. Trebsen erstellt. Die Übersichten sind nicht abschließend.“
Ich finde, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass der Freistaat, wenn mit so viel Mühe und Engagement so etwas aufgebaut worden ist, sich jetzt darum kümmert, dass es für den Verein – der dort herausmuss, weil das Objekt hochwassergefährdet ist und weil Brandschutzauflagen einzuhalten sind, die der Eigentümer des Objekts einfach nicht umsetzen kann – einen Alternativstandort gibt. Ich weiß, dass es schon über verschiedene Standorte Diskussionen gab. Der Freistaat ist voll mit leer stehenden wertvollen Baudenkmalen, die dringend einer neuen Nutzung zugeführt werden müssen. Damit könnte man viele sinnvolle Aspekte zusammenbringen.
Wenn das alles nicht möglich ist, dann erwarte ich, dass wenigstens das Sächsische Bauteilarchiv durch den Freistaat übernommen wird. Es wundert mich wirklich enorm, wie die Staatsregierung sich verhält, wenn es ernst wird und nicht nur Kleine Anfragen gestellt werden. In ihrer Stellungnahme zu dem Antrag schreibt die Staatsregierung nämlich:
„Bei den Beständen des Bergelagers Trebsen und des Sächsischen Bauteilarchivs handelt es sich gleichwohl um private Sammlungen. Verantwortlich für den Erhalt der gesammelten Denkmalobjekte ist deren Eigentümer bzw. Besitzer …“
Als ob das eine reine Privatangelegenheit wäre! Tatsächlich besteht ein öffentliches Interesse. Dort sind erhebliche öffentliche Mittel hineingeflossen.
Weiter geht’s: „Dem Sächsischen Bauteilarchiv kommt danach keine zentrale Funktion für den Freistaat Sachsen zu.“
Am Ende ihrer Stellungnahme schreibt die Staatsregierung, ein Landesinteresse am Erwerb aller eingelagerten Denkmalfragmente oder an einer Trägerschaft über die Sammlung könne „nicht hergeleitet werden“. Ich verstehe nicht, wieso man es nicht herleiten kann. Das ist aus meiner Sicht ein Offenbarungseid! Hier geht es um unser sächsisches Kulturerbe, um unsere Geschichte, um unsere Identität, um unser kulturelles Gedächtnis, um unser kulturelles Bewusstsein. Letztlich geht es bei diesem Objekt auch um ein gewisses Bekenntnis zum ländlichen Raum, über den wir sonst so gern reden.
Es geht auch um die Bewahrung dessen, worin der Staat schon so viel investiert hat und was die Bürger mit ihrem Engagement seit 1996 bzw. 2002 dort aufgebaut haben. Deswegen hoffe ich, dass in diesem Landtag eine andere Stellungnahme zu hören ist, als ich sie – leider – von der Staatsregierung schriftlich bekommen habe, und dass wir die Zustimmung zu diesem Antrag bekommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lieber Herr Günther, ich werde versuchen, mich mit etwas weniger Emotion diesem ganzen Thema zu nähern. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert mit dem vorliegenden Antrag in letzter Konsequenz die vollständige Übernahme und Sicherung der Bestände des Bergelagers für historische Baustoffe und des Sächsischen Bauteilarchivs, welche sich bisher in der ehemaligen Papierfabrik Trebsen befinden.
Seit 1996 hat der Förderverein Rittergut Trebsen e. V., welcher sich 1992 gegründet hat, im Gebäude der ehemaligen Papierfabrik historische Baustoffe zusammengetragen. Diese sind häufig beim Abriss oder der Sanierung denkmalgeschützter Bausubstanz an anderen Orten im Freistaat Sachsen angefallen. Der Verein hat diese sichergestellt und versucht, ab 2002 auf der Basis der denkmalpflegerisch bedeutsamen Objekte ein Sächsisches Bauteilarchiv aufzubauen.
Die Vereinsmitglieder um ihren Vorsitzenden, Herrn Uwe Bielefeld, haben dabei Herausragendes geleistet, da sie sich mit großem Engagement dem Erhalt historischer Bausubstanz gewidmet haben. Der Verein hatte in seiner Arbeit aber auch Rückschläge zu verkraften; einige haben Sie schon genannt, Herr Günther.
Der Standort ist hochwassergefährdet. Das Augusthochwasser 2002 hat nicht nur dem Gebäude, sondern auch einem Teil der Bestände schweren Schaden zugefügt. Die beschädigte Gebäudesubstanz wurde mit Mitteln aus der VwV Infra zur Beseitigung von Hochwasserschäden bis 2005 wiederhergerichtet.