Prüfen Sie einfach mal, und Sie werden feststellen, dass mittlerweile Inhaltsversicherungen im grenznahen Raum in kleineren Orten deutlich höher sind als in den großen Städten. Das widerlegt alles, was Sie hier gesagt haben. Die Versicherungen schert es überhaupt nicht, was Sie hier in diesem Raum sagen. Die haben ihre eigenen Hochrechnungen, Statistiken und Schadensfälle. Mittlerweile ist es so, dass man Inhalt direkt am Grenzgebiet kaum mehr bezahlbar versichern kann. Oder es werden Auflagen erteilt, dass Sicherungen, Zäune gebaut und andere Anlagen eingebaut werden müssen, damit Sie überhaupt eine bezahlbare Versicherung bekommen. Das ist ein ganz anderer Aspekt, jenseits von jeglicher Statistik. Das ist einfach die Realität hier in diesem Land.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich habe von diesem Phänomen oder dieser Geschichte mit den Versicherungen noch nie gehört. Bei mir war noch kein Bürger – –
Ich würde Sie bitten, uns das einmal kundzutun, welche Versicherung das konkret war. Vielleicht haben Sie ein paar Fälle. Wenn Sie mir das schicken würden, wäre ich Ihnen dankbar. Man lernt ja immer noch dazu.
Jetzt kommen wir zum letzten Redner in der ersten Runde. Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Dr. Lippold.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2015 hatte der Bundestag beschlossen, den Einbruchschutz in Wohnungen und Häusern finanziell über die staatliche KfW-Bank zu unterstützen. Das Instrument wird gut angenommen und die Fördermittel wurden inzwischen für das Jahr 2017 auf 50 Millionen Euro aufgestockt. So etwas Ähnliches wie das, was Ihnen in Ihrem Antrag vorschwebt, gibt es also im Bereich privater Häuser und Wohnungen bereits bundesweit. Ich wiederhole: bundesweit, flächendeckend.
Darüber, ob auch eine flächendeckende Förderfähigkeit von kleinen Handwerks- und Gewerbebetrieben zur Vorbeugung von Kriminalitätsfolgen infrage kommt,
könnte und sollte man zumindest genauer nachdenken. Es könnte durchaus kosteneffizient sein, wenn man mehrere Maßnahmen – hier: mehr Polizeipräsenz mit unbürokratisch geförderter Hilfe zu geeigneter Selbsthilfe – kombinieren würde. Ich glaube auch nicht, dass die Instrumente, die die Staatsregierung genannt hat, schon der Weisheit letzter Schluss sind.
Doch es wäre ja kein AfD-Antrag, wenn Sie nicht wieder versuchen würden, einen noch so ernsthaften Ansatz irgendwie in den Kasten Ihres abgeschlossenen Weltbildes zu pressen. Regelmäßig wird es genau dann übel, weil die reale Welt mit ihrer ganzen Komplexität nun einmal nicht in Ihren Kasten passt.
Laut Titel Ihres Antrages wollen Sie Betriebe in besonders kriminalitätsbelasteten Regionen unterstützen. Es wurde hier schon gesagt: Dann hätte ich erwartet, dass Sie Unterstützung für die Betriebe in Leipzig, Dresden und Chemnitz fordern. Umso überraschter sieht man dann, dass Sie sich auf einen Streifen von nicht mehr als 30 Kilometern an der Bundesaußengrenze beschränken.
Ein Blick in die amtliche Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt – auch das wurde hier schon ausgeführt –, dass in diesen Landkreisen keineswegs eine überdurchschnittliche Kriminalität herrscht. Es gibt auch keinen Aufwärtstrend. Im Gegenteil: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der erfassten Fälle im Grenzbereich zur Tschechischen Republik und im Grenzbereich zur Republik Polen gesunken, und auch der Straftatenanfall ohne Berücksichtigung ausländerrechtlicher Verstöße, etwa gegen Aufenthaltsgesetz und Asylgesetz, ist in beiden Grenzbereichen rückläufig.
Aber eines Ihrer Identifikationsmerkmale ist ja die These, dass Fremdes gefährlich sei, Fremdes, das uns von draußen überflute. Also muss es über eine Außengrenze kommen. Folglich muss es ja genau dort besonders gefährlich sein. Deshalb ist es für Sie denknotwendig, eine Förderung zum Schutz vor Kriminalitätsauswirkungen auf diesen Bereich zu fokussieren. So überrascht das mit dem 30-Kilometer-Streifen an der Bundesaußengrenze dann eben doch nicht mehr. Dann erst macht das ja aus einem Gedanken, mit dem man sich hätte beschäftigen können, einen waschechten AfD-Antrag. Wir müssen wohl noch froh sein, dass Sie sich auf Ihrer Schlitterfahrt nach rechtsaußen einstweilen noch darauf beschränken, gegen die fremde Bedrohung in einem 30-KilometerStreifen nur anfördern zu wollen,
und noch nicht zur Überzeugung gekommen sind, dass eine drei Meter hohe Mauer möglicherweise billiger zu haben wäre, zumal es da durchaus noch ostdeutsche Erfahrungsträger gibt.
(André Barth, AfD: Wer alles in unsere Köpfe schauen kann, ist wirklich erstaunlich! Das sind alles Unterstellungen!)
Ein wenig ins Knie geschossen haben könnten Sie sich aber bereits mit diesem Antrag; denn ein Antrag, der gerade in Sachsen die Bundesaußengrenzen zu besonders kriminalitätsbelasteten Regionen erklärt, der meint ja dann wohl nicht die Grenzen zu Österreich, zur Schweiz oder zu Frankreich. Nein, er befasst sich mit Grenzen in jene Richtung, in der solche Potentaten wie Lukaschenko, Kaczynski oder Putin ihre von der AfD bewunderten Law-and-order-Systeme aufgebaut haben, wo aus AfDSicht also Recht und Ordnung herrschen und wo es auch keine Geflüchteten aus Nordafrika und dem Nahen Osten gibt.
Sich mit der monetären Ausgestaltung einer Förderrichtlinie in Ihrem Antrag eingehender zu befassen können wir uns leider sparen; denn all das ist Dekoration. Das eigentliche Ziel des Antrages ist es, Ihre eigenen Echokammern mit gefühlten Wahrheiten zu beschallen, die zwar wenig Bezug zur Realität haben, doch eines leisten: Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile befeuern. Und mit diesem Hauptziel Ihres abzulehnenden Antrages habe ich mich hinreichend beschäftigt.
Wir haben die erste Runde abgeschlossen und eröffnen jetzt eine weitere, denn die Forderung danach kam verschiedentlich. – Oh, Entschuldigung, ich sehe gerade, wir haben noch die fraktionslose Abgeordnete Frau Kersten, die auch noch in der ersten Rederunde zum Zug kommt. Bitte, Sie haben das Wort Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Die fraktionslosen Abgeordneten der blauen Partei unterstützen den vorliegenden Antrag in Verbindung mit dem Änderungsantrag der einreichenden Fraktion.
Die im Antrag enthaltene Forderung nach einem staatlichen Förderprogramm zur Unterstützung grenznah gelegener Unternehmen basiert auf einer aktuellen Sicherheitsbefragung im Handwerk im Landkreis Görlitz sowie auf mehrjährigen Umfragen der Handwerkskammern Dresden und Cottbus zur Sicherheitslage im grenznahen Raum.
Die Ergebnisse dieser Umfragen sind keine eigenwilligen Interpretationen irgendwelcher Zahlen und Daten. Ganz im Gegenteil: Die aus meiner Sicht repräsentative Umfrage zur Sicherheitslage im Landkreis Görlitz ist Teil eines gemeinsamen Präventionsprojektes so namhafter Partner wie des Landratsamts Görlitz, der Polizeidirektion Görlitz, der Hochschule der sächsischen Polizei sowie der Handwerkskammer Dresden.
Die in der Begründung zum Antrag genannten Einschätzungen, Aussagen, Daten und Zahlen finden sich fast eins zu eins in einer Zusammenfassung zu den Erkenntnissen des eben genannten Präventionsprojektes wieder. Das sind die Aussagen von Hunderten von Handwerksbetrieben, die wiederum auf deren eigenen Erfahrungen beruhen.
Ich gehe davon aus, dass Ihnen und auch dem Wirtschaftsministerium diese Papiere bekannt sind. Von daher erstaunt mich die Antwort der Staatsregierung. Ich empfinde sie sogar als überheblich.
Darin ist zu lesen, dass Daten zum Sicherheitsgefühl von Handwerksunternehmen abgefragt wurden. Das ist falsch. Es ging in dieser Studie nicht um Gefühle. Die Handwerksunternehmen wurden ganz konkret gefragt, ob und wie oft diese in den letzten Jahren Opfer von Eigentumsdelikten und wie hoch die jeweiligen Schadenssummen waren. Das sind nackte Zahlen, keine Gefühlsduselei. Aus dieser Befragung heraus erfolgte die Einschätzung zur Sicherheitslage durch die Studienerheber.
Weiter ist zu lesen, dass die Ergebnisse der Studie nur bedingt mit der aus der Kriminalstatistik ersichtlichen objektiven Sicherheitslage übereinstimmen. Das mag in Bezug auf die in der Kriminalstatistik erfassten Delikte zwar stimmen, aber wenn Sie die Studie gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass nur 58 % der betroffenen Unternehmen ihre erlittenen Straftaten überhaupt zur Anzeige brachten. Damit wird doch klar, dass die Kriminalstatistik nicht die objektive Sicherheitslage wiedergibt, sondern allenfalls als unvollständig zu bezeichnen ist.
Schlussendlich ist in der Stellungnahme der Staatsregierung zu lesen, dass die vorhandenen staatlichen Unterstützungsangebote ausreichen. Das tun sie eben nicht. Darüber hinaus werden die Unterstützungsangebote als Angebote im Bereich der Wirtschaftsförderung deklariert. Das ist doch purer Hohn – es sei denn, es sind die Unternehmen gemeint, die die Sicherheitstechnik an die Handwerksunternehmen verkaufen.
Die Situation in den grenznahen Räumen hat die Politik zu beantworten. Darüber sollten wir uns einmal klar werden. Die Sicherheitslage ist Ergebnis der offenen Grenzen. Offene Grenzen sind für jene, die hin- und herreisen, angenehm, ganz klar; aber wenn der Staat seiner ursächlichen Aufgabe, seine Grenzen zu kontrollieren und das Eigentum seiner Bürger zu sichern, nicht nachkommt, dann kann es doch nicht ausreichen, Beratungsangebote zu unterbreiten, die Sicherheitsdefizite bei den Unternehmen aufzeigen und in der Übergabe von Listen von Anbietern für Sicherheitstechnik bestehen.
Damit komme ich zum Schluss. Heute Morgen haben wir noch gehört, dass die Staatsregierung und die Regierungskoalition zuhören wollen – hier können Sie es tun.
Mit Kollegin Kersten haben wir jetzt die erste Runde beendet und eröffnen die nächste. Möchte die einbringende Fraktion noch einmal das Wort ergreifen? – Nicht. Dann ist die CDU-Fraktion an der Reihe; Kollege Hartmann, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Heidan mich angekündigt hat, glaube ich auch nach dem Verlauf der Debatte noch einiges sagen zu können.
Kriminalitätsbelastung in den Grenzregionen des Freistaates Sachsen: Die Grenzgemeinden entlang der sächsischen Außengrenze waren im Jahr 2016 – und das ist der Wahrheit ergänzend hinzuzufügen – durchschnittlich höher belastet als die Gesamtheit der sächsischen Gemeinden auch vergleichbarer Größen. Auf 100 000 Einwohner entfielen 2016 in den Grenzgemeinden durchschnittlich 6 457 allgemeine Straftaten. Nach Wegfall der stationären Grenzkontrollen – das gehört auch zur Wahrheit dazu – sank die allgemeine Kriminalität im Bereich der sächsischen Außengrenze unter ihren vorherigen Stand, wenn ich den Vergleich von 2007 zu 2016 heranziehe. Diese 16,1 % weniger Straftaten sind Ausdruck polizeilicher Maßnahmen und Handlungen vor Ort, sagen aber über die lokale Verteilung in der Tat erst einmal noch wenig aus.
Insoweit bedarf es eines Blickes auf die Kriminalitätsstruktur und die regionalen Unterschiede: An der Grenze zur Republik Polen traten 2016 Diebstähle unter erschwerenden Umständen, Erschleichung von Leistungen, Diebstähle von Fahrrädern bzw. Kraftwagen einschließlich des unbefugten Gebrauchs, Raubdelikte und Hehlerei von Kraftfahrzeugen auf. In Görlitz und Zittau wiederum waren es eher Ladendiebstähle. Die Anzahl der Kraftwagendiebstähle einschließlich des unbefugten Gebrauchs stieg in den letzten zehn Jahren um insgesamt 360 %: von 53 im Jahr 2007 auf 244 im Jahr 2016.
Nach den bisher vorliegenden Daten ist auch für 2017 von einer Zunahme erfasster Kraftwagendiebstähle in den Grenzgemeinden zur Republik Polen auszugehen. Auch das gehört die Wahrheit ergänzend dazu.
Im Grenzbereich zur Tschechischen Republik nahmen vor allem Rauschgiftdelikte, Kraftwagendiebstähle ein
schließlich des unbefugten Gebrauchs sowie Diebstähle in und aus Gaststätten, Kantinen, Hotels und Pensionen einen breiteren Raum ein als im Durchschnitt der sächsischen Gemeinden vergleichbarer Größenordnung.
Ursächlich für die unterschiedlichen regionalen Kriminalitätslagen dürften in erster Linie die nicht vergleichbaren Infrastrukturen der beiden Grenzregionen sein. So gehören unter anderem Zittau und Görlitz zum Grenzgebiet zur Republik Polen. Als größere Städte bieten sie wesentlich mehr Tatgelegenheitsstrukturen als viele kleine Dörfer entlang der bergigen Grenzen zur Tschechischen Repub
lik. Ferner führt mit der Bundesautobahn 4 eine der Haupttransitstraßen für in Europa entwendete Güter direkt durch dieses Gebiet in Richtung Osteuropa. Sämtliche diesbezüglichen Aufgriffe zählen, unabhängig davon, ob Schaden in Sachsen entstanden ist. Das heißt also, die Deliktbegehung kann sich auch außerhalb Sachsens abgespielt haben.
Das heißt also, wir haben ein durchaus ambivalentes Kriminalitätsgefüge. Insoweit lässt sich das Thema mit statistischen Angaben allein nicht bewerten. Insbesondere – das weiß jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt – ist neben objektiven Kriterien auch das subjektive Sicherheitsgefühl ein nicht unwesentliches, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Insoweit will ich es an einem Beispiel deutlich machen, das nichts mit der Grenzkriminalität zu tun hat. Wenn in der Neustadt in Dresden an der einen oder anderen Stelle eine Graffiti-Schmiererei festgestellt wird, dann ist die Aufregung relativ geringer, als wenn es beispielsweise in meiner Ortschaft Langebrück stattgefunden hat. Dann wird sofort eine ganz andere Diskussion über das subjektive Sicherheitsgefühl geführt, obwohl im Deliktvergleich kein wesentlicher Unterschied erkennbar ist. So ist es aber eben auch in den Regionen, die auf einmal mit besonderen Kriminalitätsschwerpunkten zu kämpfen haben.