Wenn allerdings jetzt die Ausnahme zur Regel wird, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir ein deutliches Signal an die Eltern, die Lehrerinnen und
Lehrer, an die Schüler, dass wir diesen Prozess des Seiteneinstiegs nicht dem Zufall überlassen wollen.
Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Bienst. Bitte sehr, Herr Bienst, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin Zais, zunächst einmal herzlichen Dank für den Rückblick, den Sie hier vorgetragen haben. Wie ich es vernommen habe, ging er bis zum Jahr 2004.
Ja, unser bewährtes sächsisches Schulsystem – da haben Sie sicherlich recht – hat auch in der Vergangenheit mit Seiteneinsteigern Schule gemacht. Damit wurde das bewährte Schulsystem aufrechterhalten und Qualität geliefert. Seiteneinsteiger – ich glaube, das haben wir hier schon oft diskutiert – bereichern das pädagogische System, bringen Lebenserfahrung und neue Sichtweisen in die Erziehungs- und Bildungsarbeit.
Ich habe mich hier schon oft geoutet, dass ich auch ein Seiteneinsteiger bin und trotzdem 28 Jahre Berufserfahrung mitgebracht habe und sicher eine erfolgreiche Lehrertätigkeit nachweisen kann. Ich kann mich an die Jahre erinnern, als ich Systemneuling war. Ich habe auch vier Jahre im System gearbeitet, bis ich eine pädagogische Ausbildung abgeschlossen habe. Das waren sicherlich spannende und aufregende, aber eben auch sehr arbeitsreiche Jahre.
Heute, in einer schwierigen Zeit der pädagogischen Nachfolge, brauchen wir mehr denn je Menschen, die sich in einem weiteren Berufsabschnitt auf den Weg der Bildungsvermittlung machen. Das ist übrigens nicht nur in unserem sächsischen Bundesland so. Alle anderen Länder mit Ausnahme von Bayern haben die gleiche Herausforderung bezüglich der Qualität und Quantität.
Richtig ist, dass diese in Hochschulen und Universitäten gebildeten Menschen fachlich top sind, aber bezüglich der pädagogischen Handwerkszeuge zusätzlich gebildet
werden müssen. Wenn bei Neueinstellungen von Lehrkräften bei uns im Freistaat Sachsen zu über 50 % – Sie sagten es – auf Seiteneinsteiger zurückgegriffen werden muss, ist es unbedingt wichtig und unsere Aufgabe, die Seiteneinsteiger auf diesem Weg zu begleiten. Auf die Begleitung, die fachliche Umsetzung in der Schule und das Aneignen pädagogischer Werkzeuge habe ich bereits hingewiesen.
Selbstverständlich müssen wir in diesem Prozess das Gesamtsystem betrachten. Da gilt es natürlich, diese neuen Kollegen in den ersten Jahren mentorisch zu
begleiten. Aber auch die Koordinierung des Gesamtprozesses, zum Beispiel Lenkungsprozesse in Bedarfsregionen, das Aufzeigen von beruflichen Qualifikationsmöglichkeiten und eine exakt abgestimmte wissenschaftliche Begleitung, ist unbedingt notwendig. Das bedeutet natürlich eine zusätzliche Belastung der gestandenen Pädagogen in den verschiedenen Schularten. Da gilt es, Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer mit ihren vielfältigen Aufgaben, das gesamte pädagogische Personal, aber eben auch die Eltern auf diesem Weg mitzunehmen.
Deshalb finden wir es gut, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Antrag in dieses Hohe Haus gebracht hat. Ich muss neidvoll sagen, dass Sie da einen Tick schneller als die Koalitionsfraktionen waren. Aber in diesem Antrag geht es um die Sache, um unser gemeinsames Anliegen, höchste Qualität im sächsischen Bildungssystem zu erhalten.
Da Ihr Antrag vom November 2017 ist und in der Zeit im Kultusministerium Wechsel erfolgten, sich ein neues Kabinett gebildet und die Welt wieder ein Stück gedreht hat, möchten die Regierungsfraktionen Ihren Antrag weiter qualifizieren. Wir wollen den Seiteneinstieg als einen Weg in den Lehrerberuf sehen, den wir planen, gestalten und absichern und damit zum Erfolg führen. Dazu benötigen wir Bedarfsprognosen, um gemeinsam mit unseren sächsischen Hochschulen diesen Weg erfolgreich zu beschreiten. Wir müssen Optimierungsprozesse bei der Ausbildung von Seiteneinsteigern und bei der Anerkennungspraxis besser nutzen. Teilleistungen, die bereits erbracht wurden, und abgeschlossene Module sollten anerkannt werden, um so den Einstieg in das pädagogische Berufsleben zu erleichtern. Das Vorziehen der Grundqualifizierung vor den Eintritt in den Schulalltag wird zu enormen Systementlastungen führen und Unterrichtsausfälle mindern.
Denken wir auch an die Arbeit der Mentoren. Die Tätigkeit der Mentoren, die im Bildungssystem unbedingt gebraucht werden und die eine tolle Arbeit leisten, erfordert erhöhte Anerkennung im System.
Wir sollten die Möglichkeit des Streckens der Ausbildungsdauer zum grundständig ausgebildeten Pädagogen eröffnen, um den Schritt zum Seiteneinstieg leichter zu gestalten.
Machen wir uns nichts vor: Wir werden auch in den nächsten Jahren auf potenzielle Seiteneinsteiger zurückgreifen. Wir sind aber guter Dinge: Wenn die momentan in Verhandlung stehenden Maßnahmen greifen und sich die erhöhten Studierendenzahlen im Lehrerberuf im System niederschlagen, ist zukünftig mit einem Rückgang der Notwendigkeit des Seiteneinstiegs zu rechnen. Einen kompletten Verzicht auf diese Gruppe von Hochschulabsolventen wird es wohl nie geben.
Ich möchte abschließend der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dafür danken, dass sie sich diesem wichtigen Thema gewidmet habt. Wir würden uns freuen, wenn auch Sie diesem weiterführenden Änderungsantrag zustimmen.
Meine Damen und Herren! Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Falken. Frau Falken, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind sehr froh, dass die GRÜNEN den ersten Aufschlag mit diesem Antrag zum Thema Seiteneinsteiger, Qualifikation und Information der Staatsregierung an das Parlament gemacht haben. Aber wir sind schon der Auffassung, dass das nur ein erster Aufschlag ist. Ich denke, alle, die wir hier sitzen, sehen das ähnlich; denn es gibt noch sehr viele Facetten.
Der Handlungsbedarf beim Thema Seiteneinsteiger, dem Empfangen, der Qualifikation und der Betreuung von Seiteneinsteigern vor Ort an den Schulen ist noch sehr groß. Ich denke, wir müssen das sehr ernst nehmen.
Dass wir in diese Situation gekommen sind – Frau Zais hat noch einmal die zeitliche Abfolge genannt –, liegt daran, dass die CDU im Freistaat Sachsen einfach die Zeit verschlafen hat. Wir hätten die heutige Situation nicht haben müssen; denn es gab in Sachsen sehr viele gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, die nicht einmal in den Vorbereitungsdienst gekommen sind, sondern in anderen Bundesländern in diesen gehen mussten, da im Freistaat Sachsen keine Einstellungen durchgeführt wurden. Das heißt, vor etlichen Jahren hätte man hier weitsichtig handeln müssen, und diese Weitsichtigkeit ist von der CDU eindeutig nicht geleistet worden, obwohl es aus vielen Bereichen – nicht nur von der Opposition, der LINKEN, sondern auch aus anderen Bereichen der Gesellschaft – über viele Jahre bereits Anstöße gegeben hat.
Nun haben wir die Situation, und ja, Herr Bienst, es ist nicht nur in Sachsen ein Problem, sondern auch in anderen Bundesländern. Aber so gravierend wie bei uns ist es in keinem anderen Bundesland, ganz einfach deshalb, weil wir inzwischen weit über 3 000 Seiteneinsteiger im System haben, die noch nicht qualifiziert sind. Das ist ein ernsthaftes und großes Problem.
Sie sprachen von den Belastungen der Lehrerinnen und Lehrer, die an den Regelschulen, Grundschulen, Mittelschulen, Gymnasien, Förderschulen und den Berufsschulen arbeiten und die Seiteneinsteiger vor Ort betreuen müssen. Wenn Sie sich anschauen, dass ein Mentor an einer Grundschule eine Stunde für die Betreuung der Seiteneinsteiger hat und diese 27 Stunden vor- und nachbereiten müssen, wenn sie vollbeschäftigt sind, dann, denke ich, ist allen klar, dass diese eine Stunde pro Woche nicht ausreicht, um den notwendigen Bedarf der Seiteneinsteiger zu realisieren.
Nun komme ich zur vorbereitenden Fortbildung, zum Crashkurs. Endlich ist es zum ersten Mal nach drei Jahren gelungen, dass die Seiteneinsteiger diesen bereits vor dem Halbjahres- bzw. Schuljahresbeginn erhalten. Herr Piwarz, ich lobe Sie einmal vorsichtig. Sie sagten mir, ich solle nicht so viel meckern, aber ich lobe Sie einmal vorsichtig.
Aber – jetzt kommt das große Aber, Herr Piwarz – mit einem Vierteljahr ist es natürlich nicht getan; denn wenn diese Personen nach einem Vierteljahr Crashkurs in die Schulen kommen, müssen sie vollständig als Lehrer arbeiten und funktionieren; ich sage das so hart. Sie haben eine Klasse zu führen, denn sie sind in der Regel Klassenlehrer. Es ist eigentlich überhaupt nicht möglich, dass sie das wirklich leisten können. Sie müssen den Unterricht vor- und nachbereiten und müssen unterrichten. Sie haben viel zu wenig Hilfe und Unterstützung innerhalb der Schulen. Ich hatte es gerade begründet: Die eine Mentorenstunde genügt hinten und vorne nicht. Wir fordern – das ist ein Vorschlag, den wir machen –, diese Personen mindestens ein halbes Jahr einzustellen und eine vertiefende Fortbildung durchzuführen.
Ich weiß, dass auch ein halbes Jahr nicht reichen wird, um die Aufgaben wirklich zu lösen; aber dann ist es zwingend notwendig, dass sofort, nachdem sie in der Schule sind, berufsbegleitend eine Weiterbildung stattfindet, bei der sie auch eine wissenschaftliche Begleitung bekommen. Wir wissen alle – Frau Zais hat es eben noch einmal ausführlich dargelegt –, dass im Moment die Kapazitäten nicht ausreichen.
Wir haben an der TU Dresden – ich glaube, vor gut einer Woche – zusammengesessen und uns über die Seiteneinsteiger berichten lassen. Es wurde deutlich, dass die Kapazitäten an den Universitäten nicht genügen, um die vorhandenen Seiteneinsteiger wirklich qualifiziert auszubilden, und zwar nicht nur die neuen, die kommen, sondern auch jene, die bereits ziemlich lange da sind. Denn eine pädagogisch-didaktische Ausbildung bringe ich nicht mit, sondern ich muss sie mir in der Ausbildung erwerben. Hierbei haben wir einen sehr großen Nachholbedarf.
Ich möchte trotzdem – ich weiß, ich habe dies hier schon x-mal bei den klassisch eingestellten Lehrerinnen und Lehrern getan – noch einmal etwas zur Praxis der Einstellung von Seiteneinsteigern sagen. Seiteneinsteiger, die sich bewerben und nicht wirklich wissen, was auf sie zukommt, bekommen im Freistaat Sachsen nicht einmal ein Einstellungsgespräch, sondern sie werden in Gruppen eingeladen. Ihnen wird mitgeteilt, welche Schule sie bekommen – dann wissen sie noch nicht einmal genau, was sie unterrichten werden –, und haben danach zwei Tage Zeit, um zu sagen, ob sie in diese Schule gehen wollen oder nicht. Sie haben nicht einmal die Chance, sich die Schule vor Ort anzuschauen und mit dem Schulleiter und dem zukünftigen Mentor zu sprechen oder, oder, oder.
Dieses Thema hatten wir hier schon x-mal hoch- und runterdiskutiert, und ich hoffe, dass es an dieser Stelle endlich einmal eine vernünftige Betreuung und InEmpfangnahme von eingestellten Lehrerinnen und Lehrern, aber natürlich auch von Seiteneinsteigern gibt;
denn so brechen sie uns unbegründet wieder weg. Im letzten Jahr sind 15 % der eingestellten Seiteneinsteiger aus unterschiedlichen Gründen wieder ausgestiegen. Wir haben jetzt Kündigungsverfahren von Arbeitgeberseite für Seiteneinsteiger, die zu Beginn des Schuljahres eingestellt worden sind und diese Aufgabe überhaupt nicht erfüllen können, da sie weder eine ordentliche inhaltliche Betreuung bekommen haben noch eine Qualifikation an den Universitäten. Hier vergeben wir uns sehr viele Möglichkeiten, die wir eigentlich haben bzw. haben müssten.
Nach unserer Auffassung brauchen wir nicht nur eine jährliche Information, bezogen auf den Antrag der GRÜNEN, sondern wir sind der Auffassung, dass eine halbjährliche Information – immer, nachdem Seiteneinsteiger eingestellt worden sind – hier im Parlament notwendig ist und diese aus dem Kultusministerium, ohne Kleine Anfragen stellen zu müssen, geleistet werden sollte. Dies ist machbar.
Wir denken, dass eine Koordinierungsstelle nicht unbedingt zielführend ist; denn eine solche wird allein diese Aufgabe nicht wirklich lösen können. Wir brauchen dringend mehr Ausbildungsplätze und eine intensivere Betreuung der Seiteneinsteiger in den Schulen. In den Universitäten funktioniert das, wenn sie dann in der Ausbildung sind, glaube ich, ganz gut.
Ich hatte eine Gesprächsrunde mit Seiteneinsteigern in Chemnitz. Ihnen ist nicht klar gewesen, dass, wenn sie die Qualifikationen durchlaufen haben, diese auch eingruppierungsrelevant sind. Das heißt, wenn wir die Seiteneinsteiger in Sachsen zu Lehrern qualifizieren, dann muss dies auch so geschehen, dass sie eine Weiterbildung durchlaufen haben, die auch eingruppierungsrelevant ist; denn sonst haben wir Billiglehrer produziert, und das ist etwas, das für uns überhaupt nicht geht.
Zum Antrag der Regierungsfraktionen werde ich später etwas sagen. Ich gehe davon aus, dass sie ihn noch einbringen.
Vielen Dank. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Problembeschreibung zum Thema Seiteneinsteiger war vor allem im letzten Redebeitrag sehr ausführlich und völlig zu Recht abgegeben worden. Ich möchte Sie nicht damit langweilen, vieles davon noch einmal zu sagen, da unbestritten ist,
dass der Einsatz der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in Sachsen nicht problemlos funktioniert und wir ihn nicht von Anfang an auf einem richtig guten Weg hatten. Ich möchte mich eher ein wenig daran erfreuen, dass wir dem Versprechen der – es klingt manchmal vielleicht etwas lustig – Problemlösungskoalition auch einmal etwas Futter geben können.
Das war der Grund unseres Änderungsantrages, den wir zu diesem – vielen Dank! – guten Ausgangsantrag vorgelegt haben. Uns war wichtig, deutlich zu machen: Wir müssen die Probleme kennen. Wir müssen regelmäßige Berichte haben und die Situation verstehen; aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass sich diese verbessert. Dies ist unter anderem auch deshalb wichtig, da wir es, solange wir die Probleme nicht lösen, nicht schaffen, sowohl den Seiteneinsteigern als auch unseren grundständig ausgebildeten Lehrkräften zu vermitteln bzw. ihren Kopf dafür freizubekommen, welch toller Beruf das eigentlich ist, den sie ausüben.
Das ist etwas, was viele Seiteneinsteiger dazu gebracht hat, in das sächsische Schulsystem zu gehen. Es ist eben etwas anderes, als acht Stunden am Tag am Schreibtisch zu sitzen. Man lernt kleine Menschen kennen, man lernt ihre Gedankenwelt kennen, man formt deren Persönlichkeiten und man hat mit dem, was man tut, Einfluss darauf, wie die Welt später ist, weil man einen Einfluss auf die Menschen hat, die die Welt später bevölkern und gestalten. Das ist eine großartige Sache. Wir müssen es schaffen, mit diesen und mit vielen anderen Maßnahmen sowohl unseren ausgebildeten Lehrkräften als auch den Seiteneinsteigern so viel Luft zu verschaffen, dass diese Motivation für den Beruf auch wieder – sage ich jetzt mal etwas pathetisch – das Herz erfüllen kann.
Ich will drei Punkte unseres Änderungsantrages herausstellen. Den einen Punkt gab es schon einmal, verbunden mit Lob, das nicht nur von der Opposition kommt, sondern auch wir freuen uns sehr, dass der neue Kultusminister beim Thema Problemlösen sehr schnell angefasst und den Zustand, dass die dreimonatige Einstiegsfortbildung am Beginn des Schuljahres war und nicht davor, kurzerhand beendet und verbessert hat.
Alle Seiteneinsteiger werden jetzt so eingestellt und fortgebildet, dass sie rechtzeitig zu Schuljahresbeginn mit absolvierter Ausbildung vor den Klassen stehen. Das ist ganz viel wert.