Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Wir beginnen mit der zweiten Runde. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Meiwald. Bitte sehr, Frau Meiwald, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht erst, als sich im Herbst vergangenen Jahres die Bürgermeister aus dem Erzgebirge, die keiner Partei angehören, in ihrer Not an uns alle gewandt hatten, wurde klar, dass die finanzielle Ausstattung der Kommunen keine Horrorszenarien der Opposition sind, sondern ein strukturelles Problem.

Unsere Fraktion hat mit den kommunalen Spitzenverbänden gesprochen, war relativ zeitnah bei den Bürgermeistern in Annaberg und hat auch mit anderen kommunalen Vertretern das Gespräch gesucht und feststellen können, dass die Problemlage vor allem in den ländlichen Räumen flächendeckend sowohl in den kreisangehörigen Gemeinden als auch in den Landkreisen ähnlich ist. Es sind eben keine Einzelfälle, die nicht mit Geld umgehen können. Ich würde Ihnen das gern anhand einiger Beispiele aus meinem Landkreis zeigen.

Bereits im Januar äußerte sich zum Beispiel der Bürgermeister von Rabenau, Thomas Paul, in der „SZ“ wie folgt: „Ich stimme zu, dass die Kommunen in Sachsen finanziell schlecht ausgestattet sind. Wenn ich, wie in unserem Fall, mehr Kreisumlage abführen muss, als ich Schlüsselzuweisungen vom Land erhalte, kann der Freistaat das Geld auch gleich an den Landkreis überweisen. Die Kommunen werden kaputtgespart“. Und Thomas Schreckenbach, der Bürgermeister von Klingenberg, erwartet von der Bundes- und Landespolitik, „dass wir die Aufgaben so erfüllten können, dass wir hier auf dem Land

ohne wesentliche Defizite leben können. Wir müssen jedoch weiterhin die finanziellen Voraussetzungen erhalten, um die noch bestehenden Defizite kontinuierlich weiter abbauen zu können. Da gibt es noch einiges zu tun.“

Vor dem Hintergrund, meine Damen und Herren, die in der Regierungserklärung angekündigten 70 000 Euro pro Kommune auszuzahlen, ist das wohl eher gut gemeint als gut gemacht. In den Eckwerten der Staatsregierung finde ich kaum Hinweise auf die Kommunalfinanzen. Vergangene Woche nun sagte der Bürgermeister von Altenberg, Thomas Kirsten: „Insgesamt mache ich mir um die Liquidität Sorgen. Ich glaube, dass die Städte und Gemeinden unterfinanziert sind. Flächengemeinden müssen so ausgestattet werden, dass sie überhaupt eine Chance haben, junge Familien anzusiedeln. Die Attraktivität eines Wohnortes ist eben in sehr vielen freiwilligen Bereichen zu suchen. Wir brauchen mehr Geld im System, ohne aufwendige Antragsverfahren. Dies hat etwas mit Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung zu tun.“

Meine Damen und Herren! Nicht nur den kreisangehörigen Gemeinden, die kaum noch Spielräume haben, die Tafelsilber verkaufen müssen oder wie im Fall von Grimma, Teile des Stadtwaldes, also Wege, entwidmen müssen, weil sie nicht mehr für die Sicherheit der Bürger sorgen können, weil sie sich das nicht mehr leisten können, sondern auch den Landkreisen fehlt es an Finanzen. Der Landrat unseres Landkreises Michael Geisler sagte im SZ-Interview: „Wir verwalten den Mangel. Die Kommunen müssen dringend finanziell besser ausgestattet werden. Die Bürger müssen merken, dass wir die Leistungen erbringen können, die sie zu Recht von uns erwarten dürfen.“

Im aktuellen Vorbericht des Landkreishaushalts, also dem Haushaltsentwurf des Jahres 2018, der demnächst bei uns im Kreistag beraten wird, steht Folgendes: „Bedingt durch erhebliche Defizite der vergangenen Jahre befindet sich der Kreis in einer kritischen Haushaltslage. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass mit einem Ausgleich in den künftigen Jahren die aufgelaufenen Fehlbeträge im Ergebnishaushalt sowie das Liquiditätsdefizit von derzeit rund 10 Millionen Euro aus der Vergangenheit nicht gedeckt werden können. Der originäre Haushaltsausgleich wird bis zum Jahr 2020 nicht erreicht. Es wird dem Landkreis nicht gelingen, den Ressourcenverzehr aus Abschreibungen zu erwirtschaften und damit die freigesetzten Mittel für investive Zwecke zum Vermögenserhalt einzusetzen. Es ist absehbar, dass die finanziellen Spielräume des Landkreises sich weiter verkleinern werden, und das trotz Haushaltsstrukturkonzept und einem erneuten Anheben der Kreisumlage.“

Meine Damen und Herren, es ist Zeit, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Die geplante Kommission zur Vereinfachung von Förderverfahren kann ein Anfang sein. Eine Überprüfung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen ist dies aber noch lange nicht, ebenso keine deutliche Verbesserung der finanziellen Situation.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Sorgen der kommunalen Ebene ernst nehmen. Ein einfaches „Wir haben verstanden“ und ein „Wir tun ja schon“ sind kein Wert an sich. Es gehört mehr Geld ins System, und zwar in beide Teile, sowohl in die Schlüsselmasse als auch in Budgets für die Landkreise. Herr Schollbach wird das nachher noch untersetzen.

Lassen Sie mich mit einem letzten Zitat enden, und zwar von Mischa Woitschek, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages. Er sagte: „Bei allen konkreten Absichten ist uns aber vor allem eines wichtig: die Überzeugung der Staatsregierung, nur gemeinsam mit den Kommunen das Land gestalten zu können.“ Dafür sind Sie uns den Beweis bisher schuldig geblieben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat Herr Abg. Patt das Wort. Bitte sehr, Herr Patt.

Herr Präsident! Am 24. September 2017 gab es ein Wahlergebnis, Herr Barth, und die AfD hat damals eine Vorsitzende vorgetäuscht, die schon längst eine Spaltung der Partei vorbereitet hatte.

(André Barth, AfD: Dafür kann ich aber nichts!)

Deswegen seien Sie bitte auch so ehrlich, Herr Barth, und akzeptieren Sie, dass sich Ihre Ergebnisse allein durch die Spaltung halbiert haben

(André Barth, AfD: Da kennen Sie aber die neuesten Umfragen nicht, Herr Patt! Da müssen Sie mal Zeitung lesen!)

und Sie bei Weitem nicht die Mehrheit der Bevölkerung Sachsens hier repräsentieren.

(Beifall bei der CDU)

Herr Barth, wenn Sie sagen, die CDU hätte damals eine Debatte anstrengen müssen, so sage ich darauf: Nein, wir handeln. Wir reden hier nicht so wie Sie mit schönen Worten herum, sondern wir handeln. Wir hatten auch schon damals ein Programm auf den Weg gebracht, das der Kollege Pecher eben angesprochen hat, das Programm „Brücken in die Zukunft“. In einer Zeit, als andere Bundesländer Schulden gemacht haben und nicht wussten, wie sie ihren Haushalt decken, haben wir ein Investitionsprogramm für die kommunale Ebene gemeinsam mit ihr auf den Weg gebracht.

Wenn Sie einen Investitionsbedarf von 6,4 Milliarden Euro für vier Jahre feststellen, dann möchte ich Ihnen noch einmal erklären und vielleicht bei dieser Gelegenheit auch unseren Zuhörern deutlich machen, wie das Finanzausgleichsgesetz in Sachsen funktioniert. Es ist relativ einfach aufgebaut, mit zwei Gleichmäßigkeitsgrundsätzen. Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz I betrifft die vertikale Ebene, die Beziehungen zwischen Land und kommunaler Ebene. Der zweite dieser Grundsätze ist die gleichmä

ßige Verteilung innerhalb der kommunalen Ebene, und zwar in guten und in schlechten Zeiten. In schlechten Zeiten entfalten dieses Programm und dieser Maßstab besonders ihre Wirkungen und eine Sicherheit für die Kommunen, dass man verlässlich weiter seine Kosten begleichen und seine Investitionen tätigen kann. Das haben wir als Bundesland im Vergleich zu anderen Bundesländern in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, und dafür lobt uns die Wissenschaft, Frau Kollegin Schubert. Sie hebt ausdrücklich immer wieder positiv hervor: Die Sicherheit, die mit diesem System gegeben ist, ist einzigartig in Deutschland.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Steuereinnahmen der Kommunen betragen

3,5 Milliarden Euro im Jahr – allein für die Kommunen. Der Freistaat Sachsen gibt über das FAG, über das Finanzausgleichsgesetz, fast den gleichen Betrag noch hinzu. Davon sind knapp 3 Milliarden Euro frei verwendbar, auch für Investitionen, und eine weitere halbe Milliarde Euro ist nur für Investitionen gedacht. Davon wiederum sind auch nur 60 Millionen Euro mit der Landesebene abzustimmen. Der Rest ist ohne besonderes Antragsverfahren frei verwendbar. Das ist verlässlich, das ist transparent, das ist fair.

Hinzu kommen weitere 3 Milliarden Euro an Fördermitteln und Erstattungen außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes, weil der Freistaat sich verpflichtet hat, in guten Zeiten an das Land abzugeben. Dies funktioniert bei uns nach festen, kalkulierbaren Größen. Obwohl Sachsen in Deutschland eine der geringsten Kommunalisierungsquoten von öffentlichen Aufgaben hat, gelingt hier somit, wie ich eben schon sagte, eine Deckungsquote, sodass seit Jahren die kommunalen Haushalte mehr Geld einnehmen, als sie ausgeben. Das sollen sie auch so tun, denn dafür liegt die Kompetenz vor Ort.

Insgesamt hatten wir im abgerechneten Jahr 2016 kommunale Mittel von 11,6 Milliarden Euro und auf Landesebene ungefähr den gleichen Betrag für unsere eigenen Aufgaben; denn das darf man nicht vergessen: Wir sind für die Schulen zuständig, wir sind für Polizei zuständig, wir sind für Justiz zuständig, wir sind für Wissenschaft und Technologie sowie für Forschung zuständig, ebenso für viele andere Aufgaben im sozialen und im Umweltbereich. Das müssen wir aus eigenen Mitteln leisten. Es ist eben nicht so, dass unser Geld irgendwie an die Kommunen weitergegeben wird, damit sie alle Aufgaben erfüllen. Vielmehr hat jeder seinen eigenen Aufgabenbereich.

Unsere Philosophie ist weiterhin, die Kommunen mit einem hohen Grad an allgemeinen Deckungsmitteln auszustatten, denn die Akteure vor Ort kennen die Bedarfe am besten und steuern das optimal aus. So stärken wir die kommunale Selbstverwaltung. Aber das heißt immer auch, dass eine hohe Verantwortungsbereitschaft bestehen muss, Schwerpunkte zu setzen.

Unsere konkreten Aufgaben sind, dass wir vielleicht schneller auf Veränderungen in einer einzelnen Kommune

reagieren müssen, die möglicherweise Einbrüche in der Gewerbesteuer hat. In solchen Fällen müssen wir schneller reagieren, aber da muss auch die Landkreisebene schnell reagieren. Das liegt nicht allein in unserem Ermessen.

Bitte zum Schluss kommen!

Auch an den individuellen Freiheitsgraden aufgrund der 3 Milliarden Euro, die wir neben dem FAG noch überweisen, sowie daran, dass die Verfahren zur Beantragung vereinfacht werden, arbeiten wir und der neue Ministerpräsident mit seinem Kabinett.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat keinen Redebedarf. Die AfD-Fraktion hat noch zwei Minuten – nein, eine Minute. Ich will nicht übertreiben.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Bitte sehr, Herr Barth.

Unsere Lösungsvorschläge, Gesetzesvorschlag der AfD-Fraktion vor drei Monaten: Zusätzliche 250 Millionen Euro pro Jahr, und dies für zwölf Jahre, zum Vorteil der ländlichen Kommunen und der ländlichen Bevölkerung. So sieht unsere Politik aus.

(Zuruf von den LINKEN: Aha!)

Vergleichen wir das kurz mit der Sächsischen Staatsregierung: Was sagt der neue MP in seiner Regierungserklärung dazu? Ich zitiere sinngemäß: 30 Millionen Euro pro Jahr für drei Jahre als Pauschale an die Gemeinden, 70 000 Euro für jede Gemeinde, das sei – wortwörtlich – „eine deutliche Schwerpunktsetzung“.

Ich zitiere den Bürgermeister von Annaberg-Buchholz: „Das ist eine nette Geste, aber ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Nicht kleckern, sondern klotzen war die Botschaft der Bürgermeister, und das hat die Staatsregierung immer noch nicht verstanden.

Bitte zum Schluss kommen!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt kommen die zwei Minuten für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Schubert. – Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir GRÜNE haben bereits im Jahr 2016 einen Antrag zum Thema kommunale Finanzen vorgelegt, in dem wir gefordert haben, dass das FAG, also das Finanzausgleichssystem in Sachsen, auf seine Zeitgemäßheit überprüft wird. Damals

haben wir uns Fragen gestellt, ob es noch geeignet ist, mit demografischen Entwicklungen, mit Schrumpfung und Wachstum gleichermaßen umzugehen, ob es einen noch adäquaten Mehrbelastungsausgleich für übertragene

Aufgaben gibt oder ob auf spezifische Bedarfe tatsächlich reagiert werden kann. Die Sachverständigenanhörung dazu war sehr aufschlussreich.

Ich erlaube mir, darauf aufbauend hier noch einmal Fragen zu stellen: Wie soll mit diesem FAG, das wir momentan haben – so sind nun einmal die Rückmeldungen –, die Dynamik zwischen den Wachstumsregionen und dem ländlichen Raum aufgefangen werden? Wie soll mit den unterschiedlichen Entwicklungen im Lande umgegangen werden, denn beide, Wachstum und Schrumpfung, kosten Geld? Es genügt nicht, sich für einen hohen Anteil investiver Schlüsselzuweisungen zu feiern – ich sage es jetzt noch einmal, das ist exemplarisch, wenn man sich sämtliche ostdeutschen Bundesländer und ihre Haushalte anschaut -; denn die Kommunen bekommen durch die Bank ihre Ergebnishaushalte durch diesen Schmarren kaum ausgeglichen, ganz abgesehen davon, dass die Doppik auf kommunaler Ebene durchgezogen wird und das Land dies für sich ausschließt. Das macht etwas, das hat Auswirkungen, und das ärgert die Kommunen.

Ich will nicht, dass es heute hier heißt, es gäbe keine Lösung oder Alternativen. Sie gibt es, und das Sächsische Finanzausgleichsgesetz gehört auf den Prüfstand. Ich sage nicht, dass ein solches Vorhaben schnell erledigt ist, denn ein solcher Prozess ist komplex, intensiv und zeitaufwendig.