Wir hörten gerade Kollegen Sodann für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht Frau Kollegin Kliese. Sie ergreift das Wort für die Fraktion der SPD.
Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Kultur ist keine Dienstleistung oder Luxus, sondern eine Lebensgrundlage des Menschen, Element der Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung sowie Basis für eine demokratische Gesellschaft.“ Dieses schöne Zitat entstammt unserem Koalitionsvertrag. Wir haben diesen Worten Taten folgen lassen und im letzten Haushalt so viel Geld für Kultur eingestellt wie seit vielen, vielen Jahren nicht. 213 Millionen Euro im Jahr 2017, eine Erhöhung um mehr als 12 Millionen Euro, sprechen für sich. Das Kulturraumgesetz, über das wir heute sprechen, ist von verschiedenen Maßnahmen für den ländlichen Raum flankiert, von Geldern beispielsweise für Instrumentenankäufe, für Musikfestivals, in der institutionellen Förderung und vieles, vieles mehr.
Viele Länder beneiden uns um das Kulturraumgesetz. Doch auch der Freistaat Sachsen hat sich seit seiner Erstellung geändert, und es war gut, es zu novellieren. Wir haben viele Hinweise aus der Kommission angenommen, denn sie waren uns hilfreich. Genaueres dazu hat mein Kollege Octavian Ursu bereits ausgeführt. Besonders intensiv diskutiert haben wir den Vorschlag der Dynamisierung. Dieser ist für mich immanent sehr nachvollziehbar. 80 % der Kulturraummittel bestehen aus Personalmitteln, und die Personalkosten sind in den letzten Jahren aufgrund verschiedener Tatsachen, beispielsweise Tariferhöhungen, Mindestlöhne usw., massiv angestiegen; das hat die Häuser stark belastet.
Eine Dynamisierung könnte diesem Problem teilweise Abhilfe schaffen; gerade aber eine Rückkehr in den Flächentarif, wenn Sie das einmal durchrechnen, wäre durch eine solche Dynamisierung nicht abzudecken. Eine Dynamisierung birgt Chancen und Risiken; denn wir wissen nicht, wie die Einnahmensituation in den nächsten acht Jahren aussehen wird. Wir haben uns stattdessen entschieden, auf die Expertise des Kultursenats zurückzugreifen. Er soll Empfehlungen für die Entwicklungen vorlegen. Ich danke dem Präsidenten des Kultursenates Dr. Dittrich sehr herzlich, der sich bereit erklärt, diese zusätzliche Aufgabe zu übernehmen.
Zudem haben wir als Koalition in den letzten Jahren gezeigt, dass wir in der Lage sind, auch in den Haushaltsverhandlungen zusätzlich auf die Bedürfnisse des Kulturraums einzugehen. So haben wir beispielsweise
3 Millionen Euro separat nur für Investmittel verabschiedet, die bei der Anhörung von verschiedenen Experten einhellig als sehr hilfreich und sehr positiv bewertet worden sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich unlängst die Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE „Kulturraumnovelle macht Mangel zum Normalzustand“ las, musste ich mir schon die Augen reiben. Gewiss, wir stehen vor vielen Herausforderungen, die übrigens nicht alle durch
das Kulturraumgesetz zu lösen sind; auch das ist mir wichtig zu betonen. Aber von einem Ausbluten der kulturellen Angebote zu schreiben – Sie haben diese Formulierung eben gerade noch einmal gewählt –, empfinde ich als überzogen. Sie wählen hier Formulierungen wie „absolut blamabel“. Daraus spricht eine Verachtung, die der Arbeit, die im Zusammenhang mit diesem Gesetz geleistet worden ist, nicht gerecht wird.
Sie haben das Stilmittel der Übertreibung in den bisherigen Debatten zur Kulturpolitik deutlich abgenutzt. Im Ergebnis geben Sie hier den kulturpolitischen Michael Kohlhaas, der jede Verhältnismäßigkeit aus den Augen verloren hat. Überzogene Forderungen und sachlich verkehrte Schuldzuweisungen wie im Fall des Theaters Görlitz-Zittau helfen überhaupt nicht weiter; denn bei Görlitz-Zittau muss man auch sagen: Mir als Kulturpolitikerin tut es sehr weh, wenn ein solches Haus vor der Insolvenz steht. Mir tut es bei jedem Theater weh. Aber wir dürfen doch hier auch nicht Ursache und Wirkung verkehren. Wir müssen auch schauen, warum dieses Theater dort steht, wo es steht. Da fällt mir – ziemlich weit hinten – die Finanzierung des Freistaates Sachsen ein.
Wenn Sie sich einmal anschauen, was der Kulturraum Oberlausitz von seinen Kulturraummitteln bezahlt, dann sind das zwei Pfefferkuchenmuseen und fünf Tierparks. Ich mag Pfefferkuchen und ich mag auch Tiere, aber wenn sich dieser Kulturraum entscheidet, sein Geld dafür auszugeben, dann ist das nicht unsere Schuld.
Dann ist das ein Teil des Systems, nämlich der Autonomie der Kulturräume, mit ihrem Geld das zu machen, was sie wollen. Das ist die Entscheidung dieses Kulturraums gewesen.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha! – Zuruf von den LINKEN: Entscheidung der Landräte! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Genau!)
Gleichsam willkürlich gewählte Erhöhungen nach dem Motto „Viel hilft viel!“ sind ebenso wenig zielführend, denn sie vernachlässigen die Rolle der Kommunen, die mit ihrem Eigenanteil in diesen Größenordnungen zu Teilen schlichtweg überfordert wären. Sie sind es bereits jetzt.
Sie haben beklagt, dass es so lange gedauert hat. Das ist ein Punkt, bei dem ich Ihnen einmal zustimme. Es hat lange gedauert, weil wir uns die Entscheidungen nicht leicht gemacht haben. Aline Fiedler und ich kamen von völlig unterschiedlichen Ausgangspositionen an das Gesetz heran und haben durch intensive Diskussionen doch in fast allen Punkten gut zueinander gefunden. Liebe Aline Fiedler, dafür vielen Dank.
Auch möchte ich mich bei den beiden Fachreferentinnen Frau Gneist und Frau Menke bedanken, denn sie konnten
sehr, sehr viel Akribie und Zeit in den Gesetzentwurf investieren, was uns Abgeordneten in unserem Alltag oftmals nicht möglich ist.
Ich weiß, dass das Danken in diesem Hause manchmal überstrapaziert wird; deshalb verzichte ich jetzt auf einen Dank an die Kulturschaffenden. Ich möchte Sie einfach alle bitten, Ihrem Dank an die Kultur durch häufige Besuche Ihrer örtlichen Theater, Ihrer Bibliotheken und Ihrer Musikschulen Ausdruck zu verleihen, denn das hilft den Kulturräumen und öffnet Horizonte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen hier über zwei Gesetzentwürfe und zwei Änderungsanträge zum Sächsischen Kulturraumgesetz. Die wesentlichen Punkte sind: Mehr Geld – und wenn ja: wie viel? Landesbühnen herauslösen oder nicht? Die Kulturkonvente vergrößern und mit Fraktionsproporz befrachten oder es beim bewährten Status belassen? Eine Öffnung hin zum Interkulturellen schon in der Präambel – wie bei den GRÜNEN – oder doch eher verstohlen über die Förderung der kulturellen Bildung?
Alle Entwürfe wollen die Wiederwahl der Kultursachverständigen begrenzen und mittels Berichten und Evaluierungen Transparenz darüber herstellen, was eigentlich gefördert wird oder gefördert werden soll.
Nicht umsonst werden die Musikschulen weiterhin explizit als Förderobjekte aufgeführt, obwohl die Arbeitsgruppe Evaluation befand, dass das nicht weiter nötig sei. Man will wohl wenigstens hier Gewissheit darüber haben, dass das ausgereichte Geld dort ankommt, wo es ankommen soll.
Dass das häufig nicht so ist, beklagte unlängst der Geschäftsführer des gerade wieder am Rande der Insolvenz herumschlitternden Gerhart-Hauptmann-Theaters GörlitzZittau. Er führte an, weshalb selbst auf kurze Sicht die Erhöhung der Fördersumme von Landesseite auf nunmehr mindestens 94,7 Millionen Euro keine Gewähr dafür bietet, dass die Theater und Orchester aus den unsäglichen Haustarifen herauskommen.
Würde man sachsenweit nach Flächentarif bezahlen, würde man bis zu 15 Millionen Euro mehr brauchen – aktuell. Tarifverträge verändern sich aber ebenso wie Betriebskosten, und das sicher nicht nach unten. Deshalb verlangt DIE LINKE in ihrem Gesetzentwurf auch eine dynamische Anpassung des Kulturlastenausgleichs alle zwei Jahre. Die Frage ist, wie das gestemmt werden soll, ohne dass uns der Laden über kurz oder lang um die Ohren fliegt.
Sehen wir uns an, was über das Gesetz alles gefördert wird. Schon 2016 in der Anhörung zur Evaluierung des Kulturraumgesetzes konstatierte Prof. Dittrich eine
verstärkte und gewollte Interessendiversifizierung. Sachverständige bemängelten schon damals, dass eine stetig wachsende Zahl von Integrationsprojekten über die Kulturraumförderung angeschoben und finanziert werde. Integration solle besser unter einem anderen Dach und aus einem anderen Topf gefördert werden, sagten Sachverständige.
Nun schreibt man die kulturelle Bildung als festen Bestandteil in das Gesetz hinein und hat damit ein Vehikel, um Integrationsprojekte im Rahmen der Teilhabe unbegrenzt zu fördern, auch ohne Benennung im Gesetz.
Seit einigen Jahren nimmt die Soziokultur einen immer breiteren Raum in der Kulturförderung ein. Netzwerke, Strippenzieher – dabei franst die Förderung an den Rändern zunehmend in nicht kulturelle Bereiche aus. Niemand hat mehr einen wirklichen Überblick, wer da an welchen Stellen mit wessen Hilfe gefördert wird. Wie sagte doch Thomas Oberender, der Leiter der Berliner Festspiele, so treffend: Kultur ist kein Instrument der Sozialhilfe und kein Tummelplatz für Klientelpolitik.
Für jeden ist offensichtlich, dass immer mehr gesellschaftspolitische Aufgaben unter das Dach des Kulturraumgesetzes delegiert werden und dass sich immer mehr sachfremde Akteure unter diesem Dach drängeln.
Währenddessen kämpfen in den einzelnen Kulturräumen Institutionen und Amateure miteinander um ein Stück vom ohnehin knappen Förderkuchen. Prof. Vogt, einer der Gründerväter des Kulturraumgesetzes, sprach in diesem Zusammenhang vom Streit um die knappen Ressourcen unter den Bedingungen der Plausibilität von Argumenten. Eine Ausdehnung der Förderbereiche unter dem Dach der Kultur ist nicht plausibel, wenn prozentual immer weniger bei den Geförderten ankommt.
Dabei ist das Missverhältnis zwischen der Förderung in den Kulturräumen und der Förderung der staatseigenen Leuchttürme, etwa der Semperoper, noch nicht einmal angesprochen. Die beiden direkt vom Freistaat finanzierten Dresdner Staatstheater haben mit einem Mittelaufwuchs von 50 % in den letzten 15 Jahren alle Tarifsteigerungen mitgemacht. Da wundert es nicht, dass sich die Kulturraumtheater nicht fair behandelt fühlen.
Wir müssen zur Kernkompetenz der Kulturförderung zurückkehren und das Kulturraumgesetz insgesamt auf den Prüfstand stellen. Wir müssen es befreien von Belangen, die dort nicht hineingehören, damit wir wieder einen zeitgeistfreien, verlässlichen Rahmen der regionalen Kulturförderung bekommen – so heißt es übrigens auch im Evaluationsbericht.
Zum Abschluss möchte ich sagen: Wir hätten gern wenigstens in einem Punkt dem Gesetzentwurf der LINKEN zugestimmt, weil es vernünftig ist, die Landesbühnen aus der Kulturraumförderung wieder herauszunehmen. Da artikelweise abgestimmt wird, ist uns das leider nicht möglich. So lehnen wir nun beide Gesetzentwürfe ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Kulturraumgesetz und die Kulturräume, die wir in Sachsen im Sinne einer Erfolgsgeschichte geschaffen haben, will auch die Landtagsfraktion GRÜNE einmal hervorheben. Es ist wirklich eine Erfolgsgeschichte, gerade im Vergleich zu anderen Bundesländern. Genau deswegen ist es erforderlich und die Sache wert, dass wir gut darüber debattieren, wie wir diese Erfolgsgeschichte in die Zukunft fortschreiben, denn das ist, wie ich glaube, das gemeinsame Ziel.
Ich möchte auch einmal einiges loben. Zunächst ist in dem Entwurf, den die Koalition jetzt vorgelegt hat, ein Mittelaufwuchs enthalten, und dort steht „mindestens“. Das muss man erst einmal hervorheben.
Genauso lobenswert: Die kulturelle Bildung wird endlich ausdrücklich erwähnt. Die Hinweise, die wir von den Sachverständigen bekommen haben – dass man in die Kulturbeiräte eine gewisse Dynamik hineinbringen muss, dass man die Amtsperioden befristet –, wurden aufgegriffen; auch das ist gut.
Auch sehr gut – da ist schon eine ganze Menge Luft herausgenommen worden im Hinblick darauf, was jetzt von der AfD vorgetragen wurde – ist die Transparenz. Mit dem neuen Gesetz wird es so sein, dass man die Vergabe einfach öffentlich macht und sehen kann, wofür die Mittel ausgegeben werden. Das war im alten Gesetz wirklich eine Fehlstelle. Das alles sind gute Punkte.
Gleichwohl – Sie haben es gemerkt – haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt. Es liegt auch ein Antrag der LINKEN vor. Beide Initiativen eint, dass sie wesentliche Punkte der Kritik vortragen.
Fangen wir einmal damit an, woher wir kommen. Das Kulturraumgesetz wurde geschaffen aus der Situation der Neunzigerjahre heraus, als wir eine sehr reiche, gewachsene Kulturlandschaft aus DDR-Zeiten hatten, ein reiches Kulturschaffen. Das sollte erhalten werden: in der Dichte, in der Fläche, im Land – ob das Orchester oder Theater waren oder andere Institutionen wie Bibliotheken. Da musste man Ideen entwickeln, wie man dies erhält.
Und das ist mit diesem Gesetz auch weitestgehend gelungen. Heute stehen wir aber vor der Situation, dass es eben nicht mehr nur um den Erhalt geht, sondern dass auch Kultur etwas Dynamisches ist. Es muss auch die Möglichkeit geben, dass sie sich dynamisch entwickelt, und das finden wir eben noch nicht ausreichend genug im Gesetz ausgedrückt. Es geht schon los mit der Präambel, in die wir mit unserem Änderungsantrag solche Sachen aufnehmen würden.
Aber das nur vorweg als Grundidee. Natürlich ist der Hauptknackpunkt das Geld. Das ist ja hier schon mehrfach angesprochen wurden. Es ist gut, dass die Erhöhung, die jetzt schon da ist, verbindlich drinsteht. Aber wir wissen doch eigentlich alle, dass das nicht ausreicht. Wir wissen doch, dass man sich gerade über diese Haustarifverträge, die in den letzten Jahren abgeschlossen worden sind, so weit wegentwickelt hat von dem, was eigentlich normal nach Tarif bezahlt werden müsste. Man muss wirklich sagen: leider. Kultur im ländlichen Raum findet vor allen Dingen durch Selbstausbeutung der Kulturschaffenden statt, weil sie auf wesentliche Teile des ihnen eigentlich nach Tarif zustehenden Lohnes verzichten und dennoch Kultur in Regionen leisten, die manchmal noch andere infrastrukturelle Nachteile haben. Sie sind aber bereit dafür, und das kann so nicht weitergehen. Diesen Knoten müssen wir auch endlich lösen; da reichen diese 8 Millionen Euro schlichtweg nicht aus. Das ist ein Betrag, der deutlich unter dem liegt, was wir brauchen. Das sagen auch die Fachleute.
Wir unterbreiten auch Vorschläge in unserem Änderungsantrag, wenigstens 10 Millionen Euro einzusetzen. Wir kennen noch viel höhere Beträge. Natürlich muss es durch die Kommunen kofinanziert werden, aber ich glaube, in der Höhe ist das möglich.
Ein wesentlicher Punkt sind die Landesbühnen. Alle Sachverständigen, alle aus dem Kulturbereich sind sich einig: Die Landesbühnen sind eine ganz wertvolle, wichtige Institution. Wir sind alle froh, dass wir sie haben. Aber sie gehören nicht in das Kulturraumgesetz. Sie sind ein Fremdkörper. Sie müssen dort entfernt und anders finanziert werden.