Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Aber jetzt gehen wir in die zweite Rederunde. Die Fraktion GRÜNE beginnt. Frau Abg. Dr. Maicher, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, sehr geehrter Herr Michel, muss ich sagen: Ich finde es kleinlich und peinlich, wie Sie sich an diesem inhaltlichen Antrag, diesen Antrag auf Aufarbeitung von DDR-Unrecht, hier parlamentstechnisch und beschlusstechnisch abarbeiten. Ich hätte mir damit durchaus eine andere Auseinandersetzung gewünscht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Sachsen gibt es viele authentische Orte, an denen das Unrecht in der DDR und das Unrecht des SED-Regimes

besonders deutlich werden. Einige dieser Orte warten immer noch darauf, tatsächlich Orte der Erinnerung zu werden und wirken zu können. Für viele Opfer ist eine angemessene Aufarbeitung und Wiedergutmachung

unmittelbar an diese Orte geknüpft.

Die umfassende Aufklärung über einerseits staatliches Unrecht, aber eben auch die individuellen Schicksale haben fast 30 Jahre nach der friedlichen Revolution nichts an ihrer Bedeutung verloren. Deshalb ist es für meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts so wichtig, auch diese SED-Millionen einzusetzen, weil sie auch Aufschluss darüber geben, wie sie entstanden sind, und weil damit der Entstehungszusammenhang erklärt werden kann. Das Vermögen wurde zum Teil durch Zwangsarbeit erwirtschaftet. Wer sich mit ehemals Inhaftierten in der Frauenhaftanstalt Hoheneck unterhält und erfährt, auf welch barbarische Weise sie dort eingesperrt waren, Zwangsarbeit leisten mussten, in ein Dreischichtsystem in Betten eingepfercht waren, bekommt auch mit, was es für diejenigen heißt, die freigekauft wurden und dann im Westen im Otto-Katalog die Bettwäsche gesehen haben, die sie hergestellt haben. Wer das erfährt, der versteht das und weiß, dass wir alles dafür tun müssen, dass diese Gedenkstätten wirklich entstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Chance, jetzt mittelfristig einen großen Schritt beim Ausbau der Gedenkstättenlandschaft im Freistaat Sachsen vorwärtszukommen. Ab 2019 stehen an mindestens drei Orten größere Investitionen an, bei denen der Freistaat zentraler Mittelgeber sein muss. Natürlich, Frau Kliese, sind das nur exemplarisch genannte Beispiele. Das sagt nicht nur das Wort „beispielsweise“, sondern auch der Punkt 4 in I.

Wir wollen als Fraktion im Landtag genau die Forderung bekräftigen, dass die Gelder eben nicht in den allgemeinen Haushalt fließen, dass nicht damit Haushaltstitel verstärkt werden, sondern wir wollen sie für diese Aufarbeitung einsetzen. An den drei Orten, die wir in dem Antrag beispielsweise nennen, sind auch die Planungen schon fortgeschritten: in Kaßberg, wie Frau Staatsministerin Dr. Stange auf meine Kleine Anfrage zu den geplanten Anträgen unter Mitwirkung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten sagte.

In Stollberg soll die Umsetzung der Gedenkstätte in der ehemaligen Frauenhaftanstalt vorbereitet werden und wird es auch schon. Das gilt natürlich auch beim Aufbau des Erinnerungsortes in der ehemaligen Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Leipzig, wofür laut Antwort ein Gesamtbetrag von 3,5 Millionen Euro feststeht. Derzeit ist beispielsweise dort noch sehr wenig darüber bekannt, wann der Erinnerungsort fertig werden soll. Ebenso stehen die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Konzeption noch aus. Da erwarten wir – das möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen – auch von der Gedenkstättenstiftung einen klaren Fahrplan für die Umsetzung, denn die Stiftung ist seit der Novellierung des Stiftungsgesetzes auch zur institutionellen Förderung des Erinnerungsortes verpflichtet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können als Landtag heute mit einer Schwerpunktsetzung bei der Verteilung der sogenannten PMO-Mittel jetzt den Gedenkstätten und Initiativen Rückenwind geben und damit diese darin unterstützen, die Erinnerung und die Aufarbeitung des Unrechts in der DDR mit allen Kräften voranzubringen. Am Geld darf und muss es nicht scheitern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich frage die CDU-Fraktion: Wird noch einmal das Wort gewünscht? – Frau Abg. Fiedler, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Maicher hat es richtig gesagt: Wir reden hier über PMO-Vermögen, das aus Mitteln der SED stammt und von keiner anderen Partei. Das liegt daran, dass alle anderen Parteien damals das Geld an die Treuhand zurückgegeben haben. Die Nachfolgeparteien, so auch die CDU Deutschlands, haben damals auf das Vermögen, das zu DDR-Zeiten zugeflossen ist, verzichtet. Das ist auch der Unterschied gegenüber der SED, die das damals nicht getan hat. Diese Mittel, über die wir heute sprechen, nämlich die 58 Millionen Euro, sind auch keine Mittel, die freiwillig zur Verfügung gestellt wurden, sondern sie mussten eingeklagt werden, damit sie jetzt hier verteilt werden können.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, das muss man an dieser Stelle erwähnen, damit Geschichte nicht falsch erzählt wird. Wenn hier steht, dass wir über Aufklärung und Aufarbeitung reden, dann gehört es auch dazu, das zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es sehr richtig – und es ist wirklich mein tiefes Anliegen –, dass das Vermögen, welches den damaligen DDR-Bürgern entzogen worden ist, auch zum größten Teil an die Erinnerung an die Opfer der Diktatur sowie zur Aufarbeitung des Unrechtssystems eingesetzt wird. Aber es muss eben auch für andere Bereiche eingesetzt werden, in denen es Nachteile gibt, wie beispielsweise im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich. Auch hier gibt es durchaus Themen, wo eine große Kluft entstanden ist.

Wenn man sich einmal anschaut, wofür die PMO-Mittel in Sachsen verwendet wurden, dann war das nicht nur der barrierefreie Ausbau von Haltestellen, sondern es gehört beispielsweise auch der Denkmalschutz dazu. Erinnern wir uns, wie die DDR damals mit Denkmalschutz umgegangen ist! Auch die Städteförderung profitierte von den PMO-Mitteln; auch hier erinnern wir uns noch, wie die Wohnungssituation zu DDR-Zeiten aussah.

Auch die Situation im Handwerk gehört dazu – erinnern wir uns hier nur kurz daran, wie die DDR mit Handwerkern umgegangen ist, wie diese Leute schikaniert und Unternehmen zwangsenteignet wurden. Das wissen Sie alles. Zur Förderung aus PMO-Mitteln gehörten bislang

auch schon Gedenkstätten – ich erinnere hier beispielsweise nur an die nicht weit entfernte Busmann-Kapelle in Dresden; auch diese wurde aus PMO-Vermögen finanziert.

Ich muss daher sagen: Keine einzige Maßnahme in Sachsen, die bisher aus PMO-Mitteln finanziert worden ist, ist in irgendeiner Art und Weise falsch finanziert worden. Ich möchte auch nicht, dass hier ein solches Signal gesetzt wird. Bisher sind diese Mittel sehr verantwortungsvoll und bewusst verwendet worden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Schauen wir einmal, wofür andere neue Bundesländer diese Mittel einsetzen: beispielsweise WLAN-Zugänge, das Bauhausjubiläum im nächsten Jahr, für barrierefreie Zugänge zu Theatern; für die Rekultivierung des ländlichen Raums in Thüringen, für eine Sommerakademie, für ein Hospiz, für die Sanierung von Kirchen und auch für Gedenkstätten. Auch die anderen neuen Bundesländer haben also eine große Bandbreite an Angelegenheiten, für die sie die Mittel einsetzen.

Nun haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, zwei sehr entscheidende Fragen in Ihren Anträgen: Zum einen ist es wichtig, mehr für sächsische Gedenkstätten zu tun – insbesondere für solche, die sich mit DDR-Geschichte beschäftigen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob man heute schon einen Beschluss machen sollte, ob diese jetzt aus PMO-Mitteln zu finanzieren sind. Zur ersten Frage sage ich: Ja, es ist notwendig, mehr für Gedenkstätten zu tun – insbesondere für solche Gedenkstätten, die sich mit DDR-Unrecht beschäftigen, gilt das Motto, das Roland Jahn, der Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, einst dazu sagte: dass Aufarbeitung kein Verfallsdatum hat. Es ist also nach wie vor aktuell. Auch für uns ist es wichtig, solch einem Thema einen Schwerpunkt zu widmen; denn wir merken auch, dass es zunehmend eine Verklärung gibt, wie die DDR-Zeit war. Das darf nicht in Vergessenheit geraten.

Selbstverständlich ist es auch eine besonders sinnvolle Verwendung von PMO-Mitteln, diese für Gedenkstätten einzusetzen, die an DDR-Unrecht erinnern. Wir sagen auch – und haben es schon gesagt –, dass den sächsischen Gedenkstätten eine besondere Aufgabe zukommt, aber dass wir hier im Plenum nicht einzelne Gedenkstätten erwähnen können. Selbst wenn die Gründe hierfür vielleicht sinnvoll sind, geraten dadurch andere Gedenkstätten vielleicht weniger in den Fokus. Es gibt dafür die Stiftung „Sächsische Gedenkstätten“, die uns hier einen Vorschlag unterbreiten soll. Am Ende geht es nicht nur darum, wie Gedenkstätten investiv zu unterstützen sind, sondern wir müssen sie auch im laufenden Betrieb unterstützen und mehr für sie tun. Unterstützung also ja, aber auf der Grundlage der Stiftung „Sächsische Gedenkstätten“. Es wäre auch nicht klug, auf der dort vorhandenen Expertise aus der Wissenschaft, von Opferverbänden, aus den Kirchen und der Jüdischen Gemeinde zu verzichten. Von dort wird uns also sicherlich ein kluger Vorschlag erreichen. Wir haben auch schon mehrfach gesagt, dass

wir in den Haushaltsverhandlungen für den nächsten Doppelhaushalt diesem Thema einen Schwerpunkt widmen werden.

Die zweite Frage ist die nach dem Entschädigungsfonds. Ich muss dazu sagen: Ich verneige mich in tiefem Respekt vor den Opfern des DDR-Unrechts. Man muss sich in Erinnerung rufen: Das sind Leute, die enorme Einbußen erlebt und furchtbare Schicksale erlitten haben, weil sie etwas eingefordert hatten, was für uns heute selbstverständlich ist, nämlich Freiheit und Selbstbestimmung. Das darf niemals in Vergessenheit geraten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb plädiere ich dafür, auch mit dem Thema Entschädigungsfonds sehr sensibel umzugehen und nicht Erwartungen zu wecken, die wir am Ende nicht erfüllen können. Wir dürfen diese Leute nicht enttäuschen. Deshalb muss man einen sehr klugen Vorschlag haben, der das Thema am Ende auch umsetzt. Sie haben in Ihrem Antrag ein Paket einer vielfältigen Finanzierung vorgeschlagen. Ich kann jedoch dabei nicht absehen, wie viel beispielsweise am Ende für diesen Entschädigungsfonds zur Verfügung stehen würde. Ich finde, so kann man mit diesem Thema nicht umgehen. Deshalb sage ich: Ich kann Sie verstehen, aber es ist für mich keine seriöse Vorgehensweise, das heute hier zu beschließen.

Deshalb sage ich: Das geschieht nach Abwägung aller Bereiche und nicht aus rein haushaltstechnischen Gründen. Auch wenn man sich inhaltlich mit diesem Thema befasst, dann wollen wir mit den vorhandenen Mitteln, die jetzt gerichtlich erstritten worden sind, sehr verantwortungsbewusst umgehen – auch im Sinne der Opfer. Das Thema Wiedergutmachung, Rehabilitation und Aufarbeitung sollte dabei einen großen Schwerpunkt einnehmen. Aber bitte lassen Sie uns das in Ruhe und klug durchdenken!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Fraktion DIE LINKE gibt es keine weiteren Wortmeldungen. Hat die SPD Redebedarf? – Herr Abg. Pecher, Sie erhalten jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs möchte ich bemerken, dass jede Fraktion versucht, sehr verantwortungsvoll mit diesem Thema umzugehen. Das finde ich auch richtig so. Was ich aber nicht verstehe, Frau Meier, ist Folgendes: Nicht jeder hat immer hundertprozentig recht – oder wie der Volksmund sagt: Niemand hat die Weisheit mit Löffeln gefressen. Deswegen verstehe ich nicht, dass Sie hier eine Ministerin angreifen – dazu noch mit einer Wortwahl, die ich hier nicht wiederholen möchte –, die sich auch nur einen Kopf macht, wie man das Thema Vergangenheitsbewältigung und Unrechtsaufarbeitung

unter den heutigen Prämissen vielleicht einmal genauer analysieren sollte. Das kann ich einfach nicht verstehen.

Die Frau macht sich einfach nur Gedanken, und das finde ich in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Ines Springer, CDU)

Zu Ihrem Antrag stelle ich fest: Wir stehen vier Monate vor den Haushaltsberatungen. Wahrscheinlich im August wird der Haushalt eingebracht. Ich sage ganz deutlich: Wir sind der Gesetzgeber, wir entscheiden dann, wo das Geld eingesetzt wird. Da brauche ich jetzt nicht mit einem Schnellschuss die Staatsregierung aufzufordern, noch irgendetwas in den Entwurf hineinzuwürgen.

(Widerspruch des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Herr Lippmann, Sie können ans Mikrofon gehen und sich dort auslassen. Dann haben Sie alle Zeit der Welt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Sie haben es auch so gemacht!)

Das halte ich also nicht für zielführend. Es wäre auch nicht der erste Änderungsantrag der GRÜNEN, der im Zuge der Haushaltsberatungen durchgeht. Das wäre also Ihre Chance, auch dort einmal etwas Substanzielles beizutragen. – So weit dazu.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Da wollen Sie Konzepte haben und lehnen es deswegen ab!)

Dann zu der Verwaltungsvereinbarung. Dazu muss man deutlich sagen: Es ist so, die Verwaltungsvereinbarung von 1994 schreibt Investitionen vor. Im Übrigen schreibt sie nicht Investitionen in Gedenkstätten vor; das ist ein Problem. Gleichzeitig fordern Sie auch, das Geld quasi institutionell einzusetzen. Das ist ein Widerspruch, den wir lösen müssen. Den kann man haushalterisch lösen, aber nicht mit Ihrem Ansatz.

Die Verwaltungsvorschrift – das wissen Sie, Frau Meier, das hat Ihr Antrag ja ergeben – ist in Arbeit. Was dabei herauskommt, wissen wir nicht. Von daher können wir auch nicht dazu auffordern, noch mehr zu arbeiten. Das machen Sie ja schon. Da wird also ein Ergebnis kommen oder keines.

(Lachen der Abg. Franziska Schubert, GRÜNE)

Wenn das Ergebnis lautet, dass wir das Geld institutionell einsetzen können, dann ist das gut und wir können es probieren. Wenn dem nicht so ist, müssen wir uns überlegen, wie wir dieses investiv veranlagte Geld praktisch einsetzen können, um trotzdem institutionell zu fördern.

Dazu einfach einmal ein Denkmodell: Was wäre denn, wenn die PMO-Mittel jetzt nicht gekommen wären? Das entlastet uns als Freistaat doch nicht von der Aufgabe, die Gedenkstätten zu finanzieren: dort investiv zu unterstützen, aber praktisch auch die Aufarbeitung zu unterstützen. Das ist doch eine Daueraufgabe, darin werden Sie mir zustimmen. Das heißt, die zusätzlichen Mittel, die jetzt kommen, kann man doch auch investiv für andere Dinge einsetzen und die frei werdenden Landesmittel dann