Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Möglicherweise bleibt für die Angehörigen des Unfallopfers gerade die Zeit stehen. Möglicherweise sind für sie eben noch dringende Termine mit einem Schlag überhaupt nicht mehr relevant. Möglicherweise bricht für sie alles zusammen, und sie stehen vor den schwierigsten Entscheidungen ihres Lebens. Möglicherweise birgt diese schreckliche Situation Hoffnung für einen anderen Schwerkranken oder Verletzten.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf rückt ins Blickfeld, was wir in unserem Alltag sehr gern verdrängen: Bei schweren Erkrankungen und dramatischen Unfällen hängt oft das Überleben davon ab, ob ein Spenderorgan gefunden werden kann. Jede und jeden von uns kann das treffen, an jedem Tag.

Ein Ergebnis unserer Verdrängung ist die rückläufige Zahl der Organspenden. Auch der durch die Skandale eingetretene Vertrauensverlust ist noch nicht überwunden. Deswegen sind Transplantationsbeauftragte enorm wichtig, um potenzielle Organspender zu erkennen, Organspenden zu fördern und zu koordinieren. Sie schaffen das notwendige Vertrauen, wenn es darum geht, den mutmaßlichen Willen festzustellen. Die Angehörigen müssen sich mit ihrer Entscheidung für oder gegen eine Spende dauerhaft sicher fühlen. Angehörige darauf vorzubereiten, dass ein irreversibler Ausfall des Gehirns eintritt, erfordert äußerst intensive und schwierige Gespräche.

Transplantationsbeauftragte müssen auch ihre Kollegen beraten, gerade wenn es um die sichere Diagnostik geht. Sie sorgen für schnelle und harmonische Abläufe. Auch davon hängt Überleben ab. Deswegen unterstützen wir es ausdrücklich, wenn Transplantationsbeauftragte in allen Einrichtungen benannt werden, in denen eine Organspende räumlich und personell möglich ist.

Die Transplantationsbeauftragten müssen deutlich gestärkt werden. Sie müssen ausreichend Zeit und Freiraum für ihre wichtige Arbeit und für die Weiterbildung haben.

Da hätte ich es mir auch gewünscht, dass die Freistellung verbindlicher im Ausführungsgesetz geregelt wird. Im vorliegenden Gesetzentwurf bleibt der Umfang hier im Bereich unverbindlicher Richtwerte. In den Entnahmekrankenhäusern kommt es dann auf den guten Willen und die Rahmenbedingungen an, um die Transplantationsbeauftragten so weit freizustellen, wie es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Was nützt eine gesetzlich geforderte Freistellung, wenn sie in der Praxis nicht realisiert oder nicht ausreichend finanziert werden kann? Frau Schaper hat das ausgeführt.

Meine Damen und Herren! Wir dürfen die Verantwortung aber eben nicht allein auf die Transplantationsbeauftragten und die Entnahmekrankenhäuser abschieben. In den USA zum Beispiel wird jeder, der einen Führerschein beantragt, automatisch nach der Spendenbereitschaft gefragt. Das können wir im Landesrecht nicht regeln. Auch die von den Vorrednern angesprochene Diskussion um die Widerspruchslösung gehört auf die Ebene des Bundesgesetzgebers. Doch der Umgang mit und die Einstellung zu Organspenden ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das uns alle angeht. Wir alle müssen deutlich mehr dafür tun, damit mehr Menschen überleben können. Deswegen bedanke ich mich bei der Koalition für den Entschließungsantrag, den wir natürlich unterstützen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wird eine weitere Runde gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Organspende rettet Leben. Daher brauchen wir ein funktionierendes Transplantationssystem, auf das sich alle – und da rede ich von allen Beteiligten – wirklich verlassen können und worauf sie vertrauen können.

Wichtigster Ansatz seit 2005 ist in Sachsen der Transplantationsbeauftragte in den Krankenhäusern. Was seit 2005 bereits bei uns galt, gilt heute umso mehr. Ich nenne noch einmal die Zahlen, die schon kurz aufgeführt wurden. 2016 von den Krankenhäusern gemeldete mögliche Organspenden: 169, für eine Organspende infrage gekommen: 104, tatsächlich für eine Organspende entnommen: 60.

Der Blick auf die geringen Spenderzahlen einerseits, aber auch auf die große Zahl der Menschen auf den Wartelisten andererseits ist erschreckend. Das haben meine Vorredner bereits deutlich zum Ausdruck gebracht. Auch die Befragungen und Beratungen, die wir im Hohen Haus dazu hatten, haben diese Dramatik noch einmal dick unterstrichen.

Das eine ist die Spendenbereitschaft. Da geht es um Vertrauen, das wieder aufgebaut werden muss. Unabhän

gig davon möchte ich aber all jenen – einige Abgeordnete haben ihren Organspendeausweis heute bereits gezeigt –, die einen Spenderausweis besitzen, Danke sagen. Gleichzeitig möchte ich den Appell an alle richten, einen Organspendeausweis auszufüllen und bei sich zu tragen. Der Abg. Zschocke hat noch einmal darauf hingewiesen. Egal, ob man dafür oder dagegen ist, es ist wichtig, einen Organspendeausweis bei sich zu haben.

Das andere ist die Fähigkeit, im Krankenhaus den möglichen Spendenfall zu erkennen und dann professionell zu handeln. Der Transplantationsbeauftragte spielt hier eine ganz zentrale Rolle. Deswegen stärken wir seine Aufgabe mit diesem Gesetz. 2012 wurde das Bundestransplantationsgesetz geändert. Regelungen, die bisher bei uns im Landesrecht bereits verankert waren, sind nun auf Bundesebene enthalten. Das ist insbesondere die Verpflichtung zur Bestellung eines Transplantationsbeauftragten. Wir müssen nun auf Landesebene die Regelungen unseres Gesetzes redaktionell anpassen. Sie werden im Landesrecht gestrichen, da sie jetzt im Bundesrecht verankert sind.

Das Transplantationsgesetz beauftragt die Länder, das Nähere, insbesondere zu Qualifikation und Freistellung, zu regeln. Auch hier hatten wir bereits entsprechende Regelungen im Landesgesetz. Sie sollen jetzt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf noch einmal konkreter formuliert, konkreter gefasst werden. Um die nötige Qualifikation sicherzustellen, ist zum Transplantationsbeauftragten ein Arzt mit mehrjähriger Berufserfahrung zu bestellen. Beim Thema Freistellung orientiert sich der konkrete Umfang der Freistellung an der Größe des Krankenhauses. Hier kommt es auf die Anzahl der Intensivbetten mit regulärem Beatmungsplatz an. Außerdem ist das Thema Freistellung zu Zwecken der Fortbildung ebenfalls zu regeln.

Die Abg. Schaper hat bereits angeführt, dass die Bayern konkrete Vorgaben zum Thema Freistellung der Transplantationsbeauftragten gemacht haben. Wir haben uns sehr intensiv damit auseinandergesetzt und sind zu der Überzeugung gekommen, dass die Rolle des Beauftragten in jedem Krankenhaus abgestimmt mit den örtlichen Gegebenheiten individuell geregelt werden sollte.

Dadurch wollen wir die Häuser vor Ort stärker in ihrer Verantwortung wahrnehmen.

Vor allem aber wollen wir die Transplantationsbeauftragten darüber hinausgehend mit Regelungen stärken. Es werden konkrete Maßnahmen aufgelistet, die die Krankenhausleitung verpflichten, die Transplantationsbeauftragten zu unterstützen. Das sind die Kosten für fachspezifische Fortbildungen. Sie sind verpflichtend von dem Krankenhaus zu tragen.

Engagement und Vertrauen sind das Kapital der Beauftragten. Daher sind auf der einen Seite Freiheiten für die Krankenhäuser bei den jeweiligen Regelungen für die Beauftragten notwendig, auf der anderen Seite sind aber auch strenge Vorgaben – gerade wenn es um das Thema mehrjährige Berufserfahrungen geht – im Gesetz gefor

dert. Damit sind unsere sächsischen Krankenhäuser aufgefordert, geeignete und engagierte Kollegen zum Transplantationsbeauftragten zu bestellen, und zwar für jedes Krankenhaus für sich. Auch diese Diskussion hat sich im Vorfeld abgebildet. Wir möchten nicht, dass es quasi diesen fliegenden Transplantationsbeauftragten gibt, der zwischen zwei Häusern pendeln muss. Wir wollen, dass er für jedes Krankenhaus individuell geregelt ist. Ich denke, das ist eine gute und klare Forderung, die unser Gesetz enthält.

Unser bisheriges Ausführungsgesetz war bereits eine gute Grundlage für die Tätigkeit der Transplantationsbeauftragten. Wir erwarten aber von der Änderung eine weitere Stärkung und damit auf längere Sicht eine Verbesserung der Organspendensituation im Interesse unserer Patienten, die auf der Warteliste stehen. Daher möchte ich Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf bitten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir können nun zur Abstimmung kommen. Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Transplantationsausführungsgesetzes. Wir stimmen auf der Grundlage der Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration ab.

Es liegen keine Änderungsanträge vor. Damit kann ich die Teile zusammenfassen, wenn es keinen Widerspruch gibt. Ich rufe auf die Überschrift, Artikel 1 und Artikel 2. Wer möchte den Artikeln seine Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich kann Einstimmigkeit erkennen; das ist sehr schön.

Dennoch muss eine Gesamtabstimmung erfolgen. Wer gibt dem Gesetzentwurf seine Zustimmung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Jetzt gibt es Stimmenthaltungen, keine Stimmen dagegen. Das Gesetz ist mit großer Mehrheit angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Uns liegt noch ein Entschließungsantrag von den Fraktionen CDU und SPD in Druck

sache 6/13219 vor. Wird dazu noch Einbringung gewünscht? – Herr Abg. Wehner, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich kurzfassen und mich bei allen Fraktionen bedanken, die sich bereits in der Debatte darauf verständigt haben, zuzustimmen. Ein ganz großes Dankeschön auch dafür, dass wir so sachlich über das Thema Organspende sprechen können. Dies wollen wir mit dem Entschließungsantrag noch einmal in die Öffentlichkeit rücken, also die Aufmerksamkeit – entsprechend wie in den Punkten aufgeführt – noch einmal darstellen.

Grundsätzlich muss man noch unterstreichen, dass die Menschen zwar bereit sind, Organe zu spenden, der Weg dahin aber oftmals schwierig ist. Wir sollten die Akteure noch besser miteinander vernetzen. Ich werde in den nächsten Monaten wiederholt anregen – dazu habe ich bereits Zustimmung erfahren –, dass wir über die Widerspruchslösung hier im Haus debattieren. Ansonsten hat Frau Schaper diesen Entschließungsantrag explizit gelobt, was mich im ersten Augenblick – und immer noch – verunsicherte.

Das Thema Organspendenskandal ist enthalten. Das ist sicher ein berechtigter Einwand, den sie vorbringt. Wir haben aber das Wort „sogenannte“ davor geschrieben. Sie haben allerdings recht: In Zukunft sollte darauf geachtet werden, dass man diesen Sprachgebrauch nicht aufnimmt, wenn er nicht notwendig ist. Ansonsten bitte ich um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Möchte noch jemand zum Entschließungsantrag sprechen? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über diesen abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Diesmal gibt es Einstimmigkeit. Damit ist dieser Antrag beschlossen.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 3

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur klinischen und epidemiologischen Krebsregistrierung im

Freistaat Sachsen (Sächsisches Krebsregistergesetz – SächsKRegG)

Drucksache 6/11251, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 6/13024, Beschlussempfehlung des Ausschusses

für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration

Auch hierzu ist eine Aussprache angedacht. Es beginnt die CDU, danach geht es in der gleichen Reihenfolge wie beim letzten Tagesordnungspunkt weiter. Ich gebe Herrn Abg. Wehner das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich hoffe, wir können uns jetzt in der gleichen harmonischen Stimmung dem Krebsregister widmen. Auch das ist für

den sächsischen Patienten besonders wichtig. Wesentlicher Inhalt dieses Gesetzes ist die Umsetzung bundesrechtlicher Vorgaben zur Schaffung eines flächendeckenden klinischen Krebsregisters und die Aktualisierung der bestehenden Rechtsgrundlagen für die epidemiologische Krebsregistrierung.

Seit 1970 hat sich die Zahl von Krebsneuerkrankungen in Deutschland nahezu verdoppelt. Etwa 500 000 Menschen erkrankten im Jahr 2013 an Krebs. Wesentliche Ursache für die Zunahme ist die demografische Alterung. Für fast alle Krebsarten steigt das Erkrankungsrisiko mit zunehmendem Lebensalter. Dass in einer älter werdenden Bevölkerung mehr Krebsfälle auftreten, ist Ihnen bekannt.

Lange Zeit stieg in Deutschland – wie in den meisten anderen Industrienationen – die sogenannte altersstandardisierte Erkrankungsrate, die die durch demografische Entwicklung bedingten Veränderungen herausrechnet. In den letzten Jahren ist jedoch eine Trendwende zu beobachten. Das ist sehr erfreulich; denn seit 2008 gehen diese Raten insgesamt erstmalig zurück, auch wenn es nur ein leichter Rückgang ist.

Am 9. April 2013 ist das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz in Kraft getreten. Wesentliche Inhalte des Gesetzes sind die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und die Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister. Diese klinischen Krebsregister sind flächendeckend durch die Länder einzurichten. Hintergrund ist die Umsetzung des Nationalen Krebsplanes. Dessen Ziel ist es, die Versorgung krebskranker Menschen in Deutschland zu verbessern.