Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD)

Das ist ein Phänomenbereich, mit dem wir uns auseinandersetzen – und nein, der Untergang des Abendlandes droht an der Stelle ebenso wenig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wippel?

Sehr geehrter Herr Kollege Hartmann, Sie haben soeben gesagt, dass man im Einzelfall hin und wieder mit einer Abschiebung rechnen könnte. Ist Ihnen bewusst, dass aktuell in Sachsen ungefähr 11 000 Personen vollziehbar ausreisepflichtig sind, die nicht abgeschoben werden? Vollziehbar ausreisepflichtig heißt, dass die Verfahren alle durch sind.

Zweite Frage: Können Sie mir erklären, warum unter Ausländern Intensivstraftäter gerade einmal zu einem Drittel eingesperrt sind? Es handelt sich hierbei um Personen, die mehr als fünf Straftaten begangen haben.

Warum halten sich diese noch in Deutschland auf und sind bislang nicht abgeschoben worden?

Herr Wippel, es geht damit los, dass Sie reflexartig hochspringen und nicht bis zum Ende zuhören. Ich habe nicht gesagt, dass wir im Einzelfall mit Abschiebungen rechnen müssen, sondern ich habe gesagt, dass im Einzelfall Abschiebung vor Strafverfolgung auch ein Punkt sind. Das ist ein wesentlicher Unterschied, Herr Wippel! Die CDU-Fraktion steht für eine konsequente Rückführung derer, die keinen Anspruch haben.

(Carsten Hütter, AfD: Das sehen wir ja in der Praxis!)

Hören Sie doch erst einmal bis zum Ende zu; das würde Sie nicht dümmer machen.

Wir tun das Ganze aber nicht nach Bauchgefühl, Meinung, Lust und Laune, sondern wir tun das auf Grundlage rechtsstaatlicher Regeln und Normative. Eine Antwort auf die Frage, warum Intensivstraftäter hier zum Teil auch mehrfach tätig sein können und nicht eingesperrt werden, hat etwas mit Gewaltenteilung in diesem Land zu tun. Es hat auch etwas damit zu tun, dass unabhängige Richter auf Grundlage geltender rechtlicher Bestimmungen entscheiden. Wenn wir hier politischen Bedarf sehen – für meine Fraktion kann ich das im Einzelfall sagen –, dann müssen wir diese Diskussion rechtsstaatlich führen, das heißt, unter Beachtung des rechtlichen Rahmens, der verfassungsmäßigen Grundrechte sowie der bestehenden internationalen und europäischen Verpflichtungen. Wir müssen darüber diskutieren, was diese Rahmenbedingungen ermöglichen. Sie jedoch erzeugen ein Placebo mit Ihrer sinnlosen Debatte, immer zu fordern: „Schmeißt sie alle raus!“. Wenn Sie in der Verantwortung wären – ich möchte es Ihnen und dem Land jedoch die nächsten Jahre ersparen –,

(Carsten Hütter, AfD: Dafür werden Sie schon sorgen!)

Sie würden nicht eine Abschiebung mehr vollziehen können, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen das entscheidende Barometer für die Frage sind, was Sie tun können, sehr geehrter Herr Wippel.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Kollege?

Herr Kollege Hartmann, haben Sie mir eigentlich zugehört? Ich stelle Ihnen jetzt noch einmal meine Frage: Was habe ich an der Kriminalität durch Zuwanderer negiert, wenn ich lediglich auf den fatalen statistischen Kniff des Innenministeriums hingewiesen habe, dass man sich die Zahl der Zuwanderer niedriger rechnet und dann behauptet, bei gleichbleibender Zahl von Tatverdächtigen sei die Kriminalität gestie

gen? Das hat mit der Wahrheit nichts zu tun. Was hat das mit Ihren Aussagen zu tun, dass wir hier etwas schönmalen würden, wenn man einfach nur die Wahrheit beschreibt?

Herr Lippmann, ich danke Ihnen für Ihre Frage. Das gibt mir Gelegenheit zu antworten. Ich stelle an dieser Stelle fest: Sie haben sich in diesem Bereich ausführlich mit der Fragestellung eines statistischen Wertes hinsichtlich der Einrechnung und Wegrechnung in eine Relativierung begeben – ich habe Ihnen nämlich sehr aufmerksam zugehört –, die zum Schluss den Eindruck machte, es sei alles gar kein Problem.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein, das habe ich doch gerade erklärt!)

Herr Lippmann, Sie werden leider zur Kenntnis nehmen müssen: Es gibt in der Kommunikation – Sie möchten es ja gern wissenschaftlich – gewisse Sender-EmpfängerVerhältnisse. Der eine sendet, der andere empfängt. Wenn dann etwas anderes ankommt, müssten Sie vielleicht prüfen, ob das Senderverhalten sowie zugegebenermaßen auch das Empfängerverhalten an dieser Stelle ein Problem in der Wahrnehmung hat.

(Heiterkeit der Abg. Ines Springer, CDU, und Volkmar Winkler, SPD)

Ich sage Ihnen: Die Wahrnehmung Ihres Beitrages bei mir war, dass Sie versucht haben, das Thema ausländische Straftäter zu relativieren, indem Sie gesagt haben, dass das eigentlich nur ein statistischer Wert sei, und wenn wir diesen setzen, dann sind einige nicht mit hineingerechnet. Sie haben dann mit einem einzigen Wort – das ist nicht sehr schön – das Ganze abgetan mit der Zahl der 4 913 Straftäter, nur sechs mehr als im Vorjahr.

Was bei mir nach dieser Darstellung ankommt, ist Folgendes: „Hören Sie doch alle auf, über Ausländerstraftaten zu reden.“ Das ist für Sie gar kein Thema – das ist die Botschaft, die Sie senden. Deswegen, Herr Lippmann, ist es ganz klar: Man muss an dieser Stelle benennen, dass wir hier ein Problem haben. Das nimmt die Bevölkerung auch wahr. Wir müssen uns daher mit dieser Frage auch beschäftigen. Das, was bei Ihnen angekommen ist, ist im Umkehrschluss eine Verharmlosung dessen, was auf der anderen Seite als riesiges Problem aufgeblasen wird.

Damit komme ich noch einmal zu dem Punkt, dass es sich hier um ein Thema handelt, das nicht schwarz und weiß gesehen werden darf, sondern in der Mitte der Gesellschaft gelöst werden muss. – Das war es dazu.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt verbleiben mir noch 32 Sekunden, um deutlich zu machen, dass die PKS ein Teilindikator und ein messbarer Maßstab dafür ist, wie sich Kriminalitätsverhalten an verschiedenen Stellen entwickeln kann. Ja, wir haben einen Rückgang im Bereich einiger Straftatenkomplexe, auch der Grenzkriminalität. Es sagt uns aber auch, dass

wir den Verhandlungsdruck offenhalten müssen, und es zeigt uns vor allen Dingen Problembereiche, wie beispielsweise die Cyberkriminalität, aber auch der organisierten Kriminalität und Drogendelikte. Dem müssen wir uns stellen.

In der dritten Runde werde ich noch etwas zu den Maßnahmen sagen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall bei der Staatsregierung)

Jetzt folgt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Lippmann.

Dann möchte ich Herrn Hartmann mit dieser Kurzintervention noch einmal etwas Redezeit verschaffen: Herr Kollege Hartmann, was Sie hier gerade eindrucksvoll beschrieben haben, nennt man in der Wissenschaft kognitive Dissonanz. Sie wollen nur das hören, was in Ihr Weltbild passt. Hätten Sie einmal genau zugehört, als ich geredet habe, dann wäre Ihnen aufgefallen, dass ich erstens nicht gesagt habe, es sei schlimm, sondern es durchaus als besorgniserregend eingestuft habe. Zweitens habe ich gesagt, dass man damit eine kriminologische Auseinandersetzung führen muss. Wenn jedoch in Ihrem Kopf nur hineinwill, dass die GRÜNEN immer nur alles schönmalen wollen – auch die Innenpolitik –, dann kann ich Ihnen nicht helfen. Allerdings sollten Sie jedoch einmal mit der Interpretation des Gesagten aufhören und zur Wahrheit kommen. Ich erwarte auch von Ihnen, Herr Kollege, dass Sie an dieser Stelle zuhören und nicht beginnen, in der parlamentarischen Debatte eine lustige Interpretation von Redebeiträgen vorzunehmen, die Sie offensichtlich kognitiv gar nicht so verarbeitet haben, dass es in Verständnis dessen mündet, was ich gesagt habe. Das jedoch erwarte ich von Ihnen; denn das ist Gegenstand dessen, wenn Sie hier eine sachliche Debatte anmahnen. Dann erwarte ich von Ihnen natürlich ebenso diese sachliche Debatte. Sie waren gerade der lebendige Beweis dafür, dass Sie Ihre sachlichen Aussagen offensichtlich auf reine Wahrnehmung stützen.

(Widerspruch und Zurufe von der CDU)

Das war die Kurzintervention. Jetzt reagiert der angesprochene Vorredner, Kollege Hartmann.

Ich bedauere, dass ich den intellektuellen Fähigkeiten eines Herrn Lippmann, die weit über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegen, nicht folgen kann

(Lachen, vor allem bei der AfD)

und dass die Schlichtheit meines Gemütes, das in der Mitte der Gesellschaft stattfindet, nicht in der Lage ist, diese besondere Interpretationsfähigkeit zu leisten. Das ist womöglich Ausdruck einer gesellschaftlichen kognitiven

Störung in Bezug auf die Kommunikation der GRÜNEN. Das soll jedoch nicht Thema der Debatte sein.

Herr Lippmann, ich möchte es einmal deutlich sagen: Sie führen eine Diskussion und Sie senden Botschaften, beklagen jedoch, dass man diese Botschaften falsch aufnimmt, wenn Ihnen dann die Wahrnehmung nicht passt. Sie müssen schon damit leben, dass ich meine Redebeiträge zum einen auf Fakten stütze und zweitens auf das, was Sie gerade rhetorisch von sich geben, denn darauf reagiere ich in einer Aktuellen Debatte. Vielleicht habe ich auch etwas falsch verstanden. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass Aktuelle Debatten den Grundsatz von Rede und Gegenrede prägen und es üblich ist, auf den anderen zu reagieren.

Ich weiß, dass es Ihnen nicht passt, dass ich das versuche. Ich entschuldige mich dafür, dass ich Ihre Niveau offensichtlich nicht erreiche, aber wir werden beide damit leben müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit der Abg. Ines Springer, CDU)

Jetzt gehen wir weiter in der Rederunde zu Herrn Kollegen Pallas. Sie erhalten das Wort für die SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eine Paartherapie zu empfehlen wäre etwas vermessen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Was ich Ihnen empfehlen kann, ist die Lektüre von Paul Watzlawick „Anleitung zum Unglücklichsein“. Ich glaube, Sie würden einige Situationen der heutigen Debatte wiedererkennen,

(Ines Springer, CDU: Der war wohl Grüner!)

vor allem Herr Hartmann und Herr Lippmann. Viele reden über das Thema Ausländerkriminalität, aber sie sprechen nicht miteinander. Ich glaube, das ist das Problem. Ich möchte versuchen, vielleicht noch ein wenig mäßigend in die Debatte einzugreifen, weil ich glaube, dass da gerade einiges schiefläuft.

Ja, es ist eine statistische – oder wie auch immer – Wahrheit, dass mehr Menschen in unser Land kommen und damit auch mehr Kriminalität stattfindet. Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass von einer Gruppe X eben nicht 100 % kriminell sind, sondern nur ein bestimmter Anteil.

(Prof. Dr. Roland Wöller, Staatsminister des Innern: Hört, hört!)