Protokoll der Sitzung vom 30.05.2018

Selbst wenn Sie die Fußfessel mit einem Aufenthaltsverbot kombinieren, besteht immer noch das große Risiko, dass sie bei der Verletzung des entsprechenden Aufenthaltsverbots zum Zwecke der Durchführung eines Anschlags unmittelbar, schnell und mit robusten Kräften reagieren müssen. Klammer auf: In einem Fall der repressiven Anlegung einer Fußfessel – das wurde heute vor dem Amtsgericht Dippoldiswalde verhandelt – hat die Polizei eine Stunde gebraucht, um vor Ort zu sein, nachdem das Signal erloschen war. Ich glaube, bis dahin hat derjenige, der eine Fußfessel zur Prävention terroristischer Straftaten trägt, seinen Anschlag längst begangen, ohne dass wir es rechtzeitig mitbekommen haben.

Kurzum: Sie bringt nichts. Sie lügen sich und den Bürgerinnen und Bürgern in die Tasche und gaukeln ihnen mit Ihren verfassungswidrigen Regelungsvorschlägen Sicherheit vor.

(Albrecht Pallas, SPD: Was zu beweisen wäre!)

Wir GRÜNEN sind nicht bereit, einen Zentimeter unseres Rechts freizugeben, in Freiheit und ohne umfassende staatliche Überwachung zu leben. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf und auch jeden weiteren Angriff auf unsere Freiheit ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

(Dr. Kirsten Muster, fraktionslos, signalisiert Redebedarf.)

Ach, Frau Dr. Muster, Sie waren noch gar nicht dran? Kommen Sie nach vorn. Alles gut!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die fraktionslosen Abgeordneten der Blauen Partei werden dem Gesetzentwurf der AfD-Fraktion und auch dem Änderungsantrag zustimmen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Warum haben Sie die AfD überhaupt verlassen? – Gegenruf des Abg. André Barth, AfD – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Warum habt Ihr sie eigentlich gehen lassen?)

Die AfD-Fraktion hat im Juni 2017 einen Gesetzentwurf eingebracht. Es geht um Präventionsmaßnahmen zur Terrorismusabwehr. Erlaubt sind demnach erstens Aufenthaltsvorgaben, zweitens Kontaktverbote –

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Quatschen Sie nicht immer hinein. Stellen Sie sich an das Mikrofon oder seien Sie still!

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ich brauche keine Belehrung von Ihnen! Zwischenrufe sind zulässig, auch im Sächsischen Landtag!)

und drittens der Einsatz elektronischer Fußfesseln.

Einhellig haben sich die Sachverständigen in der schriftlichen Anhörung positiv zur Zielrichtung dieser Änderung des Sächsischen Polizeigesetzes geäußert. Der Inhalt ist verfassungskonform, Herr Lippmann, auch wenn es Ihnen nicht gefällt.

Das kann auch gar nicht anders sein. Die AfD-Fraktion hat ziemlich umfassend §§ 55 und 56 des Gesetzentwurfs zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes des Bundes abgeschrieben. Der Sachverständige Johann Tüshaus – Herr Stange hat darauf hingewiesen – erstellte sogar eine Synopse, um den Gesetzentwurf der AfDFraktion und das BKA-Gesetz einander gegenüberzustellen. Er hat minutiös die Übereinstimmung nachgewiesen.

Die von der AfD-Fraktion selbst eingefügten Zusätze? Nun ja, sie sind handwerklich zumeist misslungen. Der Änderungsantrag ändert daran nur wenig.

Liebe Koalition, natürlich betrifft dieser Gesetzentwurf der AfD-Fraktion ein ganz, ganz schmales Segment der notwendigen Änderungen des Sächsischen Polizeigesetzes. Das ist das Privileg der Opposition. Denken Sie nur einmal an den Antrag der LINKEN zur Änderung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes. Da ging es faktisch ausschließlich um die Änderung eines Paragrafen, um das Berufungsverfahren von Rektoren neu zu regeln.

Mittlerweile, ein Jahr später, ist auch die Staatsregierung tätig geworden. Sie hat eine sehr umfangreiche – und noch sehr umstrittene – Novelle des Polizeigesetzes vorgelegt. Der Referentenentwurf des Gesetzes – lieber Herr Hartmann, schade, dass es nur ein Referentenentwurf ist, der uns bisher ereilt hat, und das auch erst vor Kurzem – liegt dem Landtag jetzt vor. Im Gesetzentwurf der Staatsregierung finden sich ebenfalls die Regelungen zur Aufenthaltsvorgabe und zum Kontaktverbot sowie zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Aber die Koalition geht noch einen Schritt weiter. Sie regelt auch die Abwehr von schweren Straftaten. Also, der Koalitionsentwurf geht weiter.

Beide Gesetzentwürfe enthalten hinsichtlich dieser polizeilichen Maßnahmen sehr ähnliche Regelungen; das muss man einfach festhalten. Herr Hartmann, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Sie sind zu spät! Das ist eine Tatsache. Die Koalitionsladehemmungen sind wieder sichtbar geworden.

Herr Pallas, ein PR-Gag ist dieser Gesetzentwurf nicht.

(Albrecht Pallas, SPD: Warum? Ich finde schon!)

Da ich dies angesichts meiner schmalen Redezeit nicht weiter ausführen kann, möchte ich nur sagen: Wir haben uns für den Spatzen in der Hand entschieden und nicht für die Taube auf dem Dach. Aus diesem Grund werden wir dem AfD-Gesetzentwurf zustimmen.

Ich muss auch sagen, die sächsische Koalitionstaube hat beim Einsatz von Body-Cams und Quellen-TKÜ noch nicht einmal abgehoben und ist bei diesem wichtigen Thema insgesamt eher lustlos und lässt die Flügel hängen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und den fraktionslosen Abgeordneten)

Bitte kommen Sie nach vorn, Herr Wippel. Sie sprechen für die AfD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Herr Hartmann, Herr Pallas, ich habe es verstanden: Die Koalition bestimmt den Zeitpunkt, ab dem man ernsthaft über eine Sache diskutieren darf. Wenn Sie irgendwann so weit sind, dann ist die Diskussion ehrlich. Wenn wir schneller sind als Sie, ist das ein PR-Gag.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Ihr seid einseitig!)

Dann kommt ein Punkt hinzu, den ich auch kritisieren muss. Denn Sie – alle beide – sagten, unser Gesetzentwurf gehe nicht weit genug, weil er nicht sämtliche Probleme des sächsischen Polizeirechts angehe.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Ist auch so!)

Es ist richtig, dass er das nicht tut.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Aha!)

Aber das ist auch nicht der Anspruch, den wir hatten.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Wir haben ihn!)

Wir hatten darauf vertraut, dass Sie die Ankündigungen, die Sie in Ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben, irgendwann einmal umsetzen würden. Wir haben, ehrlich gesagt, nicht mit der Langsamkeit der Koalition gerechnet. Ansonsten hätten wir nämlich nicht so lange gewartet mit den Dingen, die wir hätten einbringen können. Wir werden natürlich auch noch über die anderen Punkte diskutieren. Aber die von uns vorgeschlagene Regelung stand für uns erst einmal im Vordergrund; denn uns geht es darum, dass die Polizei diese Maßnahme zur Verfügung hat.

Sie können das ein Stück weit auch als Probelauf betrachten – bis nächstes Jahr. Sie sagen, Sie hätten einen Referentenentwurf in der Anhörung. Um das einmal auf den Punkt zu bringen: Ihr ominöser Entwurf ist dem Parlament offiziell noch nicht einmal zugegangen. Das sind relativ weit fortgeschrittene Gedankenspiele, die irgendwo im Kabinett stattfinden. Wenn man der Zeitleiste folgt, die Sie selbst vorgegeben haben, dann erkennt man: Sie haben sich vorgenommen, dass dieser Gesetzentwurf – zufälligerweise? – ungefähr im nächsten Jahr vor der Landtagswahl in Kraft tritt. Wenn Sie es bis dahin überhaupt schaffen!

Also, wir haben hier eine Lücke von einem Jahr. Diese Lücke wollen wir nicht bestehen lassen. Deswegen bitte ich Sie einfach, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sie können doch nicht die Sicherheit der sächsischen Bürger an Ihrer eigenen Arroganz scheitern lassen.

Ein Punkt noch: Die Sicherheit der sächsischen Bürger ist nicht weniger wert als die der bayerischen.

Noch eine Sache: Es kostet nicht viel. Es kostet wirklich nicht viel, das zu machen. 170 Euro kostet so eine elektronische Fußfessel. Das sind ungefähr, um noch einmal zu August dem Starken zu kommen, zwei Kisten des gleichnamigen Sekts. Ich denke, das sollte uns die Sicherheit der Bürger wert sein. Stimmen Sie bitte unserem Gesetzentwurf zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Hartmann, bitte.

Herr Wippel, wenn man den Berichten aus Brüssel glauben kann, kennen Sie sich ja mit Sektpreisen trefflich aus. Aber im Kern werden wir jetzt die Debatte über die Sicherheit im Freistaat Sachsen nicht von Ihrer Arroganz und Selbstgefälligkeit abhängig machen.

Frau Dr. Muster, Sie können uns ja durchaus ein sehr trauriges Flügelhängen unterstellen. Ihr wirres Geflatter wird zum Schluss auch nicht zur Problemlösung beitragen,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

sondern – und da wiederhole ich mich schon, aber manchmal fördert ja auch Wiederholung den Prozess – Sie kommen jetzt mit einem Ausschnitt des Polizeirechts und sagen, jetzt brauchen wir die Aufenthaltsbeschränkung wegen Gefährdern und eine Regelung für die Fußfessel. „Völlig losgelöst von der Erde“ hängen wir das hin. Warum hängen Sie das hin? Weil Sie das Instrument brauchen, um eine Debatte über vermeintliche islamistische Gefährder und das Asylrecht in diesem Land zu führen. Wir werden uns davon nicht beeindruckt zeigen.

(Carsten Hütter, AfD: Davon ist doch kein Wort gefallen!)