Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

Frau Staatsministerin Klepsch, Sie betonen in der Öffentlichkeit immer wieder den hohen Stellenwert von Familien. Seit vier Jahren arbeiten Sie an einem sogenannten Gesamtkonzept zur sächsischen Familienpolitik. Dafür sind schon über 200 000 Euro investiert worden; Ergebnisse liegen immer noch nicht vor. Ich sage einmal: Es ist gut und notwendig, dass sich das Ministerium bei der Ausrichtung der Familienpolitik wissenschaftlich beraten lässt. Das darf aber doch nicht Jahre dauern und am Ende zu Nichtstun führen. Sie müssen doch dafür sorgen, dass die Unterstützung bei den Familien ankommt und spürbar wird, gerade weil sich Gesellschaft und Familie weiterentwickeln.

Die Gelder, die der Freistaat für die direkte Unterstützung von Familien bereitstellt, sind im Kontext des gesamten Haushaltsvolumens wirklich sehr überschaubar. Auch im neuen Rekordhaushalt, den uns die Staatsregierung im Entwurf vorgestellt hat, gibt es unter dem Strich keine Erhöhung der Familienförderung.

Wir GRÜNEN wollen, dass der Familienpass nicht zu einer preiswerten Marketingmaßnahme für angebliche Familienfreundlichkeit verkommt. Wir wollen, dass der Familienpass deutlich mehr Familien als bisher zugute kommt. Deshalb stimmen wir dem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nun spricht Frau Abg. Kersten. Frau Kersten, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag der LINKEN soll der Berechtigtenkreis für den sächsischen Familienpass erweitert werden. Darüber hinaus geht es um vier weitere Forderungen, die zunächst erst einmal Verwaltungsarbeit nach sich ziehen.

Frau Lauterbach, Sie hatten bei der Einbringung Ihres Antrages noch andere Forderungen und Vorschläge unterbreitet, die sich im Antrag leider nicht wiederfinden. Als Ziel wird formuliert, den Familienpass dadurch attraktiver auszugestalten. Gleichwohl wird aber nicht belegt, ob dies mit den erhobenen Forderungen überhaupt erreicht werden würde.

Zwar werden die Beispiele in Sachsen-Anhalt und Österreich benannt, die solche erweiterten Familienpässe anbieten, die Antwort aber, inwiefern sich dadurch die Nutzung dieses Angebots deutlich erhöht hätte, bleibt der Antrag schuldig. Ebenso wie es in Sachsen keine Zahlen zu den ausgereichten Familienpässen gibt, sind im Antrag auch keine statistischen Angaben zu Sachsen-Anhalt oder Österreich zu finden.

Fakt ist allerdings, dass angesichts der Erstattung von Eintrittsgeldern im Rahmen der Nutzung des Familienpasses in Höhe von rund 51 000 Euro im Jahr 2017 unterstellt werden kann, dass dieses familienpolitische Instrument wenig genutzt wird. Das Problem des Familienpasses dürfte demzufolge eher in seinem nicht vorhandenen Bekanntheitsgrad liegen. Haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis schon einmal nachgefragt, wer den sächsischen Familienpass kennt oder nutzt? Das ist eine Tatsache, welche weder durch eine zentrale Antragsstelle noch durch Kooperationen mit anderen Bundesländern oder eine Öffnung für weitere Nutzungsberechtigte oder Angebote beantwortet werden kann.

Der Antrag ist sicher nett gemeint, nimmt aber den mittlerweile als Angebotsdschungel zu bezeichnenden Umfang familienpolitischer Leistungen nicht in den Blick. Das ist genau jene fatale Verfahrensweise, die seit Jahren in der Familienpolitik betrieben wird: hier ein kleines Fitzelchen mehr Geld, dort ein neues Angebot für eine beschränkte Klientel usw. usf. So ist eine Umverteilungsmaschinerie entstanden, die in allererster Linie dem Staat dient, aber nicht Familien entlastet.

Auf der anderen Seite gibt es höhere und neue Steuern, mehr Abgaben, höhere Belastungen unserer Familien. Der Politikansatz des vorliegenden Antrags entspricht nicht den familienpolitischen Ansätzen und Ansprüchen der blauen Wende.

(Zuruf von den LINKEN: Was? Der blauen Wende?)

Wir wollen eine grundlegende Neustrukturierung aller familienpolitischen Leistungen, die eine generelle Entlas

tung von Familien der gesamten Mittelschicht zum Ziel hat. Konkret heißt das: runter mit Steuern und Abgaben für alle Familien – für die Mittelschicht generell. Denn diese profitiert nicht vom wirtschaftlichen Höhenflug, in dem sich Deutschland gerade befindet. Im aktuellen Mittelstandsbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung ist zu lesen, dass das durchschnittliche Nettoeinkommen der Mittelschicht in den letzten zehn Jahren kaum gestiegen ist. Die Mittelschicht bezahlt die staatliche Umverteilungspolitik, profitiert aber nicht davon. Die Abgabenlast in Deutschland ist eine der höchsten.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Würden Sie mal vom Familienpass reden!)

Ehepaare mit zwei Kindern müssen in Deutschland im Durchschnitt 34,5 % ihres Einkommens an den Staat abführen; im OECD-Durchschnitt sind es gerade einmal 26,1 %.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Hat die blaue Wende den Antrag gelesen?)

Es braucht also eine neue Politik, eine, die die Mittelschicht allgemein und Familien insbesondere in den Fokus rückt, aber auch eine Politik, die unsere Steuererwirtschafter belohnt.

(Vereinzelt Heiterkeit bei den LINKEN)

Denn genau diese sind es, die eine soziale Marktwirtschaft erst ermöglichen. Wir brauchen mutige Politiker, die alle familienpolitischen Leistungen – und davon gibt es definitiv zu viele – sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene auf den Prüfstand stellen und auf Sinnhaftigkeit und Wirkung überprüfen.

Am Ende können hier nur einige wenige Instrumente übrig bleiben, denn Ziel einer wirkungsvollen Familienpolitik kann nur sein, dass Familien generell mehr Geld in der Tasche haben. Wir brauchen mutige Politiker, die bereit sind, unser Steuer- und Abgabensystem auf den Prüfstand zu stellen, zu vereinfachen und zu verbessern. Der wirksamste Familienpass wäre für uns: mehr Geld auf dem Konto von Familien.

(Beifall des Abg. Gunter Wild, fraktionslos)

Sie sind herzlich eingeladen, sich mit uns für eine grundlegende Neustrukturierung der Familienpolitik einzusetzen.

(Beifall des Abg. Gunter Wild, fraktionslos)

Den vorliegenden Antrag halten wir als ein dafür ungeeignetes Instrument, weshalb wir uns bei der anstehenden Abstimmung enthalten werden.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Wir eröffnen die zweite Runde. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Pfau. – Bitte sehr, Frau Pfau, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Kuge, Frau Lauterbach hat es zwar vorhin erklärt: Aber nein, es muss, wenn wir zentralisieren, nicht jeder nach Dresden fahren, um einen Antrag zu stellen, sondern es muss endlich auch einmal in Sachsen die Möglichkeit gegeben werden, diesen Antrag einfach online zu stellen, wie es heute eigentlich gang und gäbe ist bei vielen Anträgen.

Frau Pfeil-Zabel, natürlich gibt es wenige Kommunen in Sachsen, die auch einen Pass anbieten für ihre regionalen kulturellen Einrichtungen. Das Problem ist, es sind viel zu wenige in Sachsen. Mir ist keine kleine Gemeinde, wo natürlich auch Kinder leben, bekannt, die so etwas anbietet.

Frau Pfau, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Pfau, haben Sie schon einmal nach dem Familienpass mit einer Suchmaschine gesucht? Sie finden das online.

Aber nicht die Beantragung.

Das Formular aber.

Ja, aber ich kann es doch nicht online abschicken.

Das ist etwas anderes.

Das muss ich abschicken und muss dann loslaufen und es einreichen. Es geht genau um das, dass ich es online beantragen kann, was eigentlich heute gang und gäbe sein sollte.

Bitte keine Zwiegespräche!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Kindheit werden Chancen für das zukünftige Leben entscheidend bestimmt. Deshalb sehen wir den heutigen Antrag auch als einen kleinen Beitrag, den wir als Freistaat leisten können, um den Folgen von Kinderarmut entgegenzuwirken.

Durch die Armut der Eltern besteht bei den Kindern ein hohes Risiko, dass neben den verschiedensten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und mangelhaften Bildungskompetenzen auch die soziale Teilhabe eingeschränkt ist. Sie haben in der Regel kleinere soziale Netzwerke, können weniger an kulturellen oder sportlichen Aktivitäten teilnehmen, weil die Eltern einfach das Geld nicht haben, um die Musikschule, die Fahrt mit der Fußballmannschaft oder den Besuch im Museum zu bezahlen.

Der Besuch von kulturellen Einrichtungen wird für die Eltern zu einem massiven Problem, weil er schlichtweg

nicht finanzierbar ist. Dadurch entwickelt sich bei den Kindern ein geringeres Selbstwertgefühl. Von allen ausgeschlossen zu sein, lässt keinen Raum für eine glückliche Kindheit und schafft keine optimalen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft. Wenn die Armut chronisch wird, also über Jahre anhält und zu übermäßig vielen entmutigenden Lebenserfahrungen führt, schaffen es die Kinder häufig auch als Erwachsene nicht, sich daraus zu befreien. Sie landen wieder in Hartz IV oder im Niedriglohnbereich.

Es ist klar, dass die grundlegenden Ursachen von Kinderarmut auf Bundesebene bekämpft werden müssen; denn der Bund ist für diejenigen Gesetze zuständig, die systematisch Kinderarmut hervorbringen. Nur der Bund kann die Gesetze entsprechend ändern, um Kinderarmut effektiv und dauerhaft zu bekämpfen. Wir als LINKE fordern deshalb schon seit Jahren eine Kindergrundsicherung.

Dennoch können wir auf Landesebene einen notwendigen Beitrag leisten, um gegen Kinderarmut vorzugehen. Wir als LINKE fordern das seit Jahren. Leider ist die Koalition aus SPD und CDU nicht gewillt, hier aktiv zu werden.

Der Familienpass kann eine kleine Maßnahme auf Landesebene sein, um gegen Kinderarmut aktiv zu werden und deren Folgen abzumildern, indem er es Familien ermöglicht, kostenfrei oder kostengünstig am kulturellen Leben teilzuhaben. Jedoch ist die Einschränkung auf Familien mit mindestens drei Kindern bzw. einem Kind mit Behinderung oder auf Alleinerziehende mit mindestens zwei Kindern nicht sinnvoll.

Armut ist regional unterschiedlich ausgeprägt. Besonders betroffen sind Alleinerziehende. Kollege Zschocke hat es vorhin schon erwähnt. Das ist bereits ab dem ersten Kind der Fall. Es ist ein Problem, dass da noch kein Antrag auf einen Familienpass gestellt werden kann. In Leipzig lebt beispielsweise ein Viertel der Kinder in Armut. Familien mit zwei Kindern, die in Leipzig in Armut leben, können den Familienpass nicht beantragen.

Es ist interessant, dass selbst die Staatsregierung den Familienpass als Instrument der Armutsbekämpfung sieht. In der Antwort auf die Kleine Anfrage, Drucksache 6/12176, steht: „Gesetzliche Leistungen und ergänzende Angebote können mittelbar einen Beitrag zur Stärkung der Eigenverantwortung und zur Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten und somit einen präventiven Beitrag zur Vermeidung und Senkung von Armutsrisiko sein. Beispielhaft sei hier erwähnt das Landeserziehungsgeld und der Landesfamilienpass.“ Der Familienpass steht also schon an zweiter Stelle.

Gleichzeitig ist aber die Staatsregierung in keiner Weise gewillt, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Der Familienpass ist der Staatsregierung ganze 65 000 Euro wert. 2015 waren es 70 000 Euro, 2017 sind es 51 000 Euro gewesen.

Der Familienpass ist einfach nicht attraktiv und kommt offenbar nicht an. Die Mittel werden nicht ausgeschöpft. Meine Kollegin hat das schon gesagt.