Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

(Beifall bei der CDU – Zurufe von den LINKEN)

Gern können wir über Ihre Vorschläge im zuständigen Ausschuss weiter diskutieren. Seien Sie bitte nicht verwundert, aber wir lehnen Ihren Antrag heute ab.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von den LINKEN)

Für die SPD-Fraktion Frau Abg. Pfeil-Zabel.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Herr Präsident!)

Frau Pfeil-Zabel, ich bitte noch um etwas Geduld. Da ist soeben gerade noch eine Wortmeldung ans Mikrofon gerannt.

(Heiterkeit)

Bitte sehr, Frau Schaper, Sie wünschen?

Eine Kurzintervention.

Bitte.

Vielen Dank. Entschuldigen Sie, Herr Präsident, mein Flügel ist lahm. Deshalb hat es etwas gedauert.

Dafür werde ich selbstverständlich Verständnis haben.

Frau Kuge, ich begehre eine Kurzintervention aufgrund Ihrer Bemerkung, es gibt viele kostenlose Angebote, die Familien wahrnehmen können. Es geht uns um Teilhabe, dass Kinder, die sich das vielleicht nicht leisten können, mit ihren Familien auch die Angebote, die bezahlt werden müssen, in Anspruch nehmen können. Es geht uns um eine aufrichtige Teilnahme. Es ist, glaube ich, eine Frage der Haltung, wenn man dann sagt – mit Verlaub –, sie können die kostenlosen Dinge in Anspruch nehmen. Das spricht für sich.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Kuge, Sie möchten erwidern? – Bitte.

Vielen Dank, Frau Schaper. Aber es gibt natürlich auch Einrichtungen, bei denen die Kinder keinen Eintritt bezahlen müssen. Das ist Ihnen auch bekannt.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Aber es gibt viele Angebote, die bezahlt werden müssen! – Zurufe von den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Damit geht es in der Aussprache weiter. Frau Pfeil-Zabel, ich danke für Ihre Geduld. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kultur zu erleben und daran teilzunehmen – genau damit setzt sich der vorliegende Antrag der LINKEN auseinander – ist elementar, bereits bei den Allerkleinsten. Die kulturellen Errungenschaften, die unser Bundesland prägen, erleben unsere Kinder mit ihren engsten Angehörigen. Der Familienpass macht es vielen erst möglich; denn – und das sollten wir uns immer wieder bewusst machen – kulturelle Teilhabe kostet nun einmal Geld. Familien aufgrund ihres Einkommens davon auszuschließen ist schlicht und ergreifend ungerecht.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Genau!)

Die soziale Spaltung der Gesellschaft wird auch daran sichtbar, welche Türen unseren Kindern verschlossen bleiben. Um dieser Ungerechtigkeit zu begegnen, gibt es eben diesen Familienpass. Dieser wird kostenlos an die Familien ausgegeben und ermöglicht es Eltern bzw. einem Elternteil, kostenlos bestimmte kulturelle Einrichtungen des Freistaates Sachsen zu nutzen. Wir wollen allen Kindern mit ihren Familien den Zugang zu unseren kulturellen Gütern ermöglichen und ihnen hierfür finanziell unter die Arme greifen.

Ich stimme dem Antrag daher insofern zu, dass die Personengruppe, die vom Familienpass profitiert, gegebenenfalls zu klein gefasst ist. Der Freistaat hat sich bewusst auf Mehrkindfamilien, Alleinerziehende mit zwei Kindern und Eltern mit schwerbehinderten Kindern konzentriert. Nur diese erhalten den Familienpass. Als Grund wird hierfür die finanzielle Belastung angeführt. Es ist für mich an dieser Stelle allerdings fraglich, ob dadurch alle relevanten Personengruppen inbegriffen sind, die ohne den Pass von der kulturellen Teilhabe ausgeschlossen werden.

Ich bitte daher das Sächsische Staatsministerium für Soziales zu prüfen, inwiefern der Pass auf weitere Gruppen auszuweiten ist, insbesondere aufgrund von sozialen und ökonomischen Kriterien. Ich danke Ihnen daher, dass Sie den Finger auf diesen Punkt innerhalb Ihres Antrags gelegt haben.

Anders sieht es bei den darauffolgenden vier Punkten des Antrags aus. Der Vorteil bei der Beantragung des Passes ist es doch, diesen vor Ort ohne große bürokratische Hürden zu beantragen. Mir leuchtet es daher überhaupt

nicht ein, warum wir hierfür einer zentralen Stelle bedürfen. Auch bei der Ausweitung des Passes auf kommunale Einrichtungen erkenne ich den Nutzen nicht. In den meisten Kommunen existieren bereits finanzielle Unterstützungssysteme und Pässe, wodurch Menschen mit geringen Einkünften Vergünstigungen in zahlreichen kommunalen Einrichtungen erhalten.

Der Personenkreis, der von diesen kommunalen Pässen profitiert, ist wesentlich weiter gefasst als unser Familienpass. Zugleich sollten wir diesen Punkt nicht außer Acht lassen: Bei einer Ausweitung des Passes müssten auch die Einnahmeausfälle in den Einrichtungen der Kommunen getragen werden. Sonst würden wir die Kommunen lediglich bevormunden, ohne selbst als Freistaat einen Beitrag zu leisten. Wir sollten die Entscheidung, welche Vergünstigungen sinnvoll wären, den Akteurinnen und Akteuren vor Ort in den Kommunen überlassen.

Die Zusammenarbeit im Bereich der Familienförderung über die Grenzen des Bundeslandes hinweg, die in dem vorliegenden Antrag gefordert wird, ist grundsätzlich zu begrüßen. Zahlreiche Bundesländer bieten Familienpässe in unterschiedlichen Varianten an, die teilweise gegen ein Entgelt abgegeben werden. Das Angebot ist vielfältig und daher nur schwerlich zu vereinheitlichen. Das System unter einen Hut zu bringen ist wohl nicht von Sachsen aus steuerbar. Die Entscheidung dafür treffen die jeweiligen Kommunen und Landesregierungen autonom, und das finde ich auch gut so.

Wir nehmen die Anregungen, gerade den ersten Punkt aus dem Antrag, gern mit, lehnen ihn jedoch aufgrund der inkonsequenten und in der Sache zugleich etwas undienlichen Punkte 2 bis 4 ab.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die AfD-Fraktion ist an der Reihe. Herr Abg. Dr. Weigand, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Familienpass in Sachsen ist als gute Sache gedacht, aber in Wirklichkeit nicht der Renner. Frau Lauterbach, Sie haben gesagt, 65 000 Euro werden eingestellt, wenn sie in der Höhe überhaupt abgerufen werden. Das könnte man durchrechnen. Es sind maximal 1 000 bis 2 000 Familien, die man in Sachsen damit erreicht. Das ist wirklich wenig. Wenn man dann noch sagt, wenn sie das Geld nicht haben, dann gehen sie in den Wald, wie Frau Kuge, dann bin ich etwas schockiert darüber, weil wir doch ein familienfreundliches Land sein wollen.

(Beifall bei der AfD)

Wenn Sie sagen, dass es nicht bürokratisch ist, dann stelle ich das auch infrage. Das Hygiene-Museum in Dresden fällt darunter. Sie können den Familienpass beantragen. Wegen 14 oder 20 Euro muss dann die Familie physisch komplett erscheinen. Ich glaube nicht, dass das viele in

Anspruch nehmen. Das kann man unkomplizierter machen. Warum macht man das nicht einfach mit einem Kinderausweis oder Schülerausweis etc.? Das würde vieles entbürokratisieren und einen schlanken Staat fördern. Deswegen sind wir bei Ihnen, wenn Sie sagen, das müsse ausgeweitet werden, aber das, was Sie dann fordern – eine zentrale Stelle –, lehnen wir entschieden ab. Wir wollen keine aufwendigen Verwaltungsverfahren.

Auch Ihr Ansatz, dies über die sächsischen Staatsgrenzen hinaus auszuweiten, ist eine gute Idee. So, wie Sie es vorhaben, ist es überdenkenswert. Man sollte das vielleicht einmal bei der nächsten Familienministerkonferenz thematisieren.

Der Familienpass soll die sächsische Kultur vermitteln, erlebbar machen und den familiären Zusammenhalt stärken. Grundsätzlich sehen wir es ebenfalls als geboten an, dies zu überarbeiten und den Personenkreis auszuweiten.

Wir wollen aber kein weiteres Bürokratiemonster und vor allem nicht noch mehr Personalausgaben. Das geht einfach nicht. Deswegen können wir dem Antrag in dieser Form nicht zustimmen und werden uns enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Zschocke. Herr Zschocke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Familienpass hat sich in seiner seit über 20 Jahren bestehenden Form und Ausgestaltung bewährt. Was die Kommunen oder andere Bundesländer machen, ist deren Sache. Der Freistaat fördert einer bestimmten Gruppe von Familien das gemeinsame Erleben sächsischer Kulturgüter. Es gibt überhaupt keine Veranlassung, daran irgendetwas zu ändern – Punkt. So lässt sich die Stellungnahme der Staatsregierung im Wesentlichen zusammenfassen, und genau so, meine Damen und Herren, sieht der familienpolitische Innovationswille hier in Sachsen aus.

Aber möglicherweise hat sich die Gesellschaft in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt. Möglicherweise

verändern sich Familienformen, und zwar sehr rasant. Möglicherweise gibt es gute Erfahrungen mit moderneren und attraktiveren Fördermodellen.

Spätestens seit dem Rückgang der Inanspruchnahme des Familienpasses im letzten Jahr hätte die Staatsregierung auf die Idee kommen können, dass es möglicherweise Weiterentwicklungsbedarf gibt. Das ist sie aber nicht. Aber das ist nicht schlimm; wir haben jetzt ja einen Antrag von den LINKEN mit konkreten Vorschlägen, die darauf abzielen, dass mehr Familien auch mehr Angebote nutzen können. Die begrenzte Veränderungsbereitschaft bei der Staatsregierung wird von diesen Vorschlägen, wie ich meine, wirklich nicht überfordert.

Die simple Frage, warum Alleinerziehende mit nur einem Kind bei einem Museumsbesuch nicht ebenfalls einen Zuschuss bekommen können, liegt doch auf der Hand. Die Zahlen, die wir kennen, zeigen doch deutlich, dass Alleinerziehende das höchste Armutsrisiko in unserer Gesellschaft haben – nicht nur, wenn sie zwei oder mehr Kinder haben.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Wolfram Günther, GRÜNE)

Fast 100 000 Kinder in Sachsen leben in Armut. Der Familienpass ist eine sehr konkrete Möglichkeit, diesen Kindern in ihrer Freizeit Zugang zur Kultur und Bildung zu ermöglichen. Vor allem von Armut betroffene Familien sollten vom Freistaat über den Familienpass unterstützt werden. Eine Förderung an der Anzahl der Kinder festzumachen greift einfach zu kurz; das fällt irgendwie aus der Zeit. Alle Familien, die sich kulturelle Angebote sonst nicht leisten könnten, sollten von den Vergünstigungen des Familienpasses doch wirklich profitieren können. Das wäre die richtige Herangehensweise.

Sie aber lehnen – das ist in der Stellungnahme und in den Vorreden deutlich geworden – die Ausweitung des Kreises der Berechtigten grundsätzlich ab. Dieses generelle Nein illustriert nicht nur fehlende Innovationsbereitschaft, sondern untermauert einmal mehr die Familienpolitik der letzten Jahre hier im Freistaat. Mehr Stillstand geht eigentlich nicht.

Frau Staatsministerin Klepsch, Sie betonen in der Öffentlichkeit immer wieder den hohen Stellenwert von Familien. Seit vier Jahren arbeiten Sie an einem sogenannten Gesamtkonzept zur sächsischen Familienpolitik. Dafür sind schon über 200 000 Euro investiert worden; Ergebnisse liegen immer noch nicht vor. Ich sage einmal: Es ist gut und notwendig, dass sich das Ministerium bei der Ausrichtung der Familienpolitik wissenschaftlich beraten lässt. Das darf aber doch nicht Jahre dauern und am Ende zu Nichtstun führen. Sie müssen doch dafür sorgen, dass die Unterstützung bei den Familien ankommt und spürbar wird, gerade weil sich Gesellschaft und Familie weiterentwickeln.