Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Nichtsdestotrotz sind einige Punkte in dem Antrag, die auch wir nicht falsch finden, zum Beispiel die Diskussion darüber zu führen, wie strukturelle Kriterien weiterentwickelt werden können, wie Förderregionen ausgestaltet sind. Das sind Punkte, die wir unterstützen. Oder der Punkt, für einen ausreichenden EU-Haushalt zu sorgen, also der EU ausreichende Mittel für die Aufgaben bereitzustellen. Ansonsten ist der Antrag ein extrem eigenbezogener, der aus dem europäischen Kontext gerissen ist und auch die solidarischen Aspekte vernachlässigt. Deshalb wird sich meine Fraktion enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Stange, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich kann nahtlos an Kollegin Maicher anschließen. Es ist tatsächlich so, ich sehe mich zu 100 % darin bestätigt, dass zumindest die CDU in Sachsen die Europäische Union als Geldverteilmaschine betrachtet und in diesem Duktus diesen Entschließungsantrag, denke ich einmal, zentral mit zu verantworten hat,

(Zurufe von der CDU)

ohne zu sagen, wie das hohe Niveau, wenn es denn so sein soll, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag formulieren,

(Zurufe von der CDU)

auszufinanzieren ist, wenn es denn, bitte schön, nicht weniger Geld werden soll. Ich will Ihnen auf jeden Fall sagen: Was mir fehlt, ist die Darstellung, durch welche Maßnahmen der Zusammenhalt in der Europäischen Union gestärkt werden kann. Das lassen Sie völlig offen, genauso, wie Sie es auch in den vergangenen Jahren offengelassen haben. Aus diesem Grund wird sich unsere Fraktion zu diesem Entschließungsantrag enthalten.

(Beifall bei den LINKEN)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich jetzt über den Entschließungsantrag der CDU- und der SPDFraktion abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte! – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Gegenstimmen und einer Reihe von Stimmenthaltungen ist der Antrag mit Mehrheit angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Stunde

Erste Aktuelle Debatte: Verweigern oder Vertrauen –

Organspende zwischen Skepsis und Lebensrettung

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Zweite Aktuelle Debatte: Schuljahresbeginn

mit Lehrkräftemangel und Unterrichtsausfall –

Zukunft braucht gute Schule und neue Wege in der Bildung!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Wir kommen zu

Erste Aktuelle Debatte

Verweigern oder Vertrauen –

Organspende zwischen Skepsis und Lebensrettung

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Es beginnt die einreichende CDU-Fraktion. – Herr Abg. Wehner, bitte.

Vielen lieben Dank, Frau Präsidentin! Wir befassen uns jetzt mit dem Thema der Organspende. Allen Kollegen die jetzt zur Mittagspause gehen, sage ich: Passen Sie auf Ihre Organe auf und essen Sie gesund; wir brauchen Sie im System,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

sofern Sie Organspender werden; denn in Deutschland sind Sie ja nicht automatisch Organspender. Aber darauf gehe ich im Verlauf meiner Rede noch ein.

Wenn man sich das Thema Organspende anschaut, dann muss man drei wesentliche Punkte betrachten, nämlich erstens die Patienten, zweitens die Spender oder die potenziellen Spender und drittens die Krankenhäuser, unter dem Aspekt, wer dann überhaupt die Organspende realisiert.

Wenn man sich die Patientenseite anschaut, ist zuerst die Frage: Brauchen wir überhaupt Organe in Deutschland? Wenn man den Bedarf an potenziell benötigten Organen betrachtet, so sind es zurzeit 10 000 Menschen bzw. Patienten, die auf ein Organ warten. Fragt man danach, welche Organe benötigt werden, so sind es vorrangig Nieren, danach mit etwas größerer Distanz Lebern und dann auch Herzen, die die Liste anführen. Führt man sich vor Augen, dass angesichts von 10 000 Patienten im Jahre 2017 lediglich 800 Organspenden eingegangen sind, so sieht man, dass es einen viel größeren Bedarf gibt als das, was tatsächlich jetzt abgedeckt wird.

Folgendes muss man der Vollständigkeit halber auch sagen: Deutschland importiert sehr viel mehr Organe als exportiert werden. Sie haben das vielleicht auch schon mal gehört. Es gibt Eurotransplant. Wir sind in diesem Verbund in Europa mit dabei. In diesem Verbund ist man allerdings auch nur dabei, wenn man eine gewisse Mindestanzahl von Spendern im eigenen Land hat, so auch in der Bundesrepublik. Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Niveau der Spenden steigern bzw. auf einem hohen Niveau halten, wenn es denn einmal so weit ist.

Die zweite Kategorie sind die Spender. Es gibt in Deutschland nach wie vor eine hohe Bereitschaft zu Organspenden. Es sind über 80 % der Bürger, die sich potenziell bereit erklären, ihre Organe zu spenden. Das ist allerdings eine abstrakte Bereitschaft; denn wenn sie sich mit einem Organspendeausweis erklären, dann ist das so, aber wenn sie das nicht tun, dann sind sie eben, auch wenn es sie gern täten, keine Spender. Hier ist auch anzuführen, dass trotz der Organspendenskandale die

Bereitschaft mit über 80 % immer noch sehr hoch ist. Die Bevölkerung sieht also tatsächlich weiterhin die Notwendigkeit, für die Organspende bereitzustehen.

Bei uns in Deutschland gilt die Entscheidungslösung, im Gegensatz zu anderen Ländern, die die Widerspruchslösung haben. Entscheidungslösung bedeutet, dass sie sich ganz aktiv mit diesem gelben Organspendeausweis dafür entscheiden, welches Organ oder ob überhaupt Organe entnommen werden können. Wenn wir, so wie jetzt diskutiert, zur Widerspruchslösung kämen, gälte etwas anderes. Der Gesundheitsminister hat angezeigt, zumindest die Debatte zu führen. Insofern ist es auch wichtig, dass wir das in unserem Haus hier machen. Die Widerspruchslösung bedeutete, dass jeder erst einmal potenziell für eine Organspende infrage käme, sie aber natürlich auch ganz explizit ausgeschlossen werden könnte. Niemand wird also verpflichtet, dies in jedem Fall zu tun, sondern Sie können widersprechen. Hier ist die Debatte wichtig; wichtig ist vor allen Dingen, die Debatte in die Familien zu tragen, in das persönliche Gespräch, sich darüber bewusst zu werden, welche Vorteile es hat und wie viele Leben man dadurch retten kann.

Wichtig ist auch, hier Folgendes anzumerken – womit ich zum dritten Punkt komme, dem der Entnahmekrankenhäuser, also derjenigen Einrichtungen, die für eine solche Organspende infrage kommen –: Der Hirntod muss beim Patienten eingetreten sein. Es ist sowieso erst einmal nur eine kleine Zahl von Patienten, die überhaupt potenziell infrage kommen. Diese Hirntoddiagnostik ist natürlich eine anspruchsvolle Diagnostik, die in den Krankenhäusern durchgeführt werden muss. Hierfür sind aus unserer Sicht bestimmte Voraussetzungen in den Krankenhäusern zu verbessern. Das bedeutet, sie müssen Operationssäle vorbereiten, sie müssen die Diagnostikmöglichkeiten vorhalten, und alles das ist mit Kosten verbunden. Es ist also kompliziert, es ist finanziell nicht attraktiv, diese Dinge zu tun. So bitter es klingt, aber der Anruf beim Bestatter ist oftmals der einfachere Weg, als tatsächlich die Transplantation im Krankenhaus durchzuführen. Deshalb muss auch der Transplantationsbeauftragte im Krankenhaus gestärkt werden. Hier sehen wir Potenzial für die Zukunft.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Damit bin auch beim Ende. Ich werde in der zweiten Runde noch weiter auf den Transplantationsbeauftragten eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPDFraktion spricht Frau Abg. Lang, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wussten Sie, dass rund 12 000 Menschen jährlich auf ein lebensnotwendiges Organ warten und nur 4 000 von ihnen transplantiert werden können, dass Deutschland bei den Spenderzahlen Schlusslicht ist? Jeder kann einmal in diese Situation kommen und auf ein Spenderorgan angewiesen sein. Wichtig ist deshalb zu wissen, dass ein Spender sieben Leben retten kann, aber nicht nur das: Transplantate verbessern die Lebensqualität von Kranken. Hornhaut der Augen zum Beispiel kann einem erblindeten Menschen die Sehkraft ersetzen, Arm- und Beinknochenentnahmen können Amputationen verhindern, zum Beispiel nach Unfällen oder Krebserkrankungen.

Es ist ein sehr persönliches Thema, und man beschäftigt sich meist erst dann damit, wenn man selbst betroffen ist, ähnlich wie beim Thema Trauer, Sterben und Tod. Dennoch, Organspende ist ein wichtiges, politisch aktuelles Thema. Für interessant halte ich in diesem Zusammenhang die BARMER-Studie, die ergab, dass die Organspendebereitschaft steigt. 58 % von 1 000 Befragten haben sich für eine Widerspruchslösung ausgesprochen. Aber wird durch diese Widerspruchslösung nicht auch die Freiwilligkeit und Selbstbestimmung infrage gestellt, wird einem sozusagen die persönliche Entscheidung über den eigenen Körper abgenommen? Ist es ein Eingriff in das Persönlichste? Es gibt natürlich auch Bedenken aufseiten der Angehörigen, die lernen müssen, damit umzugehen, und die man in diesen Prozessen ein ganzes Stück mitnehmen muss.

Ich weiß, was Selbstbestimmung am Lebensende heißt, vor allem im Sterbeprozess. Ich habe jahrelang im Hospiz- und Palliativbereich gearbeitet, und ich weiß, dass genau dort Kontroversen, Ängste und Barrieren entstehen. Wir tragen Verantwortung für Sterbende und ihre Rechte, ebenso für alle Menschen, die auf ein Leben hoffen. Glücklicherweise steigen nun wieder nach katastrophalen Jahren die Zahlen der Organspender, und die Spendenbereitschaft wächst. Allerdings stehen wir auf dem Niveau von 2015. Die Beteiligung ist noch sehr gering, und deshalb brauchen wir neue Wege. Allein der Organspendeausweis reicht bei Weitem nicht. Es muss Klarheit in diese Angelegenheit kommen.

Trotzdem spreche ich mich heute und hier für die Widerspruchslösung aus. Für mich bleibt Selbstbestimmung erhalten, und ich kann sie durch meinen Widerspruch ausüben. Aber wir brauchen dafür weiter und ganz besonders Informationen und Aufklärungsarbeit. Wir müssen Vertrauen schaffen, ein breites Verständnis und Zustimmung gewinnen.

Erst vor dem Sommerplenum hatten wir dieses Thema in einem Entschließungsantrag hier im Landtag. Deshalb bin ich auch froh, dass es nun wieder auf bundespolitischer Ebene als Thema steht und bearbeitet wird. Wir brauchen Informationen und Bildungsprojekte. Diese müssen

unterstützt werden, Lehrpläne müssen beispielsweise angepasst, Lehrkräfte geschult und ihnen kompetente Partner an die Seite gestellt werden. Vieles kann man mit Sachargumenten und persönlicher Kompetenz im direkten Kontakt klären.

Es gilt immer noch: Information ist das Gebot der Stunde. Die genannte Barmer-Studie zeigt auch, dass nach InfoKampagnen Wissen und Akzeptanz positiv verändert werden. Jeder sollte frei in seinen Entscheidungen sein und sich dabei gut fühlen. Es zeigt aber auch, dass sich die Krankenkassen mit dem Thema weiter beschäftigen müssen, und zwar intensiv und sehr nachhaltig. Es fängt damit an, dass wieder regelmäßig Briefe mit diesen kleinen blau-orangen Ausweisen zur Organspende versendet werden.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Organspende immer noch in Deutschland und in Sachsen sehr gering ist. Vorbild sollte dabei sein, dass es viele andere Länder in Europa gibt, die dies erfolgreicher regeln. Es muss ein gangbarer Weg aufgezeigt werden. Nur in Verbindung mit viel Aufklärungsarbeit wird es eine Lösung geben. Wir stehen am Anfang, um das weiter auszubauen, und dürfen nie vergessen: Ohne Vertrauen gibt es keine Organspende, und ohne Organspende werden keine Menschenleben gerettet.

Vielen Dank.