Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Kommen Sie bitte zum Ende.

– berücksichtigt dieser Standpunkt nicht die Ängste und Sicherheitsbedürfnisse unserer Bürgerinnen und Bürger.

Die Zeit ist vorbei.

Der Rest folgt in einer zweiten Runde.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Für die AfDFraktion spricht Herr Abg. Wippel. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! „Seenotrettung ist kein Verbrechen – das andere Sachsen handelt!“ lautet die Debatte, die die GRÜNEN heute eingebracht haben und zu der ich mich auch äußern werde. Eines ist völlig klar: Wir reden über Einzelfälle, über Zahlen und über Menschen. Hinter jeder Zahl, die auch in dem kommenden Redebeitrag folgen wird, steckt ein Menschenleben, und wenn man sein Leben verliert, ist das mit Sicherheit qualvoll. Das ist uns völlig klar.

Trotzdem schauen wir in die Geschichte und da müssen wir uns die Fakten einfach ansehen. In den Jahren 2010 bis 2013 gab es auf der Überfahrt über das Mittelmeer zusammengerechnet weniger Tote als in jedem der Folgejahre. Die Todesrate lag bei denen, die über das Mittelmeer gefahren sind, bei 1 bis 2 %, wenn man die Zahlen der IOM als glaubwürdig ansehen kann. Selbstverständlich wird es eine Dunkelziffer geben, das ist völlig klar, aber diese wird im Verhältnis über die Jahre gleich geblieben sein. Im Jahr 2012 war die statistische Todesrate mit 2,2 % derer am höchsten, die überfahren wollten. Absolut in Zahlen gesehen war sie aber am niedrigsten, nämlich mit 500 Personen, die ihr Leben auf dem Mittelmeer gelassen haben.

Die niedrigste Todesrate gab es 2013, rein statistisch gesehen. Da lag sie bei 1 %. Aber im Jahr 2013 ist auch etwas passiert, was medial große Aufmerksamkeit bekommen hat: Vor Lampedusa hat ein Schiffsunglück stattgefunden, bei dem 250 Menschen ihr Leben lassen mussten. Fünf Tage später hat die italienische Regierung,

auch auf medialen Druck hin, die Operation Mare Nostrum ins Leben gerufen, die dann ein Jahr gelaufen ist.

Jetzt müssen wir schauen, was die Folge dessen war, was man getan hat. Der Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer stieg an. Die Todesrate stieg im Jahr 2014 wieder auf 1,6 %. Die Zahl der Verstorbenen hat sich tatsächlich binnen eines Jahres verfünffacht – zu dem Zeitpunkt, als die Rettungsaktionen begonnen haben.

Mare Nostrum ist dann ausgelaufen. Es kamen andere Aktionen, es waren Schiffe auf dem Mittelmeer, die teilweise eine etwas andere Zielsetzung hatten, aber gerettet haben sie alle, etwa die Operation Triton und nachher „Sophia“. Was wir feststellen können: Die Zahl der Toten auf dem Mittelmeer ist seitdem angestiegen und ist hoch geblieben. Es sind Tausende, die jedes Jahr auf dem Mittelmeer ihr Leben verlieren. Die NGOs sind seitdem auch unterwegs, aber an den statistischen Werten, nämlich dass 1 bis 2 % der Menschen sterben, die übers Mittelmeer kommen, hat sich nichts geändert.

Welche Folgerung ziehen wir daraus? Jedes falsche Seenotrettungsversprechen zieht Menschen auf See.

(Zuruf von den LINKEN: Das ist doch makaber! – Unruhe)

Nein, das ist überhaupt nicht makaber. Es mag paradox klingen, aber es ist eben wirklich so.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Das ist doch überhaupt nicht nachweisbar, was Sie gerade erzählen!)

Das kostet Leben. Falsche Versprechen kosten Leben. Das fördert Schlepper, die damit ein Geschäft machen.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Wer eine solche Politik betreibt, wer das wirklich will, wer das auch noch unterstützt – einen Anstieg der Zahl der Toten auf dem Mittelmeer –, der betreibt eine perverse Politik. Dass es so ist, ist paradox, aber es ist eben die Wahrheit.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Das ist nicht die Wahrheit!)

Sie sprechen von Menschenrechten, Sie reden davon, Leben zu retten, aber in Wirklichkeit verteidigen Sie, ohne es zu wollen, die Geldbeutel der Organisierten Kriminalität.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Der Titel Ihrer Debatte trägt auch den Begriff Seenotrettung in sich. Damit meint man die Rettung von Schiffbrüchigen, die sich auf See bewegen. Das ist wichtig und seit vielen Jahren gelebte Praxis. Aber wir müssen eben auch feststellen, dass die Boote, die jetzt auf das Mittelmeer rausfahren, gar nicht auf der anderen Seite ankommen können. Es ist tatsächlich unmöglich. Diese Boote sind nicht seetauglich, sie sind überbesetzt, sie sind unterversorgt und untermotorisiert. Das ist allen Beteiligten klar; das hat noch nicht einmal

irgendeiner aus Ihrer Gruppe geleugnet. Folglich muss die Lösung natürlich auch restriktiv ausfallen.

Bitte zum Ende kommen.

Wie das aussehen könnte, erzähle ich in der zweiten Rederunde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Wurlitzer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel der Debatte hat mich ein Stück weit wütend gemacht, Herr Günter. Sie schreiben: „Seenotrettung ist kein Verbrechen – das andere Sachsen handelt!“ Sie versuchen Sachsen zu spalten in diejenigen, die Seenotrettung unterstützen, und diejenigen, die das eben nicht tun. Sie werfen einigen hier im Hohen Hause immer Brandstiftung vor, und selbst gießen Sie Benzin ins Feuer.

Das eigentliche Thema, um das wir uns hier gerade alle drücken, ist die Frage, warum die Leute dort überhaupt hingehen. Wir verkennen völlig Wirkung und Ursache. Es war eine Bundesregierung, eine CDU-geführte, die gesagt hat: Jeder kann hierherkommen, egal aus welchem Grund, in das Land, in dem Milch und Honig fließen.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: So ein Schwachsinn! – André Barth, AfD: Es gibt aber kein Recht auf Asyl ausgerechnet in Deutschland, Frau Nagel! – Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE – Starke Unruhe)

Die Leute haben sich auf den Weg gemacht. Jetzt ist es so, dass manche, die sich auf den Weg machen, im Mittelmeer verunglücken. Da braucht es Seenotrettung.

Auf der anderen Seite – seien wir ganz ehrlich; das ist jetzt auch von vielen gesagt worden – passiert es in den letzten Jahren aber, dass die Leute einfach in Boote gesetzt werden, die gar nicht seetauglich sind, weil die Schlepper schon wissen, dass die Leute gerettet werden. In gewisser Weise sind die Seenotretter der verlängerte Arm der Schlepper – ganz klar und deutlich.

(Widerspruch bei den LINKEN – Wolfram Günther, GRÜNE: Das ist wirklich eklig! – André Barth, AfD: Nein, das ist leider Realität!)

Wenn Sie, Frau Nagel, vorhin davon gesprochen haben, dass Sie wütend sind – –

Bitte zum Ende kommen.

Sehr gern. – Wenn Sie wütend sind, dass 17 000 Menschen im Mittelmeer zu Tode gekommen sind, dann kann ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich genauso wütend bin.

Herr Wurlitzer, bitte.

Aber die Verantwortlichen dafür sitzen in unseren Parlamenten und machen unverantwortliche Politik.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wir gehen in die zweite Runde. Es beginnt Herr Günther für die Fraktion GRÜNE. Bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Um eines klarzustellen, auch angesichts der Zahlen, die Sie hier bringen: Es sind im Mittelmeer schon Zehntausende ertrunken, ehe sich die ersten Seenotretter überhaupt auf den Weg gemacht haben. Die Boote fahren auch jetzt noch über das Mittelmeer, auch wenn praktisch alle Boote der Seenotrettungsinitiativen lahmgelegt sind.

Sie bringen hier eine Kausalität, die so schlicht nicht stimmt. Die Menschen gehen nicht aufs Meer, weil sie erwarten, dass irgendeine private Initiative sie rettet. Ich kenne selbst Menschen, die auf Booten waren und erlebt haben, wie Angehörige ertrunken sind. Wenn Sie denen einen solchen Quatsch erzählen würden … Dabei geht es um das nackte Überleben.

(Sebastian Wippel, AfD: Natürlich!)

Das ist einfach Käse, was Sie hier erzählen.

(Sebastian Wippel, AfD: Nein, das ist kein Käse!)

Das muss man Ihnen einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der Abg. Iris Raether-Lordieck, SPD)