Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Kürzlich war ich zu Besuch in einer Kindertagesstätte in Glauchau. Das will ich kurz erzählen, weil mich das sehr beeindruckt hat. Kollegin Springer hatte mich eingeladen. Es war ein bilingualer Kindergarten – deutsch, englisch. Ich habe dort an einem Morgenkreis teilgenommen. Er wurde von einer Polin betreut, die in Großbritannien ausgebildet worden war. Sie hatte fünf, sechs Jahre dort studiert und spricht perfekt englisch. Sie war mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern nach Glauchau gezogen, um in diesem Kindergarten zu arbeiten. Das Problem war, dass sie noch nicht ausreichend deutsch sprach und es deshalb schwer zu sagen war, ob sie dort bleiben kann. Aber ihre Aufgabe war ja nicht, in dem Kindergarten in Deutsch zu betreuen und zu unterrichten, sondern sie sollte ja die Zweisprachigkeit in dem englischen Bereich absichern.

Ich finde, das ist ein gutes Beispiel. Dafür müssen wir Lösungen finden; denn wir müssen doch an dieser Stelle froh sein, dass jemand zu uns gekommen war. Ich bin ganz sicher, dass diese junge Frau – auch weil sie selbst zwei kleine Kinder hat, die deutsch lernen – innerhalb von einem halben oder einem Jahr perfekt deutsch sprechen kann. Das ist für mich ein Beispiel, woran ich gesehen habe, dass wir insgesamt zu einer entsprechenden Kultur kommen müssen.

Frau Dr. Maicher, bitte.

Herr Staatsminister, Sie haben gestern in der Debatte über die Bedeutung von Europa und die Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten in Sachsen gesprochen, nämlich von der Finanzierung zahlreicher Projekte. Meine Frage lautet: Was plant der Freistaat in Zukunft, um Finanzierungsprojekte in Sachsen sichtbarer zu machen, damit es für die Menschen, die hier leben, deutlicher wird, zum Beispiel jenseits von Schildern an sanierten Schulen? Was planen Sie, um für die Menschen sichtbarer und erlebbarer zu machen, was Europa hier in finanzieller Hinsicht tut?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Das ist eine Frage, die auch uns in der Staatsregierung umtreibt: Wie können wir deutlicher herausarbeiten, was Europa im Alltag für die Menschen bei uns, jenseits der Themen Reisefreiheit, Freiheit insgesamt, sicherer Rechtsrahmen, einheitliche Währung, tut? Wo wird Europa in Dresden, in Glauchau, in Limbach-Oberfrohna, überall im Land sichtbar? Das sind klassische Elemente der Öffentlichkeitsarbeit, die man dafür nutzen kann.

Eine Überlegung ist zum Beispiel, dass wir interaktive Karten erstellen, auf denen man sieht, in welchen Regionen unseres Landes ein Projekt aus Europa heraus gefördert ist, und dann kann man sich die entsprechenden Informationen dazu aufrufen. Aber darüber hinaus geht es auch darum, dies in gemeinsamen Veranstaltungen, in unserer Bildungsarbeit immer wieder herauszuarbeiten. Ich habe gestern die 700 Städte- und Schulpartnerschaften angesprochen. Auch das ist immer wieder eine Möglichkeit, um deutlich zu machen, an welchen Stellen europäische Finanzen mithelfen, diesen Europagedanken bei uns im Land lebendig zu machen.

Die AfD-Fraktion.

Herr Staatsminister! Im Positionspapier der Staatsregierung zur EU-Kohäsionspolitik vom März dieses Jahres findet sich die Forderung, die grenzübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Meine Frage lautet: Sehen Sie diese Forderung in den bisherigen Planungen der EU zur Strukturförderung ab dem Jahr 2021 berücksichtigt, und wenn ja, wo?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Danke. Das betrifft insbesondere die Formen der Zusammenarbeit, die vor allem über INTERREG gefördert sind. Dabei geht es um grenzübergreifende Forschungsprojekte, aber auch um Verkehrsprojekte. Alle diese Kriterien spielen nach wie vor – dafür bin ich sehr dankbar – in den Überlegungen der Kommission eine zentrale Rolle. Gerade diese grenzüberschreitenden Aspekte zu stärken ist für unseren Freistaat mit seinen unmittelbaren Nachbarn Polen, Tschechien, Böhmen, Schlesien eine zentrale Frage, um zu lebendigen Beziehungen zu kommen. Diese lebendigen Beziehungen setzen voraus, dass wir beispielsweise eine funktionierende Infrastruktur in den Grenzregionen haben. Deshalb ist es gut, dass die Kommission an dieser Stelle beabsichtigt, weiterhin einen Schwerpunkt für die kommende Förderperiode zu setzen.

Frau Pfeil-Zabel, ich habe Ihre Frage zu den Projekten, die in der Förderrichtlinie der Staatskanzlei verankert sind, noch nicht beantwortet. Ich würde es gern ergänzen. Wo ist Frau Pfeil-Zabel jetzt hin?

(Marco Böhme, DIE LINKE: Deshalb ist sie gegangen! – Heiterkeit bei den LINKEN)

Deshalb ist sie gegangen, genau. – Das ist eine sehr breite Vielfalt von Projekten, die dort gefördert werden

können. Das fängt an bei Leitbildprozessen, geht über den Umbau von Quartieren, Erstellung von Konzepten bis hin zur Gewinnung von Fachkräften. Wie kann man neue medizinische Konzepte für eine Region entwickeln? Wie kann man – weil beispielsweise Gemeinden in der Anzahl ihrer Bewohner kleiner werden – gemeindeübergreifende Arbeiten verbessern? Wie schafft man ein gutes Klima für Kooperationen?

Das alles sind Projekte, die – häufig mit relativ kleinen Summen – einen Diskussionsprozess anschieben. Die Förderrichtlinie, die es jetzt schon einige Jahre gibt, hat sehr positiv gewirkt. Wir sehen es daran, dass die Antragszahlen nach wie vor ordentlich hoch sind und ein großer Bedarf besteht. Insofern haben wir den guten Eindruck gewonnen, dass die geförderten Projekte sehr sinnvoll sind, auch mit Blick auf die Anpassung an den demografischen Wandel in den Regionen.

Die CDUFraktion; Herr Otto, bitte.

Herr Staatsminister, ich habe eine weitere Frage: Welchen Beitrag kann die Staatsregierung bei der Umsetzung der Kohäsionspolitik auf nationaler Ebene leisten, um den Verwaltungsaufwand sowohl für die Begünstigten als auch für die Stellen, die die Mittel verwalten, zu verringern?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Vielen Dank, Herr Otto. Bürokratieabbau, Vereinfachung von Verfahren ist etwas, was uns als Staatsregierung auch umtreibt. Zu diesem Thema haben wir eine Kommission eingesetzt, die konkrete Vorschläge dafür erarbeiten soll. Natürlich müssen wir diese Ideen auf die Bundes- und die europäische Ebene transportieren. Ich bin froh, dass die Kommission das Thema für sich erkannt hat und dass sie bereits konkrete Vorschläge unterbreitet hat, wie man zu einer stärkeren Strukturierung und Prioritätensetzung innerhalb der Vorschläge des MFR kommt.

Es geht aber auch darum: Wie wird es im tatsächlichen Vollzug dazu kommen, dass man die europäischen Mittel – ich sage es salopp – wirklich gern vor Ort einsetzt, weil man weiß, sie sind beherrschbar und ziehen keine unglaubliche Menge von Bürokratie nach sich. Das wird heute ja häufig kritisiert – meiner Ansicht nach manchmal auch zu Unrecht. Manchmal liegt es auch an uns, weil verschiedene Ebenen mit ihren eigenen Administrationen in diese vermittelten Ausgaben einsteigen.

Ich denke, die Kommission hat das Thema erkannt, konkrete Vorschläge gemacht, und wir müssen diese Vorschläge unsererseits flankieren.

Frau Meiwald.

Sie führten vorhin aus, dass, wenn mehr von diversen Töpfen partizipieren wollen – in diesem Fall waren es die Übergangsregionen –, es entweder mehr Geld braucht oder letztendlich

weniger bei dem Einzelnen ankommt. Meine Frage lautet: Inwieweit setzen Sie sich dafür ein, dass das Gesamtbudget erhöht wird oder zumindest in gleichem Maße bestehen bleibt? Ich klammere jetzt den Brexit aus. Wie ist dazu die Position der Staatsregierung, was das Gesamtbudget im Mehrjährigen Finanzrahmen anbelangt?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Zum einen kämpfen wir dafür – das haben Sie sicher auch gemeint –, dass es innerhalb der jetzt bestehenden Mittel zu einer stärkeren Dotierung der sogenannten Übergangsregionen kommt. Das habe ich aufgearbeitet, weil es sehr viele gibt, die in diese Kategorie hineinkommen.

Der zweite Punkt ist: Das fällt natürlich umso leichter, je mehr Geld im Gesamtbudget vorhanden ist. Die jetzigen Vorschläge sind schon ordentlich finanziert, wenn man sieht, dass eine Veranschlagung höher als in der bisherigen Förderperiode ist. Man hatte 1 %, jetzt geht man in Richtung 1,1 %. Die Kommission ist in ihren Vorschlägen, wenn sie alles umsetzen will, bei 1,3 %. Das werden viele Mitgliedsstaaten nicht mitmachen. Es gibt heute schon eine Reihe von Ländern, die sagen, dass sie an dieser Stelle nicht bereit sind, mehr Geld zu transferieren.

Das ist eine Debatte, die diese Entscheidung in den nächsten Monaten schwer machen wird. Ich habe es dargestellt. Die Bundesregierung hat sich bereit erklärt, ihren Beitrag zu leisten und mit Blick auf Europa und den Zusammenhalt in Europa in gewissen Grenzen auch einen höheren Beitrag zu leisten.

Die SPD, bitte; Herr Mann.

Herr Staatsminister, ich habe keine Fragen mehr. Das ist ausdrücklich kein Protest, sondern ich möchte in der Zeit den anderen die Gelegenheit geben, das Instrument zu nutzen. – Danke.

Frau Dr. Maicher, bitte.

Herr Staatsminister, welche Ideen haben Sie für die zukünftige Förderperiode, die Beteiligung der Menschen vor Ort bei der Mittelvergabe zu stärken, jenseits der schon jetzt existierenden AG im Rahmen der LEADER-Programme? Welche Ideen haben Sie darüber hinaus?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Sie haben es angesprochen. LEADER betreffend, denke ich, war stilprägend und wurde sehr gut angenommen.

Die Möglichkeiten durch Beteiligungen, dass wir seitens der Politik mehr abfragen, was gewünscht ist, das sehe ich als ein sehr wichtiges Instrument – nicht nur für die Fragen der EU-Mittel – an. Damit wird eine Klammer zwischen der Politik und den Regionen geschaffen, in denen gefördert wird. Allein schon aus diesem Grund

haben wir auch die technischen Möglichkeiten einer Beteiligungsplattform innerhalb der Staatsregierung

geschaffen, um entsprechende Beteiligungsformate

leichter durchführen zu können.

Es gibt keine konkreten Planungen für die nächste Finanzperiode. Aber wir haben zum Beispiel die KitaUmfrage gemacht und machen derzeit eine Umfrage mit Blick auf das neue Energieprogramm. Dass wir dieses Instrument haben, stößt auf offene Ohren. Es ist ein Instrument, das wir gern in den nächsten Jahren weiter ausbauen wollen.

Die AfD beginnt wieder.

(Mario Beger, AfD: Keine weiteren Fragen!)

Die CDUFraktion? – Herr Heidan, bitte.

Herr Staatsminister! Sie hatten vorhin in Ihrer Beschreibung auf die großen demografischen Herausforderungen abgezielt. Nach den Angaben des Statistischen Landesamtes laufen wir von fünf Millionen Einwohnern auf 3,8 Millionen Einwohner zu. Sehen Sie eine Möglichkeit, diese demografischen Herausforderungen mit einer geordneten Zuwanderung zu lösen?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Zuwanderung ist ein Element, um zu einer Stabilisierung zu kommen. Ich denke nicht, dass es komplett durch eine Zuwanderung möglich ist; denn es steht die Frage: Wo kommt die Zuwanderung her? Wenn ich mir die Zuwanderung anschaue, die kulturell zu uns passt und wo eine gewisse Nähe vorhanden ist, dann sind das Länder, die vor ähnlichen demografischen Herausforderungen stehen wie wir. Vor diesem Hintergrund sind die Möglichkeiten an der Stelle begrenzt.

Andererseits sind wir dringend darauf angewiesen, gerade in bestimmten Berufsgruppen, bestimmten Feldern, dafür zu werben. Wir sind gut beraten, wenn wir das offensiv angehen und für den Freistaat als Ort werben, in dem es sich lohnt, aktiv zu werden, in dem man für sich und seine Familie eine Zukunft sieht, und wenn wir dafür werben, dass kluge Köpfe, Menschen, die etwas umsetzen und erreichen wollen, zu uns kommen.

Hat noch jemand Fragen an den Staatsminister? Frau Dr. Maicher?

Wenn noch Zeit ist, dann nutze ich sie gern.

Ich habe noch eine Frage zu einem Thema, das auch die Mittelausstattung betrifft: das Programm Erasmus+. Es ist ein wichtiges Programm. Die Kommission schlägt eine deutliche Erhöhung vor, was wir sehr begrüßen. Dazu hatten wir letztes Jahr auch eine Anhörung im Landtag.

Meine Frage lautet: Gibt es bereits Pläne? Welche Pläne und Maßnahmen sehen Sie auch für den Austausch der Nichtakademikerinnen und Nichtakademiker vor? Bisher wird Erasmus sehr oft im studentischen Bereich im Austausch genutzt. Was plant die Staatsregierung zur Unterstützung, dass auch Nichtakademikerinnen und Nichtakademiker stärker in den Austausch gehen können? Wie werden die Träger, zum Beispiel die Schulen, unterstützt, dass das auch umgesetzt werden kann?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Zunächst finde ich es gut, dass Erasmus weiterhin eine zentrale Rolle spielt. Wir sehen alle, wie wertvoll dieser Austausch ist, und wir wünschen uns alle, dass die Möglichkeiten dafür weiter verbessert werden.

Es gab zuletzt leider immer wieder Hinweise, dass die Programme sehr technisch und in der Abwicklung sehr schwierig geworden sind. Deshalb liegt unser Hauptaugenmerk momentan darauf, das wieder verstärkt zum Einsatz bringen zu können durch entsprechende Beratungsstellen, die dann entsprechende Programme abwickeln. Insbesondere an den Hochschulen läuft es recht gut. Ich denke aber auch an den Schulbereich, wo ich mir wünsche, dass diese Mittel auch in Zukunft intensiv genutzt werden, da gerade im Schüleralter entsprechende Austausche sehr gewinnbringend sind.

Frau Maicher, Sie haben den Bereich der Nichtakademiker angesprochen: Wenn man in der Berufsausbildung auch Phasen im Ausland verbringt und bei dieser Gelegenheit andere Kulturen, andere Handwerke und Arbeitsweisen kennenlernt, dann kann das etwas sehr Gewinnbringendes sein. Insbesondere im Handwerk gibt es entsprechende Programme. Diese auch mit Leben zu füllen, dass sie funktionieren, ist eine wichtige Aufgabe. Deshalb geht es darum, entsprechende Vermittlungs- bzw. Beratungsstellen auf den Weg zu bringen, damit diese Programme offensiv genutzt werden können.

Gibt es weitere Fragen an den Staatsminister? – Frau Meiwald.

Ich habe eine Nachfrage zu Erasmus – Schule. Frau Maicher hatte auf die Anhörung verwiesen. Dort ist deutlich geworden, dass gerade im Schulaustausch die komplette Vorbereitungszeit – also die Anbahnung eines Schüleraustauschs über Erasmus – nicht finanziert wird und dass deshalb die Schulen auf den Kosten sitzen bleiben. Haben Sie dazu irgendwelche anderen Ideen?

Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Das ist genau der Punkt, den ich gerade aufgeführt habe. Das hatte wirklich zu einem Rückgang, zumindest vorübergehend, geführt. Eine der Überlegungen, die im Raum steht, ist, dass man eine Einrichtung schafft, die das stärker bündelt und den Schulen ein Stück weit die Koordinierungsarbeit abnimmt.