Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Das ist so, als zünden Sie Ihr eigenes Haus an und wundern sich dann, wenn die Feuerwehr nicht kommt, also Entschuldigung!

(Frank Heidan, CDU: Sie müssen sich nicht entschuldigen, denn es ist die Wahrheit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Strukturentwicklung und das Konzept, in welche Richtung diese gehen soll, das muss ja wohl am Anfang stehen. Alles andere wäre politischer, wirtschaftlicher und sozialer Irrsinn. Natürlich ist es die Aufgabe der Politik, nun zu handeln und in der nächsten Zeit konkrete Vorschläge für die auch in Ihrem Antrag genannten Punkte zu machen, wie Rekultivierung, Beschäftigungsübergang, Finanzierungsbeteiligung, Strukturentwicklung usw., aber eben erst dann, wenn die genannten Parameter durch die Kommission geklärt sind.

Eine Bund-Länder-Gesellschaft für Stilllegung, Sanierung und Rekultivierung ergibt vielleicht absehbar Sinn. Aber wie haben Sie sich eine Substitution von oder Parallelität zur LMBV vorgestellt? Kollege Rohwer hat es angesprochen. Denn darauf wird in Ihrem Antrag nicht Bezug genommen. Wir haben mit der LMBV hier in der Region bereits einen renommierten Akteur, auch und besonders auf dem Gebiet von Rekultivierung und Sanierung von Bergbaualtlasten.

(Carsten Hütter, AfD: Das sehe ich am Knappensee!)

Ja, in die Erde kann man nicht hineinschauen, Herr Hütter. – Diese ist zuständig für die Lausitz und das mitteldeutsche Revier. Da haben wir trotz aller Kritik großes Potenzial, das sowohl der Bund als auch der Freistaat nutzen kann und muss.

Ich kann für meine Fraktion nur wiederholen: Die SPDFraktion wird den Kohleausstieg vernünftig begleiten und bei dem einzig richtigen Grundsatz bleiben, dass zuerst eine Strukturentwicklung mit konkreten Ideen und Maßnahmen nachhaltig eingeleitet und wirksam werden muss, bevor eine Schließung von Tagebauen und Kraftwerken in Betracht kommt. Nicht durchdachte und vorschnelle Lösungen lehnen wir ab. Das ist der von Ihnen hier vorgelegte Antrag.

Herzlichen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Herr Abg. Urban für die AfD-Fraktion. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Fraktion DIE LINKE verfolgt mit ihrem Antrag „Gründung und Aufbau einer Bund-Länder-Gesellschaft für Stilllegung, Sanierung und Rekultivierung der deutschen Braunkohlenreviere“ unter anderem das Anliegen, die Rekultivierung von Braunkohletagebauen in Zukunft finanziell abzusichern und diese Rekultivierung und Sanierung als

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für bald beschäftigungslose Bergleute und Kraftwerksmitarbeiter anzubieten.

Wieso ist in Sachsen überhaupt die Notwendigkeit für eine solche Absicherung entstanden? Ich will es Ihnen sagen. Die schwarz-rot-grüne Energiepolitik will bis 2050 eine Verringerung des deutschen CO2-Ausstoßes um 90 % durchsetzen. Deshalb wird der Braunkohleausstieg auch von der CDU, Herr Rohwer, vorangetrieben. Wir als AfDFraktion halten diese Energiewende und den Kohleausstieg für wissenschaftlich nicht begründbar und für hochgradig schädlich für den deutschen Wirtschaftsstandort.

(Beifall bei der AfD)

Schon jetzt sind die Strompreise in Deutschland doppelt so hoch wie in Polen und in Tschechien. Selbst wenn wir auf alle Annehmlichkeiten einer modernen Gesellschaft verzichten, selbst wenn wir vollständig auf CO2Emissionen verzichten, läge Deutschlands Einfluss auf die weltweiten CO2-Emissionen bei 0,06 %. Wer so etwas Nutzloses ernsthaft durchsetzen will, der meint es nicht gut mit unserem Land.

Mit Vattenfall hatten die Lausitzer Tagebaue einen solventen Eigentümer, bei dem die Absicherung der Rekultivierungs- und Sanierungskosten sicher war, weil selbst im Insolvenzfall der schwedische Staat in die Haftung eingetreten wäre. Aufgrund Ihrer irrwitzigen Klimapolitik, und da meine ich auch die CDU, Herr Rohwer, hat sich Vattenfall entschlossen, sich aus der Braunkohleverstromung in Deutschland zurückzuziehen. Beim Verkauf an den neuen privaten Eigentümer hat es die Sächsische Staatsregierung und insbesondere das Wirtschaftsministerium unter Herrn Dulig versäumt, das nun erhöhte Insolvenzrisiko ins Auge zu fassen. Sie haben es versäumt, die Zustimmung zum Verkauf von der Insolvenzsicherung der Rekultivierungsrücklagen abhängig zu machen.

Der Antrag der LINKEN, die nicht unschuldig an der Klimahysterie sind, soll nun die Mängel des Unternehmensverkaufs heilen. Heute ist der Freistaat aber in einer wesentlich schlechteren Verhandlungsposition bezüglich der Rekultivierungskosten als 2016, als er dem Verkauf zugestimmt hat.

(Staatsminister Martin Dulig: Wo haben wir denn zugestimmt? Stimmt doch gar nicht!)

Der neue Eigentümer LEAG wird sich die Verpflichtung zu insolvenzsicheren Rücklagen nur in zähen Verhandlungen abringen lassen. Jede Verschlechterung der politischen Rahmenbedingungen für den Braunkohleabbau könnte LEAG als Argument für eine höhere Beteiligung des Steuerzahlers an der Rekultivierung anführen. Die für die Steuerzahler schlechte Situation wurde durch eine nutzlose und schädliche Energiepolitik herbeigeführt und durch ein Wirtschaftsministerium, das von einem Minister geleitet wird, der gern mit einem Küchentisch durchs Land reist und Parteiarbeit macht.

(Beifall bei der AfD)

Da die AfD den Kohleausstieg zum jetzigen Zeitpunkt für falsch hält, trotzdem aber der Meinung ist, dass es eine Lösung für die bestehenden Insolvenzrisiken geben muss, wird sich meine Fraktion der Stimme enthalten.

Vielen Dank

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält der Abg. Dr. Lippold das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich Ihren Antrag las, liebe LINKE, war ich zunächst einmal erschrocken. Habe ich irgendwelche Nachrichten von einer unmittelbar drohenden Insolvenz eines Bergbauunternehmens verpasst? Denn nichts weniger als das müsste ja geschehen sein, um Forderungen Ihres Antrages als mögliche Optionen zu diskutieren, als ob es auf die Unternehmen überhaupt nicht mehr ankäme.

Um es klar zu machen: Wir wollen für kein Unternehmen in Sachsen ein solches Szenario. Wir wünschen jedem Unternehmen, das für Menschen berufliche und persönliche Perspektiven und ein Stück Sicherheit für Familien schafft, dass es in all den Veränderungen und Herausforderungen dieser Zeit seinen erfolgreichen Weg mit zukunftsfähigen Geschäftsmodellen findet.

Ich versuche zu verstehen, wie Ihre Idee der staatlichen Gesellschaft für Stilllegung, Sanierung und Rekultivierung der deutschen Braunkohlereviere entstanden sein könnte. Wahrscheinlich haben Sie wohl beim Blick auf Probleme von heute und morgen geschaut, wie man das in der Vergangenheit angepackt hat. Mit LMBV und Wismut gibt es zwei Beispiele staatlicher Gesellschaften, die sowohl beim Transfer von Beschäftigten und Knowhow hilfreich waren als auch Sanierungsaufgaben erfüllen. Im Zuge der Wiedervereinigung waren die verantwortlichen Bergbautreibenden einfach weggefallen, sodass es gar keine Alternative gab, als dies mit Milliarden aus der öffentlichen Kasse zu leisten.

Doch die Ausgangslage, meine Damen und Herren, ist heute grundverschieden. Da stehen private Bergbauunternehmen und dahinter milliardenschwere Gesellschafter. Es gibt eine unmissverständliche Gesetzeslage, wer für die Wiedernutzbarmachung verantwortlich ist und wer sie zu finanzieren hat: diese heute aktiven Bergbautreibenden, nicht der Staat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insofern ist es ein fatales Signal, wenn Ihr Antrag den Eindruck erweckt, Sie gingen bereits davon aus, dass diese gesetzlichen Verpflichtungen sowieso nicht einzulösen seien und somit der Staat ganz oder hauptsächlich aufkommen müsse. Moral Hazard, ein moralisches Risiko, nennt man in der Ökonomie bestimmte Fehlanreize. Personen oder Unternehmen verhalten sich nämlich dann mit höherer Wahrscheinlichkeit verantwortungslos

oder leichtsinnig und verstärken damit Risiken, wenn es sich um gut versicherte Risiken handelt. Und Sie, liebe Frau Dr. Pinka, machen mit Ihrem Antrag schon einmal ein Angebot. Seht her, wir bereiten uns als Staat schon einmal darauf vor, an Eurer Stelle die Risiken ganz oder teilweise zu tragen.

Warum ist die Situation heute mit leistungsfähigen privaten Unternehmen ganz anders als damals? Nun, Unternehmen können vor allem eines, etwas unternehmen, insbesondere dann, wenn sie in vielen guten Jahren viel Geld verdient haben, wenn dahinter milliardenschwere Gesellschafter stehen und wenn sie Tausende gut ausgebildeter Fachkräfte mit einem erfahrenen Management haben.

Das alles sind beste Voraussetzungen, mit so einem Schiff auch einmal den Kurs zu wechseln und neue Ziele anzusteuern. Warum sollte das ausgerechnet eine große in Energiewirtschaft und Bergbau tätige Unternehmensgruppe nicht hinbekommen? Das Ziel muss doch sein, auch weiterhin für gute Arbeit guten Lohn zu bieten und aus dem neuen Geschäft von heute und morgen Verantwortung für die Verbindlichkeiten aus dem Geschäft von gestern zu tragen, mit dem man so viel Geld verdient hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn das Umsteuern nicht gelingt oder von den Eigentümern nicht gewollt sein sollte, ja, dann verschwinden gleichwohl Verpflichtungen und Verbindlichkeiten dennoch nicht, selbst in dem Fall, dass es keine Käufer gibt und abgewickelt oder gar nach einem Insolvenzverfahren liquidiert werden müsste. Dazu gibt es ganz klare Prozeduren. Keine davon führt einfach automatisch in die von Ihnen geforderte staatliche Gesellschaft. Am Ende führt irgendjemand in irgendjemandes Auftrag die vorgeschriebenen Sanierungs- und Wiedernutzbarmachungsmaßnahmen durch. Ob das nun ein privater Auftragnehmer oder eine staatliche Struktur ist und im letzteren Fall entweder eine schon kompetent arbeitende oder eine neue. So ist es nicht die entscheidende Frage, wie eine solche Gesellschaft heißt und wie sie strukturiert ist. Entscheidend ist wie so oft im Leben, wer das Ganze bezahlt.

Es gibt eine einzige insolvenzsichere Lösung, um die öffentlichen Haushalte zu schützen: Die sofortige Erhebung vollumfänglicher Sicherheitsleistungen, und zwar jetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und dafür haben auch Sie sich in den letzten Jahren eingesetzt, liebe Kollegin Dr. Pinka. Umso mehr erweisen Sie sich jetzt – glaube ich – einen Bärendienst, denn nachdem Sie jahrelang wie auch wir dafür gearbeitet haben, eine verursachergerechte Braunkohlefolgekostenfinanzierung abzusichern und die öffentliche Hand möglichst aus drohender Verantwortungsübernahme für den heute aktiven Braunkohlebergbau herauszunehmen,

kommen Sie nun mit einem Antrag, der den Eindruck erweckt, dass Sie genau dieses Anliegen sozusagen schon als gescheitert betrachten. Das sehen wir als das falsche

Signal, und deshalb können wir hier auch nicht zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. – Herr Wild, Sie stehen bei mir gar nicht in der Liste. Aber Sie warten bitte noch einen ganz kleinen Moment; ich entscheide, wer wann dran ist. – Jetzt gibt es eine Wortmeldung. Frau Dr. Pinka, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ja, ich möchte die Kurzintervention nutzen. Ich möchte gern darauf verweisen, dass in dem Antrag, den wir eingebracht haben, zwar die Beteiligungsfinanzierung vielleicht nicht ganz weitreichend ausformuliert ist, aber Sie interpretieren hier etwas hinein, was überhaupt kein Sachgegenstand ist. Die Sicherheitsleistung – natürlich bleiben wir da dran.

Sie wissen ganz genau, dass ich versucht habe, über eine Umweltinformationsauskunft beim Sächsischen Oberbergamt endlich einmal zu erfahren, wie die Gesellschaft aussehen soll, die gefüllt werden soll mit den Sicherheitsleistungen. Wir wissen aber auch ganz genau, dass offenbar das Sächsische Oberbergamt Schwierigkeiten hat, Informationen von der LEAG zu bekommen. Wir wissen, dass am 30.06. nach den Nebenbestimmungen des Hauptbetriebsplanes diese Gesellschaft schon gegründet oder zumindest das Konstrukt da sein sollte. Wir wissen aber, dass das Füllen dieser Gesellschaft auch erst ab dem Jahr 2021 kommen wird. Das hat also mitnichten mit diesem Antrag etwas zu tun.

Die Sicherheitsleistung und diese Forderung halten wir natürlich nach wie vor aufrecht. Sie interpretieren etwas hinein, was hier nicht steht. Natürlich werden die Bergbautreibenden mit in die Beteiligung genommen.

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Alles andere habe ich vorhin gesagt. Ich glaube, dass ein strukturiertes Vorgehen mit einer staatlichen Gesellschaft einfach besser wirken kann. Wie gesagt, die LMBV ist ein Beispiel dafür, dass es auch funktioniert.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Herr Dr. Lippold, Sie möchten erwidern?

Ja. Liebe Frau Dr. Pinka, ich interpretiere hier nichts rein. Ich lese einfach Ihren Antrag. Da steht, dass diese Gesellschaft die Aufgaben im Rahmen der Stilllegung, Sanierung und Rekultivierung usw. erfüllt, und unter Drittens: „Diese Gesellschaft wird hauptsächlich durch den Bund und die betroffenen Bundesländer finanziert.“ Das heißt, der Bund und die Bundesländer finanzieren diese Aufgaben dieser Gesellschaft. Das steht hier drin.