Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! An den hier formulierten Maßstäben wird sich die Staatsregierung künftig messen lassen müssen. Die vier beteiligten Ministerien gehen hiermit eine Verpflichtung gegenüber den Kulturräumen, den Verbänden, den Trägern und Fachkräften ein und nicht zuletzt und ganz besonders auch gegenüber den Kindern und Jugendlichen in Sachsen. – So weit, so gut.

Ich habe – wie viele andere hier und auch außerhalb des Landtags – mit Spannung auf das Konzept gewartet. Es wird sie nicht verwundern: Ich werde jetzt zu den kritischen Punkten kommen, weil das Ergebnis letztlich insgesamt enttäuschend ist. Denn so richtig die Ziele sind – wie ich bereits ausgeführt habe –, so unklar ist mir, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Man beachte die Wortwahl in der Pressemitteilung – ich komme noch einmal darauf zurück – des SMWK zur Veröffentlichung des Landeskonzeptes: Das Kabinett habe „die Umsetzung des Konzeptes beauftragt“. Ich frage mich, ob nicht auf dem Weg in die Staatskanzlei einige Seiten herausgefallen sind, die man eigentlich noch bräuchte, um überhaupt von einer Umsetzung reden zu können.

Wenige Zeilen später – Frau Ministerin, Sie haben es auch vorhin gesagt – wird dann auch klar, dass erst demnächst am runden Tisch eine konkrete Umsetzung geklärt werden soll. Die Rede von Maßnahmen in dem Konzept ist ziemlich irreführend; denn es handelt sich großteils nicht um konkrete Handlungsschritte. Bei jeder dieser sogenannten Maßnahmen möchte man fragen: Ja, aber wodurch denn genau? Was genau soll anders als zuvor gemacht werden? Wie sollen denn die Instrumente angepasst werden?

Da diese Überlegungen an so vielen Stellen fehlen, bin ich mir auch nicht sicher, ob hinter den jeweils angepeilten Jahresangaben tatsächlich ein Plan steht oder ob diese Jahresangaben, die größtenteils nicht mehr in dieser Wahlperiode liegen, nur so hingeschrieben sind.

Gänzlich ernüchternd wird es im Kapitel 6. Darin werden die bestehenden Förderstrukturen kurz vorgestellt. Klar, es ist alles richtig, was darin steht, es ist nicht falsch, aber auch überhaupt nichts Neues. Zu einem Konzept gehört aus meiner Sicht, dass genau diese Strukturen kritisch analysiert werden. Inwieweit Veränderungen tatsächlich notwendig sind, darüber müsste doch in den letzten drei Jahren gemeinsam in dem Prozess gesprochen worden sein. Genau dort drückt doch bei den Akteuren, wenn Sie mit ihnen reden, der Schuh. Warum bleibt das jetzt in

diesem Konzept unter dem Deckmantel? Warum werden verbindliche Aussagen zur Umsetzung auf unbestimmte Zeit verschoben?

Ich werde jetzt nicht damit beginnen, gute Projekte, die abgelehnt wurden, bzw. gute Projekte, die gefördert wurden, aufzuzählen, wie es meine Vorrednerinnen gemacht haben, aber auf einen Punkt möchte ich noch hinweisen: auf das, wo es vielen Akteuren der kulturellen Bildung tatsächlich drückt. Es sind ganz elementare Dinge, wenn zum Beispiel Räume nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie, Frau Ministerin, haben vorhin „Musaik – Grenzenlos Musizieren“ angesprochen. Aber wenn dort absehbar keine Proberäume mehr zur Verfügung stehen, dann sind das die elementaren Probleme, vor denen die kulturelle Bildung steht, und dann empfinde ich das, wenn man das hier in dieser Debatte anspricht, nicht als kulturpolitische Apokalypse, wie Frau Hanka Kliese vorhin sagte. Diese Kritik gehört ganz klar hierher.

Jetzt wird das Konzept mitten in der heißen Phase der Beratung zum Haushalt vorgelegt. Es fehlen aber die Grundlagen, um für die nächsten zwei Jahre weitere finanzielle Weichen zu stellen. Zwar hat das SMWK seine Finanzierungsvorschläge im Rahmen der Richtlinie Musikschulen und kulturelle Bildung vorgelegt, darin die 6 Millionen Euro für die Musikschulen, die im Übrigen auf demselben Niveau sind wie in den vergangenen Jahren, und circa 1 Million Euro für Schultheater, Mobilitätsprojekte und die Netzwerkstelle Kulturelle Bildung der Kulturräume.

Aber wie verhält sich die höhere Aufteilung der Mittel zu den Zielen des Konzeptes? Bisher sehe ich nur dasselbe Vorgehen wie bisher.

Schleierhaft ist uns GRÜNEN auch, wie das Kultus- und das Sozialministerium ihren Worten Taten folgen lassen wollen und wie sich kulturelle Bildung in ihren Einzelplänen eigentlich darstellt. Das SMK hat sich eine Akzentuierung der kulturellen Bildung in der Schule vorgenommen, so steht es auch im Koalitionsvertrag. Die Schwachstelle ist seit 2012, seit dem Fünften Bericht des Sächsischen Kultursenats, auch bekannt. Aber was folgt hieraus? Wenn kulturelle Bildung Allgemeinbildung ist, dann muss sie enger an den Unterricht angebunden sein. Allein mit freiwilligen Zusatzangeboten am Nachmittag wie den Ganztagsangeboten erreicht man das nicht. Wir wissen seit Jahren, wie schwer es ist, für die Ganztagsangebote qualifiziertes Personal zu bekommen.

Das Konzept bleibt aus unserer Sicht für den Schulbereich äußerst vage und unverbindlich. Es gibt zwar noch die Beteiligung an der Koordinierungsstelle KOST – Kooperation, Schule und Theater – mit circa 20 % am Gesamtumfang. Das SMWK finanziert circa 80 %, und die geringe Beteiligung spricht auch nicht gerade für ein umfangreiches Interesse des Kultusministeriums.

Für den Bereich des Sozialministeriums wird insbesondere auf die Förderrichtlinie überörtlicher Bedarf hingewiesen. Im vergangenen Jahr hatten wir gerade hier die Problematik, dass zu wenige Mittel im Einzelplan 08

eingestellt waren und bestehende kulturelle und außerschulische Bildungsmaßnahmen wegzubrechen drohten. Auch im aktuellen Haushaltsentwurf fehlt jegliche Zweckbindung und damit auch die Planbarkeit für kulturelle Bildung.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNEN bedauern, dass die Staatsregierung nur den ersten Teil eines Konzepts, nämlich die Leitziele, aber keine wirklichen Handlungsschritte verabschiedet hat. Wenn wir das Ergebnis am Koalitionsvertrag von CDU und SPD messen, dann heißt das: Die Richtung ist gut, aber das Ziel wird damit leider noch nicht erreicht.

Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Dr. Muster, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem vorgestellten Konzept sollen alle Kinder und Jugendlichen in den Genuss kultureller Bildung kommen. Das ist utopisch, wenn für ein solch umfangreiches Konzept insgesamt nur 7 Millionen Euro pro Jahr, davon 6 Millionen Euro für unsere Musikschulen, bereitgestellt werden.

Wir haben in Sachsen 30 Musikschulen und 67 000 Schüler. Bereits beim letzten parlamentarischen Abend wurde klar, dass nicht einmal JeKi flächendeckend gewährleistet werden kann. Die Musikschulen erhalten seit 2002 pro Jahr 6 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt. Genau diese 6 Millionen Euro sind auch für 2019/2020 eingepreist, und diese 6 Millionen Euro werden durch Ihr Konzept nicht um einen Cent erhöht, Frau Staatsministerin.

Zudem ist der Musikschullehrermarkt leergefegt. Herr Sodann und Frau Wilke haben recht. Musikschullehrer erhalten als Quereinsteiger im Schuldienst ab Januar 2019 rund 1 000 Euro mehr. In elf Musikschulen wird nicht einmal nach Tarif bezahlt. In der Musikschule Dreiländereck gab es vor Kurzem Streiks. Prekär bezahlte Honorarkräfte verschwinden vor allen Dingen im ländlichen Raum. Der Eigenanteil der Sitzgemeinden für Musikschulen soll in den nächsten Jahren deutlich erhöht werden. Wenn dies stimmt, müssen die ersten Musikschulen ab dem Jahr 2020 schließen.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir brauchen kein neues Konzept, wir brauchen sehr viel mehr Geld für unsere Musikschulen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Herr Wurlitzer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie meine Vorrednerin bereits betonte: Wir brauchen kein

neues Konzept, wir brauchen mehr Geld zur Weiterführung von bereits vorhandenen und erfolgreichen Angeboten.

In diesem Zusammenhang möchte ich gern auf eine Aussage von Herrn Dr. Christoph Dittrich, Generalintendant der Städtischen Theater Chemnitz, hinweisen, die er bereits im Rahmen des Runden Tisches „Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche“ am 5. November im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gemacht hat. Ich zitiere: „Es gibt immer wieder Programme, die sich die Kulturelle Bildung auf die Fahne schreiben. Manchmal habe ich die Sorge, dass hinter der Forderung ‚Projekt neu, neuer, am neusten‘ auch eine Gefahr steckt. Immer wieder werden Dinge, die entwickelt worden sind, infrage gestellt und eine Wiederholung verhindert, weil ein neues Programm eine vermeintlich noch neuere Idee fordert. Das kann nicht richtig sein. Dinge, die als gut und effizient erkannt worden sind, müssen auch verstetigt werden können. Ein Innovationsdruck kann auch viel kaputt machen, wenn er niemals zu einer Verstetigung führt.“

Ich hoffe, dass diese Botschaft, die schon vor Jahren gesendet wurde, bei Ihnen Berücksichtigung findet.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Nun Frau Kersten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich kann man neben einem Kultursenat, einer Kulturstiftung, einer Landesvereinigung für kulturelle Kinder- und Jugendbildung, neben Kulturräumen, Kulturkoordinatoren, einer interministeriellen Arbeitsgruppe, Fachtagungen etc. pp. noch einen runden Tisch initiieren, um in einem Papier festzuhalten, die kulturellen Angebote außerhalb der urbanen Zentren und die schulische kulturelle Bildung zu stärken.

Aber was heißt das jetzt genau in diesem Konzept? Die Staatsministerin sagte in der Presse, dass Kinder im ländlichen Raum aufgrund höherer Kosten für eine Fahrt zur Kultureinrichtung benachteiligt seien und dass dies ein Ende haben müsse. Das ist richtig. Vielleicht hat dies mit der jetzt vom Wirtschaftsminister angekündigten Landesverkehrsgesellschaft tatsächlich ein Ende. Das wäre schön. Aber werden mit einer Fahrt in die Stadt die kulturellen Angebote auf dem Land gestärkt? Ganz und gar nicht! Es profitieren allenfalls die städtischen Einrichtungen und vielleicht noch der ÖPNV.

Ähnlich irritierend verhält es sich mit der Stärkung der schulischen kulturellen Bildung. Wie passt die Kürzung des Musikunterrichts in das neue Landeskonzept? Diese ist ab dem kommenden Schuljahr angekündigt, und dies, obwohl im Fünften Kulturbericht des Sächsischen Kultursenats klar formuliert ist, dass es keine Kürzungen bei den musischen Unterrichtsfächern geben darf. Noch im

Jahr 2015 haben Sie sich, Frau Dr. Stange, auf diesen Bericht gestützt. Jetzt allerdings vermittelt das Agieren der Staatsregierung den Eindruck –

Bitte zum Ende kommen.

–, dass das eine Ministerium das einreißt, was das andere aufbaut, und beide loben sich dafür. Das muss ein Ende haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wird von der CDU-Fraktion noch einmal das Wort gewünscht? – Die Linksfraktion, bitte; Herr Sodann, vier Minuten noch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen, ein, zwei Sätze muss ich schon noch erwidern.

Frau Fiedler, Sie begannen Ihre Rede damit, dass es Ihre Sache – damit meinen Sie die Regierungskoalitionen – nicht ist, das große politische Rad zu drehen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das wissen wir, das sehen wir auch so.

(Beifall bei den LINKEN)

Sie sagten, dass Sie nicht auf Effekte setzen. Das ist schön, aber einen Effekt hat Ihre Politik der kleinen Schritte. Sie hat zum Beispiel den Effekt, dass wir eine prekäre Lebenssituation unter den Künstlerinnen und Künstlern und den Kulturschaffenden in diesem Lande haben.

(Aline Fiedler, CDU: Ist das in Thüringen anders? – Heiterkeit bei der CDU)

Ich denke schon, dass da sehr viel getan wird, besonders in dem Bereich – –

(Zurufe von der CDU)

Wir können uns gern über das Theater- und Orchesterkonzept streiten; von mir aus gern. Aber damit kommen wir ein bisschen weit ab.

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Schauen Sie mal nach Berlin!)

Ich sage Ihnen nur, dass die Soloselbstständigen, die viel in der kulturellen Bildung arbeiten, die viel im Ganztagsbereich in diesem Lande arbeiten, 13 000 Euro brutto im Jahr verdienen – das sind die Männer, bei den Frauen sind es nur 10 900 Euro brutto. Das sind 908 Euro monatlich, von denen sie sich noch selbst versichern und für die Rente etc. vorsorgen sollen. Dies hat mit Apokalypse, Frau Kliese, überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf der Abg. Hanka Kliese, SPD)