Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Ein wichtiger Punkt für uns sind die ordentlichen und fairen Stundensätze. Wie diese konkret ausgestaltet sind, darüber können wir auch noch ins Gespräch kommen. Ich verstehe Ihre Kritik, dass Sie das gern etwas genauer formuliert haben wollten. Ich glaube aber, das ist nicht der richtige Rahmen, in einem solchen Konzept hineinzustellen, ob es sich um eine E-12- oder E-13-Stelle handelt. Das sollte an anderer Stelle geschehen.

Abschließend freue ich mich, dass künftig die kulturelle Bildung im Freistaat Sachsen inklusiver wird, gestärkt wird und vor allem aus einem Guss stattfinden wird. Ich könnte mir auch vorstellen, dass der eine oder andere von Ihnen in der Familie, im Freundes- oder Bekanntenkreis das sogar merkt und feststellt. Ich wünsche uns allen, dass wir die Augen aufhalten, wenn es bei Kindern und jungen

Menschen Früchte trägt und wie kulturelle Bildung bei uns im Freistaat auch verankert wird, wie sie auf Menschen wirkt und den Zusammenhalt zwischen jungen Menschen, Kindern, aber auch älteren Generationen stärken kann. Vielen Dank, Frau Dr. Eva-Maria Stange, für den Einsatz.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war Kollegin Kliese. Verehrte Abgeordnete, bevor wir zum nächsten Redebeitrag kommen, möchte ich unsere Ehrengäste auf der Besuchertribüne begrüßen: Herrn Generalkonsul David Gill, bekannt auch als Staatssekretär im Bundespräsidialamt, damals bei Herrn Bundespräsidenten Gauck, er kommt vom deutschen Generalkonsulat in New York, sowie Rabbinerinnen und Rabbiner der National

Associaton of Support of Rabbis.

Sie besuchen uns in diesen Tagen, an denen wir an die schrecklichen Verbrechen der sogenannten Reichspogromnacht vor 80 Jahren erinnern – wir werden das auch morgen in diesem Hohen Hause mit einer aktuellen Debatte tun – oder an das jüdische Leben in Berlin und Dresden. Wir freuen uns sehr über Ihren Besuch. Ich heiße Sie herzlich willkommen im Freistaat Sachsen. Herzlich willkommen im Sächsischen Landtag – welcome in Saxony, welcome in our State Parliament!

(Beifall des ganzen Hauses)

Jetzt geht es weiter mit unseren Rednern. Für die AfDFraktion spricht Frau Kollegin Wilke.

Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Fachregierungserklärung der Staatsministerin zu den Vorzügen des Konzepts „Kulturelle Kinder- und Jugendbildung für den Freistaat Sachsen“ ist eine weitere von unzähligen Absichtserklärungen und eigentlich doch eine altbekannte.

Die Förderung der Kultur ist eines der Staatsziele Sachsens und nimmt damit einen absoluten Sonderstatus ein. Darauf kann der Freistaat zu Recht stolz sein. Nicht umsonst blüht die Kulturlandschaft. Das liegt zum einen an der Qualität der Angebote, zum anderen an der Förderung aus Mitteln des Staatshaushaltes, unter anderem durch unser Kulturraumgesetz. Es ist klar, Kultur ist und bleibt ein Zuschussgeschäft der öffentlichen Hand, aber eines, das sich hoffentlich lohnt, vor allem für unsere Kinder.

Es besteht in diesem Hohen Haus kein Dissens darüber, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu kultureller Bildung zu öffnen. Daher freut es uns, dass wir heute nicht über das „Ob“, sondern über das „Wie“ sprechen wollen. Künftig soll nun die kulturelle Kinder- und Jugendbildung nach Plan erfolgen. Es sollen verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Kooperationen zwischen Kultur- und Bildungseinrichtungen, auch der Kinder- und Jugendhilfe, zu befördern. Netzwerke sollen erweitert und gestärkt werden.

Sprechen wir über kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen, ist doch die Schule der Ort, an den wir als Erstes denken. Denn auch kulturelle Bildung entsteht aus Wissen und aus Kenntnissen. Künstlerische, musische und sportliche Fähigkeiten müssen sich die Schüler erarbeiten, lernen und üben.

Mit ihrer Bildungspolitik hat die Staatsregierung aber wichtige Voraussetzungen davongefegt. Der Lehrermangel hat eine Kettenreaktion ausgelöst. Am Anfang stand ein massiver Ausfall von Unterrichtsstunden. Es ging weiter über inoffiziell von der Staatsregierung geduldete Stundenplankürzungen hin zu ganz offiziellen Kürzungen von Amts wegen durch Kultusminister Piwarz. Auf der Strecke bleiben nun die sogenannten weichen Fächer – Kunst, Musik und Sport –, die Fächer, auf die man nach Überzeugung leider vieler in der Schule und im späteren Leben am ehesten verzichten könne.

Wer nichts weiß, der muss alles glauben. Das ist sicher ganz im Sinne der Staatsregierung; denn wieso sonst werden aus Lehrplänen denn leere Pläne, in denen nur noch Kompetenzen, nicht aber Wissen gefördert werden? Zur Lehrplanentschlackung hat allerdings nicht nur die Staatsregierung beigetragen, sondern ganz sicher auch andere Beteiligte schulischer Bildung wie die Eltern und auch die Schüler selbst. Die Beschwerdeführer haben sich damit sicher keinen Gefallen getan. Heute hat man die Geister, die man gerufen hat.

Aus meiner Sicht ist es ein Widerspruch, wenn an dieser Stelle von kultureller Bildung für Kinder und Jugendliche gesprochen wird, auf der anderen Seite aber gerade die dafür maßgeblichen Fächer rigoros zusammengestrichen werden.

(Beifall bei der AfD)

Dazu auch der Schriftsteller Friedrich Dieckmann auf einer Tagung des sächsischen Kultursenats: „Ich sehe hochqualifizierte und hochbezahlte ministerielle Spezialisten solche Pläne entwerfen, deren Praxisferne offensichtlich ist.“ Und in der „Dreigroschenoper“ heißt es: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht!

Und mach dann noch ‘nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht.“

(Beifall bei der AfD)

Das ist das Stichwort für die Bewertung der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche nach diesem Konzept, trotz vielfältiger Netzwerke, Praxis- und Kulturferne.

Jetzt soll die kulturelle Bildung auch im ländlichen Raum, also außerhalb der urbanen Zentren, gestärkt werden, nämlich durch bessere Nahverkehrsanbindung und mehr Mobilität bei niedrigeren Kosten, damit die Museen, Theater, Kulturzentren und Künstler in der Stadt besser erreicht werden können. Zitat: „Es drohe sonst ein Gefühl des Abgehängtseins oder der Perspektivlosigkeit zu entstehen.“

Kulturelle Angebote sollen also auch außerhalb der urbanen Zentren gestärkt werden. Ebenso werden kulturelle und interkulturelle Kompetenzen gefördert. Über 7 Millionen Euro stehen aktuell für diese Förderung bereit. 300 000 Euro sollen im kommenden Haushalt zur Förderung von diversen Mobilitätsprojekten eingesetzt werden. Wir hörten es schon. Dabei liegt das Gute doch so nah.

In Hoyerswerda gibt es das Leuchtturmprojekt – die Ministerin erwähnte es schon –, das alle wesentlichen Elemente einer wirklichen kulturellen Bildung enthält. Die Kulturschule Hoyerswerda am Lessing-Gymnasium kooperiert mit der freien Kulturwerkstatt. Kulturelle Bildung ist hier eine Querschnittsaufgabe zum Nutzen für alle Beteiligten und für das soziale Umfeld in Hoyerswerda. Das ist das berühmt-berüchtigte Hoyerswerda mit seiner zum Tode verurteilten Braunkohleindustrie.

Nicht nur wir Schulpolitiker wissen, dass in manchen sächsischen Gegenden ein Notstand herrscht, den man mit den Stichpunkten Lehrermangel, Schulschließungen, den wegfallenden Fahrbibliotheken und langen Wartelisten bei Musikschulen nur grob und unvollständig umschreiben kann. Das Menetekel sinkender Bevölkerungszahlen in Kleinstädten und die damit einhergehenden Schwierigkeiten seien hier außen vor gelassen.

Aber Notstand lässt kreativ werden. Die Kreativität wächst von unten herauf und erzeugt durchaus Gefühle von Solidarität, von Gestaltungswillen und damit von gesellschaftlichem Zusammenhalt.

Ich möchte jetzt zu dem Projekt „Musaik“ aus Prohlis kommen, das Sie erwähnten, Frau Ministerin. Sie laden uns zu einem ersten Konzert ein. Die in diesem Projekt tätigen Kinder haben aber schon allerlei Konzerte gegeben, zum Beispiel im Societätstheater oder auf dem Dresdner Neumarkt. Sie haben immerhin im Mai 2018 die Finalrunde des Hochschulwettbewerbs für Musikpädagogik in Köln gewonnen. Sie erhielten einen ersten Preis und eine Förderprämie von 5 000 Euro.

Sie führen aus, dass in Honorarverträgen für freie Akteure der kulturellen Bildung ein Stundensatz von 35 Euro nicht unterschritten werden solle. Dazu möchte ich erwähnen, dass unsere Musikschulen schon jetzt enorme Schwierigkeiten haben, Honorarkräfte zu finden. Herr Sodann sprach davon, dass Musikpädagogen als Seiteneinsteiger an die Schulen gehen. Am Konservatorium Dresden sind die Stundensätze für Honorarkräfte nach langem Kampf gerade auf 25 Euro angehoben worden.

Nun komme ich wieder zurück zum Konzept der Ministerin. Es geht jetzt um Staatsziele. Ich zitiere aus der Präambel: „Kulturelle Bildung hat die Bedeutung einer die Gesellschaft aktivierenden Strategie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Demokratie.“ So viel zeitgeistige Propaganda! Es kommt aber noch heftiger bei den Leitzielen. Da strotzt es von Teilhabegerechtigkeit, Inklusion, Interkulturalität und Mobilität.

Höhepunkt des landesweiten Konzeptes für kulturelle Kinder- und Jugendbildung ist aber das Handlungskonzept „W wie Werte“. Ich zitiere: „Schulische Bildung und Erziehung soll junge Menschen zu einer selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Lebensgestaltung sowie zum gestaltenden Mitwirken in der demokratischen Gesellschaft befähigen. Gestaltungskompetenz wird dabei als eine auf Erkenntnis, Erfahrung sowie Urteil fußende Handlungsfähigkeit verstanden, aber auch als kritischkonstruktiver Akt der Zukunftsgestaltung. Ansätze kultureller und politischer Bildung können produktiv und kreativ im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung zusammenwirken. Wichtige Stichworte dabei sind ganzheitliches Lernen, Überschreitung der Disziplinengrenzen, Partizipation, Vielfalt der Blickwinkel, kultureller Wandel und interkultureller Dialog.“ Wir sehen: Das Land der Dichter, Musiker, Künstler und Denker ist endlich unter die Bürokraten gefallen.

Der Charakter des Konzeptes aus Ihrem Hause, Frau Dr. Stange, lässt sich am besten mit folgendem Aphorismus von Peter Hohl beschreiben: „Manche Menschen kommen in ein dunkles Zimmer und beginnen, emsig zu arbeiten. Sie ergründen die Ursachen der Dunkelheit, finden Schuldige und erstellen ein mittelfristiges Konzept zur schrittweisen Reduzierung der Finsternis. Und dann kommt einer und macht einfach das Licht an.“

(Beifall bei der AfD – Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Das sind Sie, oder was?)

Kinder und Jugendliche müssen frei sein, sich für Kunst und Kultur zu öffnen und zu begeistern. Der große Musikpädagoge Carl Orff hat einmal gesagt, dass in jedem Menschen ein Künstler stecke, man müsse ihn nur wecken. Ob es dazu eines Planes bedarf, hat er nicht gesagt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Dr. Maicher, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Dr. Stange! Kulturelle Bildung ist – das ist meine Überzeugung – ein wesentlicher Bestandteil der Allgemeinbildung. Kulturelle Bildung ist ein echter Entwicklungsfaktor für Sachsen, nämlich für unsere Fähigkeit, den gesellschaftlichen Wandel aktiv zu gestalten. Neben der Kompetenz, Kultur zu verstehen und sich mit ästhetischen Mitteln selbst auszudrücken, beinhaltet kulturelle Bildung auch gesellschaftliche Beteiligung.

Diese findet heute in der Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen überall statt. Heute in einer Zeit der sozialen Medien und der allgemeinen Verfügbarkeit kultureller Produktionstechniken – dazu gehört zum Beispiel das Smartphone – findet gesellschaftliche Beteiligung oft als kulturell-ästhetische Beteiligung statt, weil die Ausdrucksmöglichkeiten eben vorhanden sind.

Kulturelle Bildung führt – davon bin ich auch überzeugt – im gesellschaftlichen Sinne dazu, Differenzierungen zu erkennen, selbst vorzunehmen und Perspektivwechsel möglich zu machen, also Graubereiche wahrzunehmen, statt Schwarz-weiß-Einteilungen zu folgen. Deshalb ist sie so wichtig und gehört zur Allgemeinbildung.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Konzept ist ein wichtiger Schritt. Aus Sicht von uns GRÜNEN fällt die Beurteilung gleichwohl zweigeteilt aus. Zunächst möchte ich aber Kultusministerin Dr. EvaMaria Stange ausdrücklich danken. Der partizipative Prozess, den Sie in den letzten Jahren geführt haben, ist ein Novum. Er ist geprägt von gegenseitiger Anerkennung zwischen Ministerien, Fachleuten, Kommunen und Trägern sowie einer konstruktiven Diskussionskultur.

Die Zufriedenheit der Fachverbände – zum Beispiel der „Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen e. V.“ –, deren Handschrift das Konzept deutlich mit trägt, spricht für sich.

Vor fünf Jahren – daran möchte ich erinnern – sah es noch ganz anders aus. Die Staatsregierung verschränkte gegenüber den Akteuren die Arme. Das war der Antwort des Kultusministeriums auf die Große Anfrage der damals regierungstragenden Fraktionen CDU und FDP deutlich anzumerken. Man hatte kulturelle Bildung in ihrer Vielfalt weder richtig verstanden, noch hatte man daran gedacht, mit den Fachverbänden vorher auch zu kommunizieren, zu reden.

(Zuruf des Abg. Dr. Stephan Meyer, CDU)

Heute läuft das offensichtlich auf anderem Niveau. Das könnte – das möchte ich am Rande auch in Ihre Richtung sagen – beispielgebend für andere Bereiche in Sachsen werden.

Meine Anerkennung gilt auch für die Ziele, die in dem Konzept aufgestellt werden. Als gemeinsamer Rahmen für das Handeln der beteiligten Ministerien ist das Konzept – das möchte ich so deutlich sagen – eine Zäsur. Insofern war die Überschrift in der Pressemitteilung des SMWK durchaus treffend gewählt. Sie lautete: „Die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen erfolgt künftig nach Plan“. Ja, den gab es vorher nicht. Zumindest war von einer gemeinsamen Zielperspektive keine Spur zu sehen.

Die Maßstäbe, die jetzt in den fünf Leitzielen des Konzeptes aufgestellt werden, sind aus meiner Sicht fachlich wie politisch zu begrüßen. So bedeutet das Ziel Teilhabegerechtigkeit, dass der Anspruch, kulturelle Bildung für alle anzubieten, aufrechterhalten wird, auch wenn er nicht – das ist heute sehr deutlich geworden – überall schnell zu realisieren ist.

Auch das Ziel, bedarfsgerechte Angebote bereitzustellen, ist richtig, gerade weil dies immer wieder dazu führt, Diskussionen zu befördern, was eigentlich bedarfsgerecht ist, und zwar mit dem Blick derer, die die Angebote nutzen. So lässt sich unter anderem auch unter den Gesichtspunkten Inklusion und Interkulturalität die Land

schaft kultureller Bildung immer wieder zwischen den Ebenen und Ressorts neu verhandeln und an gesellschaftliche Bedürfnisse anpassen.

Es ist auch richtig, dass das Konzept nicht bei Fragen der Mobilität und Kostenfreiheit als wichtigen Rahmenbedingungen stehen bleibt, sondern dass die kulturelle Bildungsarbeit an sich besser unterstützt werden soll. Dabei kommt es auf die Qualität und auf die Aus- und Fortbildung an, aber auch – das ist besonders wichtig – auf die Kooperationsfähigkeit aller beteiligten Akteure.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! An den hier formulierten Maßstäben wird sich die Staatsregierung künftig messen lassen müssen. Die vier beteiligten Ministerien gehen hiermit eine Verpflichtung gegenüber den Kulturräumen, den Verbänden, den Trägern und Fachkräften ein und nicht zuletzt und ganz besonders auch gegenüber den Kindern und Jugendlichen in Sachsen. – So weit, so gut.