Protokoll der Sitzung vom 11.12.2018

Die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern bis zum vollendeten 42. Lebensjahr führt zu einer Zweiklassengesellschaft in den sächsischen Lehrerzimmern. Herr Bienst hat es kurz erwähnt. Das sorgt für ein hohes Maß an Ungerechtigkeit und Demotivation. In vielen Gespräche mit den Lehrerinnen und Lehrern haben wir das gehört, und es wird auch wirklich so werden. Um gute Schule, um gute pädagogische Arbeit für die Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten, brauchen wir motivierte Lehrer – übrigens nicht nur die verbeamteten Lehrer, sondern auch jene – weil es die große Masse in den Klassenzimmern ist –, die nicht verbeamtet sind.

Die Lehrer, die in den letzten Jahren seit der Wende engagiert und mit massiven finanziellen Einbußen dieses Schulsystem getragen haben, fühlen sich als Verlierer. Ja, und das sage ich von diesem Pult aus, sie sind auch die Verlierer in diesem System. Eine späte Rache der CDU,

(Oje, oje! von der CDU)

denn es sind ausschließlich Lehrer mit einer DDRAusbildung.

(Protest von der CDU)

Gewerkschaften wurden bei der Erarbeitung

(Zuruf von der CDU: So ein Unsinn!)

der Maßnahmen nicht einbezogen.

(Staatsminister Christian Piwarz: Pure Demagogie!)

Ein Tarifvertrag, wenigstens eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, um die Interessen aller Beschäftigen angemessen zu berücksichtigen, wäre hier notwendig. Diesen fordern wir nach wie vor ein.

Ja, das Gesetz ermöglicht es, die Grundschullehrer in die A13 bzw. E13 einzugruppieren. Das ist übrigens eine jahrelange Forderung der LINKEN. Sie werden sich erinnern: Sie haben uns immer erklärt, dass das überhaupt nicht geht und dass man das nicht machen kann.

(Staatsminister Christian Piwarz: Mal sehen, ob Sie zustimmen!)

Man muss natürlich auch schauen, dass es eine tarifliche Regelung geben muss, um Tarifpartner zu haben, die bei Veränderungen ein Einspruchsrecht haben können und müssen. Gleichwertige Tätigkeit muss gleichwertig bezahlt werden.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Herr Bienst, Sie haben es benannt, darin sind wir einer Meinung, und ich denke, das wäre ein wichtiger Schritt, es auf ordentliche Füße zu stellen.

Die Zulagenregelung, die Sie allerdings vorsehen, ist doch eher lächerlich

(Ines Springer, CDU: Sind etwa 170 Euro lächerlich?)

und beleidigend für die Lehrerinnen und Lehrer.

(Lothar Bienst, CDU: Da sagt die Gewerkschaft aber etwas ganz anderes!)

Die Zulagenregelung im Vergleich zu den Beamten ist nicht zu akzeptieren. Das sollte Sie ganz klar noch einmal zum Nachdenken anregen.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Staatsministers Christian Piwarz)

Dieses Gesetz wird nicht dazu führen, den Lehrermangel zu beseitigen und die Qualität und Weiterentwicklung der Schule in Sachsen für ein erfolgreiches Lernen der Schülerinnen und Schüler zu sichern.

Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei den LINKEN)

Die SPD-Fraktion; Frau Abg. Friedel, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört: Mit dem vorliegenden Artikelgesetz wird ein Teil des Handlungsprogramms umgesetzt, nämlich jener, in dem es um Eingruppierung und Verbeamtung geht. Andere Teile werden in den kommenden Tagen zur Debatte stehen, zum Beispiel die Themen Zulagen oder Schulassistenz; wieder andere bedürfen keiner gesetzlichen Umsetzung.

Ich möchte auf all diese Dinge ein wenig näher eingehen; denn aus meiner Sicht ist es die Stärke des Handlungsprogrammes, dass es sich eben nicht nur auf einen oder zwei Punkte beschränkt, sondern ein Gesamtkonzept ist, um mit dem Thema Mangelhafte Unterrichtsversorgung umzugehen. In diesem Gesamtkonzept ist der aus meiner Sicht wichtigste Punkt und das wertvollste Signal jenes, dass wir künftig alle Lehrkräfte in allen Schularten gleich bezahlen.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Das heißt, die Zeiten, in denen Grundschullehrer als minderwertige Lehrkräfte galten, die nur singen und basteln, sind vorbei,

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Die hat es gar nicht gegeben!)

und vorbei ist die Zeit, in der Sachsen per Lohnzettel und Bildungsempfehlung signalisierte, dass das Gymnasium die einzige glückseligmachende Schulform sei.

(Ines Springer, CDU: Solcher Quatsch!)

Wir müssen uns heute über den besonderen Mangel, den wir an Grund- und Oberschullehrern haben, überhaupt nicht wundern; denn jahrzehntelang wurde in Sachsen mit der unterschiedlichen Vergütung jungen Menschen signalisiert: Studiert Gymnasiallehramt, das ist in Sachsen am meisten wert. – Das wird sich ändern.

Dass wir diesen Schritt erst heute machen und ihn nicht schon eher gegangen sind, ärgert mich im Nachhinein sehr. Ich ärgere mich, dass ich 2016 bei den Verhandlungen zum Lehrermaßnahmenpaket den Belehrungen und Beteuerungen der Ministerien – wir könnten die Grundschullehrer aus rechtlichen Gründen nicht in die 13 holen – auf den Leim gegangen bin. Ich habe mich damals im Beamten- und im Tarifrecht noch nicht gut genug ausgekannt, um dagegenzuhalten, und das war ein Fehler. Immerhin haben wir dabei das verringerte Pflichtstundenmaß für die Grundschullehrer herausbekommen. Trotzdem: Dieser Fehler passiert mir nicht noch einmal. Ich habe schon oft an diesem Pult gestanden und gesagt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Die gleiche Eingruppierung der Lehrkräfte ist der beste Beweis dafür, dass es stimmt.

Ab 2019 signalisiert Sachsen: Alle Lehrkräfte sind uns wichtig, egal, ob sie Anfangsunterricht für Siebenjährige durchführen oder ob sie 16- oder 18-Jährige auf ihren Realschulabschluss oder auf die Gymnasialprüfung vorbereiten. Die pädagogische Arbeit, die hier geleistet wird, mag unterschiedlich sein. Aber sie ist gleichwertig. Das macht Sachsen von nun an deutlich und nimmt damit bundesweit eine Vorreiterrolle ein, auf die wir wirklich stolz sind.

Das Gegenteil von Vorreiter, von Vorausgehen ist Nachzügler oder hinterherlaufen, und das wird Sachsen mit diesem Artikelgesetz an einem anderen Punkt tun. Wir laufen den anderen Bundesländern hinterher und werden ab dem nächsten Jahr unsere Lehrkräfte ebenfalls im Beamtenverhältnis beschäftigen. Ich kann diese Entscheidung nachvollziehen: Wir verbeamten quasi aus Notwehr, weil alle anderen es eben auch tun. Aber glücklich bin ich mit dieser Entscheidung nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Nicht, weil ich die Lehrkräfte nicht leiden kann oder ihnen die Privilegien eines Beamtenverhältnisses nicht gönnen würde, sondern weil – das haben wir auch schon gehört – das Beamtenverhältnis für unseren Staat in diesem Bereich nicht nur nicht nötig, sondern nachteilig ist und unsere Gesellschaft weiter auseinandertreibt. Beamte zahlen eben nicht in die gesetzliche Krankenversicherung und in die Rentenversicherung ein. Das sind

bundesweit fast eine Million Lehrkräfte, und dies schwächt unser solidarisches Sozialsystem enorm. Das gleiche Ungerechtigkeitsempfinden, das wir jetzt bei den nicht verbeamtungsfähigen Lehrkräften wahrnehmen, gilt für den Rest der Gesellschaft ebenfalls. Deshalb hat es aus meiner Sicht seinen guten Grund, dass der Bund mit seinem Beamtengesetz ganz eng festgelegt hat: Verbeamtet werden soll nur, wessen Arbeit aufgrund der besonderen Funktion im Staat nicht im Angestelltenverhältnis durchgeführt werden kann, also Polizisten, Richter, Justizvollzugsbedienstete. Aber Sachsens Lehrer haben ja 28 Jahre lang bewiesen, dass ihre Arbeit hervorragend im Angestelltenverhältnis getan werden kann – und das auch noch in Spitzenqualität mit vorderen und ersten Plätzen in Bildungsvergleichen.

Der Beamtenstatus tut auch deshalb weh, weil er nicht nur unsere Sozialsysteme schwächt, sondern auch unseren sächsischen Haushalt. Wir betreiben als Freistaat Sachsen vernünftigerweise Pensionslastenvorsorge. Dies führt dazu, dass jeder Beamte, den wir beschäftigen, im Jahr 17 000 Euro teurer als ein Angestellter ist. Nun könnte man sich hinstellen und sagen: Okay, das muss uns Bildung wert sein. – Aber das sind schöne Worte, und ich denke, man kann sich auch hinstellen und sagen: Moment mal, 17 000 Euro mehr für jede verbeamtete Lehrkraft im Vergleich zu den Angestellten – das heißt doch, ich kann vom gleichen Geld entweder fünf Beamte oder sechs Angestellte bezahlen. Das ist doch die Richtung, in die wir uns in den nächsten Jahren bewegen müssen.

Wir wissen, dass Unterricht besser funktioniert, wenn in einer Klasse zwei Lehrkräfte sind und die Schüler so individuell gefördert werden können. Wir wissen, dass unsere Klassenlehrer eine Extrastunde brauchen, um all die organisatorischen Aufgaben zu bewältigen. Wir wissen, dass es mit einem Pflichtstundenmaß von 26 Wochenstunden eben nicht gelingen kann, jede Unterrichtsstunde so vor- und nachzubereiten, dass sie allen Schülern Spaß macht und die Lernfreude anregt. Wir wissen außerdem, dass die Ausdünnung des Schulnetzes im ländlichen Raum vor zehn Jahren ein großer Fehler war, nicht nur mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler, sondern auch auf die Entwicklung unserer Dörfer und Landkreise, und dass wir deshalb künftig mehr Lehrkräfte brauchen, um wieder neue Schulen auf dem Land eröffnen zu können.

Aus all diesen Gründen muss es uns in den kommenden Jahren gelingen, mehr und mehr Lehrkräfte einzustellen, nicht nur, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen, sondern auch, um all die anderen Punkte, von denen ich sprach, Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei ist es natürlich viel vernünftiger, wenn ich von dem gleichen Geld sechs statt fünf Lehrkräfte einstellen kann, und für die Lehrkräfte selbst ist es sogar noch besser, weil sich mit einer Klassenleiterstunde, mit einer zweiten Kraft im Unterricht, mit weniger Pflichtstunden und kurzen Wegen zur Schule die Arbeitsbedingungen in einer Weise verbessern, die mit Geld überhaupt nicht aufzuwiegen ist.

Aus diesem Grund muss es uns in den nächsten Jahren gelingen, eine bundesweit neue Antwort auf den bundesweit herrschenden Lehrermangel zu finden. Die Kultusminister der Länder diskutieren gerade über einen Bildungsstaatsvertrag, und ich sage: Eine der wichtigsten Vereinbarungen, die wir dort bundesweit zu treffen haben, ist, den Verbeamtungswettbewerb der Länder zu stoppen und stattdessen die inhaltliche Qualität von Schule weiterzuentwickeln. Nur so werden wir es schaffen, dass die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte und die Unterrichtsbedingungen für die Schülerinnen und Schüler dauerhaft verbessert werden können. Mit der Befristung der Verbeamtung, wie wir sie vornehmen, hat unser Kultusminister fünf Jahre Zeit für dieses Projekt und all unsere Unterstützung.

Ich möchte auf einen letzten Punkt eingehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: das Programm Schulassistenz. Wir haben gesagt, wir brauchen Soforthilfen an den Schulen. Wenn nicht ausreichend Lehrkräfte zu haben sind, sollen zumindest jene, die an den Schulen sind, von Assistenzkräften unterstützt werden, die als zweite Kraft im Unterricht dabei sind und organisatorische Aufgaben übernehmen. 160 dieser Stellen werden wir im nächsten Jahr besetzen, insgesamt weit über 400 in den nächsten fünf Jahren. Für die ersten 20 – das sind die Sprach- und Integrationsmittler – läuft das Besetzungsverfahren bereits.

Fast jede Schulleiterin und jeder Schulleiter kennt in ihrem Umfeld eine Person, die für solche Aufgaben geeignet ist, weil sie Kinder liebt, ihnen etwas beibringen kann und sie in ihrer Entwicklung begleiten will. Ich wünsche mir, dass wir das Programm zu einem Erfolg machen. Dies kann uns nur gelingen, wenn wir den Blick auf die Menschen richten, die sich für eine solche Aufgabe interessieren, und nicht auf ihre Qualifikationsanforderungen.

Eine Schulassistentin oder ein Schulassistent muss aus meiner Sicht keine pädagogische Fachkraft sein. Sie bzw. er führt den Unterricht nicht durch, sondern unterstützt ihn lediglich. Wir haben in den Ganztagsangeboten so viele wunderbare Leute, die ihre Kompetenzen an Kinder weitergeben, die einen ganz eigenen Zugang zu ihnen finden, Lernfreude anregen, Motivation geben und andere Perspektiven einfließen lassen, nicht nur in den Ganztagsangeboten, sondern beispielsweise auch im Programm „Teach First“, das bereits vom Kultusministerium durchgeführt wird. Ich finde, diese Menschen müssen wir mit unserem Assistenzprogramm in die Schulen holen. Davon haben nicht nur die Lehrkräfte, die unterstützt werden, sondern auch die Schülerinnen und Schüler sehr viel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mit dem Handlungsprogramm und dem Artikelgesetz unzählige Einzelmaßnahmen, Details und kleine Fallstricke diskutiert, und wir haben sie noch nicht alle ausgeräumt. Wir kämpfen an vielen Stellen noch um eine arbeitnehmerfreundliche Auslegung. Wir werden dies auch in den kommenden Wochen noch erleben, zum

Beispiel, was die stufenweise Höhergruppierung oder den Erhalt der Bindungszulagen betrifft.

Klar ist auch: Der heutige Beschluss wird die Welt nicht auf einmal ab morgen rosig aussehen lassen. Wir werden auch im nächsten Jahr Unterrichtsausfall haben. Wir werden auch im nächsten Jahr händeringend nach Lehrkräften suchen. Aber alles, was man in Sachen Bezahlung für Lehrkräfte tun kann, um die Lehrerversorgung zu verbessern, haben wir heute mit dem Artikelgesetz getan.

Ich möchte zum Schluss noch eines sagen, und ich denke, es ist wichtig, sich dies immer wieder zu vergegenwärtigen: Lehrermangel allein macht noch keine schlechte Schule, und genügend Lehrer allein machen noch keine gute Schule. Wir müssen es in den kommenden Jahren schaffen, dass unsere Schulen auch inhaltlich verändert werden, damit sie es schaffen, unsere Kinder für die Zukunft zu rüsten. Das heißt, wir brauchen eben die neuen Lehrpläne. Wir brauchen mehr Methodenvielfalt, Selbstständigkeit, Kreativität und Förderung der Lernfreude.

All das sind Dinge, in die wir mindestens genau so viel Energie stecken müssen, wie wir in das Projekt „Verbeamtung“ gesteckt haben. Das sind die pädagogischen Aufgaben, und das ist aus meiner Sicht die inhaltliche Qualität, der sich Bildungspolitik künftig wieder stärker widmen muss.