Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Sind Sie so inspiriert?

Entschuldigung, Herr Präsident.

Ich glaube, wir können es dabei bewenden lassen. Vielleicht gibt es noch eine zweite Runde. Dann hätte ich aber gern ein paar Fakten, denn ich weiß nicht, worüber wir bei dieser Stimmungsmache weiter diskutieren sollen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Als Nächste spricht zu uns Frau Kollegin Dr. Maicher von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Sehr geehrte Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann, ehrlich gesagt, die Aufregung nicht so richtig verstehen. Als ich den Titel gelesen habe, wusste ich, wofür die AfDFraktion, die Antragstellerin dieser Debatte, dieses Thema nutzen will. Es ist klar, dass es um einen Angriff auf den unabhängigen Qualitätsjournalismus geht. Es ist klar, dass es ein Angriff auf die Meinungsvielfalt wird, und es ist auch klar, dass dies wieder ein Infragestellen der Glaubwürdigkeit vieler Medienmacher in unserem Land sein wird.

Ihre Obsession ist es, den beitragsfinanzierten Rundfunk abzuschaffen; bei jeder Gelegenheit führen Sie das aus. Es auch klar, warum Sie das machen, nämlich weil die Öffentlich-Rechtlichen einfach nicht berichten wollen, was Sie wollen, was Ihr Wunsch, was Ihre Wirklichkeit ist.

(Beifall bei den GRÜNEN – André Barth, AfD: Nein, wir wollen einfach nur ausgewogene Berichterstattung!)

Deswegen sind Sie frustriert. Sie sind frustriert, weil sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk Ihrer Meinung nicht unterwirft. Sie haben das mit den freien unabhängigen Medien immer noch nicht verstanden. Sie haben nicht verstanden, dass es deren Aufgabe ist, die Meinungsvielfalt zu ermöglichen, und dass ein guter, qualitativ hochwertiger Journalismus Fakten checkt, Fakten überprüft und auch das Recht hat auszuwählen, was berichtet wird.

(Carsten Hütter, AfD: Sie können es machen wie die SPD und kaufen sich bei den Medien ein!)

Das aber stört Ihr Geschäftsmodell. Ihr Geschäftsmodell ist darauf aus, Fake News und Hetze zu verbreiten. Hinterfragen ist der Tod des Populismus. Damit haben Sie natürlich ein Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Ich frage mich, warum Sie diese Debatte nicht wenigstens ehrlich benennen. Warum sind Sie denn nicht ehrlich? Warum schreiben Sie nicht als Debattentitel: „Öffentlichrechtlichen Rundfunk abschaffen!“ Warum wählen Sie als Titel „Zweiundzwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag...“?, und beginnen dann Ihre Rede auch noch mit – wie haben Sie es gesagt? –: Sie verharren dabei im vorletzten Jahrhundert.

Gerade dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist doch eine Gelegenheit, in die Zukunft zu schauen, also zu schauen, wohin sich unsere Medien, die Presselandschaft, aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk entwickeln müssen. Wie schaffen wir es, im digitalen Zeitalter weiterzukommen? Genau das machen Sie hier nicht. Sie wiederholen Ihr Mantra und haben nichts beizutragen. Das ist brandgefährlich für die Diskussion, denn die Diskussion darüber müssen wir tatsächlich führen.

Es wurde schon erwähnt, was Ihr Beitrag bei der Sachverständigenanhörung war. Alle anderen Fraktionen haben aus verschiedenen Blickrichtungen bei den Sachverständigen nachgefragt, um zu einzelnen Punkten, die durchaus kritikwürdig sind, nachzufragen. Die Frage ist doch: Wie können wir regeln, dass dieser Staatsvertrag im Sinne der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, aber auch der Gesellschaft ist?

Sie aber stellen Fragen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk abgeschafft werden kann. Ich habe manchmal den Eindruck – Medienpolitik ist ja ein sehr komplexes Feld, das gebe ich gern zu –, dass Sie sich damit nicht so richtig befassen wollen und deswegen darauf verharren

und immer wieder betonen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen.

Ich möchte die mir verbleibende Redezeit nutzen, drei Punkte zu nennen, die aus unserer Sicht wichtig wären, um darüber zu diskutieren. Das ist zum einen die sehr kritikwürdige Regelung im Rundfunkänderungsstaatsvertrag zur Bekräftigung des Verbots der Presseähnlichkeit, die weiterhin enthalten ist. Damit wird verpasst, in die Zukunft zu schauen und die unterschiedliche Mediennutzung auch als Entwicklungsmöglichkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiterzugehen. Ich glaube, dass wir bei der jetzigen Regelung in einem analogen Zeitalter verharren und der Unterschied zwischen Text, Video und Ton so nicht mehr gegeben ist.

Der Zweite Punkt ist der Einfluss der Presseverlage bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Sendeauftrages in Form der Schlichtungsstelle, in der sowohl Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch der Presseverlage sitzen, die dann aber im Fall einer Klärung tatsächlich mit darüber bestimmen, wie der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgelegt wird. Wir sehen das sehr kritisch, da nicht klar ist, wie diese Stelle arbeiten soll und wie sie ausgestattet sein wird.

Ein weiterer Punkt – dieser ist schon angesprochen worden – betrifft die Frage der Vergütung von Kreativen. Wir begrüßen es sehr, dass die 7-Tage-Regelung in den Mediatheken fällt, also dass Beiträge länger zu sehen sein werden. Aber es muss dann auch mit einer ordentlichen, angemessenen Vergütungsregel für die Kreativen und Filmemacher verbunden sein. Das sind Fragen, über die wir diskutieren müssen. Derartige Fragen habe ich bisher und auch heute von der Antragstellerin der Aktuellen Debatte nicht gehört.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU und der SPD)

Als Nächste spricht zu uns Frau Kollegin Dr. Muster. Dann sind wir am Ende der ersten Rederunde angekommen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Zweiundzwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag erweitert den Telemedienauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese Entwicklung war absehbar, und zwar spätestens nach dem vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst in Auftrag gegebenen Dörr-Gutachten von 2016: „Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud“.

Die Umsetzung dauerte immerhin drei Jahre. Im Jahr 2016 gründeten auch die MPs eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Namen „Auftrag und Strukturoptimierung“. Aber in diesem Staatsvertrag wird der Auftrag wieder für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erweitert, ohne gleichzeitig die Strukturoptimierung zu regeln. Das ist für mich ein sehr schlechtes Zeichen.

Dabei hätte der neue Staatsvertrag Folgendes regeln müssen: Erstens. Neue Aufträge führen nicht zu einem höheren Beitragsaufkommen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ist übrigens eine uralte Forderung aus dem SMS-Papier von Steinbrück, Milbradt, Stoiber aus dem Jahre 2003. Damals hieß es noch: „Gebot der Austauschentwicklung“.

Zweitens. Die Umsetzung der Forderung aus dem neuen Gersdorf-Gutachten. Demnach muss eine Schwerpunktsetzung beim Programm des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks auf Information, Bildung und Beratung zur Hauptsendezeit erfolgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wir sind jetzt am Ende der ersten Runde angelangt. Ich eröffne die nächste Rederunde und erinnere noch einmal an das Thema unserer Zweiten Aktuellen Debatte: „Zweiundzwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag: Wunsch und Wirklichkeit“.

Das Wort ergreift für die einbringende Fraktion Frau Kollegin Wilke.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Freiheit hat ihre Haken und Ösen. Inzwischen haben wir eine Medienwelt, die durch die Digitalisierung den Eintrittspreis in den publizistischen Wettbewerb radikal abgesenkt hat. Da schröpft uns nun Vater Staat immer noch mit seinem Rundfunkzwangsbeitrag.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Zur Verdeutlichung: Pro Monat hat der Durchschnittsverdiener, nach Abzug von Steuern und Abgaben, nur einen sehr begrenzten Spielraum für Information und Kultur übrig. Je nach Quelle schwankt er zwischen 29 und 11 Euro. Das meint Zeitungen, Bücher, Rundfunkzwangsgebühren, Rundfunkgebühren, Theater und Kino genauso wie den Sportverein oder andere nicht lebensnotwendige Verpflichtungen. Auch Geld wirkt wie eine Zensur, vor allem wenn sie quasi als Steuer auf unser Grundbedürfnis, ein Dach über dem Kopf zu haben, daherkommt.

(Zuruf des Abg. Stephan Hösl, CDU)

Was ist aus dem Traum der bürgerlichen Revolution von 1848 – ich komme noch einmal bewusst darauf zurück – unter unserem Grundgesetz geworden?

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE – Aline Fiedler, CDU, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Nicht so gern, ich möchte auf das Grundgesetz zu sprechen kommen.

(Lachen bei der CDU – Holger Mann, SPD: Fragen stören nur!)

Ja oder nein?

Artikel 5: Jeder hat das Recht – –

Also keine Zwischenfrage!

Artikel 5: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Dazu das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Juli 2018 – ich zitiere –: „Das Grundgesetz steht der Erhebung von Vorzugslasten in Form von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr – potenziell – einen Nutzen haben.“ – Als sei das noch nicht genug der Relativierung, begründet das Gericht unter Abschnitt 71 c: Neben den Zwecken des Vorteilsausgleichs und der Kostendeckung können auch Zwecke der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke die Bemessung einer Vorzugslast rechtfertigen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Von Verhaltenslenkung steht aber nichts in Artikel 5 der Kommunikationsfreiheiten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Für wen halten Sie eigentlich diesen Vortrag?)

Lenkung ist keine Freiheit, staatliche Lenkung der freien Meinungsbildung schon gar nicht.