Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Wir lehnen den Antrag daher ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Markus Ulbig)

Die Fraktion DIE LINKE; Frau Abg. Nagel. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Billig – mehr kann man eigentlich zu dem hier vorliegenden Antrag der AfD nicht sagen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Okay, na dann! – Dr. Stefan Dreher, AfD: Dann lassen Sie es dabei!)

Einerseits haben Sie Ihren Nichteinzug in den Bundestag anscheinend nicht verkraftet, weil Sie uns hier permanent mit Dingen belangen, die wir landesrechtlich nicht regeln können.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE – Dr. Stefan Dreher, AfD: Das Gesetzgebungsverfahren ist Bundesrecht!)

Andererseits scheinen Sie sich zumindest im Punkt 1 ein Wettrennen mit der CDU zu liefern.

Ich habe die Position der CDU zu Punkt 2 wohlwollend vernommen. Zu Punkt 1 werde ich erwartungsgemäß einen Widerspruch formulieren.

Wir leben in einer Zeit wachsender internationaler Konflikte. Das zeigt nicht nur Syrien, sondern wir können auch nach Libyen, Eritrea, Tschetschenien und auf den Westbalkan schauen. In diesen Ländern sind menschenrechtliche Standards nicht mehr gewährleistet, und ethnische und religiöse Minderheiten werden verfolgt. Um Menschen zu schützen – das dürfte Ihnen bekannt sein –, die wegen humanitären Notlagen aus ihren Herkunftsländern fliehen mussten,

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Die gehen alle auf den Theaterplatz!)

wurde 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention geschaffen, der die BRD 1954 beitrat. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dieser Konvention ist auch in Deutschland neben der EU-Qualifikationsrichtlinie das entscheidende und am meisten greifende Instrument, um die Schutzbedürftigkeit von Menschen anzuerkennen. Das im deutschen Grundgesetz verfasste Grundrecht auf Asyl hingegen wurde im Jahre 1992 mit einer Mehrheit von CDU, SPD und FDP faktisch abgeschafft. Das zeigen die bloßen Zahlen: Mit 1,8 % erreichte die Anerkennung nach Artikel 16 a Grundgesetz im Vorjahr ihren „Spitzenwert“.

Zum Thema sichere Herkunftsstaaten. Zentrale Elemente des Asylkompromisses von 1992 waren das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten, aber auch das Asylbewerberleistungsgesetz. Es ist kaum verwunderlich, dass Sie in einer Zeit, die – das nehmen Sie sicher nicht wahr, Kolleginnen und Kollegen von der AfD – teilweise an RostockLichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln und Solingen erinnert – ich sage nur: Freital, letzte Woche –, in der Aufmärsche und Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sprunghaft steigen

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Amtsgericht Leipzig!)

da können Sie sich seriöse Statistiken anschauen –, diesen Antrag einbringen. Sie zündeln nämlich ganz einfach.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das sagen ausgerechnet Sie!)

Das sage ich ganz klar. Wir reden ja morgen über Ihr anderes Herzthema.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Ganz genau!)

Darin unterscheiden Sie sich zumindest in Punkt 1 beim Zündeln wenig von den Kollegen der CDU. Es wurde gerade ausgeführt: Der Innenminister hat zwischen Weihnachten und Neujahr, in einer Zeit, als Pegida landauf, landab diskutiert wurde, vorgeschlagen, dass Tunesien zum sicheren Herkunftsstaat erklärt wird.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Weil es sicher ist!)

Das war ein durchsichtiges Manöver, denn bekanntermaßen hat Sachsen als einziges Bundesland bis zum Jahresende Flüchtlinge aus Tunesien aufgenommen. Durchsichtig war es auch, weil dieser Vorschlag in einer Debatte, die gegenüber Flüchtlingen feindlich aufgeladen war, gebracht wurde. Es wird gefordert, Albanien und den

Kosovo nun zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, anstatt sich die Fluchtursachen genauer anzuschauen und nach humanitären Lösungen zu suchen. Ebenso wird nach der Verschärfung des Asylrechts gerufen.

(Carsten Hütter, AfD: Unterscheiden Sie doch bitte mal!)

Das ist wirklich wie in den Neunzigerjahren. Ich kann leider an dieser Stelle keine umfängliche Analyse der Verhältnisse der in Rede stehenden Staaten präsentieren. Darüber müsste viel mehr gesprochen werden. Das wird es teilweise in Medien, die das nicht so aufgeregt angehen, die aber nicht so beachtet werden.

Schlaglichtartig hinzuweisen sei auf den UN-Kommissar für Menschenrechte, der infolge der Parlamentswahlen in Tunesien im letzten Jahr darauf verwies, dass das rechtsstaatliche System dort tatsächlich noch fragil, noch jung ist und dass es noch Zeit braucht

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Also gibt es eines?)

und dass der Kosovo ein instabiler Staat ist, in dem bittere Armut, aber auch Korruption herrscht. Solch ein System versagt Menschen bestimmte Rechte.

(Zuruf von der AfD – Carsten Hütter, AfD: Es geht um Asyl!)

Das dürfte Ihnen auch bekannt sein. Des Weiteren kann man nach Eritrea – die Menschenrechtslage – schauen und nach Mazedonien oder Serbien, wo Minderheiten verfolgt werden. Unter dem Strich lehnt DIE LINKE das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich ab.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das ist klar!)

Länder können nicht per se als sicher eingestuft werden. Asyl wird Einzelpersonen mit individuellen Fluchtgründen gewährt. Deshalb muss jeder Antrag einzeln und intensiv geprüft werden. Auch eine hohe Ablehnungsquote bedeutet nicht, dass in einigen Fällen nicht doch Asyl gewährt werden kann. Beim Kosovo lagen wir im vergangenen Jahr bei 2 %.

Das Verwaltungsgericht Münster hat, nachdem bereits im vergangenen Jahr drei Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, explizit Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung geäußert. Dabei ging es um eine Familie aus Serbien.

Als Fußnote sei angemerkt: Außer einer Beweislastumkehr und einem damit einhergehenden Abbau rechtsstaatlicher Garantien im Asylverfahren bringt das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten recht wenig. Die damit behauptete Beschleunigung der Asylverfahren ist marginal. Es bleibt vor allem eine Signalwirkung an eine Öffentlichkeit, die man bedienen will.

Betrachtet man nun Punkt 2 des AfD-Antrages, zeigt sich nichts weiter als bürokratisch vorgetragene Menschenfeindlichkeit – so nenne ich das hier.

(Gelächter bei der AfD)

Sie fordern allen Ernstes die Wiedereinführung des Vorrangs des Sachleistungsprinzips,

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Ja!)

das inzwischen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz – wir haben es gerade gehört – zumindest mehr oder weniger getilgt wurde

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Auf Bundesebene erpresst durch Baden-Württemberg!)

und das aus politischen Gründen in Sachsen wie beinahe in allen Ländern, außer dem Landkreis Leipzig, schon abgeschafft war.

Sie verkennen außerdem, dass die Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes das Sachleistungsprinzip in den Erstaufnahmeeinrichtungen weiterhin vorsieht. Es gibt dort auch eine Fußnote im § 3, in der festgeschrieben ist, dass die Leistungsgewährung weiterhin in Form von Sachleistungen oder Wertgutscheinen erfolgen kann, soweit es nach den Umständen erforderlich ist. Aber Sorgfalt ist anscheinend nicht so ganz Ihre Sache genauso wie die Menschenwürde.

(Lachen bei der AfD)

Sie stilisieren – das kann man in diesem Antrag lesen – geflüchtete Menschen zu potenziellen Schmarotzern, denen grundlegende Rechte abgesprochen werden müssen; wie in diesem Fall das Recht, mit einem minimalen Geldbetrag – das ist ein Geldbetrag, der unter den ALGII-Sätzen liegt – selbst über ihre Versorgung zu bestimmen. Über Argumente bei der diskriminierenden Praxis von Paketversorgung mit qualitativ fragwürdigen und überteuerten Lebensmitteln oder die Stigmatisierung aufgrund der Gutscheinbezahlung an Supermarktkassen muss ich Ihnen wahrscheinlich nichts erzählen, weil es Sie einfach nicht interessiert.

Dafür möchte ich gern explizit an dieser Stelle auch noch einmal Bezug auf die Forderungen nehmen, die auf dem Theaterplatz artikuliert wurden. Dort ging es um gleiche Rechte, Rechte, die sich daraus herleiten, dass Menschen Menschen sind: Die Bewegungsfreiheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf eine Arbeit, das Recht auf eine gleichwertige Gesundheitsversorgung. Das sind Forderungen, hinter denen wir als LINKE explizit stehen

(Zuruf von der AfD)

und die auch ein Grund sind, dass wir Ihren Antrag hier – und zwar mit Nachdruck – ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, nun die SPD-Fraktion; Herr Abg. Pallas, Sie haben das Wort.