Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, mit diesem Antrag beweist die Fraktion AfD einmal mehr, wes
Geistes Kind ihre Vertreter wirklich sind. Sie sind sich für eine populäre Forderung zwar nicht zu schade, aber sie versäumen es dabei, nach rechts und links zu schauen und abzuwägen, wie es sich in den Gesamtkontext der Diskussion einfügt. Dabei sind wir doch gerade in diesem Haus schon um Längen weiter, als Sie es in Ihrem Antrag beschreiben. Wenn ich mir die Debatte von heute Morgen vor Augen führe, so ist doch klar geworden, dass es nicht um einseitige Forderungen gehen kann, sondern vielmehr ein Gesamtkonzept für die gesamte Thematik vonnöten ist.
Ihr kaltherziges Klein-Klein und das Schielen auf die sächsischen Stammtische bringen uns überhaupt nicht weiter; das gilt für den vorliegenden Antrag, aber auch für andere einseitige Vorstöße in diese Richtung.
Im Übrigen gehört es auch dazu, sich mit den Erfolgsaussichten solcher Bundesratsinitiativen auseinanderzusetzen und es nicht nur blind zu fordern. Wie Sie wissen, gibt es aktuell im Bundesrat solche Initiativen, die diskutiert werden. Dabei hatten wir erst im letzten Jahr den gerade angesprochenen Kompromiss im Bundesrat, wo unter anderem Serbien zum sicheren Drittstaat deklariert wurde.
Diese Initiative war nur erfolgreich, weil im Gegenzug zahlreiche Erleichterungen für Asylsuchende erreicht wurden. Dazu gehören zum Beispiel die Lockerung der Residenzpflicht, der Vorrang der Geld- vor Sachleistungen und der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Verhandlungen dazu waren intensiv, sie waren politisch sehr anspruchsvoll, aber sie waren eben auch vorläufig abschließend. Das muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen.
Ich frage mich, wie Sie auf den Gedanken kommen, dass weitere Initiativen in nächster Zeit erfolgreich sein sollten – ich denke, Sie wissen es besser, und trotzdem stellen Sie diesen kurzsichtigen und nutzlosen Antrag. Das ist auch für mich billiger Populismus, mit dem Sie die Menschen in Sachsen an der Nase herumführen wollen. Ich kann nur hoffen, dass das nur wenige mit sich machen lassen, meine Damen und Herren von der AfD.
Die Debatte der letzten Monate hat aber auch eines gezeigt: Es gibt einen Bedarf und seit einigen Wochen die deutschlandweite Debatte, das Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht in Deutschland zu modernisieren – nicht nur wegen der steigenden Flüchtlingszahlen. Inzwischen haben wir 31 verschiedene Aufenthaltstitel in Deutschland, da blicken nur noch wenige wirklich durch. Wir haben, auch bedingt durch den Asylkompromiss von 1992, zahlreiche Tatbestände, die dazu führen, dass Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wird, trotzdem völlig zu Recht nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können. Das sind Fälle, in denen im Heimatland – obwohl sie kein politisches Asyl in Deutschland bekom
men – trotzdem Gefahren für Leib und Leben drohen; in denen trotzdem Verfolgung durch nicht staatliche Stellen drohen. Sie haben kein Recht auf politisches Asyl, und trotzdem gibt es gute Gründe, sie eben nicht in die Verfolgung und in die Gefahr zu schicken.
Hier bedarf es einer Diskussion darüber, wie wir diese Form des Aufenthaltes klarer und gerechter ausgestalten und wie wir sie benennen können; denn offiziell sind diese Menschen „nur“ abgelehnte Asylbewerber, die „nur“ geduldet werden.
Es wird aber auch darum gehen müssen, die Zuwanderungsregelungen, welche ohne Zweifel in Deutschland bereits bestehen, in einem Einwanderungsgesetz zusammenzufassen. Dieser Problematik widmet sich auch ein Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion – Herr Wippel hat es bereits angesprochen –,
wobei Sie sicher sein dürfen, dass die SPD seit vielen, vielen Jahren über dieses Thema diskutiert und mit Sicherheit nicht die sächsische AfD benötigt, um sich der Thematik zu stellen.
(Uwe Wurlitzer, AfD: Deshalb hat Ihr Generalsekretär uns als „… in Nadelstreifen“ bezeichnet, als wir genau so etwas gefordert haben!)
Das Thema bewegt derzeit auch viele Sachsen; deshalb gestatten Sie mir bitte, hier kurz auf die Position der Bundestagsfraktion der SPD einzugehen. Im Kern geht es darum, eine positive gesellschaftliche Grundhaltung zur Einwanderung entstehen zu lassen. Das geht nicht von heute auf morgen. Mit einem Einwanderungsgesetz, das klare, nachvollziehbare und durchaus auch am Bedarf orientierte Kriterien enthält, können wir Menschen überzeugen, dass Einwanderung ein Gewinn für alle sein kann.
Die Debatte muss aber auch unter Beachtung der Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt geführt werden. Derzeit verliert der deutsche Arbeitsmarkt jährlich circa 400 000 Arbeitskräfte durch die Demografie, und dieser Verlust kann zurzeit nur durch Zuwanderung ausgeglichen werden – momentan mehrheitlich aus dem EU-Ausland. Wenn sich aber die Beschäftigungslage im Süden Europas verbessert – und ich bin davon überzeugt, dass sie das wird –,
dann wird der Zuzug gerade aus diesen Ländern abnehmen, und dann kommt es darauf an, dass wir den Arbeitsmarkt auch für Zuwanderung aus Ländern von außerhalb der Europäischen Union öffnen. Gleichzeitig müssen natürlich alle erforderlichen Anstrengungen unternommen werden, um die insgesamt 1,5 Millionen jungen Menschen zwischen 25 und 35 Jahren, die keine Berufsausbildung haben, in Ausbildung zu bekommen.
Es gibt einen weiteren Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion, neben der sogenannten Blauen Karte EU ein flexibles und nachfrageorientiertes Punktesystem zu entwickeln. Jetzt müssen wir diskutieren, welche Elemente der unterschiedlichen Einwanderungssysteme, die es weltweit gibt, sich in Deutschland anwenden lassen, welche politisch gewollt sind. Das Ziel ist aber, die Einwanderung aus Drittstaaten langfristig mit einem flexiblen und nachfrageorientierten Punktesystem bedarfsgerecht zu steuern bzw. zu verstärken.
Der Arbeitsmarkt muss aber aus Sicht der SPD auch für Flüchtlinge geöffnet werden. Asylsuchende und Geduldete, die durch eigene Arbeit für ihren Lebensunterhalt sorgen können, sind besser vor Diskriminierung geschützt und können sich besser integrieren. Deshalb ist es eine zentrale Absicht der SPD-Bundestagsfraktion, den Zugang zum Arbeitsmarkt weiter zu verbessern.
Diese und die anderen Punkte aus dem Positionspapier zeigen die Breite und die Herausforderungen bei der vor uns liegenden Debatte. Diese wird in den nächsten Wochen hoffentlich Fahrt aufnehmen und vielleicht in Bälde zu konkreten Gesetzesvorlagen im Deutschen Bundestag führen.
Ich freue mich darauf, diese Debatte aus sächsischer Sicht ernsthaft – ernsthaft, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD! – und mit der nötigen Sensibilität begleiten zu können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist einiges gesagt worden. Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird den Antrag der AfD ablehnen. Wir teilen einige der vorgetragenen Gründe. Aber ich möchte zunächst mit dem Punkt 2 anfangen. Aus unserer Sicht ist der Antrag, das Sachleistungsprinzip wieder zum dominierenden Prinzip zu machen, eine Rolle rückwärts in die asylpolitische Steinzeit.
Zu dem, was Kollege Hartmann hier dargelegt hat, möchte ich nur noch ergänzend bemerken: In Ihrer Begründung zu Punkt 2 dieses Antrages diffamieren Sie von der AfD Flüchtlinge hinsichtlich einer vermuteten Motivlage. Sie unterteilen die Flüchtlingsgruppen in Flüchtlinge erster, zweiter und dritter Klasse. Das ist nach unserer Auffassung nicht zu tolerieren.
Darüber hinaus möchte ich noch bemerken, dass dieses sogenannte Sachleistungsprinzip – die Frage ist geklärt –
bzw. die Wertmarken über viele Jahre Flüchtlinge, Asylsuchende stigmatisiert und ausgegrenzt haben und in entlegenen Unterkünften – das muss man so sagen – vor allem die Händler, die dort zugelassen wurden, reich gemacht haben. Das gehört auch zur Wahrheit.
Zum Punkt 1: Auch diesen Punkt lehnen wir ab. Kollege Hartmann, ich muss sagen, es ist nicht so, dass das Problem Tunesien geklärt wäre, weil der Innenminister Tunesien zum sicheren Herkunftsstaat erklärt hat. Hierzu bedarf es eines gesetzgeberischen Verfahrens. Das ist tatsächlich im Gange, weil Bayern im Bundesrat die Initiative ergriffen hat, Tunesien zum sicheren Herkunftsstaat zu erklären.
Wir GRÜNEN hier im Sächsischen Landtag stehen dem Konstrukt „sicherer Herkunftsstaat“ kritisch gegenüber. Deshalb haben wir den sogenannten Asylkompromiss im Jahr 1992 auch abgelehnt. Im Kern dient er letztlich dazu, das Asylrecht weiter einzuschränken, und mit der Eingrenzung auf das Kriterium politische Verfolgung – auch das wurde hier genannt – ist er zu eng gefasst. Das wird von vielen Seiten kritisiert. Nichtstaatliche Verfolgungsgründe wie die Genfer Flüchtlingskonvention oder die Konvention gegen Folter spielen keine Rolle. Das ist – auch hierzu sind entsprechende gesetzliche Verfahren im Gange – einfach unzulässig.
Erstaunlich oder eigentlich nicht erstaunlich ist, dass rechtliche Einschränkungen beim Asylrecht oder beim Asylbewerberleistungsgesetz immer dann gefordert
werden, wenn schwierige Zustände und komplexe Situationen in bestimmten Ländern dazu führen, dass die Flüchtlingszahlen steigen.
Nach unserer Auffassung wäre es wichtig – das sage ich exakt mit dem Blick zum Beispiel auf den Kosovo und den Westbalkan –, andere Maßnahmen zu ergreifen, nämlich zum Beispiel die Visumfreiheit einzuführen und die Anerkennung des Kosovo in allen Staaten der Europäischen Union endlich durchzusetzen. Das wäre die Grundlage dafür, Integrationsprogramme für den Kosovo aufzulegen und tatsächlich Integrationsfortschritte zu erreichen.
Der Kosovo, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, braucht Perspektiven für eine Zukunft in Europa und keine Stigmatisierung.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine weitere? – Herr Abg. Wippel, bitte. Sie haben das Wort.
Da ist er. – Wir wollen dem Herrn Innenminister gern als Hohes Haus, als Sächsischer Landtag ein starkes Mandat mitgeben. Wir wollen ihm klar sagen: Ja, wir stehen hinter dem, was Sie fordern. Deswegen steht in unserem Antrag auch, dass eine Initiative, wenn sie von einem anderen Bundesland schon eingebracht wurde, von uns unterstützt wird. Es gibt also keinen Grund, dem Antrag nicht zuzustimmen, wenn Sie dem Inhalt nicht zustimmen. Es tut mir leid.
Liebe Kollegin Nagel, Sie können dem nicht zustimmen. Das habe ich auch nicht erwartet, und von der Fraktion der GRÜNEN auch nicht. Das ist ja auch richtig.
Was das Thema Tunesien angeht: Ich meine, die haben im letzten Jahr 4 % mehr Touristen gehabt und freuen sich.