Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

dungen getroffen haben: Atomausstieg, Braunkohleausstieg. Wir haben riesige Standards, wenn es um die Frage von Filteranlagen, Emissionsbeschränkungen, um energetisches Bauen und Ähnliches geht. Da waren Sie auch maßgeblicher Motor. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Natürlich brauchen wir für die Diskussion auch die Perspektive der GRÜNEN. Es ist aber Verantwortung insgesamt, diese Impulse in den Kontext einer gesellschaftlichen Entwicklung zu setzen. Ich stelle überhaupt nicht in Abrede, dass wir eine Verantwortung haben, auch in diesem Prozess als Vorbild voranzugehen.

Man muss aber auch überlegen, bis zu welchem Punkt man überall der Erste sein kann, sondern es heißt, auch diesen Prozess vernünftig miteinander zu führen und die eigenen Optionen dabei zu sehen. Sie werden nicht ein souveränes Land wie China oder die Vereinigten Staaten so einfach in die Diskussion hineinzwingen können. Wir können auch nicht sagen: Das ist jetzt unerheblich, die haben ja ein Recht darauf, die können jetzt noch einmal 150 Jahre lang ordentlich loslegen, und wir müssen demgegenüber einsparen.

Noch einmal: Selbst wenn wir alles einsparen, sind die Werte, die bei uns die Diskussionsgrundlage sind, nicht das, was am Ende der Belastung steht. Deshalb – ich habe es deutlich gesagt – setzen wir auch auf entsprechende neue Technologien, die CSC-Technologie gehört dazu und die Diskussion auch über Brennstoffzellen und entsprechende Möglichkeiten des Wasserstoffs.

(Beifall bei der CDU)

Frau Friedel, eine Kurzintervention auf Herrn Hartmann?

Ich möchte mich gern auf den Redebeitrag von Herrn Hartmann beziehen. Sie haben unter anderem die individuelle Verantwortung eines jeden Einzelnen angesprochen, was den Lebensstil angeht, die mit hineinspielt. Das halte ich für völlig richtig. Ich glaube, man muss dabei aber noch einen Schritt weitergehen.

Die eigentliche Frage scheint mir zu sein: Wie bringen wir individuelle Verantwortung eines jeden Einzelnen, unsere Demokratie und die Herausforderungen des Klimawandels zueinander? Das scheint mir der Punkt zu sein, den die GRÜNEN manchmal nicht so recht vor Augen haben. Wir leben in einem demokratischen Staat, wo die Bevölkerung, wo die Menschen entscheiden, wie ihre Zukunft aussehen soll und was sie da wollen. Wir haben es noch nicht geschafft, für die Belange von Naturschutz und Klimawandel mehr als 50 % der Menschheit zu gewinnen; sonst sähen Ihre Wahlergebnisse anders aus.

Ich finde es absolut legitim, dass es in einer demokratischen politischen Landschaft Parteien gibt, die sagen, das ist unsere oberste Priorität, und dass es Parteien gibt, die sagen, wir haben etwas anderes als oberste Priorität. Ich finde es etwas absurd, dass es Parteien gibt, die sagen, wir haben kein Problem. Davon einmal abgesehen, aber das

ist, glaube ich, die entscheidende Frage: Wie schaffen wir es, ein demokratisches System zusammenzubringen mit dem Anspruch, den jeder Einzelne an sich und den wir an uns alle haben müssen?

Deshalb ist die „Fridays-for-Future“-Bewegung, finde ich, so wertvoll, weil Jugendliche das Potenzial haben, in ihrer Familie und über die üblichen Grenzen hinaus bei Menschen das Nachdenken anzuregen und dazu beizutragen, dass wir es schaffen, den Bewusstseinswandel, von dem wir alle sprechen, auch tatsächlich in die Bevölkerung zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hartmann, bitte.

Herzlichen Dank, Frau Friedel. Im Wesentlichen kann ich Ihren Ausführungen zustimmen. Das ist eine der zentralen Fragen in einer Demokratie, auch die gesellschaftliche Akzeptanz zu bekommen. Deshalb sind die Impulse und die Diskussionen so wichtig. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir auf Diskussion, Argumentation und Auseinandersetzung setzen, weil zumindest für uns in der Union Verbotspolitik nicht Kern des demokratischen Selbstverständnisses ist und wir deshalb auf freiwillige Erkenntnisprozesse in der Debatte setzen, auch wenn es steuernde Entscheidungen braucht.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt sehe ich niemanden mehr aufstehen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Noch für die normale Redezeit!)

Fünf Minuten haben Sie noch, Herr Böhme.

Zwischenrufe sind in diesem Plenarsaal erlaubt und genau auch Teil dieser Geschäftsordnung. Anscheinend ertragen Sie keine Kritik, weshalb Sie sich hier so wehren.

Wir stellen uns die Fragen, die Sie angesprochen haben. Mich selbst können Sie mit den moralischen Punkten, die Sie gerade angesprochen haben, überhaupt nicht begeistern. Ich habe selbst kein Auto, ich bin Vegetarier, und meine Glasflasche steht da drüben.

Nicht nur der Klimawandel ist Fakt, sondern auch, dass er menschengemacht ist. Das ist bewiesen, Punkt, aus. Das ist eigentlich keiner Diskussion mehr wert. Es sind auch die Studien, die das beweisen. Zehntausende Studien sind es, die in sich schlüssig sind, und schon seit den Achtzigerjahren existieren diese. Es gibt aber natürlich ein paar Studien, die das widerlegen. Das sind meistens Thesen von Einzelpersonen, die nicht aufeinander aufbaubar sind, also eben auch zeigen, dass sie nur Einzelmeinungen und so wenige sind, dass sie überhaupt nicht stichhaltig und

wahrnehmbar sind. Insofern ist dieser Vergleich vollkommen absurd.

Herr Hartmann, natürlich sind die Emissionen in Sachsen seit 1990 gesunken – das stimmt –, aber eben seit 1994 nicht mehr oder kaum. Das hat also nicht nur etwas mit der Industrialisierung im Freistaat und in ganz Ostdeutschland zu tun. Zwischen 1990 und 1994 ist der CO2Ausstoß gesunken, aber seit 1994 ist nichts mehr passiert, und das ist das, was wir kritisieren, wo wir dringend handeln müssen.

(Beifall bei den LINKEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hartmann?

(Marco Böhme, DIE LINKE: Ja, die gestatte ich.)

Herr Hartmann, bitte.

Sie sind ja der Experte Ihrer Fraktion zu diesen Fragen. Können Sie mir bitte kurz die Frage beantworten, wie die CO2-Bilanzen aus der Belastung des Braunkohlekraftwerks Schwarze Pumpe Anfang der 90er-Jahre waren und wie sich die Bilanzen auf Grundlage der entsprechenden Vorgaben und Regelungen aktuell verhält?

Ich habe gesagt, dass alles vor 1990 und dem Jahr 1994 erheblich reduziert wurde. Das erkenne ich ja auch an. Aber worüber denn? Durch Abbau der Kohlekraftwerke und natürlich auch durch technologische Verbesserungen. Das ist doch logisch, und das hat auch niemand bestritten. Aber es geht doch darum, was danach passiert ist, nämlich nichts mehr oder kaum noch etwas. Auch seit 1997 gibt es im Energiebereich und vor allem im Verkehrsbereich eine Erhöhung der Emissionen. Insgesamt sind wir bei 12,7 Tonnen sächsischer CO2-Emissionen pro Kopf. Das ist höher als im Bundesdurchschnitt und vor allem höher als das, was in China ausgestoßen wird. Dort wohnen mehr als eine Milliarde Menschen. Natürlich können Sie das nicht mit dem Freistaat Sachsen vergleichen. Es geht doch darum, was jeder Einzelne von uns dazu beiträgt, wie viel CO2 entsteht. Das können Sie doch nicht mit einer Volkswirtschaft von einer Milliarde Menschen vergleichen.

Das ist das eine. Hinzu kommt natürlich auch noch das historische Erbe dieser Industrienationen Frankreich, England und Deutschland, die das schon seit über Hunderten Jahren in die Atmosphäre pusten. Das ist doch nicht nach jedem Jahr weg, es baut sich ja jährlich auf. Das, was China tut, ist erst seit 20 Jahren der Fall. Insofern ist das auch nicht vergleichbar in der Gesamtmasse an CO2, das freigesetzt worden ist.

Also, Paris hat uns Handlungsempfehlungen gegeben, und genau diese Handlungsempfehlungen müssen weltweit eingehalten werden, eben in Zusammenarbeit mit China. Darum geht es doch, das wollen Sie doch, das fordern Sie doch auch, nicht alleine etwas zu machen. Also setzen Sie sich doch gemeinsam mit denen an einen Tisch, also nicht

persönlich. Aber machen Sie doch mit und setzen Sie es um. Mir ist unverständlich, was Ihre Motivation ist, warum Sie das nicht tun. Ich verstehe es nicht, ich weiß einfach nicht warum, außer dass Sie einfach nur Interessen von Großkonzernen vertreten,

(Proteste bei der CDU)

die das jetzige System halten wollen, oder einfach nicht bereit sind, alternative Wirtschaftssysteme zum derzeitigen kapitalistischen System zu suchen oder zu überprüfen, was eben genau dazu führt, dass Menschen, auch Kinder, in China unter solchen Produktionsbedingungen arbeiten, dass weltweit Raubbau an der Natur betrieben wird. Das passiert wegen unseres Konsumverhaltens, und das ist das, was wir kritisieren und ändern müssen.

(Beifall bei den LINKEN)

Eine Kurzintervention auf Herrn Böhme, bitte.

Frau Präsidentin! Eine Kurzintervention auf den Redebeitrag von Kollegen Böhme, der ja den Vorwurf machte, es sei nichts passiert. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz klar und deutlich sagen: Die Bundesrepublik Deutschland hat beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen. Wir steigen bis 2038 aus der Kohleverstromung aus. Wir sind das größte Industrieland dieser Erde, das aus fossilen Energien aussteigt. Sachsen ist in diesem Gefüge einer der wichtigsten Akteure.

Sich hier hinzustellen und zu sagen, es sei nichts passiert und es werde nichts passieren, Herr Kollege Böhme, das ist einfach nicht die Wahrheit. Wir sind auch in der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Energien ein wichtiger Akteur beim Thema Kohleausstieg, und insoweit sind wir auch in dieser Legislaturperiode große Schritte vorangegangen. Wir haben eine riesengroße Chance, mit diesem Kompromiss der Kommission einerseits einen gesellschaftlichen Konflikt zu befrieden und andererseits zum Klimaschutz beizutragen. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal für das Protokoll festhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Böhme, bitte, Sie haben das Wort.

Ich bleibe bei meiner Behauptung und These: Es ist nichts ausreichend getan worden, was wir in unserem und hoch technologisierten Land hätten machen können.

Wir haben zu wenig getan. Ich schaue nur nach Sachsen. Den Ausbau der erneuerbaren Energie und die Solarindustrie haben wir in den letzten Jahren krachend niedergehen sehen. Bei der Windenergie sind wir ins Stocken geraten. Wir werden in den nächsten Jahren einen massi

ven Rückgang der Windenergie in Sachsen erleben. Daran haben Sie eine Mitschuld.

Genau das sind die Punkte, die ich kritisiere. Wir tun zu wenig. Wir tun kaum etwas für den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie würden nach wie vor, wenn es die Kohlekommission nicht gäbe, die den Ausstieg für das Jahr 2038 avisiert hat, auf dem Jahr 2050 oder später für den Ausstieg bestehen. Dafür hat diese Partei und genauso die CDU gekämpft und kämpft insgeheim immer noch.

Herr Lippold, möchten sie eine Kurzintervention machen oder einen Redebeitrag leisten? Sie haben noch 1 Minute und 11 Sekunden übrig. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Hartmann, wir machen uns auch große Sorgen um die demokratische Akzeptanz.

Deshalb wäre es gut gewesen, wir hätten vor zehn oder 15 Jahren begonnen, die Emission zu reduzieren. Das wäre ein sehr sanfter Prozess gewesen. Es wäre ein sehr sanfter Anpassungsprozess gewesen und hoch kompatibel mit Demokratie und Akzeptanz in der Bevölkerung. Jetzt müssen wir wesentlich steiler vorgehen. Es sind wesentlich härtere Anpassungen vorzunehmen. Je länger wir warten, desto schwieriger wird es. Der Endpunkt ist nicht verhandelbar. Wir müssen ihn erreichen.

Das ist das Problem. Deshalb hätten wir sehr schnell handeln müssen. Was meinen Sie, was Ihnen Ihr Volksparteisensor für das Spannungsgefüge in der Gesellschaft nützt, wenn innerhalb weniger Jahre das dritte Hochwasser durchmarschiert, der nächste Hitzesommer kommt oder ein Tornado durch eine Großstadt marschiert? Dieser Sensor nützt für das Gefüge nichts. Das konnten Sie merken bei Fukushima und Co. Es ist dann plötzlich alles ganz anders. Es entstehen ganz andere Wahlergebnisse.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Uns, nicht Ihnen!)

Deshalb sollten wir vorsorgen.