Der Gesetzentwurf, der Ihnen heue zur Beschlußfassung vorliegt, verfolgt unter anderem folgende Zielstellungen:
erstens die Gremien der Jugendhilfe durch Neubesetzung und das Einräumen weitgehender Rechte zu stärken und zu demokratisieren,
zweitens gleichgeschlechtliche und unverheiratete Paare verheirateten gleichzustellen (Erteilung der Pflege- erlaubnis) und
drittens weitgehende Mitbestimmungsrechte für Kinder und Jugendliche zu schaffen (zum Beispiel Mitbestim- mung von Jugendlichen ab dem 16. Lebensjahr in den Gremien der Jugendhilfe).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um der etwaigen Verwunderung bei den Ausschußmitgliedern darüber, daß ich als Fraktionsvorsitzender spreche, vorzubeugen, möchte ich zwei Begründungen voranstellen. Nehmen Sie es zum einen als ein Zeichen, daß die CDU-Fraktion das Anliegen der Kinder- und Jugendhilfe sehr ernst nimmt.
Wir leben in einer Zeit, in der die Lebenswelten der Jugend, die Familie, die Schule, die Gleichaltrigen und - das muß man wohl inzwischen dazuzählen - die Medien, dramatischen Veränderungen und Gewichtungsveränderungen unterworfen sind. Es ist richtig und nur zu berechtigt, daß man sich Gedanken über die geeignete Rahmensetzung in diesem Zusammenhang macht.
Zum anderen möchte ich mit gleicher Deutlichkeit sagen, daß es ein Anliegen der CDU-Fraktion ist, an dieser Stelle deutlich zu machen, daß sie dieses Gesetz und das Verfahren, das zu diesem Gesetz geführt hat, in aller Breite, mit der Stimme aller Fachausschüsse ablehnt.
Wir sind fest davon überzeugt, daß damit dem Anliegen ein Bärendienst erwiesen wird und daß im Vollzug dieses Gesetzes die Irritationen erst so richtig auftreten werden.
Wir sind verwundert. Nachdem wir noch bei der ersten Lesung die Äußerungen der Ministerin selbst hörten,
unterstützt durch Zwischenrufe des geschätzten Kollegen Hoffmann aus der SPD-Fraktion, der sowohl finanzpolitische als auch kommunalpolitische Bedenken geäußert hat,
(Herr Becker, CDU: Wo ist er denn? - Herr Hoff- mann, Magdeburg, SPD: Hier! - Herr Becker, CDU: Jetzt ist er auch da!)
glaubten wir tatsächlich, wir hätten eine gemeinsame Position mit der Landesregierung und zumindest mit den Finanz- und Kommunalpolitikern der SPD-Fraktion. Wir mußten feststellen - leider nicht nur an diesem Beispiel -, daß dann eine Art Gruppendynamik einsetzte, die zu einem Beratungsergebnis führte, mit dem die Bedenken der Ministerin überhaupt nicht ausgeräumt sind. Sie sind mit den Entschließungsanträgen zugekleistert worden.
Lassen Sie mich konkret Stellung nehmen. Es bleibt dabei: Sie machen aus einem Ausführungsgesetz, einem Organisationsgesetz ein Leistungsgesetz, auch wenn Sie einige der Leistungen unter Vorbehalt stellen.
Dann hören wir vom Finanzminister und von den Finanzpolitikern, daß wir alles andere, nur keine neuen Leistungsgesetze brauchen. Warum schaffen Sie dann ein neues Leistungsgesetz, ohne daß die Notwendigkeit dafür besteht?
- Sie können jetzt sagen, das Kostenträchtige steht alles unter dem Vorbehalt der Gesetzesfolgenabschätzung.
Aber, Herr Kollege Bischoff, ich habe die Rede der Ministerin zur ersten Lesung des Gesetzentwurfes so verstanden, daß in den Jahren 1997/98 schon einmal eine Novelle zu diesem Gesetz geprüft wurde. Anschließend hat man gesagt, man wolle ein Kinder- und Jugendhilfeprogramm machen, aber aus Kostengründen keine gesetzliche Regelung. An dieser Stelle ist Zustimmung von Herrn Hoffmann im Protokoll vermerkt.
Meine Damen und Herren! Was hat sich seit 1997 und 1998 geändert? Ist das Land Sachsen-Anhalt etwa reicher geworden? Das muß ich Sie fragen. Wenn wir uns jetzt neue Leistungsgesetze leisten, können wir den Kommunen neue Leistungen aufbürden?
(Herr Bischoff, SPD: Das steht doch gar nicht in dem Gesetz! - Ministerin Frau Dr. Kuppe: Das Gesetz ist doch geteilt worden!)
Der Finanzminister ist leider nicht da. Wir vergeuden Geld für eine Gesetzesfolgenabschätzung, deren Konsequenzen im Grunde genommen in den Jahren 1997 und 1998 schon geprüft worden sind.
Zum Schluß, bitte. - Zweiter Punkt. Sie greifen in völlig unnötiger Weise in kommunale Selbstverwaltungsrechte ein. Auch das ist uns jetzt schon klar. Es genügen die ersten Gespräche mit Jugendamtsleitern, um dies deutlich zu machen.
Das ist eine Situation, bei der wir genau das Gegenteil wollen: Wir wollen den Kommunen Handlungsspielräume geben. Deshalb will der Minister eine Kommunalreform durchführen, damit mehr Handlungsspielräume da sind. Aber hier wird von oben her eingeengt. Herr Minister, dann brauchen wir keine Kommunalreform, dann können wir sofort aufhören, darüber nachzudenken.
Dritter Punkt - das hat die Ministerin in der ersten Lesung noch kritisiert, jetzt tut sie es nicht mehr, obwohl in der Sache die Dinge nur geringfügig entschärft worden sind -: Sie betreiben eine Überregulierung.
Das muß ich nun einmal sagen: Wer Jugendhilfe mit Bürokratie betreiben will, der hat Jugendhilfe nicht verstanden.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen. Wir nutzen vielleicht die Möglichkeit zur Verlängerung durch eine Frage von Herrn Bischoff.
Ja. - Letzter Punkt: Was uns auffällt, sind eine Menge handwerklicher Fehler, die mehr der Gruppendynamik des gemeinsamen Verhandelns von SPD und PDS geschuldet sind und die uns im Vollzug des Gesetzes noch eine Menge Schwierigkeiten machen werden. Auf diese will ich aber im einzelnen nicht eingehen.
Wir werden jede einzelne Bestimmung dieses Gesetzes ablehnen, um auf diese Weise deutlich zu machen: Wir sind dafür, daß es bei dem Verhältnis von bundesgesetzlicher Regelung und Ausführungsgesetz bleibt. Wir halten dieses Vorhaben
für einen falschen Ansatz, auch einen falschen Ansatz im Sinne der Kinder- und Jugendhilfe. - Danke schön.
Herr Dr. Bergner, ich hätte gern von Ihnen gewußt, an welcher Stelle dieses Gesetzes sich eine Leistung verbirgt. Ich weiß nicht, ob Ihnen die Mitglieder Ihrer Partei, die Mitglieder des Ausschusses sind, nicht gesagt haben, daß es genau deshalb zweigeteilt worden ist. Das eine ist das Gesetz, in dem keine Leistung enthalten ist, die belastet. Das andere ist die Gesetzesfolgenabschätzung für die Teile, die eventuell zu einem späteren Zeitpunkt in das Gesetz aufgenommen werden müssen. Wir haben es gerade deshalb geteilt, um diesen Bedenken Rechnung zu tragen. Woher nehmen Sie das konkret?