Herr Dr. Bergner, es sind Fragen angemeldet worden. Sie beantworten die Fragen. - Bitte sehr, Frau Budde.
Wir haben ja von dem neuen Werbeslogan gehört, Herr Dr. Bergner. Wenn Sie sich hier gegen Diffamierung wenden, dann würde ich gern Ihre persönliche Auffassung dazu hören, was Sie von dem Werbespruch „Kinder statt Inder“ halten. Ich möchte wissen, ob das eine Diffamierung ist oder ob Sie es als Diffamierung empfinden, wenn wir diesen Werbespruch kritisieren.
Frau Budde, ich habe zunächst einmal festzuhalten, daß ich gestern abend im Fernsehen erstmals in Form
eines Zitates von einem Spruch, den der nordrheinwestfälische Landesverband verwenden soll, gehört habe. Ich kann jetzt nur sehr beschränkt dazu Stellung nehmen. Aber eines ist klar:
daß wir zigtausende ausländische Arbeitnehmer über Greencards hierher holen müssen, die ja in den jeweiligen Ländern - Sie haben von Indien gesprochen -,
- ja, gut, aber wenn das Stichwort Inder gefallen ist, dann wollen wir bei dem Beispiel bleiben - in den Schwellenländern und Entwicklungsländern für die wirtschaftliche Entwicklung dringend gebraucht werden, zur Kenntnis genommen. Daß diese Leute jetzt nach Deutschland geholt werden sollen, muß doch wenigstens als Offenbarungseid unserer gesellschaftlichen und bildungspolitischen Entwicklung benannt werden dürfen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDVP - Unruhe bei der SPD - Frau Budde, SPD: Das ist doch nicht wahr! - Zurufe von Herrn Bischoff, SPD, und von Herrn Sachse, SPD)
- Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Halten Sie sich etwas zurück! - Der Vorsitzende der SPD-Fraktion hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte, Herr Dr. Fikentscher.
Zunächst einmal, Herr Kollege Bergner: Selbstverständlich ist es Ihr Recht als Opposition, eine Aktuelle Debatte zu beantragen.
Und selbstverständlich ist es, wenn Sie so ein Thema vortragen, unser Recht, unsere Meinung dagegenzusetzen. Das ist doch wohl unbenommen.
Schlimm ist es dann doch, wenn in dem, was ich heute früh mit „Kinder statt Inder“ gelesen habe, Ihrerseits eine Linie steckt, so daß man nicht nur an einen Ausrutscher glaubt. Darüber werden wir uns hier wohl noch streiten dürfen. Ich glaube nicht, daß Sie das mit dem
(Herr Dr. Daehre, CDU: Das Protokoll gucken wir uns genau an! - Frau Budde, SPD: Das machen Sie mal! Vielleicht lernen Sie was daraus! - Zurufe von der CDU)
Für die PDS-Fraktion erteile ich nunmehr der Abgeordneten Frau Ferchland das Wort. Bitte, Frau Ferchland.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz sind keine selbstverständlichen Werte, sondern wurden gerade in den neuen Bundesländern nach Erfahrungen eingeklagt und durchgesetzt. Doch Demokratie, tätige Toleranz und gelebte Weltoffenheit treten nicht per Akklamation in Kraft. Sie müssen eine lebensweltliche Verankerung bei den Menschen haben: der ausländische Nachbar, die binationale Familie als Selbstverständlichkeit, die bunte Jugendkultur als Ausdruck der Vielfalt von Lebensentwürfen und Kreativität junger Menschen. All dies sollte in allen Lebensbereichen greifbar und erfahrbar werden.
Doch gerade in den neuen Bundesländern fehlt hier so mancher Farbtupfer. In den 90er Jahren mußten wir einen bis dahin nicht bekannten Aufschwung rechtsextremistischer Ideologien erleben. Da wurden Ausländerinnen und Ausländer gejagt,
Soziologen sprechen davon, daß Rechtsextremismus ein kulturelles Phänomen ist, das aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Beleg dafür sind rassistische Sprüche auf Straßen und auf Wahlplakaten, Vorurteile gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und schlichte Unwissenheit und Desinteresse.
Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung ein Konzept vorgestellt, welches das Bewußtsein für Beteiligungsdemokratie stärken, Bürgerengagement unterstützen und den Horizont für andere Kulturen öffnen soll.
Ziel des Handlungskonzeptes ist es, auf diese Weise das Wachsen einer Zivilgesellschaft zu befördern.
Genau das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich der Verein „Miteinander“ auf seine Fahnen geschrieben.
Er will vor Ort in den Schulen, bei Bildungsträgern, mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sowie mit Bürgerinitiativen tätig werden und mit ihnen gemeinsam - und nicht in Konkurrenz zu ihnen - nach Wegen für mehr Bürgerengagement suchen.
In konkreten Kooperationsprojekten bearbeitet der Verein „Miteinander“ gemeinsam lokale und regionale Probleme im Umgang mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Dabei kommt es gerade auf die regionale Verankerung der Projekte an.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins gehen davon aus, daß es für die Lösung regionaler Probleme keine vorgefertigten Konzepte geben kann; sie gehen vielmehr von in der Analyse bekannten Fragestellungen aus und suchen gemeinsam mit kommunalen Multiplikatoren nach Antworten.
So wird es Beratungsangebote für Jugendliche geben, aber auch Fortbildungsseminare für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer sowie Angebote der Moderation bei Konflikten mit rechtsorientierten Jugendlichen.