Protokoll der Sitzung vom 10.03.2000

akute Krise hinausgehen, intensiver betreut, deren Ursachen und Ansatzpunkte geklärt und mögliche Lösungsansätze vereinbart. In dieser Phase, die einen Zeitraum von bis zu 24 Stunden betrifft, gibt es Kontaktaufnahmen zu anderen Trägern der Sozialarbeit.

Langfristig werden die Klienten den für die erkannten sozialarbeiterischen Sachverhalte zuständigen öffentlichen und freien Trägern der Sozialarbeit vermittelt. Hierzu ist eine Frist von bis zu 72 Stunden gesetzt.

Im Aufgabenfeld des Projekts wird grundsätzlich unterschieden zwischen Gefährdeten, Tätern, Opfern und Nichterwachsenen. Dem Projekt ist damit der Anschein der Parteilichkeit genommen.

Nachdem in Vollziehung des Projektes im Juli 1998 das erste Polizeirevier mit Sozialarbeitern ausgestattet wurde, folgten im August die anderen Polizeireviere der Stadt Magdeburg. Die ersten Monate waren nach dem Bekunden des Projekts geprägt durch eine ständige Verbesserung der Konzeption durch die Praxis. Auch die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Projektmitarbeitern hat sich danach im Laufe der praktischen Tätigkeit ständig verbessern lassen. Steigende Fallzahlen beweisen dieses positive Ergebnis.

Mitte des Jahres 1999 folgte als letztes das Schönebecker Polizeirevier. Hier wurde die Sozialarbeit von Anfang an gewünscht und auch akzeptiert. Es handelt sich also hier um eine Situation, die nicht von Vorbehalten und Mißtrauen gekennzeichnet war. Die Ergebnisse und Auswertungen des Projektes zeigen anhand der Vielzahl der Fälle, daß der Bedarf an Sozialarbeit im Polizeirevier nach wie vor gegeben ist. Steigende Zahlen beweisen das.

Beispielhaft ist zu erwähnen, daß seit Beginn des Projekts bis zum 31. Dezember 1999 insgesamt 1 521 Fälle bearbeitet werden konnten. In der überwiegenden Zahl der Fälle konnte eine Weitervermittlung an andere Hilfeeinrichtungen durchgeführt werden. So wurde gewährleistet, daß über die Krisenintervention hinaus eine langfristige Betreuung und Unterstützung von Menschen in ihren individuellen Krisen erfolgt.

Da aber eine Vielzahl von Institutionen bisher an dem Projekt nicht beteiligt werden konnte oder beteiligt werden wollte oder aus tatsächlichen Gründen nicht beteiligt wurde, ist mit einem weiterhin erhöhten Projektbedarf zu rechnen.

Es erscheint daher für unsere Fraktion als unerträglich, daß das notwendige Arbeitsfeld des Projekts nur deshalb scheitern soll, weil es sich bei den ausgewiesenen Planstellen um ABM-Stellen handelt und die Förderung des Arbeitsamtes vor Abschluß einer sinnvollen Bilanz eingestellt werden soll. Denn rechtlich ist eine fortlaufende Förderung des Projekts durch das Arbeitsamt zur Zeit ausgeschlossen. Die Mitarbeiter wären somit gesetzlich verpflichtet, sechs Monate als Arbeitslose zu pausieren, um dann das Projekt einer erneuten Förderung durch das Arbeitsamt zu unterstellen. Dieses Gebaren kommt einem Schildbürgerstreich nahe und ist, denke ich, zu verhindern.

Eine Möglichkeit zur Sicherung des Projekts ist die, das Stammpersonal des Projekts in die Verordnung über die Zuständigkeiten auf den verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr aufzunehmen und die Verantwortlichkeit für die sächliche, personelle und finanzielle Ausstattung der Betroffenen dem Innenministerium zu übertragen. Die Mitarbeiter des Projektes wären dann nicht mehr Verwaltungshelfer im Sinne des § 9 des Verwal

tungsverfahrensgesetzes und würden nicht durch die Sperrfrist der Arbeitsämter zur Untätigkeit verurteilt.

Eine andere Möglichkeit eröffnet sich dahin gehend, den Projektbetroffenen den Status als Verwaltungshelfer zu erhalten und die Herstellung der Freiwilligkeit der Klientel doppelt funktional zu sehen, und zwar in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht.

Die Freiwilligkeit wäre damit dann nicht gegeben, wenn sich aus der Sicht eines Ex-ante-Betrachters der Verdacht einer Gefahr ergeben würde. Die Bemühungen der Projektbetroffenen würden erst enden, wenn alle Projektsicherungsziele erreicht wären.

Letztlich würde das Land durch die Weiterführung des Projektes mehr Geld sparen als ausgeben, weil die Gefahrenabwehr im Vorfeld

Frau Wiechmann, kommen Sie bitte zum Ende.

- ich komme sofort zum Schluß - preiswerter ist als die Repression.

Wir können dem Antrag der PDS-Fraktion in dieser Form aber nicht zustimmen, weil er unseres Erachtens nicht weit genug geht und einfach schludrig gemacht ist. Überarbeiten Sie ihn, bringen Sie ihn neu ein, dann reden wir auch gern wieder darüber. - Danke.

(Zustimmung bei der FDVP)

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie Ihre Redezeit deutlich überzogen haben. - Die Ansicht der CDU-Fraktion trägt die Abgeordnete Frau Liebrecht vor. Bitte, Frau Liebrecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verein Offene Türen e. V. ist Träger des Projektes „Gegen Angst in belastenden Lebenslagen“. Es ist bereits ausführlich darauf hingewiesen worden, daß dieses Projekt die erste Möglichkeit darstellt, auf Krisen von Menschen zu reagieren, indem Hilfe zur Lebensbewältigung durch Sozialarbeiterinnen sofort, fachgerecht, professionell und im 24-Stunden-Dienst gegeben werden kann, um eine akute Gefährdung zu verhindern. Durch diese Form der noch nicht vorhandenen Sozialarbeit im Polizeirevier kann wesentlich effektiver und kostengünstiger auf soziale Problemlagen reagiert werden.

Erste Analysen zeigen, daß es sich vorrangig um Familienkonflikte zwischen Eltern und Jugendlichen sowie um Ehe- und Paarkonflikte ohne die Betroffenheit von Kindern handelt, vorrangig in der Zeit zwischen 16 und 21 Uhr.

Dieses Projekt ist gleichzeitig der Arbeitgeber von 28 ABM-Kräften, deren Beschäftigung vom Arbeitsamt bis zum 30. April dieses Jahres zu 100 % gefördert wird. Nach den Regeln des Arbeitsamtes kann das Projekt frühestens nach einem halben Jahr wieder beantragt werden. Das Arbeitsamt hat sich im Vorfeld bereits positiv geäußert, kann aber verständlicherweise noch keine verbindliche Zusage abgeben.

Bei alledem muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders ge

schulte Krisenmanager sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten ab dem 1. April dieses Jahres Arbeitslosengeld und haben sich bereit erklärt, das Projekt zunächst ehrenamtlich weiterzuführen, in der Hoffnung, daß es ab 1. November dieses Jahres wieder gefördert wird, sofern es gelingt, Sponsoren zu finden, die bereit sind, die laufenden Kosten zu tragen.

Nach Aussage des Projektleiters werden dafür 1,5 Millionen DM benötigt, sofern es bei 28 Personalstellen bleibt. Aufgrund dessen ist eine Festbetragsfinanzierung über das Innenministerium kritisch zu sehen, da bis zum Jahr 2003 laut Haushaltsbeschluß rund 1 300 Stel-len im Polizeibereich abgebaut werden sollen.

Obwohl der Innenminister und die Polizeipräsidentin dem positiv gegenüberstehen, ist ein Erhalt wahrscheinlich nicht möglich. Die Gewerkschaft der Polizei plädiert allerdings dafür, daß dieses Projekt dauerhaft läuft, weil dadurch wesentlich weniger Delikte zu verzeichnen sind. In der Hoffnung, daß das Projekt durchgeführt wird, wäre es wichtig, daß sich das Ministerium zu diesem Projekt eindeutig positioniert und es unterstützt, daß das Projekt mit einer wissenschaftlichen Untersuchung durch die Fachhochschule Polizei in Aschersleben begleitet wird. Das wurde bereits signalisiert.

Wir erachten es für sinnvoll, den Antrag in den Ausschuß für Inneres zu überweisen, weil zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine vorgezogenen Haushaltsberatungen durchgeführt werden können.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Debatte wird beendet durch den Beitrag der Abgeordneten Frau Ferchland. - Sie verzichtet. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Es ist zweimal die Überweisung in den Ausschuß für Inneres beantragt worden. Wer sich diesem Antrag anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist der Überweisung zugestimmt worden. Meine Damen und Herren! Damit ist Tagesordnungspunkt 33 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:

Beratung

Berichterstattung zur kommunalen Fördermittelpolitik der Landesregierung

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/2784

Es wurde eine Fünfminutendebatte vereinbart. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge SPD, FDVP, CDU und PDS. Auch hierzu hat die DVU-FL-Fraktion auf einen Redebeitrag verzichtet. Ich bitte Frau Paschke, als Einbringerin das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt keinen günstigeren Zeitpunkt - damit meine ich nicht den Freitagnachmittag, sondern das erste Quartal eines laufenden Haushaltsjahres -, um einen solchen Antrag einzubringen. Immer zu Beginn der Haushaltsdiskussionen, wenn man eine intensivere Gesamtschau auf den Stand der abgeflossenen Mittel betreibt, bleiben bei allen Bemühungen häufig die Ursachen dafür im

dunkeln, warum der Mittelabfluß erst kurz vor Jahresabschluß in Gang kommt und gerade im Fördermittelbereich so erschreckend gering ist.

Deshalb ist es sicherlich sehr wichtig, frühzeitig eine Diskussion über wichtige Haushaltspositionen, auch über einzelne Ressorts hinweg, zu führen. Es wird niemand bestreiten, daß die kommunale Förderpolitik des Landes dazugehört. Dies ist keine neue Erkenntnis. In der Entschließung des Landtages in der Drs. 3/14/1003 B wurde das bekräftigt.

Wir meinen, daß die inhaltliche Arbeit auf diesem Gebiet zu großen Teilen noch aussteht. Mit diesem Antrag soll ein Beitrag zur Abarbeitung der Entschließung geleistet werden.

Zweifelsfrei ist die Förderpolitik neben den allgemeinen Finanzzuweisungen eine der wichtigsten Säulen in den Finanzbeziehungen zwischen der staatlichen Ebene und den Kommunen. Zu den wesentlichen Grundsätzen gehört es, Förderstrategien mit ganz spezifischen kommunalen Interessen zu verbinden. Ein nicht geringer Teil der im Antrag aufgeführten Schwerpunkte der Berichterstattung zielt genau darauf ab.

Die Fördermittelpolitik ist aber zugleich eine wichtige Schnittstelle zwischen der Arbeit der Legislative und der Exekutive und muß deshalb sehr sensibel behandelt werden. Es lohnt sich tatsächlich, den Entschließungsantrag in aller Gründlichkeit umzusetzen und somit diese Frage außerhalb der entsprechenden Paragraphen der Landeshaushaltsordnung und über die Haushaltsansätze hinausgehend kontinuierlich zu erörtern.

Es gibt aber auch aktuelle Anlässe. Zum einen haben wir das Gutachten des Landesrechnungshofes zur Diskussion in die Ausschüsse überwiesen. In dem Gutachten herrscht die Position vor, daß bei den immer knapper werdenden Haushaltsmitteln des Landes SachsenAnhalt zuviel in den kommunalen Bereich investiert wird.

Darüber wird es immer Auseinandersetzungen geben. Vielleicht findet man aber schneller zu gemeinsamen Positionen, wenn über den effizienten Einsatz geredet wird, und sicher muß die Diskussion über das Verhältnis von allgemeinen und sonstigen Zuweisungen verschiedenster Art immer wieder neu besprochen werden.

Zur Zeit sind diese Relationen im Landeshaushalt annähernd hälftig. Mehr als 2 Milliarden DM fließen allein in Form von Zuwendungen für Investitionen in den kommunalen Bereich. Der Kämmerer einer großen kreisangehörigen Stadt hat in der vorigen Woche ausgerechnet, daß sein Vermögenshaushalt der letzten fünf Jahre zu 42 % durch Zuweisungen des Landes gespeist wurde.

Allein das macht deutlich, welchen gewaltigen Einfluß das Land durch die Entscheidung über Zuweisungen hat, sowohl vermögensseitig als auch zur Sicherstellung der kommunalen Daseinsvorsorge, die sich zu großen Teilen im Verwaltungshaushalt niederschlägt, aber eben auch darauf, ob das Geld für die sprichwörtlichen goldenen Türklinken ausgegeben wird, die nicht selten zur Begründung für mögliche Kürzungen von Kommunalfinanzen herangezogen werden.

Wenn ich im weiteren Beispiele nenne, die eventuell auf einige Defizite im Fördermittelbereich hinzielen, dann sei ausdrücklich gesagt, daß einige Kämmerer im Land betont haben, daß sie mit dem Umfang des Förder

volumens durchaus einverstanden sind. Auch diesen positiven Aspekt möchte ich erwähnt haben.

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt nennen. Sehr kontrovers diskutieren wir alle ganz aktuell über das Wie von Verwaltungsorganisation, Aufgabenkritik und Deregulierung. Wenn es einen Bereich gibt, der in Größenordnungen Einsparungen beim Verwaltungsaufwand im Land und auf der kommunalen Ebene bringen könnte, dann ist das das Fördermittelm anagement.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus der städtebaulichen Erneuerung: Am 15. Mai 1999 endete die Antragsfrist. Mit einer detaillierten Antragsbegründung hat die Stadt einen Antrag gestellt. Bereits am 14. Juni, also einen Monat danach, forderte das RP den ersten Bericht. Am 19. Oktober gab es nochmals eine Abforderung zu einer genauen Beschreibung. Am 1. November gab es eine nochmalige Abfrage zu all dem, was bereits im Fördermittelantrag vorliegt. Bis jetzt gibt es aber noch keinen Bescheid.

Ich sprach bei dem vorhergehenden Punkt von den gewaltigen Summen, mit denen im investiven Bereich gefördert wird. Das Land hat somit nicht nur eine enorme Verantwortung dafür, was es fördert, sondern auch dafür, wie und vor allem wann es fördert. Das sind alles keine Neuigkeiten, aber sie müssen immer wieder zur Sprache gebracht werden. Der Zeitpunkt des Zuwendungsbescheides entscheidet wesentlich über die Qualität der kommunalen Investitionen oder darüber, ob sie überhaupt stattfinden.

Ein weiteres Beispiel im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes: Antragstellung am 11. September 1995 durch die Stadt. Am 2. September 1996, ein Jahr später also, wird der Zuwendungsbescheid mit der Maßgabe erlassen, daß Mittel, die nicht verbraucht worden sind, bis zum 15. Oktober 1996, also einen Monat später, zurückzumelden sind.

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)