Protokoll der Sitzung vom 10.03.2000

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Obwohl ich meine Rede abkürzen will, muß ich noch ein paar Punkte anschneiden. Es stellt sich natürlich die Frage, wie wir Kinder und Jugendliche in die Lage versetzen, an dieser Entwicklung teilzuhaben. Das ist eine harte Herausforderung für alle Ebenen des Bildungssystems.

Aber lassen Sie mich folgende Ergänzung anfügen: Nicht nur das. Es stellt sich auch die Frage, wie die Eltern und wie wir damit umgehen. Sind es irgendwelche aufgegriffenen Worte, die man einfach dahersagt, oder hat man wirklich verinnerlicht, daß wir uns nicht nur an der Schwelle, sondern mitten in einer technologischen Revolution befinden, die mit der industriellen Revolution gleichzusetzen ist oder diese noch übertrifft? Dabei ist das Wort „Dynamik“ eine zarte Umschreibung dessen, was tatsächlich abläuft.

Wir sind gut beraten, wenn wir die nächsten Monate nutzen, um die politische Flankierung und Begleitung durch das Land zu organisieren. Sie ist unverzichtbar. Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen und verzichte auf das Anführen weiterer Beispiele, über die wir im Ausschuß selbstverständlich noch diskutieren können. Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister. - Bis auf die SPD-Fraktion und die CDU-Fraktion haben alle anderen Fraktionen auf Redebeiträge verzichtet.

(Herr Kühn, SPD: Warum denn das?)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Budde das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Sie über die Greencards von Herrn Schröder reden, möchte ich einmal feststellen, daß der Zukunftsminister früher Herr Rüttgers hieß und daß dieser uns gestern seine Lösungsmöglichkeiten für das Problem, das er selbst verursacht hat, präsentiert hat.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Bull, PDS)

Meine Damen und Herren! Es ist auch sicherlich dem Thema nicht angemessen, wenn Sie in Ihrem Antrag bewußt unterstellen, daß die Entwicklung seit dem Jahr 1998 nicht weitergegangen ist. Die Entwicklung ist weitergegangen. Es gibt einen strategischen Fahrplan. Sie kennen die Analysen dazu genauso gut wie ich. Sie wissen auch, was sich unter der Ebene im praktischen dazu abgespielt hat.

Ich will nur drei Stichworte an den Anfang stellen. Das sind die Initiative „Multimedia@LSA“, die Initiative „InfoRegio“ und die Verträge mit den Marktführern, mit der Telekom, mit Microsoft und mit Cisco Systems.

Es gibt kein anderes Bundesland, das flächendeckend diese Verträge hat realisieren können. Sie sind die Voraussetzung dafür, daß sich solche Firmen für den Standort Sachsen-Anhalt interessieren und Verbindungen mit diesem Standort eingehen.

Natürlich ist es illusorisch, zu glauben, daß nach diesem Vertragsabschluß innerhalb von zwei Jahren 100 000 Arbeitsplätze entstehen werden. Das ist ein indirekter Prozeß. Aber niemand wird wohl abstreiten, daß dieses Interesse für das Land Sachsen-Anhalt als Standort eine Grundvoraussetzung dafür ist, daß sich auf diesem Gebiet etwas entwickelt, und daß eine Zusammenarbeit insbesondere auch mit den Verwaltungsebenen notwendig ist.

Das haben zumindest die großen Firmen begriffen und vermitteln das auf ihren großen Veranstaltungen entsprechend. Wenn Sie das noch nicht verstanden haben, ist das ein Stück hinter dem Thema zurückgeblieben.

Ich will Ihnen die strategische Linie des Landes anhand der Bausteine kurz erläutern. Zur Initiative „Info-Regio“ hat der Minister einiges gesagt. Die Gründungsoffensive ist das zweite Bein. Mittlerweile haben wir für den Multimediamarkt verschiedene Kernstandorte herausgebildet. Das hätte ich vor einigen Jahren noch nicht sagen können. Das ist richtig.

Der Standort Staßfurt wird unter dem Label „Zukunftsstandort“ mit dem Technisat-Werk einen Ansiedlungsschwerpunkt im Bereich der Satellitentechnologie und Unterhaltungselektronik bilden. In Wolfen ist mit OrwoMedia ein Kern entstanden, der demnächst für Zulieferer des Zukunftsmarktes der digitalen Photographie ein attraktiver Standort sein wird.

Ein dritter Bereich ist das Mitteldeutsche Multimediazentrum in Halle. Dort wird mit Hilfe des Wirtschaftsministeriums ein Schwerpunkt entstehen, der vor allem für Unternehmen der hochspezialisierten Multimediaproduktionsbranche interessant ist.

Über das Projekt „Go Time“, das Sie sehr wohl kennen, helfen wir bei der Gründung neuer Firmen speziell in den Bereichen Telekommunikation, Informationstechnologie, Multimedia und Entertainment. Von den bisher 40 eingegangenen Anträgen sind sechs in der Coaching-Phase.

Zum dritten Stichwort, zur Bildung und Qualifizierung. Es geht um die Medienkompetenz im Bildungsbereich, um die Ausstattung der Schulen mit Informationstechnik, um den kostenlosen Internetanschluß, aber auch um ein Modellschulensystem, bei dem das Cisco-NetworkingAcademy-Programm in den Unterricht integriert werden soll - genau das ist der fehlende Baustein, den Sie angesprochen haben, nämlich die inhaltliche Ausbildung in den Schulen ergänzend zur Hardwareausstattung -, und im Weiterbildungsbereich um die Zusammenarbeit mit Microsoft in der Ausbildung von MicrosoftSystemingenieuren.

Viertens. Die Befähigung der Unternehmen, an der Informationsgesellschaft teilzuhaben. Das haben Sie nicht erwähnt; zumindest habe ich es nicht gehört. In diesem Zusammenhang helfen wir fördernd im Hinblick auf Online-Ausschreibungen, Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen, das Vorantreiben des E-Commerce, die Unterstützung des elektronischen Geschäftsverkehrs. Ein weiterer Baustein ist die Innovationsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Sonderprogramm Telematik, das heißt die Unterstützung insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen bei der Nutzung und Anwendung der Tekematiktechnologien.

Fünftens. Der Bereich Multimedia. Das Multimediazentrum ist für Halle strategisch geplant worden nicht einfach nur so dahingesetzt, das wissen Sie auch - mit Blick auf die große MDR-Rundfunkanstalt und die mitteldeutsche Medienförderung. Hergestellt werden sollen dort multimediale Produkte. Orientiert wird auf wissenschaftliche und berufliche Bildung und auf Nischenbereiche der Medienproduktion und der Softwareentwicklung.

Es gibt eine lange Liste von Interessenten und von Absichtserklärungen. Ich will sie hier nicht vorlesen. Sie können meinen Kollegen Kühn fragen, der dafür sicherlich einer der kompetentesten Ansprechpartner im Landtag ist. Dort sind auch die sogenannten Global Player mit im Boot.

Abzulesen ist natürlich die Weiterentwicklung in Sachsen-Anhalt - ohne ein Loblied singen zu wollen, sondern einfach um die Fakten festzustellen, sie auch anzunehmen und auf dieser Basis weiterarbeiten zu können - an der Anzahl der Firmen, die sich auf der Cebit etablieren. Sie ist, nachdem wir auch schon Schlagzeilen „Keine Firmen auf der Cebit“ hatten, deutlich gestiegen. Es braucht eben ein paar Jahre, bis sich so etwas entwickelt. Das wissen Sie aber auch ganz genau.

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

Im Jahr 1995 waren es 25, im Jahr 1998 36 und im Jahre 2000 46.

Jedenfalls brauchen wir nicht 20 Jahre, um auf 5 % Internetanschlüsse zu kommen. Davon haben Sie die letzten 16 Jahre mitbestimmt, Sie selber nicht, aber zumindest eine Partei, der Sie sehr nahe stehen.

Ich will jetzt nicht erläutern, welche Firmen dort waren. Vielleicht machen Sie sich die Mühe und gehen das nächstemal auf die Cebit.

Aber natürlich haben Sie auch recht: Um das Ganze strategisch weiterzuentwickeln, muß man sich auch mit den Problemen der Unternehmen beschäftigen, vor denen diese beim nächsten Schritt stehen, wenn sie größer werden und auch in die Breite gehen wollen.

Selbstverständlich akzeptiere ich auch, daß man das nicht nur aus dem Wirtschaftsbereich heraus sehen darf, sondern daß man den bildungspolitischen Aspekt dabei nicht vergessen darf.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, der sich im wesentlichen nur in der Struktur, wie wir zu den Aussagen kommen wollen, von Ihrem Antrag unterscheidet. Ich halte ihn für wesentlich konkreter und würde um Zustimmung dafür werben wollen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU, und von Frau Bull, PDS)

Meine Damen und Herren! Bevor ich Herrn Professor Spotka noch einmal für die CDU-Fraktion das Wort erteile, begrüße ich wiederum rechts und links auf den Tribünen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kelbra.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Professor.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, darauf, daß ich aufgrund meines Antrages sehr viel Selbstlob von der Landesregierung zu hören bekommen würde, war ich sicherlich vorbereitet. Wenn man sich einmal im Glorienschein des Entrepeneurs Bill Gates gesonnt hat, bedeutet das aber noch nicht, daß man bundesweit Vorreiter auf diesem Gebiet ist.

(Beifall bei der CDU - Frau Budde, SPD: Das hat auch niemand behauptet, Herr Professor Spot- ka!)

Es gibt eine Vergleichsstudie des DMMV, des Deutschen Multimedia-Verbandes. In ihr ist ein sogenanntes Ranking oder Benchmarking bezüglich der Implementierung von Informations- und Kommunikationstechnik in den entsprechenden Bundesländern enthalten. In diesem Benchmarking wird Bayern in der Spitzenposition ausgewiesen,

(Frau Budde, SPD: Selbstverständlich!)

Sachsen-Anhalt am Schluß. Es war also höchste Zeit, Herr Minister, daß in Sachsen-Anhalt auf diesem Gebiet endlich etwas passiert ist.

Ich will aber hier keine neue Frontlinie aufmachen. Dieses Thema ist viel zu wichtig, um es wechselseitigen Schuldzuweisungen zu opfern. Vielmehr will ich konstruktiv betonen, daß wir uns darüber einig sind, daß Sachsen-Anhalt zukunftsfähige Strukturen in die-ser Hinsicht braucht und daß es höchste Zeit ist, diese auch vorzubereiten.

Daß es im Wirtschaftsministerium Ansätze dazu gibt, habe ich bereits betont. Aber es gibt ein Problem sowohl der Reden, die ich gehört habe, als auch des Antrags, Frau Budde. Es wird alles auf das Wirtschaftsministerium fokussiert, das heißt auf den von mir gerade kritisierten Ist-Zustand insofern, als beim Wirtschaftsministerium die meisten Initiativen dieser Art angelagert sind, alle anderen zu beteiligenden Ministerien sich aber vornehm zurückhalten oder abducken. Damit wird erneut die Engführung in der konzeptionel

len Ausgestaltung festgeschrieben, statt interministeriell einen Komplexansatz aller Ressorts zu favorisieren.

(Frau Budde, SPD: Das ist keine Engführung, das ist eine Zielsetzung, Professor Spotka! Eine Zielsetzung der wirtschaftlichen Entwicklung!)

Es wird so getan, als sei die Informations- oder Wissensgesellschaft allein eine Sache der Wirtschaft, und das ist weit gefehlt. Die Rückwirkung der Medienwirtschaft auf Bildung, soziale Sicherungssysteme, Innovationskultur, Umweltpolitik, Kulturwirtschaft, den rechtlichen Ordnungsrahmen usw. bleibt völlig unberücksichtigt. Es geht doch nicht um Initiativen der Wirtschaft oder gemeinsame Initiativen von Landesregierung und Wirtschaft allein; es geht um die Schaffung von Rahmenbedingungen und um eine neue Ordnungspolitik zur Sicherung einer ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Entwicklung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Informationsgesellschaft.

Meine Damen und Herren insbesondere von der SPDFraktion, die Bundesregierung hat dem bereits Rechnung getragen, indem sie ein ressortübergreifendes Aktionsprogramm „Innovationen und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ kon-zipiert hat.

Überraschenderweise - zu diesem Zeitpunkt hatte ich meinen Antrag schon geschrieben, dies bestätigt jedoch die Richtigkeit meines Ansatzes - haben die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN am 20. Januar einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, den ich mir habe schicken la ssen.

In diesem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, mit Hilfe des amerikanischen Verfahrens des sogenannten Roadmapping eine Strategie für eine nachhaltige Informationstechnik zu entwickeln. Sie können das Papier einmal nachlesen. Vielleicht korrigieren Sie dann die Engführung Ihrer Auffassung. Dieses Strategiepapier wird ausdrücklich nicht als Ressortangelegenheit nur des Bundeswirtschaftsministers und der Wirtschaftsverbände betrachtet, sondern aller Akteure der Informations- und Kommunikationsbranche, der Medien, von Wissenschaft, Bildung, Politik, Sozialverbänden usw. usw.

(Frau Budde, SPD: Das steht nicht drin im An- trag, was Sie da vorlesen!)

Die Landesregierung selbst, meine Damen und Herren, hat am Schluß des Vertrages mit Microsoft einen Passus hineinformuliert, daß diese Kooperation nur als ein Baustein in einem größeren Kontext angesehen werden darf. Genau um diesen größeren Kontext geht es hierbei, und diesen vermissen wir bei Ihrem Vorgehen bei aller Anerkennung der Einzelprojekte und Landesinitiativen, aber auch in Ihren Reden, Frau Budde und Herr Minister.

Genau das ist der springende Punkt. Ein berechtigter Grundsatz, dem der vorliegende Antrag bedauerlicherweise nicht folgt, daß nämlich alle Ressorts in diese Strategie einzubinden sind, wird verletzt.