Protokoll der Sitzung vom 23.06.2000

Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 25 wird vom Abgeordneten Herrn Krause, PDS-Fraktion, eingebracht.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie sicherlich wissen, sind die Länder Bayern, Hessen und meines Wissens auch Nordrhein-Westfalen im Bundesrat bezüglich des Grundstückverkehrs- und des Landpachtverkehrsgesetzes aktiv geworden. Wir wissen auch, daß sie dies mit unterschiedlicher Intention taten.

Auf der einen Seite wurde die Forderung erhoben, das Grundstück- und Landpachtverkehrsgesetz regelrecht abzuschaffen und damit auf die regulierende Funktion der öffentlichen Hand zu verzichten. Auf der anderen Seite wurde die Forderung erhoben, die Gesetzgebungskompetenz oder die Zuständigkeit im Grundstücks- und Landpachtverkehr den Ländern zu übertragen.

Dieser Intention, meine Damen und Herren, könnte sich die Fraktion der PDS ohne weiteres öffnen. Der Grundstücks- und Landpachtverkehr berührt in vielerlei Hin

sicht wichtige Belange der Struktur- und Wirtschaftsentwicklung, insbesondere in den Landkreisen und Gemeinden des landwirtschaftlich geprägten Raumes.

Diesbezüglich stellt sich für uns die Forderung nach einem weiteren Bestand der Genehmigungspflicht im Grundstücksverkehr bei landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Sicherung eines möglichen Vorkaufsrechts der öffentlichen Hand, um Fehlentwicklungen im Grundstücksverkehr zu Lasten einer gesunden agrarstrukturellen Entwicklung zu vermeiden.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag ersuchen wir die Landesregierung, über die genannten Problemstellungen im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu berichten und diesbezüglich die Position der Landesregierung darzustellen. Wir bitten um Annahme des Antrages, um das nach der Sommerpause konkret tun zu können.

Wir stimmen auch dem Antrag der CDU-Fraktion zu. Diesen Antrag sehen wir als eine Erweiterung der von uns geforderten Berichterstattung, indem die Landesregierung auch über die Erfahrungen und bisherigen Ergebnisse auf dem Gebiet des Grundstücksverkehrs unter der Beachtung des genannten Runderlasses des Ministeriums berichtet.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke für die Einbringung. - Frau Wernicke bringt den Antrag der CDU-Fraktion unter Tagesordnungspunkt 26 ein.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erste bekanntgewordene Bestrebungen, mit landwirtschaftlichen Flächen einen wirtschaftlich ausgerichteten Bodenfonds einzurichten, veranlaßten die SPD, in diesem Landtag im Dezember letzen Jahres einen Antrag einzubringen, der die Problematik des Grundstückverkehrsgesetzes eigentlich abdecken könnte.

In diesem Zusammenhang haben wir darauf hingewiesen, daß das Grundstückverkehrsgesetz bei dieser Praxis, sprich Bodenfonds, beachtet werden muß. Wir hatten in der Beratung zu diesem eben genannten Antrag zum Ausdruck gebracht, daß wir der Meinung sind, daß dieses Grundstückverkehrsgesetz, welches die rechtsgeschäftliche Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke von einer behördlichen Genehmigung abhängig macht, bisher in der Praxis nicht ausreichend, nicht umfassend und nicht gleichermaßen im ganzen Lande angewandt wurde.

Dieses Grundstückverkehrsgesetz soll Spekulationen unterbinden und lebensfähige landwirtschaftliche Betriebe geschlossen halten. Dadurch wird unseres Erachtens nicht nur aktiv die Agrarstrukturverbesserung betrieben, sondern es entfaltet sich auch eine generalpräventive Wirkung gegenüber Spekulanten. Eine Verschlechterung der bestehenden Agrarstruktur oder rechtsbedenkliche Geschäfte können mit diesem Gesetz verhindert werden.

Damals wiegelte die Landesregierung unseres Erachtens das Problem etwas ab und sagte, es bestehe kein Handlungsbedarf. Sie hat aber verkannt, daß es sich um Flächen handelt, die angepachtet sind. Die Tatsache, daß in der nächsten Zeit die Pachtverträge auslaufen,

berechtigt die Bauern unseres Erachtens, auf die Problematik verstärkt hinzuweisen.

Wir schätzen ein, daß die Behörden in der Vergangenheit das Grundstückverkehrsgesetz nicht in ausreichendem Maße angewendet haben bzw. daß es nicht ausreichend zur Bildung von Grundstücksausschüssen gekommen ist. Ein Beispiel aus dem Landkreis Roßlau, so informierte uns der Bauernverband, zeigt auf, daß sogar die Arbeit dieser Grundstücksausschüsse untersagt worden sei. Ich kann mich dabei nur auf Aussagen des Bauernverbandes beziehen.

Es ist uns in diesem Zusammenhang auch bewußt, daß die Landesregierung Ende März dieses Jahres den erwähnten Runderlaß aus dem Jahr 1994 mit den Hinweisen zum Reichssiedlungsgesetz und zum Grundstückverkehrsgesetz zur Handhabung noch einmal an die Regierungspräsidien geschickt hat und diesbezüglich um Beachtung gebeten hat. Das ist aus unserer Sicht nicht ausreichend. Wir haben seit mehreren Jahren darauf hingewiesen, daß zwar die Handhabung weitergereicht worden ist, aber die Kontrolle, wie mit diesem Gesetz umgegangen wurde, unzureichend ist.

Wir wissen, daß die Landesregierung im Zusammenhang mit diesem Bodenfonds ein Gutachten in Auftrag gegeben hat und daß das Ministerium auch die Landkreise um einen Bericht gebeten hat. Wir gehen davon aus, daß beides im Herbst dieses Jahres vorliegen wird. Wir sind der Meinung, daß unser Antrag im Zusammenhang mit dem Gutachten bzw. mit den Ergebnissen der Befragung der Landkreise beraten werden sollte. Der Antrag ist so formuliert, daß über ihn direkt abgestimmt werden müßte.

Wir sind der Meinung, daß der Antrag der PDS-Fraktion - ich will das gleich anschließen - eigentlich überflüssig ist; denn es gab diese Bestrebungen, wie Herr Krause sagte, in einigen Ländern. Aber die Bundesregierung und der Bundestag haben das Grundstückverkehrsgesetz als bewährt eingeschätzt und eine Übertragung der Gesetzgebungskompetenz mehrheitlich abgelehnt. Aus unserer Sicht müßte darüber nicht mehr beraten werden. Wir werden uns zum Antrag der PDS-Fraktion der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Frau Wernicke, danke für die Einbringung. - Es ist eine verbundene Debatte vereinbart worden in der Reihenfolge DVU-FL, SPD, CDU, FDVP und PDS. Als erstem erteile ich für die Landesregierung Minister Herrn Keller das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es recht kurz machen. Ich gehe davon aus, daß beide Anträge angenommen werden. Die Landesregierung wird selbstverständlich zu beiden Themen im Ausschuß berichten. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS)

Danke, Herr Minister. - Die DVU-FL-Fraktion hat ihren Redebeitrag, wenn Sie keine Einwände erheben, zu Protokoll gegeben. - Es erhebt sich kein Einwand.

(Zu Protokoll:)

Das Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, das Grundstückverkehrsgesetz, ist wohl eines der wichtigsten Grundlagengesetze für die Sicherung des Bestandes und der Erhaltung vorhandener und zu errichtender land- bzw. forstwirtschaftlicher Betriebe.

Da das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch den 1994 verbreiteten Runderlaß die Handhabung des Gesetzes den zuständigen Regierungspräsidien nachdrücklich zur Anwendung empfahl, ist die Frage nach der Umsetzung in der Praxis berechtigt, ja notwendig. Es kann der Landesregierung nicht schwerfallen, vor dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die erfolgreiche Anwendung des Grundstückverkehrsgesetzes in Sachsen-Anhalt zu berichten.

Der Herr Ministerpräsident gratulierte beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Landesbauernverbandes den Bauern des Landes zu ihren Erfolgen in der Produktion, eine Voraussetzung für diese Erfolge sind sicher geklärte Besitzverhältnisse. Aber dieses stolze Grußwort des Ministerpräsidenten täuscht über einige wichtige Probleme der Landwirte, Viehzüchter und Waldbewirtschafter hinweg.

Einseitig ausgearbeitete Verträge zur Deichbewirtschaftung, mangelhafte Verträge zur Nutzung von Acker- und Weideflächen in Naturschutzgebieten machen anliegenden Agrar- und Viehbetrieben arg zu schaffen. Verantwortlich dafür sind mangelnde Absprachen zwischen Besitzern und Nutzern. Besitzer dieser Flächen ist fast immer das Land.

Die ländlichen Regionen unseres Bundeslandes sind leider noch allzuoft vernachlässigte Gebiete mit einer schlechten Infrastruktur. Die Abwanderung der Bevölkerung ist nur eine der Folgen.

Wenn die Verantwortlichen der Landesregierung, der Regierungspräsidien und des Landesbauernverbandes zusammen mit ansässigen Grundstücks- und Bauernlandnutzern sowie möglichen Investoren das Grundstückverkehrsgesetz uneigennützig zur Anwendung bringen würden, dann wäre, deutlicher als zur Zeit zu sehen, eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation in diesen Regionen zu spüren.

Die Landwirtschaft, das Rückgrat allen gesellschaftlichen Lebens, muß in unserem Land wieder zum Garant sichtbaren wirtschaftlichen Aufschwungs werden; das funktioniert nur, wenn alle Besitzverhältnisse gesetzlich geregelt sind.

Auch wir fordern hiermit die Landesregierung auf, dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Umsetzung des Runderlasses von 1994 Bericht zu erstatten. Die Landesregierung sollte bei der Berichterstattung schonungslos und wahr auch über rechtsbedenkliche Landspekulationsgeschäfte berichten; nur Ehrlichkeit hilft uns weiter.

Wir stimmen einer Überweisung in den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu.

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Meinecke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, mich bei der Kürze selbst zu übertreffen.

Ich möchte noch einmal auf den Antrag vom Dezember vergangenen Jahres hinweisen. Meiner Meinung nach wären beide Anträge eigentlich mit diesem Antrag abgedeckt gewesen.

Deshalb gehe ich davon aus, daß wir im Herbst über das bereits erwähnte Gutachten diskutieren werden, wie es angekündigt und im Beschluß des Ausschusses festgelegt worden ist. In diesem Zusammenhang hätten wir sicherlich auch, wenn es die vorliegenden Anträge nicht gegeben hätte, darüber diskutieren können.

Aber ich verschließe mich den beiden Anträgen nicht. Wir werden beiden Anträgen zustimmen. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Frau Wernicke, wünschen Sie noch einmal das Wort? Frau Wernicke verzichtet. Frau Helmecke bekundet, daß sie ihren Redebeitrag zu Protokoll geben möchte. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das sehe ich nicht.

(Zustimmung von Herrn Prof. Dr. Spotka, CDU)

(Zu Protokoll:)

Der vorbezeichnete Antrag der PDS ist ein typischer Schaufensterantrag, bei dem die Fraktion der PDS weiß, daß er ohnehin nicht durchsetzbar ist. Im übrigen ist er sachwidrig; denn die PDS wünscht einen Regelungsrahmen, dem auch nach landesrechtlich typischen Gesichtspunkten bereits nach der geltenden Rechtslage entsprochen werden kann.

Der von der PDS benannte Regelungsgegenstand ist ein Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. Nach Artikel 72 Abs. 1 des Grundgesetzes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

Nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 18 erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung unter anderem auch auf den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das landwirtschaftliche Pachtwesen, das Wohnungswesen, das Siedlungs- und Heimstättenwesen.

Mit der Verabschiedung des Grundstückverkehrsgesetzes in der Fassung vom 28. Juli 1961, dem Landpachtverkehrsgesetz in der Fassung vom 8. November 1985 sowie dem Reichssiedlungsgesetz vom 11. August 1919 in der Fassung des Grundstückverkehrsgesetzes vom 28. Juli 1961 hat der Bund aber von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht.

Mithin kann die Sachmaterie nur durch ein verfassungsänderndes Gesetz und die Streichung von Artikel 74 Abs. 1 Nr. 18 des Grundgesetzes durch verfassungsaufhebendes Gesetz wieder dem Zuständigkeitsbereich der Länder zugeführt werden.

Ein solches Gesetz bedarf nach Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Solche Mehrheitsver

hältnisse sind selbst bei kühnstem Verhalten und kühnsten Annahmen ernsthaft nicht zu erreichen.

Darüber hinaus ist zu bemerken, daß formal eine Rückübertragung von Zuständigkeiten auf die Länder ohnehin nicht vorgenommen werden würde; denn - man kann annehmen, daß das der PDS bekannt ist oder bekannt sein sollte - die begehrte landesrechtliche Zuständigkeit würde sich dann nicht aus den Artikeln 71 ff. des Grundgesetzes ergeben, sondern aus den Artikeln 30, 70 Abs. 1 und 70 Abs. 2 des Grundgesetzes.