Lieber Kollege Becker, Sie haben gemeinsam mit Ihrer CDU-FDP-geführten Landesregierung damals bereits eine Gebietsreform hinter sich gebracht, ohne dabei eine Reform der Landesverwaltung durchzusetzen, geschweige denn ein Vorschaltgesetz einzubringen oder zu erlassen.
(Zuruf von Herrn Webel, CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Sie hätten uns auch weiter regieren lassen können!)
Sehr geehrte Frau Kollegin Leppinger, erinnern Sie sich an das - das war in der Tat ein Kraftakt -, was wir damals gemacht haben? Wir haben im Jahr 1993 einen Entschließungsantrag verabschiedet, dem die meisten zugestimmt haben. Das war damals sogar fraktionsübergreifend. Die PDS hat den Antrag auch mitgetragen.
Wir haben damals bereits gesagt, dass vor einer weiteren kommunalen Gebietsreform eine Funktional- und Verwaltungsreform erfolgen muss. Wir sind insofern stehen geblieben, als wir nach wie vor auf dieser Forderung beharren; da haben Sie vollkommen Recht. Man hätte es damals auch anders machen können.
Das gebe ich zu. Aber die Kleingliederung der Landkreise war unser Problem. Wenn wir die kleinen Könige von Hohenmölsen, von Nebra, von Klötze hätten weiter regieren lassen, was wäre dann dort entstanden? Überall Riesengebäude, die heute leer stehen und uns auf die Füße fallen würden. Wir mussten doch diese kleinen Kreise beseitigen.
Das wissen Sie doch selber. Aber, Frau Leppinger, Sie erinnern sich auch, wie schwer es war. Darf ich Sie daran erinnern, dass selbst mein Fraktionsfreund Schellbach hier an diesem Pult hing und was er alles sagte. Also selbst in den Fraktionen gab es Streit.
Deshalb sage ich immer, Frau Leppinger, Sie verheben sich, wenn Sie das alles auf einmal machen wollten. Wir hatten damals eine relativ satte Mehrheit, und Sie wollen
Danke für Ihre große Geduld, Fragen zu beantworten. - Für die DVU-FL-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Montag.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als die erste Kommunalreform im Jahr 1993/1994 durchgeführt wurde, hat in vielen Kommunen der Glaube vorgeherrscht, man müsse die mit der Wende erlangte Selbständigkeit aufgeben. Zu ungewohnt und zu neu war noch alles, und vieles musste vor Ort erst getan werden.
Doch es würde in unserem Leben wahrlich trist und öde aussehen, wenn es nicht die Reformer und Verbesserer gäbe. Diese befinden sich in breiter Palette auf der Regierungsbank. Ihre Ideen gipfeln darin, Strukturen, welche sich gerade gebildet haben, zu zerschlagen. Dieses ist umso unverständlicher, da sich seitens der Bevölkerung eine gute Akzeptanz zeigte.
Doch nicht genug damit. Parallel dazu wollen diese unermüdlichen Verbesserer nun auch noch eine Kreisgebiets- und Verwaltungsreform durchführen. Was sich eigentlich als folgerichtig zeigen müsste - die Verwaltungsreform beim Land -, davon, meine Damen und Herren, ist herzlich wenig zu spüren.
So mancher ist schon bei dem Versuch, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, ins Straucheln geraten. Reformieren wir doch nicht um des Reformierens willen. Bei Aktivitäten dieser Art sollte man schon eine Vorstellung davon haben, welche Kompetenzen, Aufgaben und Größen auf den einzelnen Verwaltungs- ebenen angebracht sind.
Der Gesetzgeber ist an dieser Stelle gefordert. Schnell kann sich die Freiwilligkeit beim Zusammenschluss der Kommunen zum Pferdefuß entwickeln. Deshalb können wir allerorts in den Verwaltungen eine gewisse Verunsicherung feststellen. Seitens der Kommunalpolitiker liegen Bestätigungen vor.
Vieles gilt es noch zu tun, ehe ein Erstes Vorschaltgesetz auf den Weg gebracht ist. Zweifler sehen die Realisierung einer Kommunalreform in dieser Legislaturperiode nicht mehr. Auch wir sind der Meinung, dass man gravierende Veränderungen bestehender Strukturen nicht starr an Zahlen festmachen sollte.
Gerade in Sachsen-Anhalt verzeichnen wir durch seine Vielfalt - was da sind die unterschiedlichsten Produktionsstätten und Wirtschaftsstandorte - eine demgemäße Bevölkerungsdichte. Es zeigen sich viele kleine Verwaltungseinheiten, die mit gleicher Effizienz arbeiten, wie es bei den größeren zu sehen ist.
Meine Fraktion lehnt deshalb zum jetzigen Zeitpunkt eine Ausschussberatung ab und erwartet, dass die Landesregierung ein Arbeitspapier erstellt, aus dem klar und deutlich die zukünftige Aufgabenverteilung für die verschiedensten Verwaltungsebenen sowie der Verwaltungsaufbau des Landes generell hervorgehen. - Danke.
Meine Damen und Herren! Bevor ich Frau Budde als letzter Rednerin in der Debatte das Wort erteile, begrüße ich herzlich auch in Ihrem Namen Schülerinnen und Schüler des Siemens-Gymnasiums Magdeburg und Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Kurs der Kreisvolkshochschule Tangerhütte. Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Montag, ich lehne die Ausschussberatung auch ab; wir sind nämlich schon in der zweiten Beratung im Plenum und ich würde das Gesetz heute ganz gern beschließen.
Herr Becker, Herr Professor Dr. Böhmer, darf ich Sie an den Beschluss Ihrer Landesregierung über die Bildung von Bezirksregierungen vom November 1990 - das ist fast zehn Jahre her - erinnern? Ich darf einmal die Ziffer 2 zitieren:
„Die Bezirksregierungen sollen entfallen, sobald die Kreise und Gemeinden über die für eine zweistufige Landesverwaltung erforderliche Größe und Leistungskraft verfügen.“
Sie haben eben genau das Gegenteil von dem erzählt, was Sie selber ursprünglich einmal machen wollten.
- Ich habe gut zugehört. Ich habe auch alles gehört, was Sie zu dem Entschließungsantrag gesagt haben. Trotzdem war dies geltendes Gesetz.
Was wir uns jetzt vorgenommen haben, ist nichts anderes als die Umsetzung des Beschlusses, den Ihre Landesregierung damals auch hinsichtlich der Gleichzeitigkeit von Kommunal-, Funktional- und Gebietsreform gefasst hat.
Ich wundere mich, dass Sie heute nicht einmal mehr den Änderungsbedarf sehen, den Sie eigentlich schon vor zehn Jahren gesehen haben. Sie haben - ich darf Sie daran erinnern, Herr Becker - 1993 auch bedauert, dass im Süden Sachsen-Anhalts kein Großkreis möglich war, weil die freiwillige Phase nicht dazu geführt hat.
Deshalb muss es aber nicht immer bei diesen Strukturen bleiben. Die Kreise sind - das haben wir schon mehrfach gemeinsam festgestellt - zu klein. Die Größe von 120 000 Einwohnern je Landkreis aus Ihrem Leit-bild war schon bei der Beschlussfassung im Landtag in großen Bereichen nicht mehr erreicht.
Herr Professor Böhmer, Sie haben heute in Ihrem Interview mit der „MZ“ gesagt: Wenn die CDU als Opposition nur Gezänk ohne politische Inhalte veranstalten würde, würde ihr niemand Glaubwürdigkeit bescheinigen.
Ich gratuliere Ihnen von der CDU zu Ihrem Parteivorsitzenden. Das meine ich ohne Zynismus, das meine ich ernst, weil die Diagnose zutreffend ist. Jedoch glaube ich, dass an dieser Stelle noch viel zu tun ist, um es nicht noch zu dem kommen zu lassen, was Sie, Herr Professor Böhmer, auch angemahnt haben.
In Ihrer Erfurter Erklärung - vielleicht wären Sie besser nach Sachsen gegangen, dann hätten Sie vielleicht mehr Klarblick darin gehabt, denn Ihre Kollegen dort
haben schon eine kommunale Reform gemacht - zur Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung heißt es: Eine Zerschlagung der über 1 000 identitätsstiftenden Gemeinden kommt für die CDU nicht in Betracht. Das haben Sie dort einstimmig beschlossen.
Für mich ist dies nichts anderes als das etwas populistisch beschriebene Gezänk, das Ihr Herr Landesvorsitzender nicht haben wollte;
denn wir haben im Ersten Vorschaltgesetz Vorkehrungen dafür getroffen, dass gerade die Kirche im Dorf bleibt, dass die Identität gewahrt bleibt.
Die Gemeinden haben die Wahl zwischen der Bildung von Einheitsgemeinden mit inhaltlich erweiterten Ortschaftsverfassungen und der Bildung von qualifizierten Verwaltungsgemeinschaften. Beide Modelle stärken die örtliche Identität und geben den bisherigen Gemeinden entsprechenden Gestaltungsspielraum. Beide Modelle stärken die Demokratie sogar in den kleinen Gemeinden.
(Herr Webel, CDU: Fahren Sie mal nach Olven- stedt! - Frau Wernicke, CDU: Fahren Sie doch aufs Dorf!)
- Ich rede oft mit meinen Kollegen vom Dorf, was ich erst gestern Abend auf einer Regionalkonferenz der SPD in Magdeburg getan habe. Dort hat ein Kollege aus dem Dorf gesagt: Was hat denn der Gemeinderat einer kleinen Gemeinde noch zu sagen, die weder über eine Schule noch über einen Kindergarten verfügt,
(Frau Wernicke, CDU: Dann ist das ein schlech- ter Gemeinderat! - Herr Becker, CDU: Dann müssen Sie den abwählen! Die meisten haben einen Kindergarten!)
wo all diese Fragen vom Gemeinderat der größeren Nachbargemeinde mit entschieden werden und ich mich um einen Hundertmarkschein für die Feuerwehr streiten muss. Da steigt sogar der Einfluss, der durch die Reform jetzt möglich ist.